Als im Sommer 2010 die bahnpolitische Exkursion der Rosa-Luxemburg-Stiftung/Peter-Imandt-Gesellschaft mit den Bundestagsabgeordneten Thomas Lutze und Katrin Werner, so wie dem Luxemburger Nationalratsabgeordneten André Hoffmann durch die Großregion Saar-Lor-Lux auf den Tag der Menschenrechte terminiert wurde, konnte noch niemand erahnen, dass nur wenige Tage zuvor folgende Meldung die Runde in den Saar-Medien machte: „Ringverkehr in der Großregion gefordert“.
Im Mittelpunkt dieser Idee steht die Städte Saarbrücken, Metz, Luxembourg und Trier mit einem attraktiven Ringverkehr zu verbinden. Reinhard Klimmt (ex. Ministerpräsident und Bundesverkehrsminister a.D.) und Werner Ried vom VCD veröffentlichten in einer zweisprachigen Broschüre ihre Vorschläge, wie der Bahnverkehr in der Großregion gestaltet werden sollte. (1) Leider gehen die beiden Autoren nicht soweit, die Mobilität der Bevölkerung als Menschenrecht zu definieren.
Dennoch machten sich 15 verkehrspolitisch Interessierte – darunter Prof. Harald Zimmermann, Vorsitzender der „Interessengemeinschaft Warndt- und Rosseltalbahn“ - in der Adventszeit auf deren Spur. Los ging es für die meisten am Saarbrücker Hauptbahnhof – der sich stolz Europabahnhof nennt und wenige Tage zuvor negative Schlagzeilen machte, weil der einzige Fahrkartenautomat am neugestalteten Nordeingang aus Kostengründen abgebaut wurde. Wir gingen direkt in die Schalterhalle, zogen wie beim Arbeitsamt eine Nummer, die 62. An den beiden geöffneten Schaltern stand aber 61. Kunden gab es keine, dafür 4 bis 5 Mitarbeiter, die hitzig vor einem Computer debattierten. Eine Mitarbeiterin mit roter Warnweste entdeckte uns aber noch rechtzeitig, fragte ordnungsgemäß nach unserer Nummer und sagte dann, dass wir auch an die 61 gehen könnten.
Gesagt getan. Dort wollten wir eine Gruppenfahrkarte für die Großregion lösen. Am selben Tag wurde dies noch für viel Geld in der Saarbrücker Zeitung durch Die Bahn beworben. Doch Fehlanzeige. Es gibt nur ein Ticket für das Saarland und Rheinland-Pfalz und das Saar-Lor-Lux-Ticket. Letzteres aber nur samstags und sonntags. Wir wollen aber am Freitag fahren. Nein – gibt es nicht, so die Antwort. Warum? – Weil es dieses Ticket nur am Wochenende gibt. Ok, dass es vielleicht Touristen, Familien oder gar Rentner gibt, die unter der Woche sich die Sehenswürdigkeiten der Großregion anschauen wollen? Nein, keine Chance: „Sie müssen Einzelfahrkarten kaufen.“ Für 15 Leute wurde jedes Ticket nach Metz einzeln ausgedruckt. „Wenn Sie 9:26 Uhr den Zug nehmen wollen, dann schaffen wir den Ausdruck der Fahrkarten Metz – Luxembourg nicht mehr. Gehen Sie besser in Metz noch einmal an den Schalter“, so der freundliche Hinweis.
In Saarbrücken bestiegen wir die moderne Regionalbahn nach Forbach. Forbach? Richtig, in Forbach muss umgestiegen werden. Der Grund ist einfach. Zwischen Saarbrücken und Metz ist die Strecke elektrifiziert. Aber ein elektrischer Triebwagen der französischen Bahn kann nicht so einfach nach Saarbrücken fahren, da in Deutschland ein anderer Strom verwendet wird als in Frankreich. Und da die Mehrsystemtriebwagen wohl sehr teuer sind, fährt man bis Forbach trotz Elektrifizierung mit einem Dieseltriebwagen und steigt dort um in einen Elektrotriebwagen. Na gut, wenigstens gibt es keine Zollkontrollen mehr, obwohl mindestens sechs deutsche und französische Polizisten in dem kleinen Zug mitfuhren. Sicher ist sicher.
Ankunft in Metz mit 30 Minuten Aufenthalt. Also schnell zum Fahrkartenschalter. Dort sind zwar alle Schalter geöffnet, aber weitere zehn Reisende warten vor uns sehr geduldig. Als nach zehn Minuten keiner der zehn Wartenden abgefertigt wurde, versuchten wir unser Glück an einem der zahlreichen Automaten. Das mit dem Gruppenticket haben wir gar nicht erst probiert. Dafür konnte man bis zu sechs Einzeltickets gleichzeitig erwerben. Prima, das schaffen wir, zumal der Automat auch deutsch als Anzeigesprache erkannte. Doch als wir bezahlen wollten, versagte der Dienst bei allen vier verwendeten EC- und Kreditkarten. Bargeld? Wollte der Automat auch nicht. Wieder kam uns eine freundliche Servicekraft zu Hilfe. Die Frau nahm uns mit, an den Wartenden vorbei zu einem Extraschalter. Dort bekamen wir sofort unsere Tickets, die Kreditkarte wurde akzeptiert und die beiden U25-Mitreisenden bekamen 25 Prozent Rabatt. Geht doch. Nun war noch Zeit für einen Glühwein vor dem Bahnhof.
Ab Metz brachte uns die Luxemburger Bahn CFL in deren Land – pünktlich und komfortabel. Dort angekommen wurden wir von den Partnern der „Dei Lenk“ André Hoffmann, Marc Baum, John Rossi, dem ehem. Vorsitzenden Henri Wehenkel und anderen Luxemburger Linken herzlich empfangen. Im „Casino Syndical“ – das hat nichts mit Rotlicht zu tun, sondern ist ein Gewerkschaftshaus – luden uns die Luxemburger Freunde zu einem leckeren Mittagessen ein. Nebenbei diskutierten wir die Notwendigkeiten der grenzüberschreitenden Mobilität, die gerade für das Ballungszentrum „Luxemburg“ ein überaus wichtiges Politikum darstellt.
Anschließend hatten die Luxemburger Freunde die Presse eingeladen, denen wir unsere verkehrspolitischen Erfahrungen mitteilten.
Weiter nach Trier ging es mal wieder mit Dieselantrieb, trotz elektrifizierter Strecke. Und die Zeit moderner Züge. Wir hatten dies bei der Pressekonferenz auch noch ausdrücklich gelobt, leider zu früh. Hier kam ein Dieseltriebwagen der Baureihe 628 zum Einsatz. Er sah aus wie ein DB-Zug, wurde aber von der CFL betrieben. Aber gut, wir hatten alle Sitzplätze und die in dieser Baureihe fehlende Klimaanlage spielte im Dezember keine Rolle. Die Heizung funktionierte. Im Juli bei 30 Grad im Schatten nützt aber eine Heizung wenig.
In Trier machten wird abschließend einen kurzen Abstecher in das Wahlkreisbüro der Bundestagsabgeordneten Katrin Werner, bei bereits die ganze Tour mitgefahren war. Hier stießen wir auf Harald Jansen, dem Vorsitzenden der Jenny-Marx-Gesellschaft, die rheinlandpfälzische Partnerstiftung der Peter-Imandt-Gesellschaft. Jansen war eigens aus Koblenz angereist um die Verkehrspolitiker zu begrüßen. In der verblieben Stunde stand Erfahrungsaustausch auf der Tagesordnung und dann der Rückweg zum Trierer Hauptbahnhof.
Dort gab es zum Glück noch die Fahrkartenschalter, die Die Bahn vor einem halben Jahr auch schon mal wegrationalisieren wollte. Jetzt bekamen wir das für uns günstige Gruppenticket. „mit dem Sie in ganz Rheinland-Pfalz fahren können“, so die freundliche Verkäuferin. „Wir wollen aber nach Saarbrücken“ so unsere Nachfrage. „Das gehört dazu“. Ups, wenn jetzt unser Lothar Schnitzler (MdL) mit am Schalter gewesen wäre. Zum Glück wartete er in der Bahnhofshalle und hat dies nicht gehört. Man weiß nicht wie diese Diskussion unter der Rubrik „saar-pfälzische Freundschaft“ geendet hätte.
So betraten wir den vollkommen überfüllten Regionalexpress nach Saarbrücken, der in Trier pünktlich losfuhr, aber mit 10 Minuten Verspätung in Saarbrücken. Egal, es war unsere Endstation und eventuell verpasste Anschlusszüge waren heute nicht unsere Baustelle.
Am nächsten Tag der Menschenrechte in 2011 wird der noch zu schaffende Ringverkehr und sein Tarifsystem erneut einem „Stresstest“ unterzogen. Dann wird deutlich, ob man der mobilen „Großregion auf Schienen“ näher gekommen ist. Schon heute sind deren Erfinder Reinhard Klimmt und Werner Matthias Ried hierzu herzlich eingeladen.
(1) Literaturhinweis: Reinhard Klimmt/Werner Matthias Ried, Auf der Schiene mit der Großregion, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, ISBN 978-3-8329-6064-3, 19,95 Euro.
Bilder zur Fahrt u.a. auf www.dielinke-saar.de unter „Bildergalerie“.