Das Netzwerk Polylux ist eine Initiative gegen den Rechtsruck im Osten. Es unterstützt Vereine, Initiativen und Projekte der kritischen Zivilgesellschaft vor Ort und auch finanziell. Mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg und die sich abzeichnenden politischen Rechtsverschiebung Steven Hummel mit Aktivist*innen des Netzwerks über ihre Arbeit gesprochen.
Steven Hummel: Bitte stellt euch zu Beginn doch einmal vor. Wer seid ihr und was macht ihr?
Polylux: Wir sind das Netzwerk Polylux und haben uns 2018/2019 gegründet, also auch in einer Zeit kurz vor den Landtagswahlen mit ähnlichen Problemen wie heute: Rechte Parteien hatten immer größere Erfolge und bei den anderen Parteien verschoben sich die Diskurse nach rechts. Wir wollten uns damals nicht immer nur an der AfD abarbeiten, sondern coole Projekte vor Ort unterstützen. Seitdem sind einige Jahre vergangen und wir stehen vor den nächsten Landtagswahlen.
Oftmals gibt es ja die Frage, wie Menschen im ländlichen Raum in Ostdeutschland unterstützt werden können. Die zündende Idee war damals, eine alternative Finanzierung von Projekten unabhängig von einer staatlichen Förderstruktur zu organisieren. Wenn die gesichert ist, können sich die Menschen vor Ort viel besser auf ihre politische Arbeit konzentrieren.
Steven Hummel ist Bildungsreferent bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Sein Schwerpunktthema ist die extreme Rechte.
Im Gründungszeitraum habt ihr euch mit einer gesellschaftlichen Rechtsverschiebung, einer erstarkenden AfD beschäftigt. Jetzt stehen wir 2024 vor einer deutlich verschärften Situation. Wie schätzt ihr die Veränderungen der letzten Jahre ein?
Der Fokus auf die Wahlergebnisse der AfD und die sich politisch verschlechternde Lage ist das eine, das andere ist aber, dass auch die CDU für linke, antifaschistische Projekte schon problematisch ist. Angriffe gegen solche Projekte führen ja nicht dazu, dass sich die CDU jetzt auf einmal schützend vor diese stellt. An manchen Stellen braucht es die AfD in Regierungsverantwortung gar nicht. Die Angst, dass Förderung und Räume verloren gehen ist weit verbreitet. Das verschiebt sich gerade und wird natürlich mit immer mehr Einfluss rechter Akteure noch unsicherer!
Trotz aller lokaler Unterschiede hat doch die Bedrohungslage in den letzten Jahren zugenommen. Aktuell werden Wahlkämpfer*innen bedroht und angegriffen, aber auch im Alltag wird es für die Menschen vor Ort schwieriger. Es kommt zu einer Verfestigung der Bedrohungssituation.
Diese Gemengelage hat sich mit der Corona-Pandemie und dem dazugehörigen Demonstrationsgeschehen nochmal verstärkt. Hier haben viele Akteur*innen neu zusammengefunden und sich radikalisiert.
Wie blickt ihr auf die Landtagswahlen?
Alle fiebern auf den Wahlsonntag hin oder haben Angst vor diesem. Doch was bringt diese enge Fokussierung? Wir müssen in den Blick nehmen was in den nächsten fünf Jahren passiert und nicht nur in den nächsten fünf Wochen. Die entscheidende Frage ist, wie wir uns langfristig aufstellen.
Die Auswirkungen der Kommunalwahlen im Mai und Juni 2024 werden viel gravierender sein, als das von der Landesebene zu erwarten ist. Hier herrschen ganz andere Gestaltungsspielräume, wenn etwa in einem Kreistag eine rechte Mehrheit dafür sorgt, dass Zahlungen für bestimmte Projekte eingestellt werden. Doch dieser Schreckmoment nach den Europa- und Kommunalwahlen, ähnlich wie nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche Anfang des Jahres, hat viele Menschen wachgerüttelt. Als Polylux hat uns das enorm gepusht, seit den Wahlen haben wir zahlreiche weitere Fördermitglieder gewinnen können und das Netzwerk nochmal deutlich erweitert.
Ein Polylux ist ein seit 1969 im VEB Phylatex-Physikgerätehandwerk DDR in Frankenberg hergestellter Tageslichtprojektor. In den Schulen der DDR sowie Ostdeutschlands war der Polylux weitverbreitet. Das Herstellerunternehmen hielt sich bis 2006, seitdem haben andere Projektoren wie Beamer den Polylux abgelöst.
Welche Menschen, Projekte und Initiativen unterstützt ihr denn eigentlich?
Viele Alternative Zentren und Jugendzentren – weil wir es wichtig finden, dass es coole Angebote für Jugendliche gibt, politische Alternativen und linke Gedanken kennenzulernen. Das sind vor Ort wichtige Freiräume für Konzerte, Kunst und Kultur. Außerdem fördern wir oft Veranstaltungen, zum Beispiel ein feministisches Filmfestival in Görlitz. Im Sommer auch viele andere Festivals mit politischem Anspruch.
Wir unterstützen auch antirassistische Initiativen und Selbstorganisation von Migrant*innen. Hier, aber auch in anderen Bereichen, sind nicht alle als Verein organisiert und haben deswegen Probleme an Förderstrukturen anzudocken. Es ist auch cool, dass es diese migrantische Selbstorganisation eher in kleineren Städten in Thüringen oder Sachsen-Anhalt gibt. Wohnheime für Geflüchtete sind ja oftmals ab vom Schuss, Leute sollen vereinzelt werden, und entsprechend wichtig ist es, dass auch dort Räume existieren und Austausch möglich ist.
Prinzipiell sind wir offen für alle mögliche Anfragen. Der Fokus ist, dass Menschen sich positionieren. Das ist manchmal mit anderen Förderstrukturen nicht so leicht möglich. Wir wollen Mut machen für eine klare Haltung, für ein besseres Leben für morgen. Wichtig ist uns eine linke Positionierung sowie der ländliche Bezug in Ostdeutschland.
Auf eurer Webseite finden sich knapp 40 unterstützte Projekte. Sind das eigentlich alle? Wie ist der Bedarf an Unterstützung?
Es gibt viel mehr als das was auf der Webseite zu sehen ist. Nicht alle Projekte machen beispielsweise klassische Öffentlichkeitsarbeit, andere wollen aus verschiedenen Gründen nicht Teil des Netzwerks werden oder es handelt sich um eher kurzfristige Zusammenschlüsse und Projekte.
Es gibt zahlreiche Anfragen die wir ablehnen, weil die Projekte zu unpolitisch oder in einer Großstadt angesiedelt sind. Die Anfragen haben sich im letzten Jahr auf jeden Fall verdoppelt. Der Bedarf ist also immens hoch. Das bringt uns im Momentan die Grenzen unserer ehrenamtlichen Struktur.
Nichtsdestotrotz sollen Leute uns weiter anschreiben und Anträge stellen. Zwischenzeitlich hatten wir weniger Geld zur Verfügung als wir gerne verteilt hätten, aber seit den Kommunal- und Europawahlen haben wir wie gesagt zahlreiche Fördermitglieder gewinnen können.
Wie kann man euch unterstützen?
Prinzipiell wollen wir gerne richtig viele tolle Projekte unterstützen, dazu hilft uns natürlich Geld. Wir sammeln auch weiterhin Fördermitgliedschaften und freuen uns über jede Soliparty. Gerne werden wir auch zu Vorträgen eingeladen. Darüber hinaus könnt ihr natürlich allen von unserem Projekt erzählen, besonders auch außerhalb der linken Bubble.
Aber Finanzen sind nicht alles. Was Menschen vor Ort brauchen sind zuverlässige Kooperationen und Partnerschaften. Wir hatten während unserer Vortragstour in Westdeutschland die Idee, offizielle Städtepartnerschaften zu nutzen und so beispielsweise einen Austausch zwischen politisch Aktiven in Wiesbaden und Görlitz anzuregen.
Statt uns zu unterstützen könnt ihr euch natürlich auch selbst überlegen, was es konkret vor Ort braucht. Und natürlich zu Demonstrationen gehen, beispielsweise aktuell zu Prides und CSD’s im ländlichen Raum. In diesem Sinne: Bleibt in Bewegung und passt auf euch auf!
Netzwerk Polylux:
www.polylux.network/ | www.instagram.com/polylux_network/
Spenden
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