Nachricht | Kommunikation / Öffentlichkeit - Digitaler Wandel - Digitalisierung und Demokratie Elon Musks Twitter-Kapitalismus

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Der reichste Mann der Welt kauft nach großem Hin-und-her und für die immense Summe von 44 Milliarden Dollar das Soziale Netzwerk Twitter und stolpert seitdem von einer Katastrophe zur nächsten. Christian Fuchs sieht vor allem ideologische und politische Gründe für den Kauf der Plattform und befürchtet, mit tatkräftiger Unterstützung durch Twitter, eine Rückkehr Trumps und weitere demokratische Rückschritte. Ambivalent sieht er das Potential der Open-Source-Plattform Mastodon als Vorreiter einer demokratischen digitalen Öffentlichkeit. Er argumentiert für ein öffentlich-rechtliches Internet.

Mit einem Vermögen von 195 Milliarden US-Dollar ist Elon Musk im November 2022 der reichste Mensch der Welt. Ende Oktober 2022 kaufte er für 44 Milliarden US-Dollar die soziale Medien-Plattform Twitter. Twitter war 2022 mit über 430 Millionen monatlichen Nutzer:innen die 16.-meist genutzte Internetplattform der Welt. Musk, der vor allem durch den Auto- und Energiekonzern Tesla steinreich wurde, ist selbst ein begeisterter und exzentrischer Twitter-Nutzer, der über 115 Millionen Follower hat. Er hat damit nach Barack Obama, dem mehr als 130 Millionen Nutzer:innen folgen, den zweitpopulärsten Twitter-Account.

Musk hat mehr Aufmerksamkeit als die Twitter-Profile von Popstars wie Justin Bieber, Katy Perry, Rihanna, Taylor Swift und Lady Gaga, Sportstars wie Cristiano Ronaldo und Politiker wie Barack Obama und Narendra Modi. Kapitalistische soziale Medien zeichnen sich durch eine asymmetrische Aufmerksamkeitsökonomie aus. Sie akkumulieren nicht nur ökonomisches Kapital durch den Verkauf von digitaler Werbung, sondern sind auch Plattformen der Akkumulation von kulturellem Kapital. Unter kulturellem Kapital versteht der französische Soziologe Pierre Bourdieu die Macht der Reputation, Anerkennung und Sichtbarkeit. Diese kulturellen Güter sind wie in der kapitalistischen Kultur auch im kapitalistischen Internet asymmetrisch verteilt. Eine kleine Klasse von Prominenten kontrolliert und zentralisiert die Online-Aufmerksamkeit. Im Fall von Elon Musk konvergieren ökonomisches und kulturelles Kapital auf Twitter. Er hat eine ökonomische Kapitalinvestition in einen Kommunikationskonzern gemacht, auf dem er selbst viel kulturelles Kapital hat.

Warum hat Elon Musk Twitter gekauft?

Die Ökonomie determiniert nicht mechanisch Politik und Kultur. Daher kann man nicht annehmen, dass Musk mit der Hilfe von Twitter einfach nur noch mehr Geld machen will. Multimilliardäre wie Musk, Bill Gates und Jeff Bezos sind so reich, dass sie Investitionen tätigen können, ohne notwendigerweise das Ziel der Kapitalakkumulation direkt zu verfolgen. Musk sagt: «Die Wirtschaft [Twitters] interessiert mich überhaupt nicht». Vielmehr ginge es ihm darum, dass Twitter «wichtig für die Funktionsweise der Demokratie» sei und «der Freiheit in der Welt hilft». Musk möchte Anerkennung und Einfluss in der Öffentlichkeit. Er hat Spaß daran, auf Twitter im Rampenlicht zu stehen. Und möchte Twitter so zurechtmodeln, wie er es sich vorstellt. Er nutzt sein Geld, um eine Internet-Plattform zu kaufen, die ein wichtiger Bestandteil der heutigen Kultur und Politik ist.

Musk geht es in einer gewissen Hinsicht sicherlich auch darum, Twitter profitabler zu machen, weswegen er 3,700 Angestellte entließ, und die Idee gebar, dass verifizierte Profile, die ein blaues Häkchen neben ihrem Namen haben, in Zukunft 8 US-Dollar pro Monat kosten sollen. Die Ökonomie Twitters zu verändern ist also sicherlich ein Ziel von Musk, wahrscheinlich aber nicht seine Hauptmotivation. Sein Verständnis von Demokratie ist ein libertäres. Er möchte Twitter zu einem Medium des Libertarismus machen. Musks Motivation ist also auch politisch und ideologisch. Der Libertarismus ist charakteristisch für das, was Richard Barbrook und Andy Cameron als die «kalifornische Ideologie» bezeichnet haben. Es handelt sich um die dominante Weltanschauung im Silicon Valley und in der Tech-Industrie. Sie ist gekennzeichnet durch Marktfundamentalismus und die Opposition zu staatlicher Regulation und Regulation im Allgemeinen.

Eine typische Manifestation der kalifornischen Ideologie ist die Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace, in der der ehemalige Songschreiber der Band Grateful Dead John Perry Barlow in den 1990er-Jahren die «Regierungen der industrialisierten Welt» aufforderte, sich vom Internet fernzuhalten. Es ist sicherlich einerseits richtig, dass staatliche Überwachung und Zensur des Internets, wie das Beispiel Chinas zeigt, die Demokratie zerstört. Andererseits ist aber auch die kapitalistische Kolonialisierung der Kommunikationsmittel eine Gefahr für die demokratische Öffentlichkeit. Und genau diese Dimension wird im Libertarismus ausgeblendet, sowohl in Barlows Unabhängigkeitserklärung als auch in Musks Weltanschauung.

Was bedeutet «Redefreiheit» für Elon Musk?

Musk versteht unter «Freiheit» die ungehinderte Kommunikation von allen über alles.
Im Internet gibt es aber auch viel Faschismus und Hass. Dass Plattformen wie YouTube, Twitter und Facebook seit dem Cambridge Analytica Skandal und durch den Aufstieg eines neuen Faschismus, von Verschwörungstheorien, Unterminierungsversuchen der Demokratie durch Falschnachrichten, usw. immer stärker von demokratischen Kräften dazu gedrängt wurden, problematische Inhalte und Profile zu entfernen, missfällt Musk. Es widerspricht seiner libertären Ideologie, in der jeder ohne Einschränkung sagen darf, was er will, und jeder ohne Einschränkung so reich sein darf, wie er will.

Musk bezeichnet sich als «Redefreiheits-Absolutist». Er lehnte es ab, dass das von seinem Raumfahrtunternehmen betriebene Satellitennetzwerk Starlink, das Internetzugänge organisiert, den Zugang zu russischen Nachrichtenkanälen blockiert. Doch sogar in der Ethik von Immanuel Kant, einem der Urfiguren des Liberalismus, bedeutet die Goldene Regel des Kategorischen Imperativs nicht einfach absolute Freiheit, sondern eine Freiheit, die anderen nicht schadet, da man selbst nicht Schaden nehmen will.

Toleranz, Vielfalt und Meinungsfreiheit enden für etliche Konzerne schnell dort, wo ihre Profite in Frage gestellt werden. Medien, die zuvor kritisch über Tesla berichtet hatten, wie das ZDF, wurde keine Akkreditierung zur Eröffnung der Gigafactory Berlin-Brandenburg im März 2022 gegeben. In der Vorstellung der Welt, wie sie manche Konzerne vertreten, gibt es Meinungsfreiheit nur für jene, die die Freiheit der absoluten Kapitalakkumulation nicht hinterfragen.

Trump 2.0?

Rechte Demagogen feierten Musks Übernahme von Twitter. Donald Trump, der auf Twitter fast 90 Millionen Follower hatte und nach den Ereignissen des 6. Januars 2021 gesperrt wurde, begrüßte den Verkauf: «Ich bin sehr froh, dass Twitter jetzt in gesunden Händen ist und nicht länger von linksradikalen Verrückten und Wahnsinnigen betrieben wird, die unser Land wirklich hassen». Es bleibt eine offene Frage, ob Musk Trumps Twitter-Account wiederherstellen wird. Seit seinem Twitter-Verbot ist es in der Öffentlichkeit eher ruhig um Trump geworden. Er hat sich mit seinen Verlautbarungen auf seine Webseite und seine eigene Internet-Plattform Truth Social zurückgezogen, die als Mesokosmos agieren, also als ein Raum, der keine breite Resonanz in der großen Öffentlichkeit erfährt. Truth Social ist ein Online-Ghetto der Hardcore-Trump-Anhänger. Es verfolgt primär das Ziel, Spenden für Trump zu sammeln. Twitter ist hingegen eine große globale Öffentlichkeit, auf der Trump nicht nur viel mehr Menschen erreichte, sondern die auch so ernst genommen wird, dass Trumps Tweets regelmäßig zu Schlagzeilen in der New York Times, der Washington Post und auf CNN führten, wodurch seine mediale Präsenz in der Öffentlichkeit weiter verstärkt wurde.

Kandidiert Trump für die US-Präsidentschaftswahl 2024 und gewährt ihm Musk auf Twitter eine Öffentlichkeit, so hätte Trump im Wahlkampf deutliche kommunikative Startvorteile gegenüber Joe Biden oder Kamala Harris, die auf Twitter «nur» 27 bzw. 13 Millionen Follower gegenüber Trumps 90 Millionen haben. Käme es zu einer Ära Trump 2.0, so hätte Musk daran Mitschuld. Angesichts von Trumps Bewunderung von Autoritarismus, Nationalismus, Militarismus und Größenwahn eine beängstigende Perspektive. Eine große globale Friedensbewegung könnte dann vielleicht das Schlimmste – einen Weltkrieg, einen Atomkrieg und die Vernichtung des Lebens auf der Erde – verhindern. Dies könnte aber in einer politischen Welt, die von Autoritären wie Trump, Xi, Putin etc. beherrscht wird, schwierig werden.

Musk und die Gewerkschaften

Gewerkschaften haben es in der Software-Industrie schwer, da in dieser die kalifornische Ideologie vorherrscht und Software-Ingenieure und -Ingenieurinnen  eine digitale Arbeiteraristokratie des 21. Jahrhunderts bilden, die hochbezahlt ist und deren Mitglieder sich häufig nicht als Arbeiter:innen verstehen. Musks Kündigung von 3,700-Twitter-Angestellten ist ein guter Anlass dafür, dass der Klassenstatus der Software-Entwickler:innen überdacht wird und eigenständige globale Gewerkschaften der Digitalarbeiter:innen gegründet werden. Die Gewerkschaftsfeindlichkeit ist ein Teil der libertären Ideologie und ihrer Gegnerschaft zu politischen Institutionen. Auch Facebook kündigte unlängst an, 11,000 Beschäftigte zu entlassen. Weitere Konzerne könnten folgen, denn Werbung als Kapitalakkumulationsmodell ist volatil. In ökonomischen Krisensituationen nehmen auch die Werbeausgaben der Unternehmen ab.

Im Jahr 2017 wurde der Arbeiter Richard Ortiz, der gewerkschaftliche Organisationsarbeit in einer Tesla-Fabrik in Kalifornien leistete, entlassen. 2021 entschied ein Arbeitsgericht, dass die Entlassung illegal war. Musk drückt immer wieder seine Gegnerschaft zu Gewerkschaften aus. So tweetete er zum Beispiel: «Das Ausmaß in welchem die Gewerkschaften die Demokratische Partei kontrollieren ist verrückt.». Und 2022 kündigte Musk an, dass er die Republikaner wählen würde, da Biden «zu sehr von den Gewerkschaften gekapert» sei.

Twitter-Mitbegründer Jack Dorsey argumentierte im April 2022, dass Twitter ein «öffentliches Gut» sein sollte, das kein Eigentum ist. Da dies aber nicht der Fall sei, sei Elon Musk «die einzige Lösung, der ich vertraue. Ich vertraue seiner Mission, das Licht des Bewusstseins zu erweitern». Die Entlassung der Hälfte der Twitter-Angestellten weist in die entgegengesetzte Richtung von Fortschritt und Weisheit.

Twitters Profitkrise und politische Ökonomie

Personalisierte, zielgerichtete Werbung ist das dominante Kapitalakkumulationsmodell der sozialen Medien. Google und Facebook kontrollieren gemeinsam zwei Drittel des globalen Umsatzes, der mit digitaler Werbung gemacht wird. Und digitale Werbung ist bei weitem die umsatzstärkste Form der Werbung, was vor allem zur Krise der werbefinanzierten Nachrichtenmedien beigetragen hatten. Bei Twitter hat dieses Modell aber niemals gut funktioniert. Anders als YouTube, Facebook und Instagram, wo die Aufmerksamkeitsspanne höher ist als bei Twitter, hat der Microblog Probleme, Werbung zu verkaufen. Die Prozessierung von kurzen Tweets in hoher Geschwindigkeit macht es schwierig, die Aufmerksamkeit der Nutzer:innen auf Werbungen zu lenken. Twitter wurde 2006 gegründet. Mit der Ausnahme von zwei Finanzjahren machte das Unternehmen bis 2018 nur Verluste. In den Jahren 2018 und 2019 wurde jeweils über eine Milliarde US-Dollar an Gewinn erwirtschaftet. 2020, 2021 und 2022 stellten sich aber wieder Verluste ein. Musk hat also ein verlustträchtiges Unternehmen gekauft. Dass Twitter bisher kaum Kapital akkumuliert hat, erklärt auch, warum die ehemaligen Bosse des Unternehmens so darauf beharrten, es verkaufen zu wollen und den Kauf einklagten, als Musk Zweifel anmeldete. Musk feuerte nach der Übernahme die neun Vorstandsmitglieder Twitters und machte sich zum Alleinchef.

Möchte Musk Twitter profitabel machen, so wird er dessen Funktionsweise oder Kapitalakkumulationsmodell relativ radikal verändern müssen. Es könnte zum Beispiel sein, dass sich Twitters Funktionalitäten ändern, indem eine Videofunktion geschaffen wird, die die Aufmerksamkeit der Nutzer:innen länger bindet. Dadurch könnte dann versucht werden, mehr Werbung zu verkaufen. Oder es wird eine Alternative zum Werbemodell eingeführt, bei der die Nutzer:innen für den Zugang oder bestimmte Dienste bezahlen müssen. Wie genau die Zukunft der politischen Ökonomie Twitters aussehen wird, ist unklar und nicht vorhersagbar. Wir wissen nicht, welche Änderungen Musk plant und wie die Nutzer:innen und Investoren darauf reagieren werden.

Musk ist kein klassischer Medienbaron wie Rupert Murdoch, der in der Medieninhaltsindustrie reich wurde, und kein Digitalkapitalist wie Steve Jobs und Bill Gates, die durch Hardware bzw. Software reich wurden. Musk war in den 1990er Jahren in der Internetindustrie aktiv. Er gründete unter anderem den Online-Bezahldienst X.com, der durch Fusion mit Peter Thiels Confinity zum Bezahldienst Paypal wurde, an dem Musk bis zum Verkauf an eBay im Jahr 2002 etwa 12 Prozent der Anteile hielt. Das große Geld machte Musk dann mit Tesla, dem 2003 gegründeten Automobilkonzern, dessen CEO und Haupteigentümer Musk ist.

Musks Kauf von Twitter bedeutet, dass Industriekapital genutzt wird, um Digitalkapital aufzukaufen. Während Tesla selbstfahrende Autos produziert, die keine direkte Wirkung auf die öffentliche Kommunikation haben, ist Twitter eine globale Öffentlichkeit, in der die Menschen kommunizieren. Dass sich Milliardäre Kommunikationsplattformen kaufen können, die eine wichtige Rolle in der öffentlichen Kommunikation und daher in der Politik spielen, ist nicht neu, aber dennoch extrem beunruhigend und eine Gefahr für die Demokratie, da dadurch einzelne Reiche wie Musk bestimmen, auf Basis welcher Bedingungen in der Öffentlichkeit kommuniziert werden kann.

Mastodon und öffentlich-rechtliche Internetplattformen: Demokratische Alternativen?

Ein demokratisches Alternativmodell zur kapitalistischen Kontrolle der öffentlichen Kommunikation ist die Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Internets, also Plattformen, die von Netzwerken öffentlich-rechtlicher Medien betrieben werden. Das Manifest für Öffentlich-Rechtliche Medien und ein Öffentlich-Rechtliches Internet erhebt diese Forderung. Twitter hat öffentliche Bedeutung. Als öffentliches Gut, das öffentliches Eigentum ist und unabhängig von Staat und Kapital ist, würde es die demokratische Öffentlichkeit und die digitale Demokratie fördern. Internetplattformen, die die privaten Spielwiesen von Milliardären sind, verheißen hingegen nichts Gutes. Im besten Fall werden sie von partikularen Interessen geprägt, im schlimmsten Fall fördern sie Krieg und Faschismus.

Etliche enttäuschte Twitter-Nutzer:innen propagieren den Wechsel von Twitter zu Mastodon, einer im Jahr 2016 geschaffenen freien Software-Plattform. Es handelt sich um einen dezentralen Kurznachrichtendienst, bei dem einzelne Server, sogenannte Instanzen, von lokalen Organisationen betrieben werden. Neue Nutzer:innen melden sich bei einer solchen dezentralen Instanz an und sind dann auf Basis der derzeitigen Funktionalität primär dort tätig. Man kann Nutzer:innen auf anderen Instanzen folgen, es gibt aber keine globalen Hashtags, keine globalen Postings und keine globale Suche, wodurch kleine Mikroöffentlichkeiten entstehen. Mikroöffentlichkeiten fördern die Fragmentierung des Internets. Unter dem Schlagwort der Cyber-Souveränität wird heute oft die Ghettoisierung des Internets in abgekoppelte Untersphären gefordert. Diese Fragmentierungstendenzen müssen umgekehrt und nicht verstärkt werden. Wir brauchen heute keine Echokammern, in denen sich homogene Gruppen selbst applaudieren und über Gegner herziehen, sondern eine große, globale Öffentlichkeit, in der das Gemeinsame über das Trennende gestellt wird.

Derzeit funktioniert Mastodon als Medium nach dem Prinzip «Small is beautiful». Es kann sein, dass sich im Fall eines großen Wachstums an Nutzer:innen die Funktionalitäten hin zur Schaffung einer großen Online-Öffentlichkeit wandeln. Leider ist aber die Geschichte der progressiven Medien auch eine Geschichte des Ressourcenmangels, der Marginalität und der freiwilligen, selbstausbeuterischen, niedrig bezahlten und unbezahlten Arbeit. Bleiben sie klein und unbedeutend, so können sie der Kommunikationsmacht privater Medienkonzerne nichts entgegensetzen und verschwinden oft früher oder später ganz. Werden sie größer, so sind sie unter den heutigen Bedingungen mit der Gefahr der Kapitalisierung, also der Verwandlung in Kapital konfrontiert. Ob es gelingt, Alternativen zu privatkapitalistischen Internetprojekten wie Twitter, YouTube, Instagram, WhatsApp, Snapchat und zu staatskapitalistischen Internetprojekten wie TikTok, Weibo, VK und Odnoklassniki zu schaffen, ist ungewiss.

Die Perspektiven des öffentlich-rechtlichen Internets und der Plattform-Kooperativen sowie von deren Kombination sind reale Chancen, die bisher aber noch zu wenig entwickelt sind, um Entwicklungen wie ein von Elon Musk kontrolliertes Twitter etwas entgegenzusetzen. Die Schwäche der progressiven Bewegungen und Parteien im Zeitalter des neuen Faschismus findet damit ein Äquivalent im Bereich der öffentlichen Kommunikation. Die Zukunft wird zeigen, ob es gelingen kann und gelingen wird, die demokratische digitale Öffentlichkeit zu fördern oder ob wir in der (digitalen) Barbarei versinken werden. 

Christian Fuchs ist ein Medien- und Kommunikationswissenschaftler. Er ist Autor von Büchern wie Der digitale Kapitalismus: Arbeit, Entfremdung und Ideologie im Informationszeitalter (2023), Digital Democracy and the Digital Public Sphere (2023), Digital Humanism (2022), Soziale Medien und Kritische Theorie (2. Auflage 2021) und Kommunikation und Kapitalismus: Eine kritische Theorie (2020).