Weblogs, Wikis und soziale Netzwerkseiten wie Facebook ermöglichen neue Formen von Kommunikation, die eine aktive und eingreifende statt nur konsumierende Teilhabe an Öffentlichkeit erlauben. Die hier entstehenden Potentiale für eine Demokratisierung von Wissen und Informationen werden von sozialen Bewegungen angeeignet, sind Bestandteil qualitativ neuer Protestformen und alternativer Gegenöffentlichkeit. Die Veranstaltungsreihe zeigt beispielhaft emanzipatorische Aneignungspraxen auf, thematisiert die Potentiale aber auch Grenzen der Social Media für linke Organisierung, Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit. Wie können durch Social Media- Praxen erfolgreich soziale Kämpfe unterstützt und befördert werden? Wie kann Webaktivismus die teilnehmenden Akteure in ihren Kampagnen stärken und gemeinsame politische Handlungsfähigkeit schaffen? Was lässt sich rassistischen, antisemitischen oder sexistischen Inhalten im Web effektiv entgegensetzen? Diese und andere Fragen zur Bedeutung von Webaktivismus in sozialen Bewegungen stehen im Mittelpunkt der Veranstaltungen. Zudem sollen in ganztätigen Workshops praktische Social Media Kenntnisse vermittelt und über politische Anwendungsmöglichkeiten gemeinsam diskutiert werden.
// Vorträge
Die extreme Rechte in Social Networks
Mit Michael Weiss (Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin)
Der Vortrag gibt Einblicke in die vielfältigen neonazistischen Aktivitäten in „Social Networks“. Wie bedeutend ist der virtuelle Raum als Kontaktbörse, Austauschplattform oder Propagandamedium? Erreicht man so mehr Menschen, als wenn man durch abgeschirmte, menschenleere Vororte marschiert? Oder sind die Netzwerke zu substanzlos und unverbindlich, um von einer „neuen Gefahr“ zu reden? Und: Wie kann man dagegen antifaschistisch intervenieren?
Soziale Medien und die Revolution im Nahen Osten
Mit Pedram Shahyar (Attac, Berlin)
Facebook, Twitter und Youtube sind seit der Revolte im Nahen Osten zum großen Thema der politischen Kommunikation geworden. In der Veranstaltung geht es zunächst um die Essentials und die Funktionsweise dieser Medien. Anhand der jüngsten Erfahrungen im Nahen Osten sollen dann die Potenziale, Dynamiken und Gefahren konkreter diskutiert werden.
Selbstvermarktung und Subversion im Netz
Die gegenwärtige Gouvernementalität, Facebook und Anonymous
Mit Carolin Wiedemann (Uni Hamburg, Institut füt Soziologie)
Auf Facebook gilt es täglich eine Performance des eigenen Lebens zu bieten. Sich selbst begutachten und bewerten zu lassen. Jene Praktiken der Selbstthematisierung bzw. -vermarktung sind Teil der neoliberalen Gouvernementalität und passen perfekt in Gesellschaften, in denen Arbeit genannt wird, was früher Freizeitvergnügen war: Man muss kreativ und kommunikativ, konkurrenzorientiert und kalkulierend sein. Doch im biopolitischen Kapitalismus macht sich die Multitude schon breit und verweigert die Gesichtskontrolle: Anonymous. Anonyme Kollaboration – die Antithese zu Facebook. Ist Anonymous der neue Widerstand? Eine Bewegung, die die gegenwärtige Gouvernementalität, ihre Repräsentationslogik, ihren Zwang zum Spektakel unterläuft? Ist Anonymous die neue kritische Kollektivität im Netz?
Webaktivismus – Das Beispiel der #unibrennt-Bewegung
Ein Erfahrungsbericht aus Wien
Mit Luca Hammer (Uni Wien)
Wochenlang hielten 2009 hunderte Studierende Räume der Universität in Wien besetzt. Mit Hilfe von Blogs, Wikis und sozialen Netzwerkseiten weitete sich der Protest der von den Medien als „generation 09“ bezeichneten Studierendenbewegung unter dem Motto #unibrennt in ganz Österreich aus; erreichte auch deutsche Hochschulen, die besetzt wurden oder an denen Solidaritätsaktionen stattfanden. Durch das Internet waren neue Beteiligungs- und Aktionsformen möglich, die von den studentischen AktivistInnen genutzt und entwickelt wurden.
Die Linke und das Web – Grundlinien im Kampf um die digitale Meinungsfreiheit
Mit Richard Heigl (Historiker und Fachbuchautor zum Thema Social Web, Regensburg)
Von der politischen Linken weitgehend ignoriert tobt ein harter Kampf um Meinungs- und Informationsfreiheit im Web. Die mediale Aufregung von „Wikileaks“ oder die kontroversen Debatten um die Neufassung des Jugendschutz-Staatsvertrages kratzen gerade mal an der Oberfläche des Problems. Richard Heigl zeigt aktuelle Entwicklungen, diskutiert die gegenwärtigen Kräfteverhältnisse und Grundlagen für eine linke Netz- und Medienpolitik.
// Workshops
Web 2.0 - Blogs, Microblogs und soziale Netzwerke.
Ein Einführungsworkshop.
Leitung: Sebastian Koch (Sprecher LAG Medienpolitik, Die Linke, Berlin)
Das so genannte Web2.0 ist in aller Munde. Der Begriff bezieht sich weniger auf spezifische Technologien, sondern primär auf eine veränderte Nutzung und Wahrnehmung des Internets. Vor allem Weblogs ziehen einen Menge Aufmerksamkeit auf sich. Kann nun jeder mühelos publizieren und damit eine Öffentlichkeit für seine Ideen schaffen? Ganz ohne Arbeit und Vorkenntnisse geht es nicht. Dass aber Weblogs ein wirkungsvolles Kommunikationsmittel sein können, wird der Workshop zeigen. Dabei werden die TeilnehmerInnen eigene Blogs einrichten und ausprobieren.
Wie werfe ich eine digitale Flaschenpost?
Der politisch-eingreifende Umgang mit dem Web
Leitung: Richard Heigl (Historiker / Fachbuchautor zum Thema Social Web, Regensburg)
Die revolutionären Bewegungen in den arabischen Ländern haben noch einmal demonstriert, dass Wikis, Blogs, Microblogging, Social Networks und Social Sharing längst das Rückgrat großer politischer Bewegungen bilden. Wie ist die Rolle dieser Medien einzuschätzen? Was ist ihr Charakter? Und wie nutzt man die neuen Medienformate für die politische Arbeit jenseits politischer Mobilisierungsphasen? In diesem Workshop lernen die Teilnehmer praktisch wie theoretisch die Möglichkeiten und Grenzen politischer Arbeit im Web 2.0 klarer einzuschätzen.
Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hamburg, gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg