Nachricht | Afrika - International / Transnational Südafrikas «neue Mittelklasse»

Ein von der RLS unterstütztes Forschungsprojekt bietet einen Blick in die Auswirkungen der Krise der Arbeit.

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Sozialwissenschaftler um den Soziologen Prof. Peter Alexander von der Universität Johannesburg untersuchen den Wandel der sozioökonomischen Lebenslagen im größten südafrikanischen Township Soweto, wo etwa 2,5 bis 3 Millionen Menschen leben. Fast die Hälfte der Einwohner Sowetos ist arbeitslos und arm und dennoch, so die Studie, beschreiben sich überraschenderweise zwei von drei Einwohnern Sowetos als zur Mittelklasse zugehörig.

In dem zum Forschungsprojekt gehörenden Dokumentarfilm mit dem Titel «Phakathi (in the Middle)» erklärt ein Touristenführer: „weil ich aus einer Armensiedlung in eine bessere Unterkunft umgezogen bin, gehöre ich zur Mittelklasse.“ Zur Mittelklasse zählt sich auch ein Grafikdesigner mit seinem kleinen Unternehmen, weil er energisch sein nächstes Ziel anpeilt: ein neues Auto, einen Mercedes-Benz.

Neben diesen zur „black emerging middle class“ zählenden Haushalten will aber auch eine arbeitslose Frau in ihrer einfachen Wellblechhütte zur Mitte der Gesellschaft zählen. Warum sie dazu gehört? „Weil ich im Gegensatz zu vielen meiner Nachbarn selber in der Lage bin, jeden Tag für Essen auf den Tisch zu sorgen.“ Wie die arbeitslose Frau, so will sich auch ein einfacher Arbeiter, der alte Kühlschränke repariert, zur Mittelklasse dazugehören. Voller Stolz gibt er an Mittelklasse zu sein, weil er niemanden um Essen anbetteln muss.

Die Studie der Universität Johannesburg zeigt, dass die Menschen sich in einer so ungleichen Gesellschaft wie Südafrika, nicht mit den Reichen, die hinter ihren hohen Mauern mit Elektrozaun leben, vergleichen, sondern mit ihren Nachbarn und Freunden, die weniger haben oder die wie sie selbst langsam ihre Lebenssituation verbessern.

Im Meer von Arbeitslosigkeit und Armut ist der Begriff Mittelklasse, so Jonny Steinberg von der Universität Kapstadt in der Sunday Times (4.12.2010), zum Synonym für die eigene Leistungsfähigkeit geworden. Mittelklasse bedeutet angesichts tausendfacher erzwungener Untätigkeit in Folge der Krise der Arbeit, weiter selber für sich sorgen zu können. Noch wird Arbeitslosigkeit in Südafrika nicht als „normal“ empfunden.

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