Nachricht | Soziale Bewegungen / Organisierung - Wirtschafts- / Sozialpolitik - Kunst / Performance «Ungleichheit ist der größte Skandal, den es gibt»

Theatermacher Volker Lösch über sein neues Stück «Geld ist Klasse» mit Marlene Engelhorn

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Volker Lösch,

Im Theaterstück «Geld ist Klasse» adressiert der Theatermacher Volker Lösch das Thema Ungleichheit. Unterstützt wird er auf der Bühne von der Millionenerbin Marlene Engelhorn, die das Stück auch mitgeschrieben hat – es lebt in erster Linie durch die politische Botschaft der Inszenierung. Im FFT (Forum Freies Theater) Düsseldorf hatte «Geld ist Klasse» am 20. September 2024 seine Uraufführung. Ronja Zoe Schultz von der Rosa-Luxemburg-Stiftung sprach mit Volker Lösch.
 

Ronja Zoe Schultz: Vor 25 Jahren ist Lehmanns «Postdramatisches Theater» zur Eröffnung des FFT (Forum Freies Theater) Düsseldorf erschienen. Inwiefern war es ihnen wichtig das Stück in Düsseldorf zu machen?

Volker Lösch: Ich war vor 25 Jahren am FFT dabei, als es eröffnet wurde, mit einem Projekt über den Arbeitsbegriff «ArbeitMachtReich». Insofern schließt sich jetzt ein Kreis. Düsseldorf ist ein guter Ort für diese Arbeit, da sehr viele Überreiche dort ansässig sind – da gibt’s viel Aufmerksamkeit für das Thema. Alle Vorstellungen waren dann auch recht schnell ausverkauft, die Resonanz war überragend.

In dem Stück Marat/Sade haben sie die Namen der reichsten Hamburger*innen und ihren Reichtum vorgelesen und damit einen Skandal inklusive Unterlassungserklärung provoziert. Wir erleben momentan ein Schweigen über Armut und Reichtum in der Gesellschaft, wie kann Theater dazu beitragen über die soziale Realität zu sprechen? 

Ungleichheit ist der größte Skandal, den es gibt, denn sie provoziert wenig Widerspruch, aber gleichzeitig planetare Destruktivkräfte. Sie ist mit fast allen Überlebens-Themen, z.B. der Vernichtung des Klimas, verknüpft. Der Überreichtum ist inzwischen so groß, dass er überall in politische und wirtschaftliche Macht umschlägt. Wir leben inzwischen in Plutokratien und tun nichts dagegen. Das Theater muss das so radikal wie möglich thematisieren, um die Debatte darüber anzuheizen. Wir sind das einzige Medium, welches sich live dazu verhalten kann. Die Publikumsgespräche in Düsseldorf nach den Aufführungen waren beindruckend: wir konnten offensichtlich erreichen, dass Menschen wieder politisch aktiv werden möchten. Wenn Medien das widerspiegeln, erreichen wir auch noch mehr Menschen als nur die, die ins Theater gehen. Aber klar: Theater bleibt, ist und war immer sehr exklusiv.

Was hat Sie dazu inspiriert, ein Stück zu diesem Thema zu produzieren?

Ich arbeite schon seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Ansätzen an diesem Thema. Hier ist jetzt neu daran, dass eine Überreiche, Marlene Engelhorn, mit auf der Bühne steht und spielt. Das eröffnet ganz neue Sichtweisen, und macht das Ganze in der Vermittlung wesentlich plastischer.

Wie haben Sie die Balance zwischen Unterhaltung und politischer Botschaft im Stück gewahrt?

Spielszenen wechseln sich mit Dokumentarischem und Autobiographischem ab. Es ist sehr unterhaltend, manchmal auch komisch, dann wieder brutal und ernst – Theater eben. Nach über hundert großen, politischen Inszenierungen weiß ich, dass es diese Mischung ist, die die Köpfe für Inhalte öffnet.

Gibt es konkrete Elemente im Stück, die besonders darauf abzielen, den/die Zuschauer*in zum Nachdenken über soziale Gerechtigkeit anzuregen?

Die ganze Arbeit regt dazu an. Es ist ein energetischer Mix aus Fakten, Skandalen und Apellen, persönlich durch uns Mitwirkende beglaubigt. Wir sind ja außerhalb der Kunst auch als politische Aktivisti unterwegs, es hat also eine Glaubwürdigkeit, wenn wir da stehen und spielen und am Ende dazu auffordern, sich gegen Ungleichheit zu engagieren.

Momentan reden alle nur über «Migration als Problem» Welchen Einfluss hat das aktuelle politische Klima auf die Entstehung des Stücks gehabt?

Es ist ähnlich wie bei der «Migrations-Debatte»: Realpolitik ist gerade ein gigantisches Ablenkungsmanöver. Um nicht über die Perspektivlosigkeit und Vernichtungsenergie des Kapitalismus reden zu müssen und danach zu handeln, werden Lügen in die Welt gebracht. Was seit Solingen die Ausländer sein sollen, ist bei der Ungleichheit der Mythos, dass Überreiche Arbeitsplätze und Wohlstand für alle garantieren. Das Gegenteil ist der Fall, das ist auch wissenschaftlich längst erwiesen, es ist bei großen Teilen der Öffentlichkeit aber noch nicht angekommen. Wir müssen also weitermachen, mit allen Formen der Aufklärung, die uns zur Verfügung stehen.

Das Theater erreicht meistens nur ein linksbürgerliches Publikum, wie kann das Thema zu den Menschen gebracht werden, die in Armut leben müssen?

Das Thema ist bei den Linksbürgerlichen genau richtig. Denn die müssen den Hintern hochkriegen, die müssen politisch aktiv werden. Wenn es stimmt, dass über die Hälfte der Menschen gegen Ungleichheit ist, dann muss man die auch auf der Straße sehen. Wo sind die denn alle? Im Winter, als es gegen die AfD ging, waren viele bereit dazu. Und genau diese Massen brauchen wir jetzt auf den Straßen gegen Ungleichheit und Überreichtum. Die Regierung könnte mit entsprechenden Steuergesetzen über 100 Milliarden jährlich einnehmen, stattdessen wird wieder unten eingespart. Dafür brauchen wir die Linksbürgerlichen: die haben Zeit und Möglichkeiten, politisch aktiv zu werden. Sich raushalten, zuhause bleiben, schlaue Bücher lesen und kritische Meinungen haben reicht allein nicht mehr aus. Massenproteste müssen die Politik zum Handeln zwingen!

Sie haben mit Marlene Engelhorn eine prominente Mitwirkende an dem Stück, die die Perspektive der Superreichen vertreten kann. Wie stellen Sie sicher, dass auch andere Perspektiven einfließen?

Diese Perspektive reicht vollkommen aus. Ein gutes Theaterstück konzentriert sich auf einen zentralen Aspekt. Und der hier ist wirklich erstaunlich: so viel aus der Innenperspektive der Reichen-Blase war auf einer deutschen Bühne noch nie zu erfahren.

Die Uraufführung fand am 20. September 2024 am FFT in Düsseldorf statt.
Am Schauspielhaus Wien wird das Stück am 25. und 26. Oktober aufgeführt, am Theater Rampe in Stuttgart vom 1. bis 3. November.