Nachricht | Bauhaus und Nationalsozialismus; München 2024

Eine längst überfällige Publikation

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Das Bauhaus gilt, dies wurde anlässlich des 100-jährigen Jubiläums 2019 nochmals bekräftigt und überall hegemonial so kommuniziert, als Symbol eines anderen, eines »besseren Deutschland«. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde es geschlossen, viele der dort tätigen DozentInnen gingen ins Exil. Dass diese Erzählung nicht ganz stimmt, war vielen schon bekannt, denn zum Beispiel arbeiteten Walter Gropius und Mies van der Rohe, zwei der Bauhausdirektoren noch einige Jahre im NS-Deutschland und gingen erst ins Exil, als sie keine Aufträge mehr bekamen. Ähnlich war es beim bekannten Grafiker Herbert Bayer. Dass jüdische und sozialistische Bauhaus-Angehörige verfolgt und ermordet wurden, ist in den letzten Jahren ebenfalls gelegentlich thematisiert worden.

Die Publikation zur großen Ausstellung »Bauhaus und Nationalsozialismus«, die an drei Standorten dieses Jahr unter Schirmherrschaft der Klassik Stiftung in Weimar stattfand, liefert nun viele neue Fakten, und weitet den Blick auf diese, eher dunkle Seite des Bauhaus enorm. Zur Vorbereitung der Ausstellung fand am 23. Mai 2023 eine wissenschaftliche Tagung statt, etliche der dort gehaltenen Vorträge sind online dokumentiert. Eine umfangreiche Besprechung der Ausstellung im Neuen Museum Weimar, Bauhaus-Museum Weimar und Schiller-Museum Weimar (von Daniel Schuch, 29. Juni 2024) findet sich hier bei HSozKult.

Die Ergebnisse der Tagung sind in die Ausstellung und die dazugehörige Publikation eingeflossen. Letztere besteht aus zwei Teilen: Im ersten finden sich 14 eher kurze Artikel, die sich verschiedenen Aspekten des Verhältnisses von Bauhaus und Nationalsozialismus, aber auch dem Umgang des Bauhauses mit der wachsenden rechten und völkischen Hegemonie schon ab Mitte der 1920er Jahre widmen. Weitere Themen sind unter anderem der Umgang der Nationalsozialisten mit dem berühmten Bauhaus-Gebäude in Dessau nach 1933 oder rechte Angriffe auf die Kunst in Weimar bereits 1930.

Die Publikation liefert in ihrer zweiten Hälfte viele statistische Informationen und stellt 58 in der Mehrheit bisher unbekannte Personen in kurzen biographischen Texten auf zwei bis vier Seiten näher vor. Hier reicht das Spektrum vom Bauhaus-Lehrer Oskar Schlemmer (1888–1943) bis zum späteren Nationalsozialisten Fritz Ertl (1908–1982), der während des Nationalsozialismus als Architekt eine wichtige Funktion beim Bau des Stammlagers in Auschwitz einnimmt.

Derzeit können 24 Angehörige des Bauhauses´ nachgewiesen werden, die von den Nationalsozialsiten ermordet wurden oder auf der Flucht umkamen (231). Als Resultat der umfangreichen und kleinteiligen Arbeit der Forschungsstelle für Biografien ehemaliger Bauhaus-Angehöriger an der Universität Erfurt ist von 188 BauhäuslerInnen eine Mitgliedschaft in der NSDAP nachweisbar, davon waren 18 Frauen. 15 traten der SA bei, 14 der SS (75-77, Doppelmitgliedschaften waren möglich). Das sind fast ein Sechstel aller jemals am Bauhaus tätigen Personen!

Diese wichtige Publikation bietet viele spannende und wichtige Informationen; sie war längst überfällig. Eine weitere Veröffentlichung zum Thema, von denselben drei Personen herausgegeben wie die hier vorliegende, ist für Ende März 2025 angekündigt.[1]

Anke Blümm, Elisabeth Otto, Patrick Rössler (Hrsg.): Bauhaus und Nationalsozialismus; Hirmer Verlag, München 2024, 256 Seiten, 49,90 Euro


[1] Anke Blümm, Elizabeth Otto, Patrick Rössler: «… ein Restchen alter Ideale». Bauhäuslerinnen und Bauhäusler im Nationalsozialismus, Wallstein Verlag, Göttingen 2025.