Nachricht | International / Transnational - Europa Für soziale Gerechtigkeit, für rechtliche Gleichstellung

Die Vorstellung des Buches «Wege der Gleichheit» der polnischen Sozialistin Izabela Jaruga-Nowacka in Warschau steht im Zeichen des Gedenkens an die Flugzeugkatastrophe in Smolensk vor einem Jahr.

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Grzegorz Schetyna ist einer der führenden Politiker der Bürgerplattform (PO), der seit einigen Jahren erfolgreichen Regierungspartei in Polen. Einer Partei, die sich Steuersenkungen und möglichst weit gefasste Deregulierungen für die Wirtschaft auf ihre Fahnen geschrieben hat. Soziale Gerechtigkeit kommt da übrigens erst ganz weit hinten zum Zuge. Dennoch nahm sich der amtierende Sejm-Marschall, also der Parlamentspräsident, die Zeit, einer ungewöhnlichen Buchpräsentation beizuwohnen, in der soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung der Geschlechter den Grundton vorgaben.

Im Sejm-Gebäude wurde nämlich der vor einem Jahr bei der Flugzeugkatastrophe in Smolensk ums Leben gekommen Sozialistin Izabela Jaruga-Nowacka gedacht, indem am 13. April 2011 das ihrem Wirken und Leben gewidmete Buch «Wege der Gleichheit» vorgestellt wurde. Als «Politikerin, Feministin, linke Aktivistin» stellt der Buchtitel sie heraus. Schetyna hob in seiner Würdigung auch deshalb hervor, dass er von Izabela Jaruga-Nowacka gelernt habe, wie man sich in den politischen Ansichten sehr wohl und sehr deutlich unterscheiden könne, ohne dabei die gegenseitige persönliche Achtung zu verlieren. Als Vorbild in Sachen politischer Kultur wolle er die verunglückte Kollegin deshalb herausstellen. Ein wichtiger Wegweiser, auf den zu achten sei.

Das Buch wurde durch die in Gdańsk ansässige Stiftung «Przestrzenie Dialogu» (Dialogräume) in Zusammenarbeit und mit Unterstützung der Rosa Luxemburg Stiftung herausgegeben. Die beiden Herausgeberinnen, Beata Maciejewska, Vorsitzende der polnischen Organisation, und Joanna Gwiazdecka, Leiterin des Warschauer Büros der Rosa Luxemburg Stiftung, unterstreichen in ihrem gemeinsamen Vorwort jenes Grundverständnis, nach dem Izabela Jaruga-Nowacka viele Jahre lang sich richtete: Politik in einer auf ökonomischer Ungleichheit fußenden Gesellschaft müsse in erster Linie eine Handlungsstrategie für die Schwächeren und aus den unterschiedlichen Gründen heraus Benachteiligten in der Gesellschaft sein, könne erst danach als Erfolgsstrategie für die Aktiveren in Betracht kommen. Dass sie bereits damit in einem auf schnelle wirtschaftliche und nachholende Entwicklung setzenden Land einen ganz wichtigen Akzent setzte, liegt auf der Hand.

Die 1950 geborene Izabela Jaruga-Nowacka studierte in Warschau Ethnographie und blieb bis 1991 parteilos. In den 1980er Jahren begann sie sich in der Polnischen Frauenliga zu engagieren, deren Vorsitzende sie von 1991 bis 2001 war. Seit 1991 verband sie ihre politische Arbeit mit parteipolitischen Optionen. Zusammen mit dem «Solidarność»-Aktivisten Zbigniew Bujak und anderen gründete sie bereits ein Jahr später die linksgerichtete Partei Union der Arbeit (UP), für die sie von 1993 bis 1997 erstmals in den Sejm einzog. Für die gleiche Partei gelangte sie 2001 erneut in das Parlament, blieb dessen Mitglied bis zu ihrem plötzlichen Tod.

In der von den Linksdemokraten (SLD) geführten Regierung unter Leszek Miller war sie von 2001 bis 2004 erste Gleichstellungsbeauftragte des Landes im Ministerrang. Unter Ministerpräsident Marek Belka führte sie 2004/05 das Ministerium für Arbeit und Soziales. Heute hängt am Eingang zum Ministerium eine Gedenktafel für die frühere Ministerin, die auf Initiative verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Organisationen angebracht wurde.

Seit 2005 befand sich Izabela Jaruga-Nowacka auf der Seite der Oppositionsbänke und profilierte sich im konservativ dominierten Parlament als eine der entschiedenen Streiterinnen für die komplexen Fragen der Gleichstellung der Geschlechter, für die Rechte sexueller Minderheiten, für eine wirkliche Trennung von Staat und Kirche, so wie in der Verfassung längst vorgeschrieben. Sie forderte ein Land, in dem niemand hungern, in dem niemand vor Gewalt in der Familie fliehen, in dem niemand sein Recht auf den eigenen Körper außerhalb der Landesgrenzen oder durch illegale Praktiken wahrnehmen müsse, in dem niemand aus ökonomischen Gründen ausgegrenzt werde.

Zu den Mitautoren des Buches zählen Marek Balicki, einer der bekanntesten Gesundheitspolitiker des Landes, Robert Biedroń, der langjährige Vorsitzende der Kampagne gegen Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit (KPH), Zuzanna Dąbrowska, eine langjährige enge Mitarbeiterin der Politikerin, Piotr Ikonowicz, von 1993 bis 2001 Sejm-Abgeordneter, die Frauenrechtlerinnen Katarzyna Kądziela und Wanda Nowicka, die Ethik-Professorin Magda Środa, Krzysztof Kwater, langjähriger Mitarbeiter des Abgeordnetenbüros, und Małgorzata Tkacz-Janik, die Ko-Vorsitzende der Partei «Zieloni 2004» (Grüne 2004).

Und Grzegorz Napieralski, der Vorsitzende der Linksdemokraten (SLD) und Chef der Linksfraktion im Sejm, ließ es sich nicht nehmen, die Buchvorstellung selbst entscheidend mitzugestalten. Er verlor vor einem Jahr mit Izabel Jaruga-Nowacka eine seiner wichtigsten Mitstreiterinnen in der Fraktion, eine Kollegin, deren inhaltliche und menschliche Kompetenz nur schwer zu ersetzen ist.