Nachricht | Stadt / Kommune / Region - Wohnen Kommunal bauen, bezahlbar wohnen

Wir benötigen dringend Wohnraum, der bezahlbar ist und auch bezahlbar bleibt.

Wohnen ist ein Grundrecht

Vielerorts kämpfen Menschen darum, Wohnungen in öffentliches Eigentum zurückzuführen. Sie fordern den Rückkauf der Wohnungen durch Kommunen und Genossenschaften, oder die Vergesellschaftung der Wohnungen durch Enteignung der Wohnungskonzerne. Zusätzlich können die Kommunen selbst Wohnungen bauen, die Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge werden und dauerhaft bezahlbar bleiben. Mit einem kommunalen Wohnungsbauprogramm könnte die öffentliche Hand dem Auftrag gerecht werden, bezahlbaren Wohnraum für alle bereitzustellen.

Wohnen als Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand

Daseinsvorsorge bedeutet, dass der Staat in der Verantwortung steht, besondere Güter und Leistungen für alle Menschen bereitzustellen. Dazu zählen zum Beispiel Energie- und Wasserversorgung, Telekommunikation, Mobilität und auch das Wohnen. Bis in die 1990er und 2000er Jahre waren viele dieser Bereiche in öffentlicher Hand. In einer Welle der Privatisierung wurden Post, Bahn, Energieversorgung und andere Bereiche verkauft und privaten Anbietern überlassen. Das geschah in der Hoffnung, dass die kommunalen Haushalte entlastet und eine Marktorientierung die Angebotspreise für die Nutzer*innen senken würde. Allerdings ist in vielen Bereichen genau das Gegenteil zu beobachten: Die Mieten steigen, Bahnstrecken wurden bundesweit zurückgebaut und die Gesundheitsversorgung steht immer mehr im Dienste des Profits, anstatt der Gesundheit der Menschen.

Seit einigen Jahren ist besonders in Zentral- und Westeuropa ein Trend hin zur Rekommunalisierung von Bereichen wie Energie- und Wasservesorgung zu sehen. Auch Wohnraum wird teils rekommunalisiert – allerdings wird der Wohnraum zu Marktpreisen von privaten Unternehmen zurückgekauft und somit werden Spekulationsgewinne auf Immobilien, Grund und Boden öffentlich mitfinanziert. Dabei gilt für die Daseinsvorsorge, dass auch Menschen ohne oder mit nur geringem Einkommen Zugang zu den Leistungen und Gütern erhalten müssen. Eine Rekommunalisierung zu Marktpreisen belastet die öffentlichen Haushalte oder die Nutzer*innen, wenn die Kosten an sie weitergegeben werden. Wohnen kann als Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand also nur gemeinwohlorientiert, und nicht in einem profitorientierten Wohnungsmarkt bestehen.

Bezahlbar wohnen in kommunaler Hand? Wie geht das?

Details

Vielerorts kämpfen Menschen darum, Wohnungen in öffentliches Eigentum zurückzuführen. Sie fordern den Rückkauf der Wohnungen durch Kommunen und Genossenschaften, oder die Vergesellschaftung der Wohnungen durch Enteignung der Wohnungskonzerne. Zusätzlich können die Kommunen selbst Wohnungen bauen, die Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge werden und dauerhaft bezahlbar bleiben. Mit einem kommunalen Wohnungsbauprogramm könnte die öffentliche Hand dem Auftrag gerecht werden, bezahlbaren Wohnraum für alle bereitzustellen.

Regie, Illustrationen & Animation: Irene Izquierdo
Sprecher*in: Swantje Reuter
Audio Mischung: Baldur Strauß
Text & Redaktion: Anastasia Blinzov, Bildungskoordinatorin für Stadt- und Wohnungspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung

CC BY 2.0 DE Rosa-Luxemburg-Stiftung

Garden Music by Kevin MacLeod, CC BY 3.0

Berlin braucht 100.000 neue Wohnungen

Im Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ist festgehalten, dass Wohnen bezahlbar bleiben soll. Ein wichtiger Pfeiler dieses Vorhabens ist die gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft. Insgesamt sei zu erwarten, dass in Berlin rund 200.000 Wohnungen neu gebaut werden müssen. Die Hälfte davon soll mithilfe der städtischen Wohnungsbaugesellschaften und Baugenossenschaften entstehen, also im gemeinwohlorientierten Sektor. Im Gegensatz zum privaten Wohnungsbau folgt dieser Sektor dem Gemeinwohl als höchstem Ziel, anstatt der Profitsteigerung.

Wieso werden in Berlin so viele neue Wohnungen, und vor allem bezahlbare Wohnungen gebraucht? Das durchschnittliche Einkommen von Haushalten liegt in Berlin nach wie vor unter dem Bundesdurchschnitt. Zudem fallen Sozialwohnungen kontinuierlich aus dem System der Mietpreisbindung. Außerdem sind seit 2011, also seitdem die Mieten in Berlin und anderen deutschen Großstädten rasant steigen, vor allem neue Wohnungen im hochpreisigen Segment gebaut worden. Daher fehlen in der Stadt Wohnungen, die auch für Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen – immerhin 80 Prozent aller Berliner*innen – bezahlbar sind.

Die Mietpreise sind auch von den Baukosten abhängig. Und zwar davon, welcher Anteil der Kosten durch die Miete gedeckt werden soll und in welchem Zeitraum diese Kosten gedeckt werden sollen. Wenn private Unternehmen bauen, setzen sie anschließend oft hohe Mietpreise an, um den Bau in möglichst kurzer Zeit zu Refinanzieren. Gemeinwohlorientierte Bauträger setzen oft größere Zeiträume an. Dadurch sinkt die Monatskaltmiete für alle Mieter*innen des Hauses. Zusätzlich erhalten sie zum Teil Förderungen von Land und Kommune, zum Beispiel in Form von zinsvergünstigten Krediten.

50.000 bezahlbare Wohnungen = 1 Milliarde Euro pro Jahr

Eine Milliarde Euro für das kommunale Wohnungsbauprogramm

Die Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik setzt sich in der Veröffentlichung MEMORANDUM 2018 noch für ein Investitionsvolumen von 7 Milliarden Euro jährlich für den kommunalen Wohnungsbau ein. Die Notwendigkeit für öffentliche Investitionen in den Wohnungsbau sei unumstritten. Nur über die Höhe der Investitionen seien sich verschiedene Parteien nicht einig.

Die vorgeschlagenen 7 Milliarden Euro setzen sich laut Arbeitsgruppe aus einem Bedarf von 100.000 neuen Wohnungen pro Jahr zusammen. Unter Beachtung der regionalen Unterschiede lägen Errichtungskosten inklusive dem Ankauf des Grundstücks bei 2.500 bis 3.000 Euro pro Quadratmeter. Mit einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 65 Quadratmetern würde eine Wohnung insgesamt 180.000 Euro kosten. Auf die benötigten 100.000 Wohnungen hochgerechnet wäre das Investitionsvolumen bereits bei 18 Milliarden Euro jährlich. Diese Kosten wären schließlich mit 7 Milliarden Euro jährlich von der Kommune, und 11 Milliarden Euro jährlich über Kredite der öffentlichen Investitionsbanken zu decken. Unter Einbezug der aktuellen Investitionen und Entwicklungen des Wohnungsneubaus sei eine Investitionshöhe von 1 Milliarde Euro pro Jahr durch die Kommune tragbar.

Bild eines Sparschweins umgeben von Häusern

Ein Bodenfonds für Berlin

Um den Flächenbedarf des Landes Berlin zu decken werden mithilfe eines Bodenfonds bereits Flächen bevorratet, also vorsorglich angekauft, um eine Grundstücksreserve einzurichten. Bislang sind dies vor allem Gewerbe- und Kulturflächen. Um dem Bedarf an Wohnfläche gerecht zu werden muss mithilfe dieses Fonds zukünftig auch Boden für diesen Zweck erworben werden.

Dafür wird eine Kreditermächtigung vergeben: In einem parlamentarischen Beschluss wird die Aufnahme von Krediten zum Zwecke des Bodenankaufs erlaubt. Die so erworbenen Grundstücke werden mittels Erbbaurechts-, Pacht- und Mietverträgen an gemeinwohlorientierte Akteure vergeben, und bleiben auf diese Weise in öffentlicher Hand. Zusätzlich können bei der strategischen Ausrichtung des Bodenfonds bestehende Bedarfe aus Bezirken und von gemeinwohlorientierten und kooperativen Projekten angemeldet werden.