Nachricht | Kultur / Medien - Geschlechterverhältnisse Öffentliche Generalprobe

Kabarett mit Alleinstellungsmerkmal in Prenzlau. LINKE lud zum 5. Mal zum politischen Kabarett. Bericht von Jörg Dittberner.

Manch eine(r) betrachtete das Projekt „Frauentagsfeier mit Kabarett“ oder auch „Kabarett mit Frauentagsfeier“ als heikle Nummer. Würden sich die Frauen darauf einlassen? Wäre ein „Stehcafé“ der richtige Weg? Und wo soll denn die Tasse während des Programms stehen? Berechtigte Fragen aus der Vorbetrachtung. Letztendlich aber nur theoretische Probleme, keine reellen.

Knapp 95 Besucher beim 5. von der LINKEN initiierten Auftritt des politischen Kabarettisten Gerd Hoffmann aus Berlin in Prenzlau. Diesen allein schon an der Besucherzahl gemessenen Erfolg hatte niemand erwartet. Die Organisatoren, die Fraktion DIE LINKE. Prenzlau und die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg, zeigten sich am Ende der gut 120 Minuten dauernden Vorpremiere erleichtert und zugleich zufrieden. Das hatte keiner erwarten können, zumal das Risiko des „Stehcafés“ blieb. Aber es wurde von den über 60 Frauen gerne angenommen, viele bedankten sich ausdrücklich für den gelungenen Nachmittag. Dieser war auch Dank der vielen Kuchenbäcker ermöglicht worden, bei denen ich mich hiermit ausdrücklich bedanken werde.

Und noch ein Ergebnis vorweg: Die Spendensammlung zum offiziellen Start der Schultütenaktion 2011 erbrachte gut 356 Euro. Immerhin eine Steigerung von rund 110 Euro zum Vorjahr; ein erfreulicher Start. Dank allen, die sich daran beteiligt haben, und Aufruf an alle, die sich noch beteiligen wollen.
Und wie es sich für eine gute Generalprobe gehört, war die Nervosität bei den Mitwirkenden enorm. Erstmals ein Programm mit musikalischer Begleitung. Ein wahrer Kabarettgenuss auch Dank des hervorragenden Pianisten Martin Hunger. Gerd Hoffmann war die Lust und Freude am Spiel vom Gesicht abzulesen. Und die Pointen saßen. Nicht gequält herbeigeholt, auch nicht ewig lang entwickelt oder gar nur nach Schenkelklopfermanier á la Comedy. Nein, gut aufgebaute, mit zahllosen und dennoch kurzweiligen Erläuterungen und Fakten wirklich erarbeitete, zugespitzte Pointen. Einfach großes, politisches Kabarett. Kostproben gefällig? Bitte.

Das Themenspektrum war breit gefächert, auch wenn es sich immer wieder um die Frage drehte: Warum lassen wir Deutschen uns gefallen, wie man uns politisch vertritt und führt? Gerd Hoffmann stellte die Frage, mit welcher Droge man den Deutschen das Denken abgewöhnt habe. Sicher war er sich darin, dass dies über die zahllosen Kochshows im TV passiere. Das Land löse sich auf „wie eine Spalt-Tablette; nur dass die Spalt-Tablette dagegen ein wahrer Tsunamie sei.“ Bildung stehe in Deutschland seit Jahren schon im Mittelpunkt der politischen Betrachtung, und damit „allem im Wege“. Selbst die TV-Geräte würden sich „dem Niveau der Programme anpassen – immer flacher“. Die Verdummung und Gleichgültigkeit in Deutschland gehe soweit, dass wir Deutschen, wenn morgen die Sklaverei wieder eingeführt werde, wir uns darüber streiten würden, wer „die schönsten Ketten habe“. Soviel zum Bildungsfaktor Fernsehen…
Wer Sätze sagt, wie „Warum haben wir so wenige Kinder. Ich kümmere mich darum, und ich finde dabei viel Unterstützung.“ muss sich nicht wundern, wenn man im Kabarett zur „weiterentwickelten Wiedergeburt ihres Ziehvater Kohl“ und zur „Mutter der Nation“ gemacht wird: Kanzlerin Merkel. Und wie sie sich um alles kümmert… Dabei ist sie doch kinderlos. Auch so ein Phänomen. Aber das ist sie ja nun schon längere Zeit. Und Rückwärtsrollen kennt man von ihr auch – siehe dazu auch die Aussetzung des Ausstiegs aus dem Ausstieg aus der Kernenergie. Ihr einstiger Widersacher in der christlich-demokratischen Welt – Roland Koch – wurde mit dem Ehrentitel der „männlichen Heidi Klumm der CDU“ versehen.

Wie üblich im politischen Kabarett bekam die amtierende Bundespolitik ihr Fett weg. Zunächst standen die Hartz IV-Verhandlungen auf der Tagesordnung und „unter drei schlechten Sternen“: 1. Ursula von der Leyen, 2. dem Aufschwung und 3. Hartz IV, dass keine Systembank sei. Fazit Hoffmanns: „Der Teufel scheiß….“

Auch der die Deutschen mit einem „royalen Hauch führende“ Ex-Dr. und –Minister, die „fränkische Blendgranate der CSU“ zu Guttenberg erhielt seinen Platz im Programm, das den Titel „Alternativlos“ bekam, bevor es zum Unwort des Jahres 2010 gewählt und zum Leitwort der Kanzlerin-Politik wurde. Die Musteraufgabe der Bundeswehr – „tarnen und täuschen“ – habe der „Selbstverteidigungsminister“ Baron von und zu Guttenberg – wenn denn wenigstens dieser Titel stimme – bestens beherrscht. Er sei „farblos“ geblieben, denn schließlich habe man ja mal in der Schule gelernt, dass „schwarz keine Farbe“ sei. Die Regeln von Anstand und Moral seien in den Kreisen der regierenden Bundespolitik ohnehin „völlig unbekannt“. An diesen beiden Dingen – Anstand und Moral – verbitte sich die Kanzlerin ohnehin jedwede Kritik.

Aber auch die anderen politischen „Farben“ bekamen ihren parodistischen Denkzettel. „Wer am lautesten nichts sagt, erschweigt sich die Zustimmung der Deutschen“, war das Resümee für die Politik der Grünen. Auch vom SADS, dem „Sozi Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ der Sozialdemokratie war die Rede. Schröder habe einst die „Helden- und Schurkenrolle“ bestens beherrscht. Heute sei nicht mal mehr das gegeben. Bei der FDP habe man das „dringende Bedürfnis, mal so richtig zuzufassen. Allein – man greift ins Leere“. Der liberale Parteichef sei die „schlimmste Entgleisung der Evolutionsgeschichte“. Und auch für DIE LINKE hatte Hoffmann eine Passage eingebaut: Mit dem „K-Wort sei ein neues Gespenst über Europa unterwegs: Gesine Lötzsch“. Und für Ernst’s Porsche gab es auch eine glaubhafte Begründung: Da Porsche vor der Übernahme durch VW stünde, könne man den 911er getrost als neuen Volkswagen betrachten.

Spannend für mich war die Auseinandersetzung mit dem Militär – bzw. dem, was heute so heißt. Unser bundesdeutscher Rüstungsetat habe sich seit 2005 verdoppelt, zwischen 2009 und 2010 sei er um acht Prozent gestiegen. Das meiste sei aber eh nur „Verbrauchsmaterial“ für unsere „Montag-bis-Freitag-17-Uhr-Armee“ gewesen. Informativ auch, dass der Verteidigungshaushalt drei Mal so hoch ist wie der Bildungshaushalt. Es sei damit nicht verwunderlich, dass Schule mehr „Waffennarren ausbilde“ als gebildete Menschen. Da sind die medialen Einflüsse doch regelmäßig wieder beruhigend. Sie strengen nicht so an. In diesem Zusammenhang fällt mir wieder das „binäre Theorem“ ein: „Wenn die 0 zu groß ist, dann ist sie fast so groß wie ein bisschen 1“. Wahrheiten, die das Leben schreibt.
Aber ich wollte ja noch etwas Allgemeines vom politischen Kabarett in Prenzlau erzählen. Luxemburg-Stiftung Brandenburg und die Fraktion DIE LINKE. Prenzlau haben sich ja nun bereits das 5. Mal zusammengetan und mit Gerd Hoffmann exzellentes politisches Kabarett nach Prenzlau geholt. Es wurden Einladungen verschickt und die Menschen kamen. Mundpropaganda hatte ihr Übriges getan. Bereits zehn Minuten vor Programmbeginn waren alle Stühle besetzt. Aber die fleißigen Mitarbeiter des Programmortes brachten neue, bis es langsam etwas eng wurde. Nichtsdestotrotz hatte mit Programmbeginn jeder einen Sitzplatz. Knapp 100 Leute waren inzwischen da. Deutlich mehr, als von den Veranstaltern gerechnet. Und es war gut so! Ich jedenfalls habe mich behaglich gefühlt. Man war ja von netten Menschen umgeben. Kurze Ansprache und dann ging das Feuerwerk der Pointen über uns hernieder.

Die Fülle der Gedanken, die mein Hirn erreichten, war so groß, dass ich zeitweilig glatt nicht mehr wusste, wie ich mir all die Hinweise, die ja durchaus ernst gemeint waren – es war ja schließlich politisches Kabarett – merken sollte. Gerd Hoffmann sprach mir aus dem Herzen. Lange habe ich nicht mehr so gründlich und tiefgründig gelacht, wie an jenem Nachmittag. Und ich habe in der gut 120 Minuten dauernden „öffentlichen Generalprobe“ gelernt. Z. B. dass die „ägyptische Armee derzeit über 1 Mio. Freunde im Netzwerk Facebook habe“. Ich habe es zu Hause noch am selben Abend geprüft – es stimmt. Wenn das kein Erfolg medialer globaler Vernetzung ist… Und da ich ja nun bald wieder öfter Bahn fahren werde, war es für mich ein wesentlicher Hinweis auf – wahrscheinlich – kommende Kostensteigerungen: Die Bahn muss nun auch noch Vergnügungssteuer an den Staat entrichten. Schließlich habe die Berliner S-Bahn bereits ernsthaft überlegt, ob sie die Beförderung für unter 18-Jährige einstellen muss. Schließlich sei „Glücksspiel für Kinder und Jugendliche verboten“.

Da muss man erst einmal dahintersteigen… Und während ich das tue, werde ich mir schon mal gründlich überlegen, wann ich das nächste Mal ins Kabarett gehen werde. Schließlich kann man „nie genug über die Vorzüge gemeinsamen Lachens sagen.“

Das haben auch die knapp 100 Gäste der Sonntag-Nachmittag-Veranstaltung so gesehen. DIE LINKE in Prenzlau hatte anlässlich des 100. Geburtstages des Frauentages „ein ganz besonderes Bonbon parat, das sich nicht als Hüftgold niederließ, sondern die Lachmuskeln strapazierte.“ „Ich habe selten so gelacht. Es war einfach toll. Alle Parteien bekamen ihr berechtigtes Fett weg.“ „Hoffmann war nicht nur amüsant, sondern auch noch hoch aktuell: Stichwort Guttenberg.“ „Der Nachmittag war kurzweilig und amüsant. Es konnte endlich mal wieder von Herzenslust über all das gelacht werden, was einen so im Alltag bestenfalls ärgert.“

Die Organisatoren bekamen viel Lob und bisher nur positive Resonanz. Ein bisschen lang sei es gewesen – richtig. Das Programm wird sicherlich auch gekürzt werden. Dafür war es die Generalprobe. Die „Überraschung“ zum Frauentag ist jedenfalls gelungen. Und es kamen nicht nur die Frauen auf ihre Kosten.