Analyse | Parteien / Wahlanalysen - Rosalux International - Südliches Afrika Mosambik: Der steinige Weg zur Demokratie

Die «Generation Z» stellt den Wahlsieg der Regierungspartei infrage. Von Fredson Guilengue

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Ein Mann steht auf einem umgestürzten Container, der von Demonstranten als Barrikade benutzt wurde.
Ausschreitungen in der mosambikanischen Hauptstdt Maputo, nachdem die regierende Frelimo-Partei zum Sieger der umstrittenen Wahlen in diesem Monat erklärt wurde (25.10.2024) Foto: picture alliance / REUTERS | Siphiwe Sibeko

Am 9. Oktober fanden in Mosambik die siebten Parlaments- und die vierten Provinzwahlen seit dem Übergang zu einer Mehrparteiendemokratie 1990 statt. Allerdings scheinen die Wahlen immer noch keine glaubwürdige Säule der demokratischen Konsolidierung darzustellen, sondern eher Misstrauen, sozialen Aufruhr, politische Instabilität und bewaffnete Konflikte zu schüren. Nicht zufällig lag die Wahlbeteiligung bei nur 44 Prozent und damit auf einem historischen Tiefstand.

Fredson Guilengue ist Projektmanager im Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung für das südliche Afrika in Johannesburg.

Bei dieser Wahl konnten, wie erwartet, einmal mehr die amtierende Frente de Libertação de Moçambique (Mosambikanische Befreiungsfront, FRELIMO) und ihr Präsidentschaftskandidat, Daniel Francisco Chapo, die Mehrheit der Stimmen für sich gewinnen. Den vorläufigen Ergebnissen der Nationalen Wahlkommission zufolge erhielt die FRELIMO 78 Prozent der Stimmen, und Daniel Chapo lag mit 70,7 Prozent vorne. Die Partei gewann in allen elf Provinzen des rund 35 Millionen Einwohner*innen zählenden Landes. Die größte Oppositionspartei, die Resistência Nacional Moçambicana (Nationaler Widerstand Mosambiks, RENAMO), erlitt die schwerste Wahlniederlage ihrer Geschichte und verlor ihren Status als Oppositionsführerin.

Zweitstärkste Kraft im Parlament ist nunmehr die Newcomer-Partei PODEMOS (Povo Otimista para o Desenvolvimento de Moçambique, Optimistisches Volk für die Entwicklung Mosambiks) unter Venâncio Mondlane, die zwölf Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte.

Die bislang drittstärkste Partei, das Movimento Democrático de Moçambique (Demokratische Bewegung von Mosambik, MDM), erlebte ein regelrechtes Desaster. Sie erhielt lediglich zwei Prozent und wird nicht mehr im Parlament vertreten sein.

Erwartungsgemäß werden diese Ergebnisse – wie so oft in Mosambik – von den unterlegenen Parteien, den unabhängigen Medien und der mosambikanischen Bevölkerung angezweifelt. Was also sagen diese Wahlergebnisse über den steinigen Weg Mosambiks zur Demokratie aus?

Nach dem Kolonialismus

Am 25. Juni 2025 wird Mosambik den fünfzigsten Jahrestag seiner Unabhängigkeit feiern. Über zehn Jahre lang hatte die Befreiungsbewegung FRELIMO den bewaffneten Unabhängigkeitskampf gegen das koloniale und später faschistische Portugal angeführt. Portugal gehörte zu den ärmsten Ländern im nichtkommunistischen Europa, hielt jedoch an seinem Kolonialreich fest, bis das Regime 1974 vom Militär gestürzt wurde.

In den fünf Jahrzehnten seit seiner Unabhängigkeit hat Mosambik bedeutende politische und wirtschaftliche Umwälzungen vollzogen. Das Ende des auf die Unabhängigkeit folgenden, verheerenden Bürgerkriegs (1976–1992) ging einher mit dem Übergang vom Einparteienstaat der FRELIMO zu einem Mehrparteiensystem. Seit 2017 erlebt Mosambik jedoch eine neue Form der Gewalt, den islamistischen Terrorismus in der gasreichen nördlichen Provinz Cabo Delgado.

Die neue Regierung erbte allerdings auch eine äußerst schwierige sozioökonomische Situation. Aus Furcht vor der marxistisch-leninistischen FRELIMO verließen rund 200.000 Portugies*innen das Land, wodurch quasi über Nacht in fast allen Sektoren fähige Verwaltungskräfte und Facharbeiter*innen fehlten. Verschärft wurde die Lange noch durch die anhaltend feindseligen Apartheid-Nachbarländer Rhodesien und Südafrika.

Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit betrug das Bevölkerungswachstum rund 2,5 Prozent. Das koloniale Bildungssystem war durch schlechte Infrastruktur, Fachkräftemangel und ausgeprägte regionale und geschlechtsspezifische Ungleichheiten gekennzeichnet. So waren 1975 fast 95 Prozent der elf Millionen Einwohner*innen nicht alphabetisiert, und weniger als vier Prozent beherrschten die Amtssprache Portugiesisch. Allenfalls fünf Prozent der schwarzen Bevölkerung lebten in oder in der Nähe der großen weißen Städte.

Zudem hatte ein Großteil der Bevölkerung keinen Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Außerhalb der großen Städte des Landes hatte der Kolonialstaat kaum oder gar keine medizinische Versorgung eingerichtet. Die meisten Gesundheitsdienste wurden von kirchlichen Gruppen oder traditionellen Heilkundigen angeboten. Kurz nach der Unabhängigkeit gab es im ganzen Land nur noch 80 Ärzt*innen (gegenüber 500 vor der Unabhängigkeit). Im Human Development Index der Vereinten Nationen lag Mosambik im Jahr 1975 auf Platz 172 von 177 Ländern. Die Lebenserwartung bei der Geburt betrug 43,2 Jahren.

Schwarze Mosambikaner*innen blieben während der Kolonialzeit von allen politischen Aktivitäten ausgeschlossen. Wirtschaftlich war die Bevölkerung fast vollständig von den Überweisungen der 100.000 Wanderarbeiter*innen in Südafrika und Rhodesien sowie von einem exportorientierten, von Plantagen und Siedler*innen dominierten Agrarsektor abhängig. Der Anbau von Exportprodukten erwirtschaftete mehr als 80 Prozent der Devisen des Landes. Kurz: Die strukturellen wirtschaftlichen Herausforderungen Mosambiks waren immens.

Regionalpolitisch war das gerade unabhängig gewordene Mosambik von zwei weißen Minderheitsregierungen – Rhodesien (heute Simbabwe) und Südafrika – umgeben, die nicht gewillt waren, mit einem sozialistisch orientierten Nachbarland zu kooperieren, das auch noch die Unabhängigkeitskämpfe der schwarzen Bevölkerungsmehrheit in beiden Ländern unterstützte. Weltpolitisch gesehen erlangte Mosambik seine Unabhängigkeit zu einer Zeit, in der die USA relativ wenig intervenierten – ein günstiger Zeitpunkt für die junge Nation. Fünf Jahre später jedoch wählten die USA mit Ronald Reagan einen vehementen Antikommunisten, was zu einer Verschiebung des globalen Diskurses und der Politik führte.

Das junge Mosambik stand also vor großen politischen Herausforderungen: Der Kolonialismus hatte einen schwachen Staat, eine unterentwickelte Infrastruktur und ineffiziente Bürokratie, eine Kultur autoritärer Bevormundung und begrenzte Personalressourcen hinterlassen. Diese Schwierigkeiten wurden durch die Einführung eines marxistisch-leninistischen Einparteienstaates, die strategische Lage des Landes im südlichen Afrika und einen so mächtigen, aggressiven und rücksichtslosen Nachbarstaat wie das Apartheid-Südafrika noch verschärft.

Die anhaltende Macht der FRELIMO

Nach der Unabhängigkeit waren Wahlen in Mosambik von wiederkehrenden politischen Konflikten und Gewalt geprägt. Der Frieden nach dem bewaffneten Unabhängigkeitskampf währte nicht lange. Die repressive Politik der FRELIMO führte bald zu wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung und schließlich zum Bürgerkrieg. Obwohl dieser von den Apartheidregimen in Rhodesien und Südafrika unterstützt wurde, hatte er seinen Ursprung und seine Triebkraft im Land selbst.

Der mosambikanische Bürgerkrieg war einer der brutalsten auf dem afrikanischen Kontinent. Er endete 1992 mit der Unterzeichnung des Allgemeinen Friedensabkommens zwischen der regierenden FRELIMO und der RENAMO. Das Friedensabkommen sah die Einführung eines demokratischen Mehrparteiensystems und der Marktwirtschaft vor. Die liberale Demokratie sollte Mosambik Frieden und Wohlstand bringen.

Doch auch 32 Jahre nach der Einführung liberaler demokratischer Institutionen sind weder Frieden noch Wohlstand eingekehrt. Mosambik ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Die meisten politischen Konflikte stehen im Zusammenhang mit Wahlen bzw. der allgemeinen Wahrnehmung, dass die FRELIMO ihre Kontrolle über die Institutionen des Landes weiterhin nutzt, um freie, faire und transparente Wahlen zu verhindern.

Seit den ersten Mehrparteienwahlen im Jahr 1994 haben die Opposition und unabhängige Wahlbeobachter*innen kein einziges Wahlergebnis als glaubwürdig eingestuft. Die mangelnde Glaubwürdigkeit ist auf den wiederholten Wahlbetrug und die Einflussnahme der Regierungspartei auf Wahlen und Justiz zurückzuführen. In der Folge kam es nach Wahlen immer wieder zu Instabilität und bewaffneten Konflikten.

Obwohl es seit Inkrafttreten der Verfassung von 1990 keine formelle Verbindung zwischen Staat und Partei mehr gibt, dominiert die FRELIMO de facto weiterhin alle Bereiche des politischen Lebens. Die Beziehung zwischen Parteimitgliedschaft und Zugang zum Staatsapparat und zu Wohlstand kann als weitreichend, komplex und umfassend bezeichnet werden. Die aktive Mitgliedschaft oder der Besitz eines Mitgliedsausweises der FRELIMO kann den Zugang zu Beschäftigung, beruflichem Aufstieg, Beförderungen, Geschäften und Dienstleistungen erleichtern.

Andererseits verfügt die FRELIMO mit ihrer Kontrolle über den Staat auch über die personellen und materiellen Ressourcen, um die Partei und ihre Wahlmaschinerie effektiv zu führen. Die Oppositionsparteien hingegen haben Schwierigkeiten, die Arbeit der Regierung auch nur annähernd angemessen zu kontrollieren. Sie sind nicht in der Lage, ein wirksames Alternativprogramm anzubieten und eine sichtbare Kampagne auf die Beine zu stellen. Dieser Ressourcenunterschied macht sich im Wahlkampf deutlich bemerkbar, da die Regierungspartei über weit mehr Wahlkampfmaterial verfügt als alle Oppositionsparteien zusammen.

Die Anfechtung der Rechtmäßigkeit des Wahlprozesses durch die RENAMO spitzte sich 2012 zu, als die Gruppe nach zwanzig Jahren scheinbaren Friedens und vermeintlicher Stabilität zum bewaffneten Kampf zurückkehrte. Eine ihrer Forderungen war die Überarbeitung des Wahlgesetzes, das ihrer Einschätzung zufolge die Regierungspartei begünstigte. Nach der Änderung des Gesetzes unterzeichneten RENAMO und mosambikanische Regierung dann am 25. August 2014 ein Waffenstillstandsabkommen. Obwohl die politische Instabilität mit dem Abkommen abzunehmen schien, wurde sie durch die Parlamentswahl 2014, die sowohl die RENAMO als auch ein lokales Konsortium der Zivilgesellschaft als manipuliert einstuften, wieder angefacht.

Die letzten Kommunalwahlen fanden am 11. Oktober 2023 statt. Bei diesen ebenfalls als manipuliert geltenden Wahlen gewann die Regierungspartei die Mehrheit der zur Wahl stehenden Gemeinden. Dies führte zu einem beispiellosen Ausmaß an öffentlichen Auseinandersetzungen über die Wahlergebnisse, bei denen mindestens drei Menschen von Sicherheitskräften getötet und eine Reihe weiterer verletzt wurden.

Aufstand der Generation Z

Ohne unabhängige progressive Kräfte und angesichts der Tatsache, dass es keine freien, fairen und transparenten Wahlen gab, war es absehbar, dass die Proteste der Bevölkerung erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen im ganzen Land führen würden. So geschah es dann auch: Nach Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauswertung und der Ermordung von zwei Oppositionspolitikern kam es ab dem 21. Oktober zu gewaltsamen Protesten und Zusammenstößen mit der Polizei mit mehreren Toten und Verletzten.

Dabei dürften zwei wichtige Aspekte der aktuellen Gemengelage eine bedeutende Rolle spielen. Erstens ist die Generation Z immer stärker vertreten. Zwei Drittel der Bevölkerung sind junge Menschen, die keinen Bezug zu den beiden wichtigsten historischen Prozessen des Landes haben: der Erfahrung des Kolonialismus und dem Kampf der FRELIMO für die Unabhängigkeit, der vor 49 Jahren endete. Zweitens haben diese jungen Menschen Zugang zu sozialen und unabhängigen Medien, also zu Informationsquellen, die nicht von der Regierungspartei kontrolliert werden.

In der Vergangenheit war die Legitimität der FRELIMO eng mit ihrer Rolle als Befreiungsbewegung und ihrem Kampf gegen die RENAMO verknüpft. Die heutige junge Generation hat jedoch keinen Bezug zur historischen Rolle der Partei. Sie trifft ihre Entscheidungen auf der Grundlage der aktuellen Situation und bringt die Partei mit Armut, Korruption und schlechter Regierungsführung in Verbindung. Infolgedessen protestiert die Jugend Mosambiks immer sichtbarer nicht nur gegen die Art und Weise, wie das Land regiert wird und Wahlen abgehalten werden.

In den letzten zehn Jahren haben Armut und Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, stark zugenommen. Inzwischen leben 62 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut. Dies ist der Hintergrund dafür, dass die jungen Mosambikaner*innen die Ergebnisse der Kommunalwahlen 2023 massiver denn je angefochten haben.

Soziale Medien haben sich für die Jugend von heute als äußerst wertvolle Informationsquelle erwiesen. Informationen, die nicht unter Kontrolle der Regierungspartei stehen, waren von entscheidender Bedeutung für den Zugang zu Gegendarstellungen. Noch wichtiger scheint, dass die sozialen Medien während der öffentlichen Proteste 2023 als Plattform genutzt wurden, um Menschen zu mobilisieren, Wahlergebnisse anzufechten und Wahlbetrug aufzudecken. Die spannende Frage ist, ob diese Mobilisierung der Gen Z dazu führen wird, das Land nachhaltig zu demokratisieren.

Übersetzung von Camilla Elle und Charlotte Thießen für Gegensatz Translation Collective.