Nachricht | Aktives Gedenken an die Novemberpogrome

STOLPERSTEINE in Senftenberg geputzt

Der 9. November ist für viele Anlass, sich an die nationalsozialistische Verfolgung von Jüdinnen und Juden zu erinnern. Auch in Senftenberg machten sich die Arbeitsgruppe STOLPERSTEINE und eine Elterninitiative der Linden-Grundschule auf den Weg, um die 21 STOLPERSTEINE zu putzen, die an neun Stellen in Senftenberg und Hörlitz an Menschen erinnern, die aus religiösen, rassistischen oder politischen Gründen während der NS-Zeit verfolgt  worden sind.

Bei den Novemberpogromen handelt es sich um eine staatlich inszenierte Aktion, bei der es zu einem damals noch nicht vorstellbaren Ausbruch an Gewalt gegen Jüdinnen und Juden kam. Vielerorts wurden Fensterscheiben zerschlagen, Geschäfte geplündert, Synagogen angezündet, jüdische Friedhöfe geschändet und Wohnungen verwüstet. Vor allem aber wurden Menschen gedemütigt, misshandelt, in Konzentrationslager verschleppt, ermordet oder in den Tod getrieben.

In Senftenberg zogen am Morgen des 10. November 1938 zum Teil angetrunkene SA-Männer durch die Stadt, holten die jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus ihren Wohnungen und trieben sie unter Anwendung größer Brutalität auf dem Markt zusammen. Darunter war auch der angesehene Rechtsanwalt Dr. Rudolf Reyersbach.

1897 geboren, kam er als Rechtsanwalt und Notar 1925 nach Senftenberg und eröffnete hier eine Kanzlei - in seinem Wohnhaus am heutigen Steindamm 17. Er stand der SPD nahe und verteidigte auch linksorientierte Angeklagte in Prozessen. Dies machte ihn – neben seines jüdischen Glaubens – zur Zielscheibe für Angriffe: bereits im März 1933 wurden des Nachts Fensterscheiben eingeworfen. Die NS-Gesetzgebung schränkte die Berufsausübung für Jüdinnen und Juden immer mehr ein, so dass Dr. Reyersbach schließlich sein Wohnhaus aufgeben und in eine Wohnung in die heutige Reyersbachstraße ziehen musste. Am 10. November wurde er in aller Öffentlichkeit auf dem Marktplatz so schwer misshandelt, dass er – mit nur 41 Jahren – auf der Polizeiwache seinen Verletzungen erlag. Seine nicht-jüdische Ehefrau Martha und sein 1931 geborener Sohn Walter überlebten in Deutschland. Seine Mutter Valeska sowie die Schwestern Marianne und Henny wanderten zunächst nach Guatemala aus und lebten später in der Schweiz.

Auch Dora Singermann, Ernestine Grünzeug, Siegfried Marcus, sein Bruder Ludwig und dessen Frau Else wurden am Morgen des 10. November 1938 in aller Öffentlichkeit misshandelt und gequält – ebenso wie die 12-jährige Astid Zellner und ihre Eltern Leo Zellner und Herta Röstel. Leo Zellner wurde ins KZ Sachsenhausen verschleppt und seine Frau starb schließlich an den Spätfolgen der Misshandlungen, hatte sie sich während des Pogroms doch schützend vor ihren Mann geworden. An all die genannten Personen erinnern STOLPERSTEINE in Senftenberg.

Weitere Informationen sind auf der Seite der Arbeitsgruppe STOLPERSTEINE für Senftenberg zu finden: http://brandenburg.rosalux.de/stolpersteine

Am 23. November 2022 lädt die Arbeitsgruppe gemeinsam mit der Stadt Senftenberg, der Evangelischen Kirchengemeinde und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg zu einer Veranstaltung ins Rathaus ein. Ab 18 Uhr widmen sich Bürgermeister Andreas Fredrich, der Historiker Dr. Hermann Simon und die Schauspielerin Hanka Mark dem Buch von Jurij Koch „Hana – eine jüdisch-sorbische Erzählung“ und stellen die wahre Geschichte der in Horka geborenen katholischen Sorbin jüdischer Herkunft Annemarie Schierz vor.