Nachricht | Parteien / Wahlanalysen - Westeuropa - Europa2024 «Wir besinnen uns auf unsere Grundwerte zurück»

Frederikke Hellemann, Kandidatin der rot-grünen Allianz, über die Herausforderungen für die dänische Linke im Jahr 2024

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Foto: Quentin Bruno / The Left

Im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2024 führt die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Reihe von Interviews mit Parteien und Kandidat*innen aus der ganzen EU durch, um den Wahlkampf, ihre politischen Forderungen und die Herausforderungen für die Linke in ihren Ländern und in Europa zu diskutieren. Duroyan Fertl sprach mit Frederikke Hellemann, der Nummer zwei auf der Liste der dänischen Linkspartei Enhedslisten (EL), über die Prioritäten der dänischen Linken in diesem Jahr.

Frederikke Hellemann besetzt den Listenplatz 2 bei der Europawahl für die dänische Rot-Grüne Allianz (Enhedslisten) und ist politische Beraterin der Linken im Europäischen Parlament.

Was sind die Prioritäten von Enhedslisten für diese Europawahl?

Unsere Priorität in diesem Wahlkampf ist, die Menschen davon zu überzeugen, dass Enhedslisten auf ihrer Seite steht. Wir wollen ein sicheres, grünes und gerechtes Europa schaffen, das sich gegen die Auswirkungen des Klimawandels schützt. Mehr als der Hälfte des Trinkwassers in Dänemark ist mit Pestiziden und PFAS – sogenannten «ewige Chemikalien» – verunreinigt. In Südeuropa erleben wir Waldbrände und Überschwemmungen. All das sind Anzeichen dafür, dass Europa weder sicher noch gesund ist. Dagegen können wir nur angehen, wenn wir den grünen Wandel vollziehen.

Dazu müssen alle an einem Strang ziehen und die Verschmutzer*innen, die Reichsten, müssen das zahlen. Zum Glück schafft man, wenn etwa Häuser renoviert werden, Windräder gebaut und all das tut, was für ein grünes Europa nötig ist, viele gut bezahlte Arbeitsplätze. Und natürlich wollen wir sicherstellen, dass für diese Arbeitsplätze Tarifverträge gelten.

Deshalb sind unsere Prioritäten Klimaschutz und Artenvielfalt. Wir wollen zu Ende führen, was wir mit dem Grünen Deal, dem Naturwiederherstellungsgesetz und den Vorschlägen zur Landwirtschaft begonnen haben. Wir wollen auch dafür sorgen, dass Geld für die richtigen Zwecke ausgegeben wird. Wir setzen uns dafür ein, das EU-Vergaberecht wieder zu öffnen, damit wir Tarifverträge fordern können, wenn wir als Regierungen oder als Kommunen einkaufen. Wir wollen ein faires Europa und ein besseres Abkommen für Flüchtlinge, damit sie gerechter auf die Mitgliedstaaten verteilt werden und die Kosten von den Reichen getragen werden.

Was sind Ihrer Meinung nach derzeit die größten Herausforderungen für die Linke auf europäischer Ebene?

Es gibt einige Herausforderungen, z. B. die Lebenshaltungskosten und dass der grüne Übergang für die steigenden Preise verantwortlich gemacht wird. Damit alle den grünen Übergang unterstützen, müssen wir den Menschen klarmachen, dass es nicht darum geht, ihnen alles zu nehmen, was sie lieben, und sie dazu zu verbannen, in der Steinzeit zu leben und mit Stöcken statt iPhones zu spielen. Wir müssen herausfinden, wie wir dafür sorgen können, dass die Menschen sich aufgehoben fühlen und keine Angst davor haben, dass sich ihr ganzes Leben ändern wird.

Die Linke hat die Antworten, aber wenn wir sagen, dass der grüne Übergang der großen Mehrheit zugutekommen muss statt einigen wenigen, geht unsere Botschaft oft unter. Ich verstehe also, dass die Leute Angst haben, müde sind und sich sorgen, wie sie die Rechnungen bezahlen werden. Es hilft nicht, dass viele grüne Parteien im Grunde genommen fahrradfahrende Liberale sind, die grüne Themen vorantreiben, ohne Schutzmaßnahmen für jene, die von Monatsgehalt zu Monatsgehalt leben, zu bieten. Die Linke muss rücksichtsvoller sein und die Dinge besser erklären. Die Rechte versucht natürlich, die Linke als absolute Verbotspartei darzustellen, aber ich denke, wir können und müssen es besser machen.

Diese Desillusionierung, dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmt mit dem System, wird von der Linken im Moment nicht genug wahrgenommen, sie liefert nicht die Antworten, die es braucht.

Ein weiteres Thema, mit dem die Linke meiner Meinung nach zu kämpfen hat, ist Sicherheit und Verteidigung – das gilt für alle linken Parteien in Europa. Ich sehe keine Antworten von jenen linken Parteien, die es ablehnen, die Ukraine mit Waffen oder Munition aus Europa zu unterstützen. Das ist keine glaubwürdige Haltung aus meiner Sicht. Ich will nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen – alle linke Parteien tun sich schwer mit der Frage, wie sie in einer Welt neuer Unsicherheit, in der wieder Krieg auf unserem Kontinent herrscht, glaubwürdig sein können.

Und was ist mit der Herausforderung durch den Rechtsextremismus?

In einigen Ländern wachsen rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien seit langem, in anderen erst seit kurzem. Portugiesische Freund*innen von mir sind schockiert, wie schnell die extreme Rechte die politische Bühne für sich eingenommen, den Diskurs verändert und das politische Zentrum verschoben hat. In Dänemark hingegen kam der Erfolg der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei schon vor Jahrzehnten. Die Gründe sind von Land zu Land verschieden, aber es gibt gemeinsame Probleme. Die Rechtsextremen und Rechtspopulisten sind besonders gut darin, vereinfachende Antworten zu geben und Angst zu schüren – Angst, seinen Job zu verlieren oder die Rechnungen nicht bezahlen zu können – und dann mit dem Finger auf Migrant*innen und Geflüchtete zu zeigen.

Ich denke, viele Menschen sind wirklich enttäuscht von der Politik. Meine Generation kann es sich nicht leisten, ein Haus zu kaufen, und es wird uns nicht bessergehen als der vorigen Generation – das heißt, der Generationenvertrag wird gebrochen. Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer. Diese Desillusionierung, dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmt mit dem System, wird von der Linken im Moment nicht genug wahrgenommen, sie liefert nicht die Antworten, die es braucht. Die extreme Rechte hingegen bedient dieses Gefühl.

Ich bin außerdem der Meinung, dass die nordeuropäischen Länder andere Länder mit der Bürde der Migration alleinlassen, was diese Länder den Rechtsextremen in die Arme treibt und uns am Ende teuer zu stehen kommen wird. Wenn Leute wie Meloni an der Macht sind, wie sollen wir da den grünen Wandel, Frauenrechte und andere Werte, für die wir uns einsetzen, erreichen? Beim Thema Ukraine – als die EU vier Millionen Menschen mit offenen Armen empfing – zeigte sich, dass eine Lösung möglich ist, aber es mangelt an politischem Willen.

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit anderen linken Kräften in Europa?

Im Februar haben wir einige der wichtigsten linken Parteien Europas in Kopenhagen versammelt, das war sehr inspirierend. Bei manchen Fragen sind wir uns weiter uneins, aber die Gemeinsamkeiten überwiegen deutlich. Die linken Kräfte in Europa sind heute sehr zersplittert, aber bei den in Kopenhagen vertretenen Parteien erkannten wir eine gemeinsame Richtung linker Politik, die modern ist und für einen gerechten grünen Übergang steht. Ich denke, es hilft, sich über Sichtweisen und Strategien auszutauschen und einander zu unterstützen.  Es ist immer gut, wenn wir bei der Vorstellung neuer Vorschläge sagen können, dass diese radikalen Ideen für einen Wandel in Europa nicht nur unsere Ideen sind, sondern auch die von hunderttausenden Parteimitgliedern auf dem ganzen Kontinent.

Die Position von Enhedslisten zur EU hat sich im Lauf der letzten Jahre deutlich verändert. Wie steht die Partei heute zur EU?

Ich würde sagen, die Parteiposition hat sich in mancher Hinsicht sehr verändert, in anderer aber kaum. Besonders offensichtlich war, dass wir bei den Europawahlen 2019 unter unserem eigenen Banner antraten statt als Teil der dänischen Volksbewegung gegen die EU (Folkebevægelsen mod EU). 2014 hatten wir uns knapp dagegen entschieden, aber 2019 stellten wir uns allein zur Wahl, denn unsere Meinung, was sich im Europäischen Parlament bewirken lässt, hatte sich geändert. Wir waren frustriert, dass manche meinten, das einzige, worüber man dort entscheiden könne, sei die Farbe des Toilettenpapiers in Europa. Der Klimawandel und die Flüchtlingskrise sowie weitere länder- und grenzübergreifende Probleme haben gezeigt, dass wir auch grenzübergreifende Antworten brauchen. Das Europäische Parlament mag nicht die Lösung sein, aber es ist besser, sich von innen heraus für Veränderung einzusetzen als nichts zu tun.

Teile der Partei standen nur widerwillig hinter der Volksbewegung gegen die EU und wünschten sich klarere linke Antworten als eine solch breite Bewegung bieten konnte. Ich finde, die Volksbewegung hat im Europäischen Parlament großartige Arbeit geleistet, aber ihre Botschaft war wirr: Einerseits sagten sie, man könne in der EU nichts verbessern, andererseits bewirkten sie eben doch etwas. Während sie ihre Arbeit unter Wert verkauften, zeigen wir stolz vor, was wir erreichen.

Die dänische Politik ist momentan etwas merkwürdig.

Der größte politische Schwenk war, dass wir von der Forderung des EU-Austritts abgerückt sind. Der Brexit hat gezeigt, welche Folgen es hat, die EU zu verlassen. Enhedslisten sieht das EU‑System, die Verträge, die Politiken und die mangelnde Transparenz weiter kritisch, in dieser Hinsicht bleibt unsere Position also unverändert. Unser altes Parteiprogramm forderte allerdings nicht nur den Austritt Dänemarks aus der EU, sondern auch Zerstörung der EU als Ganzes, was vielleicht nicht sonderlich konstruktiv war. Das jetzige Programm lässt die Möglichkeit eines Austritts offen, stuft dies aber nicht als Priorität ein. Falls die Rechten unter Orban aber zur treibenden Kraft im Rat werden sollten und Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Umweltschutz über Bord geworfen werden, müssen wir unsere Haltung überdenken.

Auch die Haltung von Enhedslisten zur NATO hat sich verändert. Wie ist die aktuelle Position zur NATO und zu Sicherheitspolitik im weiteren Sinne?

Die größte Veränderung ist, dass wir akzeptieren, dass wir auf absehbare Zeit mit der NATO leben müssen, dass Krieg auf dem europäischen Kontinent herrscht, und dass ein autoritärer Führer bereit ist, die Regeln zu brechen und in ein Land einzufallen und Gebiete zu annektieren.  Zugleich hat die NATO offenbart, dass ihr Schwerpunkt nicht auf der territorialen Verteidigung liegt, sondern auf der Kriegsführung im Ausland. Unsere Kritik daran ist weiterhin zutreffend und berechtigt. Es gibt NATO-Mitglieder wie die Türkei, die durch die Unterdrückung der Kurd*innen laufend Menschen zu Flüchtlingen machen und das Völkerrecht mit Füßen treten.  

Wir freuen uns also nicht über die NATO. Wenn es nach uns ginge, gäbe es eine andere Sicherheitsordnung, eine Art nordisches Verteidigungsbündnis zur territorialen Verteidigung mit gleichermaßen demokratischen Partnern. Aber die NATO ist nun einmal, was wir haben, und statt zu sagen, wir wollen jetzt aussteigen – oder sollten schon raus sein – sagen wir, na gut, in einer unsicheren Welt ist es besser, wir bleiben in dem Verteidigungsbündnis, das wir haben.

Das Thema wurde von der Linken seit so langem ignoriert, dass ich mich nicht einmal erinnern kann, in meinen 16 Jahren als Parteimitglied je über die NATO-Mitgliedschaft diskutiert zu haben. Es hieß immer: «Wir sind gegen die NATO, Punkt – nächstes Thema». Ich denke, es war etwas naiv von der Linken, nicht zu thematisieren, welche Art Verteidigung und geopolitische Allianz wir wollen, und das hat sich jetzt gerächt.

Bleiben wir bei nationalen Themen – was sind im Moment die wichtigsten politischen Debatten in Dänemark?

Ein sehr umstrittenes Thema ist der Vorschlag für eine CO2-Steuer in der Landwirtschaft, der mit der größeren Frage verbunden ist, wer die Kosten für den grünen Übergang tragen wird, und mit der Tatsache, dass die Landwirt*innen diesen Wandel mittragen müssen.  Allgemein stellt sich die Frage, wer die Rechnung zahlen soll. Die Regierung hat kürzlich Ausnahmen für Privatjets und eine Senkung der Steuern auf Aktiengewinne angekündigt, was ganz eindeutig nur einem Prozent der Bevölkerung zugutekommt.

Das führt zur Frage, für wen die Regierung sich einsetzt, arm oder reich – es hat sich gezeigt, dass die Sozialdemokraten zugunsten der Superreichen regieren. Ein weiteres Thema ist, was aus dem Wohlfahrtsstaat geworden ist. Das sind aktuell die Hauptthemen auf nationaler Ebene.

Während der letzten Amtszeit hatte Enhedslisten eine Vereinbarung zur Unterstützung der regierenden Partei der Sozialdemokraten (S). Wie würden Sie Ihre Beziehung zu dieser breiten Zentrumskoalition beschreiben, die aktuell in Dänemark regiert?

Die dänische Politik ist momentan etwas merkwürdig. Üblicherweise gab es einen Wechsel zwischen Regierungen aus Linksbündnissen und solchen aus Rechtsbündnissen, d. h. entweder die Sozialdemokraten mit Unterstützung der Linken oder die Liberalen mit Unterstützung der Rechtsextremen. Jetzt haben wir eine Mehrheitsregierung der Mitte einschließlich der Sozialdemokraten. Das bedeutet eine vollkommen neue Situation für uns, in der deutlich weniger Verhandlungsspielraum existiert, wir können bei Gesetzesvorschlägen höchstens ein Komma anders setzen, da die Regierung die Mehrheit stellt.

Wir sind klar gegen diese Regierung und wollen sie so schnell wie möglich auflösen, aber es ist neu für uns, dass wir gleichzeitig eine linke Mehrheit haben sowie eine linke und rechte Opposition. Üblicherweise gibt es nur eines von beidem. Das sind also ganz neue Umstände, die uns vor große Herausforderungen stellen.

Nach Rekordwerten nach der Eurokrise ist Enhedslisten bei den letzten beiden nationalen Wahlen in der Wählergunst gesunken. Wie erklären Sie diesen Rückgang?

Das Abschneiden bei den letzten nationalen Wahlen war, gelinde gesagt, enttäuschend. Wir hatten mit 6 bis 7 % gerechnet, daher waren nur knapp über 5 % ein Schock. Teils hatten wir schlicht Pech: Wir hatten den grünen Übergang zum Schwerpunktthema gemacht, wurden dabei aber von der Alternative, einer grünen Partei, die wir schon verschwunden glaubten, in den Schatten gestellt. Sie konkurrierten auf einmal mit uns bei der Forderung, die Tierhaltung um 50 % zu senken, welche wir zuvor allein vertreten hatten.

Eine Herausforderung für uns besteht darin, junge Wähler*innen zu erreichen, die ernüchtert und teils hoffnungslos sind, vor allem jene, die wegen des Klimaschutzes wählen.

Außerdem ist es zwar so, dass alle Studien das jetzige Ausmaß der Schweinezucht in Dänemark als nicht nachhaltig einstufen, aber durch die Art und Weise, wie wir mit unserer Forderung auftraten, kam bei den Leuten an, dass wir ihnen die leverpostej, die Leberwurst, vom Brot nehmen wollen. Es ist uns nicht gelungen, die großen Vorteile aufzuzeigen, die es hätte, wenn Dänemark vollkommen klimaneutral wäre.

Außerdem müssen wir uns besser von der Sozialistischen Volkspartei (SF) abgrenzen. Wir bei Enhedslisten reden immer über zehn Dinge gleichzeitig, es fällt uns schwer, immer wieder dieselben Aussagen zu wiederholen. SF ist sehr gut darin, bei ihren Themen zu bleiben, auch wenn sie einige Forderungen von uns übernommen haben, z. B. die Anzahl der Erzieher*innen pro Kind in Kindergärten. Sie machten sich dieses Thema auf einmal zu eigen, indem sie noch mehr forderten, und nach fünf Jahren schenkten die Menschen ihnen Gehör und jetzt ist es ihr Thema.

Wie wollen Sie dem Abwärtstrend entgegenwirken und wieder mehr Wähler*innen für linke Ideen begeistern?

Zusätzlich dazu, dass SF gekonnt unsere Themen übernimmt, verdanken sie einen Großteil ihrer zunehmenden Unterstützung «geliehenen» Stimmen von Menschen, die sich wieder den Sozialdemokraten zuwenden werden, sobald diese nicht mehr Teil dieser Zentrumsregierung sind und wieder zu den «guten alten Sozialdemokraten» werden. SF ist für alle, die links wählen wollen, aber Enhedslisten zu radikal finden, die goldene Mitte.

Wir versuchen währenddessen, zu unseren Wurzeln zurückzukehren. Wir sprechen wieder viel mehr über Klassen. Wir sagen klipp und klar, wer von der Politik der Regierung profitiert. Wir fordern deutlich lauter Bankenregulierung und demokratische Eigenverantwortung. Wir besinnen uns auf unsere Grundwerte zurück und ich denke, es wird Anklang finden, die Leute werden erkennen, dass in Dänemark eine Ungleichheit herrscht bei Einkommen und Wohlstand, und dass die Reichen in Politik und Wirtschaft nur sich und ihre Freund*innen schützen.

Sie sind die Nummer zwei auf der Liste Ihrer Partei für die anstehende Europawahl. Welches Ergebnis erwarten Sie für Enhedslisten im Juni?

Ich rechne klar damit, dass wir einen Sitz dazugewinnen. Natürlich kann man den Wahlausgang nicht vorhersagen. Die letzte Europawahl wurde in Dänemark zur Klimawahl, die jungen Menschen strömten in Scharen in die Wahlbüros, um zum ersten Mal zu wählen. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Mal dieselbe Stimmung herrscht. Die Mitte- und Mitte-Rechts-Parteien versuchen, den Klimaschutz aus der Debatte zu nehmen, indem sie fälschlicherweise behaupten, wir wären uns alle einig bei den Maßnahmen, um so stattdessen Verteidigung und Sicherheit zum Hauptthema zu machen, denn das ist ihre Stärke.

Eine Herausforderung für uns besteht darin, junge Wähler*innen zu erreichen, die ernüchtert und teils hoffnungslos sind, vor allem jene, die wegen des Klimaschutzes wählen. Statt Fridays For Future sehen wir heute auf den Straßen wütende Landwirt*innen und das wirkt sich stark auf diese Wahl aus. Selbst die grünen Parteien machen Zugeständnisse und sprechen davon, die Last für die Landwirt*innen zu verringern, das wird also eine schwierige Aufgabe.

Ein weiterer Risikofaktor ist die Entscheidung von SF, mit den Sozialdemokraten und der Alternative ein Wahlbündnis einzugehen und sogar das Papier zur Europapolitik der Regierung zu unterzeichnen, das für ein «Ruanda-Modell» in der EU-Flüchtlingspolitik plädiert. Ich finde es verrückt, dass sie den Sozialdemokraten ihre Stimmen geben wollen, wo doch klar ist, dass Enhedslisten die Partei ist, die SF am nächsten steht. Ich denke, sie sollten ihre Entscheidung überdenken. Wir laufen Gefahr, bei diesen Bündnissen außen vor zu bleiben, aber ich rechne damit, dass wir mindestens einen Sitz wieder für uns gewinnen und uns so wieder auf europäischer Ebene für einen radikalen Wandel einsetzen können.