Analyse | Rosalux International - Krieg / Frieden - Westafrika Regionale Interessen in der Sahelzone

Zur Politik Russlands, Frankreichs und der USA

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Martin Barnay,

Kämpfer der Nationalen Bewegung zur Befreiung des Azawad (Coordination of Azawad Movements, CMA), ein Zusammenschluss von Tuareg-Milizen, die im Nordwesten Malis aktiv sind.
Kämpfer der Nationalen Bewegung zur Befreiung des Azawad (Coordination of Azawad Movements, CMA), ein Zusammenschluss von Tuareg-Milizen, die im Nordwesten Malis aktiv sind. Die CMA fordert die Schaffung eines autonomen Staates, Azawad («Land der Transhumanz»), einer 800.000 Quadratkilometer großen Fläche aus Felsen und Sand um die Städte Timbuktu, Gao und Kidal.  Goundam, Region Timbuktu, Mali, 2019, Foto: IMAGO / Le Pictorium

Zu Beginn dieses Sommers waren russische Kämpfer in Nordmali in eine blutige Auseinandersetzung verwickelt. Am 27. Juli geriet eine Patrouille der malischen Armee, begleitet von Hilfstruppen der Wagner-Gruppe, in der Nähe von Tinzaouaten an der algerischen Grenze in einen Hinterhalt von Tuareg-Rebellen. Das malische Militär räumte erhebliche Verluste ein, nannte aber keine Einzelheiten. In den sozialen Medien kursierten Videos, die zerstörte Fahrzeuge und Dutzende Leichen in der Wüste zeigten. Russische Medien berichteten von etwa zwanzig getöteten Wagner-Söldnern, während laut Angaben der Rebellen bis zu achtzig ums Leben gekommen sein sollen. Anscheinend hat ein Sandsturm die Kolonne aufgehalten und angreifbar gemacht. Der Sprecher des Rebellenbündnisses beschuldigte die Regierungstruppen, Vergeltungsschläge mit Drohnen durchgeführt zu haben, bei denen etwa zehn Zivilist*innen in der Region getötet worden seien.

Martin Barnay ist Doktorand und Paul F. Lazarsfeld Fellow am Fachbereich Soziologie der Columbia University in New York.

Nach dem Angriff behauptete der Direktor des Militärnachrichtendiensts der Ukraine, dass seine Agent*innen an der Seite der Tuareg-Rebellen gekämpft hätten. Bilder, auf denen schwarze und weiße Kämpfer mit den Flaggen von Azawad und der Ukraine zu sehen waren, stützten diese Aussage. Es wäre nicht der erste Einsatz der Ukraine in Afrika. Im November 2023 wurde berichtet, dass hundert ukrainische Spezialkräfte an Operationen gegen von Wagner unterstützte Milizen im Sudan teilnahmen. In Mali sollen ukrainische Agent*innen Tuareg-Rebellen an der Mavic 3 Pro, der «AK-47 des 21. Jahrhunderts», ausbilden – einer leichten Drohne, die für die Nahaufklärung eingesetzt wird und mit einer Fallgranate ausgestattet ist.

Die Rolle der russischen Wagner-Gruppe

Der Hinterhalt markiert die erste große Niederlage der Wagner-Gruppe in Afrika, die seit dem gescheiterten Putsch im Juni 2023 offiziell dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt ist. Das erstmals 2014 auf der Krim eingesetzte private Militärunternehmen ist seit 2017 in Afrika aktiv und hat Agent*innen in etwa acht Ländern von Libyen bis Mosambik. Wagner ist ähnlich wie ein Franchise-Unternehmen mit teilweise unabhängigen Zweigstellen organisiert. Neben russischem Führungspersonal werden lokale Kämpfer und Veteranen benachbarter Konflikte (hauptsächlich aus Libyen und Syrien) beschäftigt. Von den 5.000 Söldnern, die Wagner in Afrika hat, befinden sich 1.500 in Mali. Das sind fast halb so viele, wie dort im Rahmen der Operation Barkhane stationiert waren – Frankreichs Mission zur Aufstandsbekämpfung in der Sahelzone. Seit der Machtübernahme von Oberst Assimi Goïta im Mai 2021 hat Wagner schrittweise die Nachfolge dieser Operation übernommen.

Die Regierung in Bamako setzt die Wagner-Gruppe ein, um die Separatisten der Nationalen Bewegung zur Befreiung des Azawad (Coordination of Azawad Movements, CMA) zu bekämpfen, einen Zusammenschluss von Tuareg-Milizen, die im Nordwesten des Landes aktiv sind. Die CMA fordert die Schaffung eines autonomen Staates, Azawad («Land der Transhumanz»), einer 800.000 Quadratkilometer großen Fläche aus Felsen und Sand um die Städte Timbuktu, Gao und Kidal. Sie verfügt über etwa 3000 Kämpfer, die Berichten zufolge mit zurückgelassenen Waffen- und Munitionsbeständen regulärer malischer Truppen ausgestattet sind. Bei jüngeren Auseinandersetzungen schienen die Regierungstruppen im Vorteil. Durch einen von Wagner koordinierten Luftwaffeneinsatz konnten sie Kidal im November zurückerobern – mehr als zehn Jahre nachdem ein von Frankreich und Algerien vermitteltes Abkommen die Stadt den Rebellen überlassen hatte. Mit dem Ende der Operation Barkhane setzte die Junta die Rückeroberung der Stadt als Symbol für die wiederhergestellte Souveränität Malis ganz oben auf die Prioritätenliste.

Wagner will den Staaten südlich der Sahara eine umfassende Alternative zur französischen Präsenz bieten. Die Söldner versorgen und trainieren die Streitkräfte wie auch die Präsidentengarde, die traditionell ein wichtiger Machtfaktor für Paris in «befreundeten» Regimen ist. Die Gruppe bietet aber auch nichtmilitärische Unterstützung an, namentlich ein Netzwerk von Unternehmen, die mit französischen Wirtschaftsinteressen konkurrieren: Sie bieten Zugang zu Kreditlinien, organisieren die Verwaltung von Bergbau- und Forstaktivitäten und sogar eine lokale Wodka- und Bierproduktion zum Nachteil des französischen Getränkekonzerns Castel. In klassischer neokolonialer Manier bietet Wagner seine Dienste im Austausch für Konzessionen an. In Mali hat das Unternehmen eine Änderung des Bergbaugesetzes erwirkt, die den lokalen politischen Behörden mehr Kontrolle zulasten etablierter ausländischer Unternehmen einräumt. Einzelheiten zur Gebührenstruktur bleiben undurchsichtig. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete, dass 135 Millionen Euro des malischen Verteidigungshaushalts für 2022 an Wagner gingen (deutlich weniger als die jährlichen Kosten von 600 Millionen Euro für Barkhane).

Die Sahelzone steht – wie das Horn von Afrika, wohin sich der von den Golfstaaten geführte Stellvertretungskrieg in Jemen ausweitet – im Mittelpunkt eines «neuen Wettlaufs um Afrika», wie einige es nennen. Die jüngste Welle von Regimewechseln, die teils mit demokratischen Mitteln, teils mit Gewalt herbeigeführt wurden, hat die geopolitische Landschaft neu geordnet. Der Abzug der französischen Streitkräfte fiel mit dem Aufstieg eines neuen strategischen Blocks zusammen, der durch die Gründung der Allianz der Sahelstaaten im September 2023 formalisiert wurde. Diese Konföderation von Mali, Niger und Burkina Faso sollte ein Gegengewicht zur Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und zur Regionalorganisation G5 Sahel bilden, die beide als Marionetten Frankreichs gelten. Die Nachfrage nach zuverlässigem militärischem Führungspersonal in einer Region, in der nationale Armeen oft für politische Instabilität sorgen, hat einen Nährboden für private Akteure bereitet. Durch Wagner konnte Moskau somit in einer Region Fuß fassen, die Russland seit dem Ende des Kalten Krieges weitgehend aufgegeben hatte. Seinen Operationen dort hat es kürzlich mit der Bezeichnung Afrikakorps einen neuen Anstrich verliehen.

Die Verstrickung Frankreichs

Der Sahara-Sahel-Gürtel ist nicht zuletzt wegen seiner Ressourcen hart umkämpft. Unter diesen Bergbaukonflikten leidet vor allem die lokale Bevölkerung, insbesondere in Niger, einem der weltweit führenden Uranproduzenten. Frankreich hat dort seit den 1960er Jahren mehrere Minen betrieben, unter dem Quasi-Monopol von Cogema – später Areva, heute Orano –, einem Herzstück der Energiesouveränität des Landes, das während der Ölschocks der 1970er Jahre gegründet wurde und sich noch immer zu 50 Prozent in Staatsbesitz befindet. 2023 lieferte Niger etwa 15 Prozent des französischen Uranbedarfs. Bis zur Entwicklung sogenannter «schneller Neutronenreaktoren», die weniger brennstoffintensiv sind, bleiben die Importe aus Niger von entscheidender Bedeutung. Die Sicherung der Uranabbaugebiete im Territorium der «drei Grenzen» war angeblich einer der Beweggründe für die Vorgängermission von Barkhane, die Operation Serval, die nach etlichen Entführungen im Bergbaukomplex Areva in Arlit begann.

Die Verstrickung Frankreichs mit den Tuareg reicht in eine Zeit zurück, als die Uranvorkommen noch lange nicht entdeckt waren. Die Eroberung der Sahara begann im Zweiten Kaiserreich und weitete sich in der Dritten Republik aus, als die Unterzeichnerstaaten der auf der Berliner Konferenz vereinbarten territorialen Aufteilung dazu übergehen mussten, die von ihnen beanspruchten Gebiete tatsächlich zu besetzen, um das Abkommen zu ratifizieren. Dieses Kontrollerfordernis ging mit einer Faszination für die Lebensweise der Wüstenvölker einher. Der exotische und archaische Reiz der Nomad*innen faszinierte die französische Hautevolee, und die verblendeten Zeitungen munkelten: Sind diese hellhäutigen Menschen mit den hellen Augen womöglich Nachfahr*innen der fränkischen Kreuzritter? Hinzu kam die Vorstellung, dass der angeblich gemäßigte Islam der Tuareg eine Fassade für ein altes Christentum sein könnte.

Die Kolonialverwaltung betrachtete die Tuareg (ein Begriff arabischen Ursprungs, den die mit ihm bezeichneten Menschen selbst nicht verwenden) als eine Konstellation von Stämmen, die sie in vier geografische Konföderationen aufteilte. Sie nutzte bestehende Konflikte aus: Die Strategie der «Tribalisierung», die in den «Bureaux Arabes» des kolonialen Algeriens entwickelt worden war, schuf immer mehr Fronten, Unterfronten und Entscheidungszentren. Das setzte sich bis in die Zeit nach der Unabhängigkeit fort. So wurden Anführer ernannt, die mit den französischen Interessen sympathisierten, etwa der charismatische Mano Dayak, der angeblich 1993 vom französischen Geheimdienst eingesetzt wurde, um die separatistische Front in Niger zu spalten. Die Infiltration von Rebellenbewegungen bot den lokalen Regierungen Sicherheit und Frankreich eine Möglichkeit, sich in deren Innenpolitik einzumischen. Manchmal bedeutete dies, dass abtrünnige Fraktionen entfernt werden mussten. Hunderte von Tuareg, die aus Algerien umgesiedelt worden waren, um der dortigen Dürre und Unterdrückung zu entkommen, tauchten in den 1990er Jahren in Niger unter – was die französischen Medien weitgehend unkommentiert ließen.

Der Anstieg des Nationalgefühls unter den Tuareg war in hohem Maße auf die Anti-Tuareg-Kampagnen der neuen Regime nach der Unabhängigkeit zurückzuführen. Das romantische Bild der edlen Wüstenkrieger, das die kolonialen Erzählungen dominiert hatte, wurde von den politischen Eliten durch das Narrativ eines plündernden, sklavenhaltenden Volkes ersetzt. Besonders stark ist diese Darstellung in Niger und Mali, wo nach Schätzungen der CIA drei Viertel der drei Millionen Tuareg leben.

In den 1970er und 1980er Jahren trieben schwere Dürre- und Hungerkatastrophen die nomadische Jugend ins Vagabundentum. Auf der Flucht nach Norden wurden sie in Algerien und Libyen in Lager gesperrt, wo die arabischen Behörden die bunte Mischung verschiedener Gruppen wie eine homogene Masse behandelten. Viele schlossen sich schließlich Gaddafis Islamischer Legion an und endeten als Kanonenfutter auf den Schlachtfeldern in Libanon und Irak oder im libyschen Krieg gegen den Tschad und seine französischen Verbündeten im Aouzou-Streifen. Einige gingen wieder in den Süden und nahmen an den Tuareg-Aufständen der 1990er und 2000er Jahre teil. Ihre Migration fand diesmal mithilfe von «japanischen Kamelen» statt – dieselbetriebenen Toyota Land Cruisers, die humanitäre Helfer*innen in die Wüste gebracht hatten.

In dieser Zeit spielte Gaddafi in der Sahelzone eine ähnlich revolutionäre Rolle wie Wagner heute. Er stellte die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs infrage, indem er Libyen zu einem von großen westlichen Unternehmen unabhängigen Zentrum für den Rohstoffhandel machte – insbesondere für Uran, das er an Pakistan und Indien lieferte. Kurz bevor sein Regime 2011 unter NATO-Bomben zusammenbrach, zog die neueste Generation der Ishumars – eine Abwandlung des französischen Worts chômeur (arbeitslos) – mit ihren Waffen nach Süden, angeblich auf Anraten französischer Geheimdienste. In Mali fiel der Staatsstreich von 2012 mit der Wiederaufnahme der Kämpfe zwischen Bamako und der Azawad-Bewegung zusammen. Die unorganisierte malische Armee zog sich aus den Städten im Norden zurück und überquerte den Niger. Die Kontrolle der Tuareg über Gao und Kidal war jedoch nur von kurzer Dauer, da besser ausgerüstete Dschihadistengruppen, die im Verdacht standen, Unterstützung aus Algerien zu erhalten, schnell an Boden gewannen. Zu dem Zeitpunkt schließlich entsandte Paris Truppen.

Anstatt Beziehungen zu den Tuareg zu pflegen, konzentrierten sich die algerischen Sicherheitsdienste auf islamistische Bewegungen. Wie Gaddafi versuchte Algier, die französische Hegemonie in der Sahara infrage zu stellen. Mithilfe der Salafisten wollten sie sich als neuer regionaler Anker behaupten. Während des algerischen Bürgerkriegs kursierten hartnäckige Gerüchte über Verbindungen zwischen algerischen Geheimdiensten und islamistischen Gruppen, die Algier vorgeblich bekämpfte. Als die algerische Armee von diesen Gruppen Ende der 1990er Jahre schließlich Territorium eroberte, zogen einige Islamisten in den Süden. Sie vermischten sich mit lokalen Berberstämmen, zu denen auch die Tuareg gehörten, und übernahmen deren Lebensweise nach der klassischen maoistischen «Fisch-im-Wasser»-Strategie. Die Sahelzone bietet einen fruchtbaren Boden für Erpressung und Schmuggel – ursprünglich von Zigaretten und Treibstoff, inzwischen auch von Waffen und Kokain, wobei in der Region zwischen 2015 und 2020 noch 13 Kilogramm Kokain pro Jahr beschlagnahmt wurden, im Jahr 2022 dann bereits 1.466 Kilogramm.

Die erste Generation islamistischer Anführer in der Sahelzone war überwiegend algerisch. Zu ihnen gehörte der rätselhafte Mokhtar Belmokhtar, ein Veteran des antisowjetischen Dschihad in Afghanistan, der während des «Schwarzen Jahrzehnts» in Algerien zu einer prominenten Persönlichkeit im M’zab-Tal wurde. François Hollandes öffentlichkeitswirksame Kampagne zur Eliminierung dschihadistischer Anführer in der Sahelzone, darunter auch Belmokhtar, der 2016 bei einem Luftangriff im Süden Libyens getötet wurde, machte den Weg frei für eine neue Generation. Iyad Ag Ghali, ein lokaler Adliger und ehemaliger Anführer des Tuareg-Aufstands, verließ 2012 die Bewegung und gründete die salafistische Gruppe Ansar Dine. Später übernahm er das Kommando der Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime (Jama’a Nusrat ul-Islam wa al-Muslimin, JNIM), eine Al-Qaida-Tochterorganisation, die ab 2017 die Kampfgruppen der Region vereinte. Seitdem hat die JNIM ihre Aktivitäten über Mali hinaus ausgeweitet und ist zunehmend in anderen Sahel-Anrainerstaaten aktiv, insbesondere in Burkina Faso, wo sie kürzlich die Verantwortung für einen Angriff in der nördlichen Zentralregion des Landes übernahm, bei dem über 300 Zivilist*innen getötet wurden.

Trotz der Spannungen zwischen den Tuareg und den Dschihadisten kooperierten diese Gruppen gelegentlich im Kampf gegen ihren gemeinsamen Feind, die malische Regierung. Mehrere Quellen berichteten, dass Kämpfer der JNIM, neben der Nationalen Bewegung zur Befreiung des Azawad (CMA), an dem Angriff vom 27. Juli beteiligt waren. Diese Meldung hat die Feindschaft zwischen Algier und Bamako verschärft, wobei Mali Algerien beschuldigte, den Angreifenden Unterschlupf gewährt zu haben. Dieser Nichtangriffspakt ist aber weit von einer vollwertigen Allianz entfernt. Laut Tuareg-Quellen, die von Le Monde zitiert wurden, war die JNIM bei der Schlacht von Kidal im November 2023 nicht präsent. Die CMA beschuldigt die Islamisten, sich im Kampf gegen die Regierungstruppen aufzureiben, um das eigene politische Programm und das ihrer vermeintlichen Unterstützer*innen durchzusetzen.

Die CMA wirft den Islamisten vor, sich an den Regierungskräften erschöpfen zu lassen, um ihr eigenes politisches Programm und das ihrer vermeintlichen Unterstützer durchzusetzen.

In der neuen Situation sieht sich Frankreich nun isoliert – eine Folge seiner langjährigen Gewohnheit, in Subsahara-Afrika im Alleingang zu handeln. Während die EU Infrastruktur zur Unterstützung von Barkhane finanzierte, trug Paris die Hauptlast der Operation. Die Bundeswehr entsandte bis zu tausend Soldat*innen nach Mali, beteiligte sich aber trotz französischer Anfragen nicht an Kampfhandlungen. So war es Deutschland möglich, nach dem offiziellen Rückzug Frankreichs in der Sahelzone präsent zu bleiben.

Auch der Unmut über den französischen Einfluss in der Region nimmt zu, was durch russische Propaganda noch verstärkt wird. Die Wagner-Gruppe wird bezichtigt, Proteste vor Botschaften organisiert und Online-Desinformationskampagnen durchgeführt zu haben – einmal beschuldigte sie ein französisches Unternehmen, für Treibstoffknappheit gesorgt zu haben, ein anderes Mal wird ein Massengrab auf einem ehemaligen Barkhane-Stützpunkt erfunden, um ein durch eigene Söldner verübtes Massaker zu vertuschen. In der Zentralafrikanischen Republik zeigten die Behörden im Hauptstadion von Bangui den Film Tourist (2021) – ein plumpes Propagandastück, in dem russischsprachige Ausbilder*innen zentralafrikanische loyale Truppen gegen eine von einer zwielichtigen französischen Gestalt unterstützte Rebellengruppe anführen. Die Parallele zu Hollywood ist auffällig: Sehr zum Missfallen von Macrons Verteidigungsminister Sébastien Lecornu zeigte der Science-Fiction-Blockbuster Wakanda Forever (2022) Soldat*innen in Barkhane-ähnlichen Uniformen, die die Ressourcen des fiktiven Königreichs Wakanda plünderten.

AFRICOM und Pentagon

Die USA haben die Vorherrschaft der ehemaligen Kolonialmacht über die Sahelzone lange toleriert. Sie unterstützten die Operation Barkhane, indem sie die Hälfte der Ressourcen bereitstellten und nachrichtendienstliche, satellitengestützte Kapazitäten anboten, was es Washington ermöglichte, die Region genau im Auge zu behalten. Die jüngsten Entwicklungen erscheinen wie ein Rückschlag für diese Strategie, da die Sicherheitslage sich verschlechtert und der russische Einfluss zunimmt.

Doch die USA haben auch lange versucht, sich in Afrika als Alternative zum westlichen Partner Frankreich zu positionieren. Das «Eizenstat-Projekt» – benannt nach einem Staatssekretär im Handelsministerium der Clinton-Ära – zielte darauf ab, eine Freihandelszone im Maghreb zu errichten, die mit dem von Paris vorangetriebenen Projekt des euro-mediterranen Marktes konkurrieren sollte. Nach dem 11. September 2001 wurden die Sahelzone und ihre failed states vom US-Sicherheitsapparat als wichtige Front in seinem globalen «Krieg gegen den Terror» identifiziert, wie Jeremy Keenan gezeigt hat. Ab 2002 startete Washington die Pan-Sahel-Initiative, eine Reihe von militärischen Kooperationsabkommen mit Mali, Niger, Tschad und Mauretanien, die den Einsatz amerikanischer Ausbilder*innen zum Aufbau lokaler Sicherheitskräfte beinhaltete. Diese Initiative scheint Früchte zu tragen, denn Washington ist es gelungen, eine direkte Konfrontation mit den Anführern der jüngsten Putsche in Niger und Mali zu vermeiden, von denen die meisten an Ausbildungsprogrammen unter der Leitung von US-Spezialeinheiten teilgenommen hatten.

Mit der Unterzeichnung der Trans-Sahara Counterterrorism Partnership im Jahr 2005 und der Gründung des Afrika-Kommandos der USA (AFRICOM) im Jahr 2008 wurden die Ausbildungsmissionen auf alle an die Sahara grenzenden Länder ausgeweitet. Berichten zufolge erlaubte Algerien Washington die Einrichtung einer geheimen Basis in Tamanrasset am Rande der Wüste im Austausch für eine erhebliche Erhöhung der US-Direktinvestitionen. Washington ist auch in Niger durch Drohnenstützpunkte in Niamey und Agadez präsent. AFRICOM hatte dort Überwachungsflüge durchgeführt und die Bewegungen von Kämpfern verfolgt, um die Geheimdienstoperationen von Barkhane zu unterstützen. Die US-Streitkräfte haben sich kürzlich aus dem Land zurückgezogen, nachdem sie keine Einigung mit der regierenden Junta erzielen konnten, und legitimierten damit de facto den Putsch. Trotz seiner symbolischen Bedeutung wird dieser Rückzug wahrscheinlich keine großen operativen Auswirkungen haben, da die Überwachungsaktivitäten bereits auf Stützpunkte rund um den Golf von Guinea verlagert wurden.

Der relativ geringe Anteil von AFRICOM am Pentagon-Etat sollte im Kontext eines viel höheren Anteils an Auftragnehmer*innen im Zusammenhang mit anderen US-Militärschauplätzen gesehen werden. Aktuelle Trends deuten darauf hin, dass diese Abhängigkeit noch zunehmen wird. Im Januar forderte der Vorsitzende des Unterausschusses für Afrika vor dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses einen Wettbewerb mit der Wagner-Gruppe. Insbesondere betonte er die Notwendigkeit, das Instrumentarium der USA zur Bewältigung von Sicherheitskrisen in Afrika über die traditionellen UN-Friedenssicherungseinsätze hinaus zu erweitern.

Private Militärunternehmen haben den lukrativen Markt für «Regimesicherheit» bereits entdeckt. Seit letztem Jahr verhandelt das in Washington ansässige Unternehmen Bancroft Global Development mit der zentralafrikanischen Regierung, um bei der Sicherung von Bergbaustandorten an die Stelle von Wagner zu treten. «Private Auftragnehmer haben eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von logistischer Unterstützung, Schulungen, Ausrüstung und dem Aufbau anderer Kapazitäten gespielt und sind dabei auch weiterhin bedeutsam», sagte ein Beamter des Afrikabüros des Außenministeriums bei derselben Anhörung.

Wenn die Wagner-Gruppe Paris in der Sahelzone außer Gefecht setzt, scheint sie im Sicherheitssektor erreichen zu wollen, was chinesische Bau- und Bergbauunternehmen Ende der 1990er Jahre versuchsweise an der Wirtschaftsfront begonnen hatten. Durch dieses Beispiel entdecken Staaten das klassische Modell der Privatmiliz neu – ein Modell, das im Globalen Süden spätestens seit den Staatsschuldenkrisen der 1980er Jahre besteht, wie Joshua Craze kürzlich in seinem Artikel über den Sudan hervorgehoben hat. Dieser Ansatz ist flexibler, kostengünstiger und stellt eine geringere Beeinträchtigung der Souveränität des Gastlandes dar. Frankreich selbst hat ihn bereits mehrfach verwendet, angefangen mit seiner «Affreux»-Miliz im ehemaligen Belgisch-Kongo. Die jüngsten Ereignisse in Tinzaouaten deuten jedoch darauf hin, dass private Militärunternehmen und Milizen kein Allheilmittel sind – und dass auch sie nach dem Scheitern der französischen Stabilisierungsmissionen wahrscheinlich Schwierigkeiten haben werden, ihre Interessen in der Region durchzusetzen.
 

Deutsche Erstveröffentlichung des Textes «Regional Interests», der zuerst von der «New Left Review» publiziert wurde. Die Zwischenüberschriften wurden redaktionell eingefügt. Übersetzung aus dem Englischen von André Hansen & Sabine Voß für Gegensatz Translation Collective.