Nachricht | Parteien / Wahlanalysen - Westeuropa Schwedens sechs chaotische Monate rechter Regierung

Warum der rechtsextreme Populismus die Wahl gewonnen hat, aber die Rechte an Glaubwürdigkeit verliert.

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Elisabeth Svantesson und Oscar Sjöstedt sprechen auf einer Pressekonferenz.
Die schwedische Finanzministerin Elisabeth Svantesson und der wirtschaftspolitische Sprecher der Schwedendemokraten, Oscar Sjöstedt, bei einer Pressekonferenz zum Haushaltsentwurf der schwedischen Regierung, 25. Januar 2023. Foto: IMAGO / TT

Nach fünf Wochen komplizierter Koalitionsverhandlungen wählte das schwedische Parlament am 18. Oktober 2022 die am weitesten rechtsstehende Regierung in der Geschichte des Landes. Die Mitte-Rechts-Moderaten und ihre Juniorpartner, die Christdemokratie und die Liberalen, sind beim Regieren auf die Unterstützung der rechtsextremen Schwedendemokraten angewiesen. Die Sverigedemokraterna erhielten mehr Stimmen als die anderen rechten Parteien, traten aber nicht der Regierung bei. Stattdessen nutzten sie ihre Position als Königsmacher, um viele ihrer Wahlversprechen in das Regierungsprogramm einzufügen und politische Funktionäre in den Ministerien zu platzieren, um die Arbeit der Regierungsparteien zu kontrollieren.

John Hörnquist ist Koordinator für politische Studien der schwedischen Linkspartei (Vänsterpartiet).

Regierung liefert nicht

Unter dem Einfluss der Schwedendemokraten hat die neue Regierung umfassende und kreative Maßnahmen zu restriktiver Einwanderungspolitik und repressiver Kriminalitätspolitik vereinbart: die Aufhebung des dauerhaften Aufenthalts aus mehreren Gründen; die Untersuchung der Möglichkeit «überseeischer Gefängnisse»; die Senkung der jährlichen schwedischen Flüchtlingsquote von 5000 auf 800; die Ermöglichung von «Stopp-und-Such»-Zonen in Gebieten mit sozialen Problemen; die Verdoppelung der Strafen für bandenbezogene Verbrechen; die Ermöglichung anonymer Zeugen und mehr. Der Einfluss der Schwedendemokraten zeigt sich auch bei einigen sozialen Fragen, wie etwa dem Fehlen der traditionellen rechten Politik der Senkung der Arbeitslosenunterstützung, obwohl andere Dinge, die die Schwedendemokraten versprochen hatten, sehr schwach und vage blieben, beispielsweise bessere Renten und Bedingungen für krankheitsbedingte Arbeitsausfälle. Einige versprochene soziale Reformen, wie eine Preisobergrenze für die zahnärztliche Versorgung und eine stärkere staatliche Verantwortung für das Gesundheitswesen, werden lediglich «geprüft».

Abgesehen von repressiver und rassistischer Politik – und umfangreichen Steuersenkungen für Hochverdiener – hat die Regierung ihre wirtschaftlichen Versprechen kaum erfüllt. Ebenso wenig kompensiert sie die Regionen oder Kommunen, die für den größten Teil des Sozialsektors verantwortlich sind, in ausreichendem Maße, sodass die steigenden Kosten nicht gedeckt werden, was bereits in diesem Jahr enorme Einschnitte wahrscheinlich macht. Gleichzeitig hat es die Regierung versäumt, die Türkei mit Blick auf deren Bedingungen für einen Beitritt Schwedens zur NATO zu besänftigen, obwohl sie unbeholfen eine unpopuläre Rolle rückwärts vollzog, die im In- und Ausland Kritik hervorrief.

Infolgedessen waren bis zum 15. Februar nur 36 Prozent der Schweden der Meinung, dass die Regierung gute Arbeit leiste, während 56 Prozent dies nicht meinten. Es überrascht nicht, dass die Opposition in den Umfragen inzwischen einen Vorsprung von knapp zehn Prozent besitzt. (Siehe diese Zusammenfassung von vier verschiedenen Umfragen, die nach einer Umfrage vom 17. Februar aktualisiert wurden.)

Der Rückgang der Unterstützung für die rechten Parteien hat die extreme Rechte besonders hart getroffen, da sie – und nur sie – für den marginalen Sieg im September verantwortlich zeichnete, indem sie Wähler*innen anzog, die die traditionellen rechten Parteien normalerweise nicht für sich gewinnen können. Tatsächlich verloren die Mitte-Rechts-Parteien, die jetzt die Regierung stellen, bei der Wahl allesamt an Unterstützung. Zusammen holten sie lediglich 29 Prozent der Stimmen, ein historisch niedriger Wert, und konnten die Macht nur übernehmen, weil sie sich auf die 20,5 Prozent der Schwedendemokraten stützen können.

Die von den Schwedendemokraten überzeugten sozialdemokratischen Wähler*innen sind offenbar besonders enttäuscht über die Unfähigkeit der Rechten, ihr Versprechen zu halten und die Wählerschaft vor steigenden Kosten für Kraftstoff und Strom zu schützen. Viele sind seitdem zu den Sozialdemokraten zurückgekehrt.

Eine umstrittene politische Agenda

Die politische Debatte der letzten Jahre war geprägt vom Fokus der Rechtsextremen auf Kriminalität und Einwanderung. Dieser Rahmen wurde zunehmend von der traditionellen Rechten unterstützt, die ihre neoliberale Rhetorik weitgehend aufgegeben hat. Auch die Sozialdemokratie hat den einwanderungsfeindlichen Rahmen der rechtsextremen Partei letztlich akzeptiert, sich ihm angepasst und ihren kleineren Regierungspartner, die Grünen, mitgenommen. Die Zentrumspartei lehnt diese rechtsextreme Agenda zwar ab, aber nur aufgrund ihres entschiedenen Neoliberalismus. Die Linkspartei ist nach wie vor die einzige Partei, die versucht, den Fokus der politischen Debatte von Kriminalität und Einwanderung auf soziale und wirtschaftliche Fragen rund um eine Art industrieller «neuer Grüner Deal» zu verlagern. Die Kluft zwischen der Wirtschaftspolitik der Zentrumspartei und der Linkspartei hatte schon die Bildung der Vorgängerregierung äußerst kompliziert gestaltet.

Während des Wahlkampfs verpflichteten sich alle Seiten, die Haushalte angesichts hoher Strompreise zu unterstützen, aber die Rechte war sehr präzise, wie schnell diese Hilfen umgesetzt werden würden.

Trotzdem überschatteten bisweilen andere Themen das dominante reaktionäre Narrativ. So gelang es der Linkspartei 2021, den politischen Fokus zu verlagern, indem sie die rot-grüne Regierung zu Fall brachte (und dann wieder einsetzte), um sie von der Deregulierung der Mieten abzuhalten – eine von vielen neoliberalen Reformen, die die Zentrumspartei im Gegenzug für ihre Unterstützung gefordert hatte. Als Bedingungen für die Unterstützung der Ernennung der neuen sozialdemokratischen Ministerpräsidentin, Magdalena Andersson, im November 2021 zwang die Linkspartei die Regierung dann, sich zu einer historisch hohen Steigerung der Unterstützung einkommensschwacher Rentner*innen und kranker Arbeitnehmer*innen zu verpflichten. Alle politischen Möglichkeiten, die sich in dieser Situation boten, wurden jedoch im Februar 2022 durch den Ukrainekrieg und die Diskussionen über eine schwedische Mitgliedschaft in der NATO beiseitegeschoben.

«Kulturkampf» bei den Energiekosten

Bis zum Sommer 2022 war es der Rechten gelungen, neben einer neuen, stark polarisierten «Kulturkampfdebatte» über Strom- und Kraftstoffpreise die Themen Kriminalität und Einwanderung wieder in den Mittelpunkt der politischen Agenda zu rücken. Die Rechte versuchte, die Debatte über steigende Stromkosten zu beeinflussen, indem sie die «vorzeitige» Schließung schwedischer Atomkraftwerke kritisierte und «absurde» Kraftstoffsteuern sowie Biokraftstoffe zur Senkung von Kohlenstoffemissionen für die hohen Preise verantwortlich machte. Der Erfolg der rechten Einflussnahme auf die Energiedebatte sagt viel über die Effizienz ihrer Propagandamaschine aus, die die Kräfte der Internet-Trolle und alternativen Medien der Schwedendemokraten und der traditionellen rechten Medien bündelt. Er unterstreicht aber einmal mehr auch die Schwäche und Spaltung der Mitte-Links-Parteien, die nicht in der Lage sind, den wenig überzeugenden Argumenten effektiv entgegenzutreten.

Schweden exportiert mehr Strom als jedes andere EU-Land, und der Bau neuer Atomkraftwerke würde viele Jahre in Anspruch nehmen. Überdies stellten die rechten Parteien sich gegen den Ausbau der Windkraft. Obwohl die steigenden Kraftstoffpreise in Wirklichkeit vor allem eine Folge des Krieges waren, gelang es der Rechten dennoch, genügend Wähler*innen davon zu überzeugen, dass sie in Energiefragen glaubwürdiger und verantwortungsvoller sei. Aufgrund ihres maßlosen Siegeswillens konnte sie sich jedoch nicht bremsen und versprach den Bürger*innen auch unrealistische Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Energiepreise. Diejenigen, die das Framing eines Problems definieren, sind im Vorteil, und die Rechten haben das Spiel, den anderen die Schuld an den hohen Energiepreisen in die Schuhe zu schieben, gewonnen – jedenfalls bis nach der Wahl, als ihnen ihre Versprechungen auf die Füße fielen.

Während des Wahlkampfs verpflichteten sich alle Seiten, die Haushalte angesichts hoher Strompreise zu unterstützen, aber die Rechte war sehr präzise, wie schnell diese Hilfen umgesetzt werden würden – vielversprechende Maßnahmen sollten schon am 1. November in Kraft treten. Ihre Ankündigungen zu den Kraftstoffpreisen waren noch ehrgeiziger: Die Schwedendemokraten versprachen eine Senkung um zehn Kronen (etwa einen Euro) pro Liter beim Diesel, die Moderaten und die Christdemokratie lagen nicht weit dahinter.

Magere Ergebnisse der Wirtschaftspolitik

Trotz aller Gespräche waren die Ergebnisse bisher sehr dürftig: Die Regierung führte zwar eine Beihilfe für die Stromkosten ein, allerdings erst ab Februar und nur für Südschweden. Sie hält indes an ihrem Versprechen fest, dasselbe später auf den Rest des Landes auszuweiten. Bewertungen des Gesetzentwurfs halten die Beihilfen jedoch für so vorteilhaft für Großverbraucher, rentable Unternehmen und Reiche, dass die Regierung ihre Zuweisung an individuelle Bürger*innen nicht öffentlich gemacht hat, was extrem ungewöhnlich ist. Schweden ist zudem das einzige EU-Land, das es versäumte, eine EU-Richtlinie über die Besteuerung von Übergewinnen bei Stromerzeugern ab Dezember oder Januar umzusetzen, das heißt die Stromunternehmen dürfen (Über-)Gewinne von vielen Milliarden Kronen behalten, bevor die Steuer seit März endlich erhoben wird.

Bei den Kraftstoffpreisen sind die Ergebnisse noch magerer. Die versprochene Zehn-Kronen-Senkung ist in der Praxis auf nur 14 Öre (42 Öre für Diesel) geschrumpft, das entspricht etwa 1 bzw. 4 Eurocent. Um dies in Zukunft zu ändern, kämpfen die Schwedendemokraten gegen die Liberalen in der Regierung, aber der Schaden ist angerichtet und die Enttäuschung scheint massiv – insbesondere bei der Wählerschaft im ländlichen Raum, wo die Schwedendemokraten Stimmen zugewinnen konnten.

Ein Vorschlag der Linkspartei, die schwedischen Strompreise vom EU-Markt abzukoppeln, damit Engpässe in der gesamten Union die Preise in Schweden nicht in die Höhe treiben, wurde von den anderen Parteien im Wahlkampf ignoriert. Gewerkschaften und Hauseigentümer-Verbände unterstützten den Vorschlag jedoch, und Vertreter*innen sowohl der Sozialdemokratie als auch der Regierung haben kürzlich begonnen, ähnliche Ideen zu äußern, jedoch ohne konkrete Vorschläge zu unterbreiten, da sie nicht bereit sind, die EU oder die europäische Liberalisierung im Energiebereich allzu sehr in Frage zu stellen.

Inkompetent und unternehmensfreundlich

Nach sechs Monaten im Amt erscheint die Regierung inkompetent und den Konzernen zugeneigt, zu denen nicht nur der Energiesektor, sondern auch der Sozialsektor gehört. Der Bildungsminister wurde von einem großen Kooperationsgremium privater Schulen rekrutiert, und der unpopulären Politik, Konzernen zu gestatten, Gewinne mit öffentlich finanzierten Schulen sowie mit Gesundheits- und Pflegedienstleistern zu erzielen, wurden keine ernsthaften Grenzen gesetzt.

In den letzten Jahren haben führende Persönlichkeiten aus der schwedischen Industrie und viele Politiker*innen einen bevorstehenden Industrieboom gefeiert, insbesondere im hohen Norden Schwedens, wo 100.000 neue Arbeitsplätze erwartet werden (in einer Region mit nur 520.000 Einwohner*innen). Viele dieser Arbeitsplätze sind mit der Elektrifizierung von Gesellschaft und Industrie verbunden, und dieser Boom wird voraussichtlich eine Steigerung der Stromerzeugung um 33 Prozent bis 2027 und eine Verdoppelung bis 2035 erfordern. Während für gewöhnlich die Rechte und die Sozialdemokratie besonders eifrig über die industrielle Expansion diskutieren, haben nur wenige Politiker*innen die Chancen dieses Booms so begeistert ergriffen wie der Vorsitzende der Linkspartei, Nooshi Dadgostar. Die Partei hat für die nächsten zehn Jahre ein Investitionsprogramm von 700 Milliarden Kronen vorgeschlagen, das sich auf den Ausbau erneuerbarer Energien, die Infrastruktur, den Wohnungsbau und die Umstrukturierung der Industrie konzentriert. Auch der Rest der Opposition war begeistert, wenn auch weniger ehrgeizig in Bezug auf staatliche Investitionen.

Auch wenn die Rechte die Initiative einstweilen verloren hat, sollte ihre Effizienz im Negativwahlkampf nicht unterschätzt werden.

Unterdessen bereitet die Energiepolitik der rechten Regierung – trotz ihres Lippenbekenntnisses zur Notwendigkeit neuer, «zuverlässiger» Energie – Umweltschützer*innen, Mitte-Links-Politiker*innen und Industrieführer*innen Sorge. Die Rechte gewann die Wahl, indem sie die Energieprobleme der «vorzeitigen» Schließung von Atomkraftwerken zuschrieb und den Widerstand gegen Windkraft ausnutzte. Sie hat ihre pronukleare Agenda mit ihrem «Kulturkampf» über steigende Energiepreise kombiniert, neue Atomkraftwerke geplant und gleichzeitig die staatliche Unterstützung für riesige Windenergieparks, insbesondere vor der Küste, gekürzt. Da Windenergie weithin als schnellster Weg zu großen Mengen neuen Stroms gilt, sorgen sich Politiker*innen, Unternehmen und Öffentlichkeit, dass der erwartete industrielle Boom gefährdet sein könnte. Die Regierung versucht nun, ihre Position ein wenig zu nuancieren, stößt aber weiterhin auf Widerstand sowohl von innen als auch von den Schwedendemokraten.

Schwedens NATO-Ambitionen in den Sand gesetzt

Nicht zuletzt hat der Umgang der Regierung mit Schwedens NATO-Antrag zu politischen Problemen, erhöhten Spannungen und einer handfesten Blamage geführt. Nach 200 Jahren Bündnisfreiheit hat Schweden infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine eine plötzliche Kehrtwende vollzogen. Die Sozialdemokrat*innen hatten lange eine Politik der engen Zusammenarbeit mit der NATO verfolgt und noch im März 2022 grundsätzlich gegen eine NATO-Mitgliedschaft optiert. Als dann klar wurde, dass Finnland sich um die Mitgliedschaft bewerben würde, begann eine Mehrheit der Wähler*innen erstmalig eine NATO-Mitgliedschaft zu unterstützen. Die sozialdemokratisch geführte Regierung vollzog eine Kehrtwende und beantragte im Mai die Mitgliedschaft. Auch die Schwedendemokraten änderten zu dieser Zeit ihre Position zur NATO, sodass nur noch die Linkspartei und die Grünen sich gegen den NATO-Beitritt stellten.

Während die meisten NATO-Mitglieder Schwedens Bewerbung mit Begeisterung begegneten, komplizierte die Türkei die Dinge. Sie forderte Schweden auf, sich von der (mit der NATO verbündeten) kurdisch dominierten YPG-Regierung im Norden Syriens zu distanzieren, mit türkischen Sicherheitsdiensten gegen die PKK zusammenzuarbeiten, schwedische Waffenverkäufe an die Türkei zuzulassen, vermeintlich PKK-bezogene Symbole, Organisationen und Proteste zu verbieten und schließlich mehrere oppositionelle Türken und Kurden mit Wohnsitz in Schweden an die Türkei auszuliefern. Die sozialdemokratische Regierung stimmte den meisten Punkten zu, hielt aber daran fest, dass bei Auslieferungen und Verboten geltendes Recht eingehalten werden müsse.

Die neue Regierung verfolgte dieselbe Strategie, aber mit größerem Enthusiasmus, auch mit Blick auf Auslieferungen und Verbote. Sie distanzierte sich noch weiter von der YPG (was die YPG-Regierung veranlasste, mit der Rückführung hunderter schwedischer IS-Kämpfer aus ihren Gefangenenlagern zu drohen). Nach mehreren sehr unterwürfigen Treffen zwischen der schwedischen und der türkischen Regierung und mehreren Auslieferungen zeigte eine Umfrage im Januar, dass bis zu 79 Prozent der Wähler*innen nicht wollten, dass Schweden seine demokratischen Rechte kompromittiert, um die Zustimmung der Türkei zu erhalten, selbst wenn es die NATO-Mitgliedschaft verzögern würde.

Große Demonstrationen gegen die NATO und für die Kurd*innen, aber auch die auf Meinungsfreiheit pochenden Zeitungen begannen, Präsident Erdogan öffentlich zu verspotten. Vor der türkischen Botschaft verbrannte dann der rechtsextreme Provokateur Rasmus Paludan den Koran, wobei er unterstützt wurde von Chang Frick, dem Chefredakteur von «Nyheter idag» («Nachrichten heute»), einer mit den Schwedendemokraten in Verbindung stehenden Webzeitung. Daraufhin explodierte in vielen muslimischen Ländern und Gemeinschaften die Wut auf Schweden, und Erdogan stoppte alle NATO-Gespräche.

Opposition uneins

Während die rechte Regierung und ihr rechtsextremer Partner einen miserablen Start hingelegt und ihre Glaubwürdigkeit und Unterstützung in Mitleidenschaft gezogen haben, bleibt die Opposition uneins, wie sie auf die Situation reagieren soll. Hauptnutznießer der öffentlichen Unzufriedenheit ist die Sozialdemokratie mit 35 Prozent Unterstützung – der höchsten seit Jahren – und einer populären Parteichefin. Sie scheint sich jedoch damit zufrieden zu geben, abzuwarten, bis sie wieder an der Reihe ist, ohne die repressive und rassistische Politik infrage zu stellen oder auf größere soziale oder wirtschaftliche Reformen zu drängen – ein Ansatz, der der Strategie ähnelt, mit der sie die Wahl verlor. Grüne und Zentrumspartei versuchen noch immer, in der neuen Situation Fuß zu fassen.

Nur die Linkspartei – die zweitstärkste Oppositionspartei, die ihre Mitgliederzahl in den letzten zwölf Jahren verdreifachte – verfügt über ein klares politisches Projekt staatlicher Investitionen in Arbeitsplätze, den Sozialsektor und einen «neuen Grünen Deal», ohne der Agenda der Rechten nachzugeben. Doch wie bereits im Wahlkampf steht die Vänsterpartiet praktisch alleine, wenn sie den politischen Diskurs der Rechten infrage stellt. Tatsächlich ist die aktuelle Herausforderung in gewisser Weise größer als vor einem halben Jahr, da die Sozialdemokrat*innen jetzt die Opposition «anführen» und auf eine linke Rhetorik setzten, aber weder den politischen Willen aufbringen, noch die finanziellen Zusagen machen, die erforderlich sind, um diese Rhetorik in der Praxis umzusetzen.

Auch wenn die Rechte die Initiative – und einen Großteil ihrer Glaubwürdigkeit – einstweilen verloren hat, sollte ihre Effizienz im Negativwahlkampf, die sie im Vorfeld der Wahl 2022 unter Beweis gestellt hat, nicht unterschätzt werden. Denn es könnte durchaus dafür reichen, dass die Rechte wieder an Schwung gewinnt – sofern sie nicht durch eine starke, positive Alternative von links herausgefordert wird.