Kommentar | Parteien / Wahlanalysen - Sozialökologischer Umbau - Klimagerechtigkeit Der schräge Klimakampf des BSW

Sahra Wagenknecht will mit der AfD das Heizungsgesetz kippen – und das ist erst der Anfang

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Uwe Witt,

Sahra Wagenknecht und der BSW-Abgeordnete Klaus Ernst im Bundestag (21.2.2024). Ernst hat jetzt erstmals eine klimapolitische Programmatik des BSW skizziert. Foto: picture alliance/dpa | Serhat Kocak

Erst vor wenigen Tagen vermeldete  SPIEGEL-Online, Sahra Wagenknecht wolle im Bundestag mit einer Mehrheit noch schnell das verhasste Heizungsgesetz der Ampel abschaffen. Durch das Ende der Koalition stünde eine theoretische Mehrheit dafür zur Verfügung, die das BSW allerdings nur mit Union, FDP und AfD erreichen könnte. Auch wenn eine solche Konstellation aktuell wenig wahrscheinlich sein dürfte, deutet die Einbeziehung der AfD in das Kalkül Wagenknechts bereits an, wohin die Reise hier politisch geht. Jetzt wurden weitere Details klima- und energiepolitischer Positionen des BSW bekannt, die wohl das kommende Wahlprogramm prägen werden. Der Abgeordnete der BSW-Bundestagsgruppe Klaus Ernst sprach mit dem Bezahldienst Tagesspiegel Background Klima & Energie darüber.

Uwe Witt ist Volkswirt und Referent für Klimaschutz und Strukturwandel in der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Der größte Hammer zuerst: Das BSW will das deutsche Klimaschutzziel kippen. «Deutschland sollte sich hier nicht als Musterschüler aufspielen und ohne Rücksicht auf Verluste früher klimaneutral werden als alle anderen», so Ernst. Die Europäische Union, die USA und Japan würden 2050 anpeilen, und nicht 2045.

Was er dabei verschweigt: Innerhalb der EU ist de facto für Industrie, Elektrizitätswirtschaft, Gasversorger und Kraftstofflieferanten ohnehin Klimaneutralität bis spätestens 2045 festgeschrieben, und nicht für 2050. Der nach geltendem Recht über den Europäischen Emissionshandel vorgeschriebene Minderungspfad führt hier zwischen 2039 und 2044 zwingend zu Null-Emissionen. Ein Industriestaat wie Deutschland sollte sich darauf mit seinem nationalen Klimaschutzziel einstellen. Deutschland hat es bei den Treibhausgasminderungen ohnehin leichter als andere Staaten in Europa. Denn mit dem weitgehenden Zusammenbruch der emissionsintensiven ostdeutschen Industrie und Energiewirtschaft ist der Bundesrepublik hier ein Vorsprung in den Schoß gefallen, die fünf Jahre Unterschied beim Klimaschutzziel gleichen dies in etwa aus.

Als ehemalige Linke könnten sich Wagenknecht und Co. aber auch einfach fragen, ob es angesichts der immer verheerenderen Umweltkatastrophen weltweit zu viel oder zu wenig Klimaschutz gibt, wer darunter am meisten leidet, wer den Klimawandel verursacht und welche Rolle hier Deutschland spielen könnte.

Mythen über das Heizungsgesetz

Wagenknechts Killerplan gegen das Heizungsgesetz wiederum war keine Neuigkeit, ihn hatte sie explizit schon vor einen halben Jahr angekündigt und er wird nun wohl auch im Wahlprogramm platziert.

Das Heizungsgesetz »schützt nicht das Klima, sondern steht für die Übergriffigkeit des Staates, bis in den Heizkeller der Bürger hineinregieren zu wollen«, macht Sahra Wagenknecht aktuell in diesem Sinne die ganz große Bühne auf. Sie weiß natürlich, dass die gesetzlich festgeschriebene Klimaneutralität bis 2045 erfordert, dass neu eingebaute Heizungen nun weitgehend auf erneuerbaren Energien basieren müssen. Sie werden schließlich erfahrungsgemäß bis zu 20 Jahre in Betrieb sein. Und ihr ist selbstverständlich klar, dass das neue Gebäudeenergiegesetz genauso wie das Wärmeplanungsgesetz sogar deutlich mehr Ausnahmen und Übergangsvorschriften enthält als dem Klimaschutzziel zuträglich sind, und die Wärmepumpe längst nicht die einzige Erfüllungsoption für regenerative Heizungsanlagen darstellt.

Wagenknecht verbreitete zuvor die Mär der Gaslobby, dass Wärmpumpen nur «moderne, super gedämmten Einfamilienhäuser» sinnvoll beheizen könnten, die meisten «älteren Gebäude» aber nicht. Die rund um Heizungstausch und Wärmepumpe verbreiteten Polemiken und Falschbehauptungen haben wir bereits vor einem Jahr in einem Faktencheck auseinandergenommen.

Zurück zum billigen russischen Gas?

Der Kampf gegen eine ernsthafte Wärme- und Verkehrswende hin zu mehr Klimaschutz steht aber schon deutlich länger auf der Agenda von Wagenknecht & Co. Schon vor ihrer Abspaltung von der Linken-Bundestagsfraktion im November 2023 machte die Bündnis-Vorsitzende gemeinsam mit Klaus Ernst Front gegen Wärmepumpen in den Kellern und für Verbrennungsmotoren auf den Straßen. Selbst der Ausbau der Ökoenergien stand schon im Fadenkreuz: Die angeblich «Ideologie-getriebene» Energiewende sollte besser auf Speicher und «Fusionsreaktoren» warten.

Neuerdings lehnt das BSW auch den von der Ampelkoalition zum Jahr 2030 angestrebten Kohleausstieg rigoros ab, auch das soll ins Bundestagswahlprogramm. Die gesamte BSW-Führungsriege zieht dabei an einem Strang. Das gilt auch für Klaus Ernst‘s Forderung nach neuen Gaslieferungen vom Aggressor Russland nach Deutschland über die eine noch intakte Röhre von Nord-Stream 2. Davon verspricht sich das BSW eine billige und sichere Gasversorgung.

Dumm nur, dass der Fall Österreich gerade das Gegenteil beweist. Der Alpenstaat hatte bis jetzt als eines der letzten EU-Länder noch große Mengen Pipelinegas aus Russland bezogen. Weil der österreichische Versorger einen gerichtlich zugesprochenen Schadensersatz von Gazprom eintreiben wollte, drehte ihm der russische Staatskonzern am vergangenen Wochenende den Gashahn zu. Vorbei war es mit der Versorgungssicherheit. Und was ist mit den niedrigen Preisen? Das Land verzeichnete in der Gaskrise 2022 einen der höchsten Preisanstiege in Europa, der sich noch dazu hartnäckig hält.

Die schrägen klimapolitischen Attacken des BSW folgen dem bekannten populistischen Muster, mittels polemisch angeheizter Halbwahrheiten und Fake-News Ressentiments zu schüren. In einer immer komplexeren Welt der Multikrisen will das BSW das Erregungslevel unzufriedener Bevölkerungsteile weiter hochjazzen. Wichtigstes Ziel ist die Verächtlichmachung von Regierung und Institutionen selbst dort, wo ihr Handeln im Kern unterstützenswert ist, wie etwa beim Klimaschutz. Mit dieser Strategie sitzt das BSW in einem Boot mit der AfD, auch wenn Wagenknecht nicht den Klimawandel leugnet.

Verkehrspolitik gegen die Beschäftigten

Selbstverständlich ist es nicht nur Tradition, sondern genuine Aufgabe der Opposition, Regierungsarbeit kritisch und zugespitzt zu zerpflücken. Die krasse soziale Schieflage vieler Entscheidungen oder Unterlassungen der Ampel fordert das für die parlamentarische Linke geradezu heraus. Dass das BSW längst nicht mehr zu ihr gehört, zeigt sich nicht nur beim Heizungsgesetz, sondern auch beim Kampf des BSW gegen einen Verbotstermin für den klimaschädlichen Verbrennungsmotor.

Hier stellt Wagenknecht die an sich richtige Forderung auf, endlich Bus und Bahnen stärker auszubauen und deutlich billiger zu machen. Bei durchschnittlich zehn bis zwölf Jahren Betriebszeit eines Pkws käme ein Verbrenner-Aus für neue Pkw ab dem Jahr 2035 allerdings keinen Tag zu früh für die vorgeschriebene CO2-freie Mobilität 2045. Bei diesem Kampf geht es dem BSW wohl eher darum, den klassischen deutschen Autofahrer zur Wahlurne zu locken, als Industriearbeitsplätze zu sichern oder gar das Klima besser zu schützen, wie es das Bündnis vorgibt. Denn verbrauchsarme konventionelle Pkws, die Wagenknecht als Alternative zur E-Mobilität fordert, würden immer noch Treibhausgase, Schadstoffe und Lärm emittieren, im Übrigen hätte die Autoindustrie sie längst produziert, wenn das profitabel wäre. Klimaneutrale E-Fuels als Alternative im Tank, wie sie immer wieder von Klaus Ernst vorgeschlagen werden, benötigen zu ihrer Herstellung je gefahrenen Kilometer fünf Mal mehr Ökostrom als vergleichbare Batterie-gestützte Fahrzeuge – Bullshit also.

Es ist der verpasste rechtzeitige Umstieg der deutschen Hersteller auf E-Fahrzeuge und auf Produktionslinien für alternative Verkehrsträger, der nun tausende Arbeitsplätze kosten dürfte. Progressive Kräfte in der IG Metall fordern darum schon seit Jahren Technologiesicherheit in Form eines klaren Ausstiegstermins für den klimaschädlichen Verbrennungsmotor. Das ist exakt das Gegenteil jener «Technologieoffenheit», wie sie neben der FDP auch Wagenknecht und Porschefahrer Klaus Ernst propagieren. Mit seinem reaktionären Kulturkampf schadet das BSW genau den gesellschaftlichen Gruppen, die es zu vertreten vorgibt.