Von einer Million jüdischer Kinder in Polen wurden nur ungefähr 5.000 gerettet.
Einige davon berichten in der Ausstellung «Meine jüdischen Eltern – meine polnischen Eltern» über ihr Leben, die anlässlich des 80. Jahrestags des Aufstandes im Warschauer Ghetto gemeinsam vom Verein «Kinder des Holocaust in Polen», der Deutschen Botschaft, dem Deutschen Historischen Institut und der Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Öffentlichen Bibliothek der Hauptstadt Warschau gezeigt wird. Diese Kinder haben den Holocaust nur deshalb überlebt, weil sie von ihren jüdischen Eltern an polnische Pflegeeltern übergeben wurden. Manche wissen noch nicht einmal, wie ihre jüdischen Eltern hießen.
Bei ihrer Eröffnung am 17. April nannte Achim Kessler, Leiter des Regionalbüros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Warschau, die Ausstellung ein Mahnmal gegen das Vergessen und zugleich ein wirkungsmächtiges Zeichen der Humanität und der Hoffnung: «Denn wir dürfen die Verbrechen der Nazis nicht vergessen, damit sie sich nicht wiederholen. Das ist die Verantwortung – insbesondere von uns Deutschen.»
Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, betonte, dass der Antisemitismus noch immer eine Bedrohung sei: «Die Zahl antisemitischer Straf- und Gewalttaten nimmt zu, in Deutschland, in ganz Europa. Die Alarmglocken müssten läuten. Wir erinnern also auch aus aktuellem Anlass an die Finsternis der Geschichte: für Bürgerrechte und Demokratie, für Menschlichkeit, das heißt: für uns». Dem schloss sich Thomas Bagger, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Polen, an: Es sei äußerst wichtig, an die von Deutschen begangenen Verbrechen zu erinnern, auch für eine bessere, friedlichere Gegenwart und Zukunft. Natalia Pietkiewicz-Szwarc betonte im Namen der Leitung der Bibliothek der Hauptstadt Warschau: «Es ist eine große Ehre, eine so wertvolle Ausstellung in unserer Bibliothek zu zeigen, insbesondere anlässlich des Jahrestages des Aufstands im Warschauer Ghetto.»
Sehr bewegend waren die Reden von Joanna Sobolewska-Pyz und Jan Okulicz-Kozaryn vom Verein «Die Kinder des Holocaust im Polen», der die Ausstellung gestaltet hat.
«Es ist nicht bekannt, wie viele jüdische Kinder ermordet wurden. Nur wenige überlebten», sagte Jan Okulicz-Kozaryn. «Unser Verein hat derzeit noch ungefähr 400 Mitglieder. Wir sind gewissermaßen lebende Zeugen des Holocaust. Aber wie wir wissen, ist das menschliche Gedächtnis zerbrechlich, es verblasst, es vergeht. Diese Ausstellung ist ebenso wie unser schriftliches Schicksal ein notwendiger Beweis und zugleich ein Andenken an unsere jüdischen und an unsere polnischen Eltern».
Joanna Sobolewska-Pyz, die Urheberin und Koautorin der Ausstellung, erinnerte sich, wie dramatisch es war, herauszufinden, dass die polnischen Eltern nicht die biologischen Eltern waren. Die Kinder mussten sich einer weiteren Herausforderung stellen – ihrer jüdischen Herkunft, von der sie nichts wussten.
Die Ausstellung «Meine jüdischen Eltern, meine polnischen Eltern» wird bis zum 7. Mai 2023 in der Öffentlichen Bibliothek der Hauptstadt Warschau präsentiert. Am 27. April findet beim Deutschen Historischen Institut eine Begleitveranstaltung zur Ausstellung statt, die der Frage nachgeht, wie die Erinnerung an die Kinder des Holocaust bewahrt werden kann, angesichts der immer weniger werdenden Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und angesichts der Instrumentalisierung historischer Debatten für tagespolitische Auseinandersetzungen.
Die Ausstellung «Meine jüdischen Eltern – meine polnischen Eltern» ist als Wanderausstellung konzipiert und kann in polnischer, englischer und deutscher Sprache beim Warschauer Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung angefordert werden.