Nachricht | Europa - International / Transnational Energiepolitik im Zeichen von Innovation, auslaufender Steinkohle und Klimaschutz

Andrzej Chwiluks, Vorsitzender der Bergarbeitergewerkschaft ZZGwPolsce und Vizepräsident der Europäischen Föderation der Bergbau, Chemie- und Energiegewerkschaften (EMCEF) besucht Nordrhein-Westfalen.

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Holger Politt,

Am 9. und 10. Mai 2011 fand in Nordrhein-Westfalen ein Workshop der Rosa Luxemburg Stiftung zu aktuellen Tendenzen, Herausforderungen und Fragen der Energiepolitik im Bundesland Nordrhein-Westfalen und in Polen statt. Organisator war die Rosa Luxemburg Stiftung in Nordrhein-Westfalen in enger Zusammenarbeit mit dem Büro Warschau der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie der Fraktion der Partei DIE LINKE im Düsseldorfer Landtag. Eingeladen war Andrzej Chwiluk, Vorsitzender der Bergarbeiterbranchengewerkschaft in Polen (ZZGwP), der zugleich Vizepräsident der Europäischen Föderation der Bergbau, Chemie- und Energiegewerkschaften (EMCEF) und Mitglied im Europäischen Ausschuss für Wirtschaft und Soziales, einem Konsultativorgan bei der Europäischen Union, ist. Die Landtagsfraktion war durch deren Vorsitzende Bärbel Beuermann vertreten. Für die Rosa Luxemburg Stiftung nahmen Joanna Gwiazdecka, Leiterin des Büros Warschau, und Peeter Raane, Vorsitzender der Stiftung in Nordrhein-Westfalen, teil.

Bei Gesprächen mit Vertretern der Ruhrkohle AG, der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) und im Kraftwerksneubau Datteln IV standen Fragen wie der für das Jahr 2018 festgelegte Ausstieg aus der Steinkohlenförderung, die sozialen Perspekti-ven der betroffenen Bergarbeiter in der Region und die Steinkohle als Basis für eine Brückentechnologie zur Energiegewinnung bis zum erfolgreich vollzogenen Wandel in der Energieproduktion im Vordergrund. Andrzej Chwiluk wies in diesem Zusammenhang mehrmals auf Erfahrungen aus Polen hin, einem Land, in dem die Steinkohlenproduktion nach 2018 ohne staatliche Subventionen fortgesetzt werden soll. Da das Land bereits jetzt mit Abstand der größte Steinkohlenproduzent in der EU ist, besitzen solche Einschätzungen aus polnischer Gewerkschaftssicht ihr spezifisches Gewicht.

Im neu strukturierten Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalens wurde zum einen auf strukturelle Ähnlichkeiten zur Kohle- und Industrieregion Śląsk in Polen verwiesen, andererseits aber mit Nachdruck auf den sich bereits seit einigen Jahrzehnten vollziehenden Strukturwandel insbesondere auch im Ruhrgebiet verwiesen, in dessen Ergebnis das Land Nordrhein-Westfalen mittelfristig eine Energiewende vollziehen wird. Die traditionellen fossilen Energieträger werden an Bedeutung verlieren, alternative Quellen einen sehr viel größeren Anteil am so genannten Energiemix bekommen als heute. Die ehrgeizigen Ziele des Ministeriums, etwa den Anteil der Windenergie von derzeit 3 Prozent bis zum Jahre 2020 auf 15 Prozent zu erhöhen, zeigen an, wie viel sich im traditionellen Kohleland in den kommenden Jahren auf diesem Gebiet bewegen soll. Andrzej Chwiluk unterstrich, wie wichtig in solchen Prozessen eines tief greifenden Strukturwandels der Dialog zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Kräften sei.

Bei einer Führung durch den Innovationspark in Gladbeck am Nordrand des Ruhrgebiets wurden den Teilnehmern Möglichkeiten demonstriert, wie innovative Ingenieurskunst einerseits das in der Gesellschaft sich zeigende Verlangen nach verstärktem Klimaschutz Rechnung tragen, andererseits aber auch dem berechtigten Verlangen einer traditionell auf Schwer- und Großindustrie basierenden Industrieregion auf Erhalt vorhandener, aber vor allem Schaffung neuer Arbeitsplätze nachgekommen werden kann.
In Duisburg, dem nach wie vor wichtigsten deutschen Stahlproduktionsstandort, wurde bei einem Treffen mit Kommunalpolitikern der Partei DIE LINKE deutlich, welche gravierenden Veränderungen ein grundlegender Strukturwandel insbesondere in der Beschäftigungsstruktur mit sich bringt. Hier sei links und sozial ausgerichtete Kommunalpolitik immer gefordert. Joanna Gwiazdecka und Andrzej Chwiluk verwiesen in diesem Zusammenhang auf die jüngsten Erfahrungen in der Industrieregion Śląsk, in der es auch viele kleine und große Duisburgs gäbe, wobei allerdings vielen Orten der grundlegende Strukturwandel erst noch bevorstehe.

Bei einem Erfahrungsaustausch im Düsseldorfer Landtag mit der Fraktion der Partei DIE LINKE stand die Frage der auf Kohleförderung und -verfeuerung basierenden Brückentechnologie bei der Energiegewinnung im Mittelpunkt. Bärbel Bauermann betonte in diesem Zusammenhang, dass es bei den Fristen und den sich daraus ergebenden gesellschaftlichen Konsequenzen auch in einer linken Partei zum Teil zu sehr unterschiedliche Standpunkte kommen könne, was aber davon zeuge, welchen Stellenwert energiepolitische Fragen mittlerweile gesellschaftsweit bekommen haben. Die jüngsten Ereignisse im japanischen Kernkraftwerk Fukushima und die daraus sich ergebenden Konsequenzen insbesondere in der Energiepolitik der Bundesrepublik haben das erneut und dramatisch unter Beweis gestellt.