Vom 13.-15. November 2024 fand die dritte Tagung der German Labour History Association (GLHA) im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund statt. Kooperationspartner*innen waren das Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt Dortmund, die FernUniversität in Hagen, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Hans-Böckler-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Fritz-Hüser-Gesellschaft und das Institut für soziale Bewegungen in Bochum.1
Intensiv diskutiert wurde während der gesamten Veranstaltung der anregende Titel der Tagung: «Drecksarbeit». Dabei ging es einerseits um die Doppeldeutigkeit des Begriffes (sowohl Arbeit mit Dreck, aber auch Arbeitsbedingungen, die dreckig sein können) und andererseits um die Frage, wer etwas als «Drecksarbeit» bezeichnen dürfe, also ob es sich dabei um Fremdzuschreibungen «von außen» oder Selbstbeschreibungen der eigenen Tätigkeit handle. So habe der Begriff einerseits das verbindende Potential, wieder mehr über Klasse zu sprechen – gleichzeitig bestehe die Gefahr der Abwertung und der Distinktion. Klar wurde: Als analytische Kategorie ist der Begriff «Drecksarbeit» nicht tauglich, als Aufhänger, um über ungerechte Arbeitsverteilung und Arbeitsbedingungen zu sprechen, umso mehr. Dabei ist es wichtig, die Subjekte mehr für sich selbst sprechen zu lassen und ihre Agency in den Vordergrund zu rücken.
Ruth Martini ist Promotionsstipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung im Kolleg Intersektionalitätsstudien der Universität Bayreuth. Sie forscht zu kollektiven Organisierungen von Sexarbeitenden.
Durch die Tagung führten Iuditha Balint (Dortmund), Mareen Heying (Bochum) und Vanessa Höving (Hagen)2. Zusätzlich moderierten Sibylle Marti (Bern), Anna Strommenger (Bielefeld), Knud Andresen (Hamburg), Stefan Müller (Bonn) und Klaus Weinhauer (Bielefeld) die insgesamt sieben Panels mit dreizehn Beiträgen. Das Programm wurde zudem durch die Podiumsdiskussion «Dirty work. Interdisziplinäre Perspektiven auf ‹Drecksarbeit›» bereichert. Außerdem wurden zwei Thomas-Welskopp-Dissertationspreise an Kornelia Rung und Philipp Krauer vergeben, die beide ihre Dissertationsprojekte vorstellten.3
Die gelungene Interdisziplinarität der Tagung wurde oft betont, denn durch das Zusammenkommen von Soziologie, Literatur- und Geschichtswissenschaft kam ein Dialog zustande, von dem alle Anwesenden profitieren konnten.
In den Diskussionen der Beiträge wurde ersichtlich, dass Positionierungen eine viel stärkere Rolle im Hinblick auf das Konstrukt «Drecksarbeit» spielen als Materialitäten und diese Positionierungen im Regelfall mit höheren Bildungsabschlüssen einhergehen. So haben eine Zahnärztin und eine Fußpflegerin beide mit Körperregionen zu tun, die schambesetzt sein können – dennoch unterscheidet sich ihr gesellschaftliches Ansehen enorm.
Interessanterweise gab es hauptsächlich Beiträge zu manuellen Arbeiten, Einreichungen zu virtuellen Tätigkeiten wie Content Moderation, bei der die Tätigen durch das permanente Sichten von Hassrede und gewaltvollen Bildern hohen emotionalen Belastungen ausgesetzt sind, fehlten. Studien zu diesen Arbeitsbereichen könnten kommende Tagungen mit einer ähnlichen Thematik bereichern.
Viel gelobt wurden die interessanten Beiträge, die fantastische Moderation und das gelungene Catering. Hervorzuheben war auch das fühlbare politische Engagement, denn in den einzelnen Beiträgen wurde die Forschung jeweils innerhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse verortet und politische Implikationen aus den Ergebnissen abgeleitet. Die Arbeitsatmosphäre war sehr anregend und die Diskussionen nach den einzelnen Beiträgen von ernsthaftem Interesse geprägt. Dazu zitiere ich einen Teilnehmer: «Eine der angenehmsten Tagungen, die ich bisher mitgemacht habe».
Zusammenfassend lässt sich sagen: «Drecksarbeit», im Sinne unliebsamer Tätigkeiten, wird es immer geben, unabhängig davon, wie Gesellschaft organisiert wird. Worauf es ankommt, ist jedoch ihre Verteilung. Wir müssen uns also damit auseinandersetzen, wie diese Tätigkeiten gerecht verteilt und auch entlohnt werden können – damit die zweite Bedeutung von Drecksarbeit, die auf «dreckige Arbeitsbedingungen» abzielt, nicht mehr greifen kann.
2 Bernd Hüttner (Rosa-Luxemburg-Stiftung), der die Tagung mit den drei genannten vorbereitet hatte, war kurzfristig verhindert.
3 Weitere Informationen zum Thomas-Welskopp-Dissertationspreis sind hier zu finden.