Nachricht | M. Gutzeit u.a. (Hrsg.): Opposition und SED; Berlin 2011

Andreas Malycha, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, rezensiert für H-Soz-u-Kult

Gutzeit, Martin; Heidemeyer, Helge; Tüffers, Bettina (Hrsg.): Opposition
und SED in der Friedlichen Revolution. Organisationsgeschichte der alten
und neuen politischen Gruppen 1989/90. Berlin: Droste Verlag 2011. ISBN
978-3-7700-5304-9; 263 S.; EUR 29,80.

Link zum Inhaltsverzeichnis (PDF) des besprochenen Bandes.

Malycha schreibt einleitend: "Der vorliegende Band dokumentiert eine Tagung, die am 25. und 26. November 2008 in Berlin stattfand und gemeinsam von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien sowie des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Berlin veranstaltet wurde. Die einzelnen Beiträge thematisieren Entstehungs- und Wandlungsprozesse der von den Bürgerrechtlern gegründeten politischen Organisationen und Parteien, die seit dem Herbst 1989 rasant fortschreitende Ausdifferenzierung der politischen Landschaft, aber auch strukturelle und personelle Veränderungen in der SED und bei ihren langjährigen Juniorpartnern. So spannt sich der Bogen von dem Beginn einer unabhängigen politischen Willensbildung im Herbst 1989 bis zum Ende der parlamentarischen Tätigkeit der Volkskammer der DDR im Herbst 1990.
Die insgesamt sieben Themenkomplexe, die sowohl die Vorträge als auch
Diskussionen bzw. Podiumsdiskussionen dokumentieren, behandeln zentrale
Aspekte, die sich als Leitfragen durch den hier zu besprechenden Band
über den Zeitraum vom Herbst 1989 bis zum Herbst 1990 ziehen: die tiefe
Krise, die Staat und Gesellschaft der DDR am Ende der 1980er-Jahre
erfasst hatte, die Politisierung der Bürgerbewegung, die dann zu oppositionellen politischen Organisationen und Parteien führte, eine Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung einfordernde Volksbewegung, neue Formen der politischen Willensbildung am "Runden Tisch" und in der ersten frei gewählten Volkskammer sowie der Stellenwert der Friedlichen Revolution für die politische Kultur des vereinigten Deutschland."

Abschließend urteilt er zusammenfassend: "Nach den zahlreichen Publikationen, die nach 20 Jahren an die Herbstrevolution in der DDR 1989 erinnerten, kann der vorliegende Band durchaus als eine gelungene Bilanz der Forschung über diesen tiefen Einschnitt in die deutsche Geschichte gesehen werden. Die deutliche Heterogenität des Bandes kann auch als Vorteil bewertet werden: In sich schlüssige und aus den neu zugänglichen Quellen gearbeitete Studien stehen neben zeitgenössischen Sichten auf die vielschichtigen Aspekte der Revolution. Eine Zusammenschau gemäß den doch recht unterschiedlichen Deutungsmustern, vor allem der Zeitzeugen in den Podiumsdiskussionen, muss nicht zwingend von den Herausgebern geleistet werden, wäre allerdings in Anbetracht der zum Teil recht konträren Positionen hilfreich gewesen. Die Einführung von Gerhard A. Ritter gibt zwar einen informativen Überblick über den Inhalt der einzelnen Beiträge, kann aber eine Ein- und Zuordnung der verschiedenen historiografischen und zeitgenössischen Deutungsmuster nicht ersetzen.
Insgesamt trägt der Band zum tieferen Verständnis von gesellschaftlichen Umbrüchen bei, die zum Sturz von Diktaturen und zur Etablierung demokratisch-parlamentarischer Systeme führen."