Nachricht | Sozialökologischer Umbau - Verteilungskrise - Klimagerechtigkeit EU-Klimaschutzreform mit deutscher Bremse

«Zwei Schritte nach vorne und ein Schritt zurück beim europäischen Klimaschutz»

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Uwe Witt,

Industrieanlagen mit Dampf bei Sonnenuntergang
Industrieanlagen von Evonik Industries in Godorf IMAGO / Panama Pictures

«Zwei Schritte nach vorne und ein Schritt zurück beim europäischen Klimaschutz», so fasste der Deutsche Naturschutzring als Dachverband der hiesigen Umweltorganisationen die Einigung über den EU-Emissionshandel in einem Politischen Statement zusammen. Die Verhandlerrolle des EU-Rates sowie der deutschen Bundesregierung sei dagegen enttäuschend.

Am Sonntag des WM-Endspiels jubelte nicht nur ganz Argentinien. Auch bei Unterhändler*innen der EU-Mitgliedstaaten, des EU-Parlaments und der EU-Kommission dürften die Sektkorken geknallt haben. Schließlich einigten sie sich Sonntagmorgen im Rahmen des sogenannten Trilogs über die Reform der europäischen CO2-Bepreisung, und damit - nach eineinhalb Jahren mühsamen Verhandelns – über das künftige Design des laut Brüssel und Berlin wichtigsten Klimaschutzinstruments der Europäischen Union, dem EU-Emissionshandel.

Doch haben dabei auch der Klimaschutz und die Klimagerechtigkeit gewonnen? Offensichtlich nur zum Teil. Denn obgleich die Treibhausgas-Minderungsziele im EU-Emissionshandelssystem nun deutlich angeschärft sind, konnte sich die Lobby der Schwerindustrie einige Erleichterungen gegenüber dem Ursprungsentwurf erkämpfen. Mit ihnen wird die Wirkung der Reform vor allem in den 20er Jahren abgeschwächt. Auch der soziale Ausgleich wurde gerupft: Der wichtige neue Klimasozialfonds erhält weniger Geld als ursprünglich vorgesehen.

Uwe Witt ist Referent für Klimaschutz und Strukturwandel bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Im Juli 2021 hatte die Europäische Kommissionsvorschlägen innerhalb ihres Green Deal das Fit-For-55-Packet vorgestellt (im folgenden «EU-55-Paket»). Dieses soll Europa auf den Weg zu minus 55 Prozent Treibhausgasen (THG) bis 2030 gegenüber 1990 bringen – 15 Prozentpunkte mehr als vor der Reform des Europäischen Klimaschutzgesetztes im Juni 2021, verabschiedet als Reaktion auf das Pariser Klimaschutzabkommen.

Ein zentraler Baustein des EU-55-Pakets ist die nun politisch vollendete Reform des Europäischen Emissionshandelssystems (European Union Emissions Trading System, ETS), welches bereits seit 2005 für die Energiewirtschaft und Industrie sowie die europäische Luftfahrt gilt. Damit verbunden wird ein neues Instrument, welches die EU vor Ökodumping bei Importen schützen soll. Es handelt sich um eine CO2-Bepreisung auf Importgüter an der Grenze, die 2026 startetet. Zudem wird zeitgleich ein Klimasozialfond eingeführt, der das ein Jahr später startende (und heftig umstrittene) neue Emissionshandelssystem für die Sektoren Verkehr und Gebäude (ETS-2) sozial abfedern soll.

Die Aufteilung des neuen EU-Klimaschutzziels

Der EU-Emissionshandel spielt eine zentrale Rolle in der europäischen Klimaschutzstrategie. So teilt sich das neue, deutlich verschärfte Klimaziel im EU-55-Paket von 55 Prozent THG-Minderung bis 2030 gegenüber 1990 auf zwei Teile auf: Zum einen erhält der alte ETS für die Energiewirtschaft und Großindustrie ein verschärftes Minderungsziel. Zum anderen erhalten zusammen all jene Sektoren, die nicht dem ETS unterliegen («Non-ETS-Bereich»), sondern der EU-Klimaschutz-Verordnung (auch bekannt als Effort Sharing Regulation, ESR), eine neue, ambitioniertere Zielstellung. Unter diese fallen die Bereiche Gebäudewärme, Verkehr (ohne Schifffahrt) und Luftverkehr, Landwirtschaft, Abfall sowie kleinere Energie- und Industrieanlagen. Konkret müssen sie nun bis zum Jahr 2030 deutlich mehr Treibhausgase einsparen als bislang vereinbart, und zwar im ETS-Bereich 62 Prozent statt 43 Prozent und im den Non-ETS-Bereich 40 Prozent statt 29 Prozent, beides im Vergleich zum Basisjahr 2005.

Während das ETS-Ziel entsprechend der Wirkungsweise des EU-Emissionshandels europäisch gilt, wird das gemeinsame Non-ETS-Ziel mit der EU-Klimaschutz-Verordnung auf einzelne nationalstaatliche Ziele aufgeteilt, an dieser Systematik hat sich nichts geändert. Die Bundesrepublik beispielsweise muss ihre Emissionen im Non-ETS-Bereich künftig nach einer bereits im November beschlossenen Novelle bis 2030 gegenüber 2005 um 50 Prozent statt der bislang vereinbarten 38 Prozent mindern.

Der Regelungsbereich des neuen ETS-2, den die EU-Kommission ab 2027 für die Sektoren Straßenverkehr und Gebäude einführen will, und welcher ein eigenes Klimaziel von 43 Prozent THG-Minderung gegenüber 2005 bekommt - überschneidet sich folglich in weiten Teilen mit dem Regelungsbereich der EU-Klimaschutz-Verordnung. Glücklicherweise konnten Vorstöße von konservativer Seite abgewehrt werden, die verbindlichen Non-ETS-Ländereinsparziele der EU-Klimaschutzverordnung komplett zu begraben. Wäre dies nicht gelungen, wären nationalstaatliche Anstrengungen in den Bereichen Verkehr und Gebäude stärker unter Rechtfertigungsdruck gegenüber Klimaschutzbremsern gelangt als bislang ohnehin, etwa nach der Devise, «Wofür Tempolimit oder ambitionierte Gebäudestandards, es gibt doch den neuen Emissionshandel?!». Insgesamt fallen künftig 75 Prozent der EU-Treibhausgasemissionen unter die Regulierung der beiden Emissionshandelssysteme, darunter 40 Prozent unter das ETS.

Ein reformierter ETS für Energiewirtschaft und Industrie

Das seit 2005 bestehende EU-Emissionshandelssystem hatte die längste Zeit seines Bestehens so gut wie keine positive Wirkung auf den Umfang der Kohleverstromung oder den CO2-Ausstoß von Industrieanlagen. Der Grund liegt darin, dass infolge massiven Drucks seitens der Wirtschaft das so genannte Cap (die THG-Gesamtobergrenze für die ETS-Bereiche) aus Klimaschutzsicht zu wenig ambitioniert war, die Industrie ihre Emissionsrechte sehr großzügig und Großteils kostenlos zugeteilt bekam anstatt per Auktion, und das Regelwerk des ETS auch ansonsten aufgeweicht wurde. Speziell die Möglichkeit, sich Klimaschutzprojekte im Globalen Süden oder Osteuropa auf die Erfüllung der Minderungsverpflichtungen im ETS anrechnen zu lassen, durchlöcherte letzteres. Hinter den unter den Kürzeln CDM und JI bekannt gewordenen Vorhaben stand häufig kein realer Klimaschutz, die Billigzertifikate aus ihnen fluteten aber das europäische Handelssystem.

In der Folge reformierte die EU das ETS über die Zeit mehrfach. Zumindest wurden und werden aufgelaufenen Zertifikats-Überschüsse schrittweise abgebaut, neue «faule» Zertifikate aus fragwürdigen Auslandsprojekten dürfen aktuell nicht mehr ins ETS. In den letzten Jahren sind die CO2-Zertifikatspreise durch diese Reformen deutlich angestiegen (momentan auf rund 80 Euro pro Tonne CO2) und haben zeitweise - jedenfalls bis vor der kriegsbedingten Energiekrise - tatsächlich zum Klimaschutz beigetragen.

Mit den neuen Zielen werden Energiewirtschaft und Industrie im ETS nun ab 2024 auf einen deutlich strengeren Minderungspfad gezwungen, weil die staatlich vergebene Menge der Emissionsberechtigungen mit einem höheren Tempo abnimmt. In den sechs Jahren bis 2030 verdoppeln sich so die Einsparmengen gegenüber den bisherigen Zielen (mit einem Minderungsfaktor von zunächst 4,3 Prozent und später 4,4 Prozent statt bislang 2,2 Prozent pro Jahr).

Wie vom EU-Parlament mehrfach gefordert, wird dieses Emissionshandelssystem nun erstmals auf den Seeverkehr ausgeweitet. Zudem, das heben die Umweltverbände besonders hervor, sollen nun EU-weit sämtliche nationalen Einnahmen aus der Versteigerung von Zertifikaten aus dem ETS für Aktivitäten im Klimaschutz ausgegeben werden.

Auch am Abbau der ungenutzten Zertifikats-Überschüsse aus früheren Zeiten wird weitergearbeitet. Über ein so genanntes «Rebasing» werden ab 2024 in zwei Raten insgesamt 117 Millionen Emissionsrechte aus dem System entfernt. Das ist allerdings weniger als halb so viel, wie die Umweltstiftung WWF forderte. Mit der Marktstabilitätsreserve (MSR) soll ein weiter, bereits existierender Mechanismus, dafür sorgen, dass alte und ggf. neu entstehende Überschüsse schneller dem Markt entzogen werden. Allerdings kann Brüssel aus der MSR, sollten die Emissionsrechte knapp werden, bei Erreichen bestimmter Schwellenwerte auch wieder zusätzliche Emissionsrechte freigeben. Rasantes Wirtschaftswachstum würde so zumindest begrenzt mit zusätzlichen Emissionsrechten gefüttert – ein Unding angesichts der Klimakrise.

Auch die genannten minus 62 Prozent Gesamteinsparung des ETS bis 2030 gegenüber 1990 halten Klimaschützer für nicht ausreichend, der WWF verlangte mindestens 70 Prozent, das Ergebnis genüge nicht dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens. Dennoch schätzen Analysten, dass mit dem neuen Regelwerk europaweit der Kohleausstieg bereits gegen 2030 vollzogen sein wird – allein getrieben durch den Markt, was selbstverständlich ambitionierte ordnungsrechtliche Kohleausstiegsbeschlüsse nicht ausschließt. Insofern relativiert sich auch die angebliche Erfolgsstory der schwarzgelbgrünen NRW-Landesregierung, welche die kürzlich erhöhten Braunkohle-Fördermengen für die nächsten Jahre, denen das umkämpfte Lützerath geopfert werden soll, mit einem auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg in dem Bundesland als vermeintliche Gegenleistung von RWE verkauft hat. Dass ein marktgetriebener Kohleausstieg bereits zwischen 2028 und 2030 zu erwarten sein wird, war bereits mit dem Kommissionsentwurf zur ETS-Reform vor eineinhalb Jahren klar. Die damaligen Analysen dürften übrigens auch dafür gesorgt haben, dass die FDP und die Kohle-Brigaden der SPD jenem Passus im Koalitionsvertrag zähneknirschend zustimmten, nach der der deutsche Kohleausstieg «idealerweise» bereits bis 2030 (statt bis 2038/2035 nach geltendem Kohleausstiegsgesetz) anzustreben sei.

Ein Knackpunkt im ETS seit Jahren ist die kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten an die Industrie, die nach festgelegten Benchmarks vollständig oder anteilig erfolgt (nur die effizientesten Prozesse erhalten eine Vollzuteilung innerhalb des sinkenden Caps). Die Industrie muss die Zertifikate also bislang im Gegensatz zur Energiewirtschaft nur zu einem geringen Teil ersteigern. Diese Gratisvergabe verzögert nicht nur Klimaschutzinvestitionen, sie führt auch zu leistungslosen Extragewinnen. Denn Stahl- oder Chemieunternehmen preisen dort, wo es möglich ist, den Handelswert der umsonst erhaltenen CO2-Zertifikate in ihre Produktpreise ein.

Das soll sich nun schrittweise ändern, allerdings gegenüber dem Kommissionsentwurf leider langsamer. Ab 2026 soll an jene Teile der Industrie, die dem neuen Grenzausgleichmechanismus unterliegen (siehe unten), ein jährlich wachsender Teil der Zertifikate auktioniert werden. Die kostenlose Zuteilung schmilzt entsprechend ab, bis 2034 sämtlich Emissionsrechte zu ersteigern sind. Weder das EU-Parlament konnte sich nicht mit seiner Forderung durchsetzen, die kostenlose Zuteilung grundsätzlich bis schon 2032 zu beenden, noch die Umweltorganisationen, die, wie auch die LINKE, seit Jahren ein sofortiges Ende jeglicher Gratiszuteilungen forderten. Und ging es im Kommissionsentwurf bei diesem Austausch «Gratiszuteilung gegen Auktionierung» noch um 10 Prozentpunkte pro Jahr, so wurden nun für die ersten Jahre niedrigere Auktionsanteile, dafür in den letzten Jahren höhere vereinbart. Ein Geschenk an die Wirtschaft, welches somit einen Teil der Lenkungswirkung der Reform nach hinten verschiebt.

Umweltverbände haben zudem bereits am damaligen Kommissionsentwurf kritisiert, dass nur 47 Prozent der kostenlosen Zertifikate auf jene Industriesektoren entfallen, die bei der Einführung von CBAM berücksichtigt werden sollen, und bei denen die kostenlose Zuteilung abschmelzen wird. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 53 Prozent der gesamten Zertifikate vom Tausch komplett unberührt bleiben, für Glas, Chemikalien oder Raffinerieprodukte etwa. Für sie würde das Auslaufen der freien Zuteilung nach geltender Rechtslage erstmals im Jahr 2030 greifen.

Immerhin wird die verbleibende kostenlose Zuteilung künftig stärker konditioniert: Ohne Energieaudits verlieren die Unternehmen 20 Prozent ihrer Zertifikate. Die 20 Prozent klimaschädlichsten Anlagen werden zudem mit einem Malus belegt, bei dem sie weitere 20 Prozent ihrer Zuteilungen verlieren können, sollten Klimaschutzmaßnahmen nicht umgesetzt werden. Zudem verschärft das Trilog-Ergebnis die Benchmarks jährlich um 0,3 Prozent, was die Menge der gratis vergebenen Emissionsrechte reduziert.

Der neue Grenzausgleichmechanismus

Hauptargument der Industrielobby für die kostenlose Zuteilung an die Unternehmen war stets der internationale Wettbewerb mit außereuropäischen Herstellern, die keinen vergleichbaren kostenwirksamen Klimaschutzinstrumente unterliegen. Mit dem Abschmelzen der Gratiszuteilung verbunden ist darum ein neues Instrument: Der Grenzausgleichmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism - CBAM). Auf importierte Waren aus dem Nicht EU-Ausland wird eine CO2-Abgabe erhoben, um so Wettbewerbsunterschiede zwischen Produkten von heimischen Produzenten und vergleichbaren ausländischen Produkten auszugleichen, die aufgrund unterschiedlich starker oder gar fehlender CO2-Bepreisung existieren (bzw. existieren sollen). Die Abgabe wird zeitgleich und reziprok zum Abschmelzen der freien Zuteilung, also ebenfalls schrittweise erhoben. Erst im Jahr 2034 wirkt sie voll.

In den CBAM werden zunächst nur Sektoren einbezogen, die die Verhandler*innen mit vergleichsweise hohem Carbon-Leakage-Risiko (Verlagerungsrisiko) und Produktionsumfang verbunden haben. Das sind Zement, Elektrizität, Düngemittel, Eisen und Stahl, Aluminium, Strom und Wasserstoff. Auch hier eine hineinverhandelte Ausnahme zu Lasten des Klimaschutzes: Die Stahlbranche soll noch bis 2030 ihren jetzigen Anspruch auf freie Zuteilung behalten. Zudem wurden Änderungswünsche des Parlaments nicht berücksichtig, nach denen organische Chemikalien und Kunststoffe in den Mechanismus aufgenommen werden sollten. Diese Aufnahme wird nun erst 2030 geprüft. Vertagt wurde ferner die Entscheidung darüber, ob Exporte der CBAM-Sektoren ins EU-Ausland Rabatte (adäquat zur CO2-Preis-Belastung der Importe) erhalten sollen, um auf Drittmärkten konkurrenzfähig zu bleiben.

Das neu geschaffene ETS-2 für Gebäude und Verkehr

Beim ebenfalls neuen ETS-2 für die Sektoren Gebäude und Verkehr handelt es sich vorerst um einen so genannten Upstream-Ansatz. Die Abgabepflicht für die auktionierte Menge an Emissionszertifikaten ab dem Jahr 2027 trifft hier nicht die Emittenten der Treibhausgase, wie beim klassischen ETS, sondern die Inverkehrbringer von Brennstoffen. Die CO2-Kosten werden sich auf der Heiz- und Tankrechnung wiederfinden. In diesen beiden Sektoren ist Klimaschutz aber deutlich teurer als beispielsweise in der Stromwirtschaft, wo (vor den Umbrüchen infolge des Ukraine-Krieges) bereits CO2-Preise von 30 bis 50 Euro reichten, um erste alte Kohlekraftwerke aus dem Markt zu drängen. Angegeben in der Wissenschaft werden etwa Kosten von 100 bis 150 Euro je vermiedener Tonne CO2 für den Wärme- und etwa 150 Euro für den Verkehrssektor.

Die spürbaren sozialen Auswirkungen des ETS-2 bei vergleichsweise geringer Lenkungswirkung sahen die meisten EU-Staaten genauso skeptisch wie das EU-Parlament und Umweltverbände. Deutschland hat sich hier dennoch in Brüssel durchgesetzt. Die Große Koalition hatte ohnehin mit Unterstützung der Grünen und gegen die LINKEN schon 2021, also im Vorgriff auf die von ihr gewünschte EU-Lösung, mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz ein nationales Bepreisungssystem für Gebäude und Verkehr eingeführt.

Eine im Auftrag des WWF im Januar 2022 verfasste Studie verwies noch auf den sozialen Sprengstoff und die begrenzte Wirksamkeit des ETS-2-Kommissionsentwurfs, insbesondere auch darauf, dass eine gerechte Rückverteilung der Einnahmen in allen Mitgliedstaaten ein hohes Maß an politischer Verantwortung erfordere. Das EU-Parlament wiederum forderte erfolglos, Öl- und Gaskonzerne sollten zur Entlastung der Verbraucher*innen die Hälfte der Kosten tragen. Als Kompromiss wurde nun eine preisliche «Notbremse» vereinbart, die bei CO2-Preisen von 45 Euro je Tonne CO2 greift. Oberhalb dieser Marke sollen zusätzliche Zertifikate den Handelspreis wieder nach unten drücken, auch soll der Endkundenmarkt stärker auf Missbrauch überwacht werden. Zudem wird der Beginn des ETS-2 auf 2028 verschoben, sollten die Energiepreise außergewöhnlich hoch bleiben.

Der neue Klimasozialfonds

Um ökonomisch schwächere Haushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsnutzer dabei zu unterstützen, die Preisauswirkungen des neuen ETS-2 im Bereich Gebäude und Mobilität zu bewältigen, führt die EU ein neues EU-Instrument ein, den Klimasozialfonds (KSF). Dieser enthält jedoch deutlich weniger Mittel, als ursprünglich vorgesehen. Als Teil des EU-Haushalts soll er aus dem Auktionseinnahmen des ETS-2 bis zu einem Höchstbetrag von 65 Milliarden Euro aufgefüllt werden. Der Fonds wird für den Zeitraum 2026-2032 eingerichtet. Damit greift er nur ein Jahr früher als das neue CO2-Bepreisungssystem. Das EU-Parlament hatte hier letztlich erfolglos mehr Vorlauf eingefordert, um frühzeitige Umstellungen sozial abfedern zu können, etwa bei der Verkehrswende oder der energetischen Gebäudesanierung.

Jeder Mitgliedstaat soll jetzt der EU-Kommission einen «Klima-Sozialplan» vorlegen. Bestandteil davon können auch «vorübergehend und in begrenztem Umfang» direkte Einkommensbeihilfen sein, welche jedoch 37,5 Prozent der geschätzten Gesamtkosten der Klima-Sozialpläne nicht überschreiten dürfen. Genutzt werden soll der Klimasozialfonds vor allem für «vulnerable Haushalte» und Micro-Unternehmen sowie Verkehrsnutzer*innen, die besonders von Energie- und Verkehrsarmut betroffen sind. Zu den möglichen Ausgabengebieten gehören auch Investitionen, die soziale Belastungen verhindern helfen.

Die Mitgliedstaaten müssen zum KSF aus ihren eigenen Haushalten eine Co-Finanzierung in Höhe von 25 Prozent leisten. Der Kommissionsentwurf sah hier ursprünglich 50 Prozent vor. Das dürfte der Hauptgrund sein, warum der Fonds plus Co-Finanzierung nun insgesamt nur 87 Milliarden Euro betragen wird, statt ursprünglich geplanter 144 Milliarden Euro.

Fazit

Die Trilog-Einigung zur Reform der CO2-Bepreisung, die jetzt nur noch formal abgesegnet werden muss, enthält erhebliche klimapolitische Fortschritte. Sie reicht aber noch nicht für einen gerechten Beitrag zur Einhaltung der Ziele von Paris. Hier schlagen vor allem die Zugeständnisse an die Großindustrie sowie die gegenüber dem Ursprungsentwurf der Kommission deutlich abgeschwächte soziale Absicherung zu Buche.

Nach den Informationen aus dem Verhandlungsumfeld stand hier offensichtlich insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Bremse und erschwerte zumindest bei zwei zentralen Baustellen die Verhandlungen: dem Abbau der kostenlosen Zuteilung an die Industrie und beim Volumen des Klimasozialfonds. Also genau an jenen Punkten, an denen die Klimaschutzbewegung die größten Kritikpunkte am Paket festmacht. Damit muss die angebliche Klimaschutzvorreiterin Bundesrepublik Deutschland die Hauptverantwortung für das halbgare Verhandlungsergebnis übernehmen.