Nachricht | Deutsche / Europäische Geschichte - Westeuropa Ohne Krieg, aber mit Kopf

Jan Korte über die Krönung von Charles III.

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Jan Korte,

König Charles III. und Bundespräsident Steinmeier besuchen das Ökodorf Brodowin in Brandenburg: Der König bekommt eine speziell für ihn gebackene Königstorte präsentiert.
Was wiegt mehr: Form oder der Inhalt? 30.3.2023: König Charles III. und Bundespräsident Steinmeier besuchen das Ökodorf Brodowin in Brandenburg. Der König bekommt eine speziell für ihn gebackene Kronentorte präsentiert., Foto: IMAGO / Chris Emil Janßen

Die Umfragen stehen nicht gut für König Charles III. Die jungen Menschen laufen ihm weg oder – schlimmer noch – interessieren sich schlicht nicht für ihn: 80 Prozent der 18- bis 25-jährigen ist die Monarchie egal. Im Vergleich mit seiner Mutter Elisabeth sind seine Zustimmungswerte unterirdisch. Australien will sein Gesicht nicht auf die neuen Geldscheine drucken lassen. Und es gibt sogar Royalisten, die sagen, sie könnten Charles unmöglich folgen und hätten lieber Prinz William als König. Was nicht ohne Ironie ist, gehört doch die Abwesenheit einer Wahl bei der Nachfolge des Staatsoberhaupts zur Kern-DNA einer Monarchie.

Noch unpopulärer war allerdings Charles I., das muss man seinem aktuellen Namensvetter lassen. Während die heutige Tory-Parlamentsmehrheit den König hochleben lässt, um von ihrer unterirdischen Politik abzulenken, hatte Charles I. viel größere Probleme mit dem Parlament. Als er königskritische Parlamentarier verhaften lassen wollte, eskalierte der Streit zum englischen Bürgerkrieg: Das Parlament gewann, Charles I. wurde geköpft, England zur Republik. Man wünscht den republikanischen Aktivisten in Großbritannien, dass bei Charles III. etwas Ähnliches rauskommt wie 1649 – ohne Krieg und mit Kopf, versteht sich.

Jan Korte ist stellvertretender Vorsitzender im Vorstand der Rosa-Luxemburg-Stiftung und seit 2017 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

Aber erstmal wird er gekrönt, was man sich so vorstellen muss, wie eine Kanzlervereidigung. Nur viel länger, sehr viel pompöser und sehr, sehr viel teurer: 100 Millionen Pfund soll das Krönungsspektakel kosten. Und die Vereidigung läuft anders herum, als beim Bundeskanzler: Nicht der König schwört, seinen Job gut zu machen, sondern die Bevölkerung soll ihm Treue schwören – und zwar international und live, im ganzen Königreich und in den Commonwealth Realms, das Internet macht’s möglich. Das ist die großartige Idee des Erzbischofs von Canterbury, Justin Welby. Seine Choreografie sieht vor, dass das Volk laut vor den Empfangsgeräten spricht: «Ich schwöre, dass ich Eurer Majestät, Euren Erben und Nachfolgern nach dem Gesetz die Treue halten werde. So wahr mir Gott helfe», was der Bischof mit einem «Gott schütze den König» quittieren wird, um darauf ein international inbrünstig intoniertes «Gott schütze König Charles, lang lebe König Charles, möge der König ewig leben» zu erwarten.

Was für eine tolle und topmoderne Idee, denkt die Monarchisten-Bubble um das geistliche Oberhaupt der Anglikanischen Kirche und den Buckingham-Palast.

Was für ein unfassbarer Quatsch, denken viele Untertanen, vor allem in Australien und Kanada, denen dank Justin Welby erst so richtig bewusst wird, wie anachronistisch ein König als Staatsoberhaupt ist. Die Republik dankt!

Getoppt wird der PR-Flop von Charles III. höchstpersönlich, und zwar mit seiner Wahl des traditionellen Krönungsrezepts. Eine Quiche soll zu Ehren des neuen Königs in den Küchen des Commonwealth zubereitet werden, natürlich vegetarisch. Volksnah und zum Nachkochen. Was man als König – mehr «da oben» geht ja auch gar nicht, muss man zu seiner Entschuldigung sagen – natürlich nicht wissen kann, ist, dass es kaum Eier im Land zu kaufen gibt, weil Brexit-bedingte hohe Kosten plus Vogelgrippe derzeit zu leeren Supermarktregalen führen. Schlechte Chancen also dafür, dass die Krönungs-Quiche tatsächlich im Königreich auf den Tisch kommt.

Für 14 Millionen Britinnen und Briten, die in absoluter Armut leben, ist die Krönungs-Quiche ein Luxusproblem. Sie wären froh, überhaupt einmal Geld für den Supermarkt zu haben und nicht zur Tafel gehen zu müssen. Wenn gemeine Bürgerliche es angesichts der grassierenden Armut im Land unverschämt finden, dass König Charles seine 100-Millionen-Krönungsshow aus öffentlichen Geldern zahlen lässt, ist das zweifellos berechtigt. Allerdings hat die Armut von Untertanen noch nie einen König und sein Gefolge vom Feiern abgehalten, im Gegenteil: Früher waren die Bauern arm, damit die Fürsten feiern konnten. Das war in etwa wie es heute bei Lidl, Amazon oder Lieferando läuft.

Und so wundert es kaum, dass es die wirtschaftsliberalen Parteien sind, die König Charles am tollsten finden: Ob die Tories in UK oder hierzulande die FDP und die Grünen. Was sollte jemand, der Politik für die Bosse macht, auch gegen Könige haben?

Als der Bundestag vor einigen Wochen Charles III. zur Promo-Tour einlud, haben wir als Linksfraktion protestiert. Es war das erste Mal, dass ein nicht gewähltes amtierendes Staatsoberhaupt im deutschen Parlament reden durfte – selbst der Papst wurde durch eine Wahl bestimmt, auch wenn diese nur unter 115 Männern stattfand, die gerade nicht durch Gerichtstermine verhindert waren. Wäre es der Parlamentsmehrheit nicht um rote Teppiche und Banketts in schicken Kostümen gegangen, sondern um ein Zeichen unserer Verbundenheit mit der britischen Bevölkerung, der wir historisch und kulturell viel zu verdanken haben, hätte man jemanden aus der Zivilgesellschaft einladen können. Keith Richards beispielsweise: Jedes Riff, das er im Plenum gespielt hätte, wäre bereichernder gewesen als die Rede von Charles.

Die Skepsis der LINKEN, der einzigen wirklich republikanischen Fraktion im Bundestag, war übrigens komplett berechtigt. Denn eine riesige Schar von Bücklingen hat so getan, als sei Charles Mountbatten-Windsor tatsächlich etwas Besseres als ein normaler Mensch. Der königliche Staatsbesuch hat ein Vielfaches eines üblichen, «republikanischen» Staatsbesuchs gekostet, ein bisschen Glanz und Gloria sollte schon dabei sein. Und wenn man das peinliche Staatsbankett inklusive verrückter Regelungen zum Umgang mit den «königlichen Hoheiten» Revue passieren lässt, ist man schon fast froh darüber, dass der deutsche ex-Adel ebenso unsympathisch wie uncharismatisch ist. Sonst hätte ihn die Ampel-Regierung in Kooperation mit der «Gala» wohl längst wieder ins Berliner Schloss gesetzt.

Die Botschaft an Charles war deutlich: Sollten die tapferen Republikaner, die seine Krönung mit Demonstrationen und den immer lauter werdenden «Not my King»-Sprechchören begleiten werden, Erfolg haben, sollte sich also das fortschrittliche Großbritannien irgendwann durchsetzen, er wäre willkommen in der Bundesrepublik. Barbados ist seit 30. November 2021 Republik und hat als eine der ersten Handlungen Rihanna zur Nationalheldin erklärt. Deutschland ist seit dem 23. Mai 1949 Republik – für viele offenbar zu lange – und hat Campino.

Wir dürfen jedenfalls gespannt sein, ob Charles III. das Werk von Charles I. vollendet und die Monarchie im Vereinigten Königreich final beendet. Er wird es nicht freiwillig tun, aber mit diesem König stehen die Chancen gut für die Republik Britannien. Ich drücke die Daumen.