Die diesjährige UN-Klimakonferenz in Baku, Aserbaidschan, stand schon vor ihrem Beginn unter keinem guten Stern. Der politische Rechtsruck bei den Wahlen in Europa und den USA kündigte schwere Zeiten an für diejenigen, die auf der 29. Konferenz der Vertragsparteien (Conference of Parties, COP) der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) für fortschrittliche Ergebnisse kämpften. US-Präsident Joe Biden, Chinas Xi Jinping, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, Deutschlands Olaf Scholz, Brasiliens Lula da Silva und Indiens Narendra Modi – sie alle gehörten zu denen, die sich in Baku gar nicht erst blicken ließen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Doch das Drama, das folgte, machte diesen glanzlosen Auftakt der Klimaverhandlungen mehr als wett.
David Williams ist Leiter des Programms für Internationale Klimagerechtigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York.
Tetet Lauron lebt auf den Philippinen und arbeitet als Beraterin für das New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Katja Voigt ist Referentin für Internationale Klimapolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Kurz nach Beginn der Verhandlungen wurde die argentinische Delegation von ihrer Regierung zurückgezogen, und ein diplomatischer Streit zwischen Aserbaidschan und Frankreich führte dazu, dass auch Frankreich entschied, die Konferenz zu boykottieren. Ein halbwegs diplomatischer und vorausschauender Umgang des Gastgebers mit seiner Rolle hätte diesen schwierigen Start kompensieren können. Doch der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew bezeichnete in seiner Eröffnungsrede Öl und Gas als «Geschenk Gottes», beschimpfte westliche Medien und Klimaaktivist*innen, weil sie die Förderung fossiler Brennstoffe in Aserbaidschan kritisierten, und warf ihnen Heuchelei vor.
Das Gastgeberland der diesjährigen Konferenz stand wegen seiner Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten sowie wegen seiner Angriffe auf die Zivilgesellschaft schon im Vorfeld der Verhandlungen in der Kritik. Klimaaktivist*innen, die nach Aserbaidschan gereist waren, durften in Baku nicht öffentlich demonstrieren und mussten auf der COP29 strenge Auflagen befolgen. Diese Beschränkungen galten auch für Versuche, auf die Verwicklung der aserbaidschanischen Regierung in den sich entwickelnden Völkermord in Palästina hinzuweisen. Während die USA und Deutschland die Hauptlieferanten von Waffen an Israel sind, ist die aserbaidschanische Regierung der Hauptlieferant von Treibstoff.
Kein Akt der Nächstenliebe
Während die Regierungen des Globalen Nordens kein Problem damit haben, Milliarden an öffentlichen Geldern für die Unterstützung von Kriegen aufzutreiben, gilt das nicht für die Bekämpfung der Klimakrise. Das UNFCCC und das Pariser Abkommen legen eindeutig fest, dass die Industrieländer den Entwicklungsländern Klimafinanzierung bereitstellen sollen. Denn die Industrieländer tragen im Vergleich zu den Ländern des Globalen Südens eine weitaus größere Verantwortung für die Ursachen der Klimakrise, sowohl was die historischen als auch die derzeitigen Emissionen angeht. Klimafinanzierung ist daher keineswegs eine Form von Wohltätigkeit (wie es viele westliche Medien darstellten), sondern eine auf Gerechtigkeit und Menschenrechten basierende Verpflichtung, für die Schäden, die der Globale Norden dem Globalen Süden zufügt, aufzukommen.
Daher wird im Pariser Abkommen ausdrücklich benannt, dass die Industrieländer die Finanzierung stellen sollen – und zwar sowohl für Klimaschutzmaßnahmen, um die globale Erwärmung, wie in Paris beschlossen, auf 1,5 Grad begrenzen zu können (z.B. durch Mittel für den Bau von Windparks, Solaranlagen, Elektrofahrzeugen usw.), als auch für Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels (z.B. durch Frühwarnsysteme, Küstenschutz, Wiederaufbau der Infrastruktur nach Stürmen usw.). Nach dem Scheitern des letzten Klimafinanzierungsziels, das 2009 auf der COP15 in Kopenhagen vereinbart, aber erst 2022 erreicht wurde – wie zumindest die Industrieländer behaupten – , sollten dieselben Fehler bei der Festlegung eines neuen Klimafinanzierungsziels, des New Collective Quantified Goal on Climate Finance (NCQG) auf der COP29 in Baku nicht noch einmal passieren.
Streit um die Klimafinanzierung
Im Vorfeld der COP29 hatten zivilgesellschaftliche Gruppen klar ihre Forderung nach 5 Billionen US-Dollar pro Jahr formuliert, ein Betrag, der nach Angaben der Vereinten Nationen dem entspricht, was in den betroffenen Ländern benötigt wird. Zu Beginn der Verhandlungen nannten die Entwicklungsländer die Summe von 1,3 Billionen US-Dollar pro Jahr, was bereits der Versuch eines Kompromisses war. Die Verhandlungsführer*innen der Industrieländer weigerten sich jedoch beharrlich, einen konkreten Vorschlag von ihrer Seite zu unterbreiten, ohne zuvor eine lange Reihe von Details diskutieren zu wollen. Leider wurden in der ersten Verhandlungsphase nur sehr langsam Fortschritte bei diesen Details erzielt. Zudem forderten die Industrieländer, dass auch die Schwellenländer (wie China, Singapur, Saudi-Arabien usw., die nach dem System der Vereinten Nationen nicht als Industrieländer gelten) einen Beitrag zur Klimafinanzierung leisten sollten, obwohl dies im Pariser Abkommen nicht so vereinbart worden war.
Ein weiterer Streitpunkt war die Frage, ob die Gruppe der kleinen Inselstaaten (Small Island States) und die der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries) aufgrund ihrer besonderen Situation vorrangig Zugang zu den Finanzmitteln haben sollten. Zur Debatte stand auch, ob die Finanzierung von Loss & Damage – klimabedingten Schäden und Verlusten – als Unterziel in die Vereinbarung aufgenommen werden sollte. Ergebnis all dieser Diskussionen sollte am Ende ein Gesamtbetrag in einer mehrschichtigen Struktur sein: In seinem Zentrum sollte ein Kern aus öffentlichen Zuschüssen und Darlehen zu günstigen Konditionen stehen, ergänzt um ein breiteres Finanzierungsziel, das durch eine Palette marktbasierter Finanzinstrumente zusammenkommt.
Als Diego Pacheco, Mitglied der bolivianischen Delegation, auf einer Pressekonferenz gefragt wurde, ob eine Kernfinanzierung an öffentlichen Mitteln von 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr akzeptabel sei, antwortete er: «Soll das ein Witz sein?». Es war also klar, was es bedeutete, als die Unterhändler*innen der Industrieländer ihren ersten Vorschlag von 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr machten – noch dazu in einer Form, die nicht garantierte, dass die Mittel als schuldenfreie Zuschüsse und Kredite zu Vorzugsbedingungen bereitgestellt würde, stattdessen sollten die Gelder aus einer «Vielzahl von öffentlichen und privaten Quellen» stammen. Die 1,3 Billionen US-Dollar, die die Entwicklungsländer als Summe genannt hatten, wurden in dem Textvorschlag dabei zwar als Bedarf anerkannt, das Geld sollten aber von «allen Akteuren» gemeinsam aufgebracht werden. Dies bedeutete im Wesentlichen, dass nicht nur die Industrieländer das Geld bereitstellen sollten, sondern auch die Entwicklungsländer selbst.
In den letzten Stunden der bereits verlängerten Verhandlungen kam es in den Verhandlungssälen der COP29 zu einem hektischen Hin und Her – mit Rufen, Walk-outs, Protesten und einem Offenen Brief aus der Zivilgesellschaft, der die Entwicklungsländer dazu aufrief, die «rote Linie zu halten», und die Industrieländer aufforderte, «für die Klimafinanzierung zu zahlen». Die einzige Änderung in dem schließlich vereinbarten Text war jedoch eine Erhöhung des ursprünglichen Vorschlags von 250 Milliarden auf 300 Milliarden US-Dollar bis 2035. Zum Entsetzen vieler blieben die Passagen, die darauf hinweisen, dass diese Mittel sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Quellen stammen können, im Text erhalten.
Türöffner für ungerechte Kohlenstoffmärkte
Trost lässt sich auch in den anderen Bereichen der Abschlusstexte nicht finden. Die Formulierung der Vereinbarung zur «Abkehr von fossilen Brennstoffen», die auf der letzten COP28 in Dubai erstmals genannt wurden, wurden nach schwierigen Verhandlungen stark verwässert. Auch über das Just Transition Work Programme (Arbeitsprogramm für einen gerechten Übergang) wurde am Ende nicht entschieden, so dass das Thema nun auf die COP30 verschoben ist – ein weiterer Rückschlag für Arbeit*innen und lokale Gemeinschaften, der extraktive Profite über die Menschen und den Planeten stellt. Artikel 6 des Pariser Abkommens – bei dem es um Kohlenstoffmärkte geht – zeigte noch einmal deutlich, wie ungerecht die Verhandlungen in diesem Jahr abliefen. Gleich am ersten Tag der COP29 versuchte die Präsidentschaft, die Verabschiedung von Beschlüssen zu Artikel 6.4, bei dem es um Standards und Methoden für einen globalen Kohlenstoffmarkt geht, während der Eröffnungsplenarsitzung durchzuboxen. Das ist nicht nur höchst undemokratisch, sondern auch sehr unüblich und bricht mit jeglichen bisher üblichen Verhandlungsabläufen innerhalb der UN.
Im Ergebnis der Verhandlungen um Art. 6.2 und 6.4, also dem Rahmen für den künftigen Handel mit Emissionsrechten und Ausgleichsmaßnahmen, fehlen umfangreiche soziale und ökologische Schutzmaßnahmen, und der geplante Handel wird kaum zu einem Rückgang der Emissionen führen. Stattdessen öffnet er den Problemen des früheren Mechanismus des Kyoto-Protokolls – dem Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) – Tor und Tür, der an vielen Orten zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung führte. Es liegt nun in den Händen des Gremiums, das weitere Details von Art. 6 ausarbeiten wird, einen Entwurf für gerechtere Regeln für die nächsten Verhandlungen in Brasilien zu erstellen.
Was auf der COP29 geschah, lässt sich nur schwer anders einordnen als eine völlige Absage an jede Form von Verpflichtung und Verantwortung. Angesichts der sich abzeichnenden politischen Veränderungen war die COP29 eine verpasste Gelegenheit für den Globalen Norden, sich an internationales Recht zu halten und den Schaden wiedergutzumachen, der dem Globalen Süden durch Kolonialismus und Extraktivismus entstanden ist. Entwicklungsländer, betroffene Gemeinschaften und Aktivist*innen innerhalb und außerhalb der Verhandlungen wurden in Baku übergangen und betrogen. Die Wut darüber wird noch in Belém in Brasilien spürbar sein, wo der Kampf für Klimagerechtigkeit weitergeht.