Hintergrund | Erinnerungspolitik / Antifaschismus - Rosalux International - Krieg / Frieden - Südosteuropa Die Schlacht um Athen

Ein von der griechischen KP angeführter Aufstand im Dezember 1944 kämpfte nicht nur für ein Ende der Besatzung, sondern auch für grundlegende gesellschaftliche Umwälzungen.

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Zwei Soldaten spähen um eine Ecke während der Dekemvriana-Straßenkämpfe in Athen, Dezember 1944.
Zwei Soldaten spähen um eine Ecke während der Dekemvriana-Straßenkämpfe in Athen, Dezember 1944. Foto: IMAGO / Pond5 Images

Warum sollten wir uns für eine Schlacht interessieren, die vor 80 Jahren, im Dezember 1944, in Athen stattfand? Die Dekemvriana (Dezemberereignisse), bei denen britische Truppen und griechische Regierungssoldaten gegen kommunistische griechische Widerstandstruppen kämpften, sind zwar ein bedeutendes historisches Ereignis des Zweiten Weltkriegs, außerhalb Griechenlands allerdings weitgehend unbekannt.[1]

Menelaos Charalampidis hat mehrere Bücher zur deutschen Besatzung Griechenlands und zum Griechischen Bürgerkrieg veröffentlicht. Er ist außerdem Gründungsmitglied des Forums für Sozialgeschichte.

Tatsächlich handelt es sich dabei um die einzige militärische Auseinandersetzung, bei der sich alliierte Streitkräfte schließlich gegenseitig bekämpften, und um die erste militärische Intervention einer alliierten Armee in einem befreiten Land. Obgleich sie zeitlich in den Kontext des noch nicht beendeten Zweiten Weltkriegs fällt, lenkt sie politisch den Blick bereits auf den bevorstehenden Kalten Krieg. Und nicht zuletzt waren die Dekemvriana ein Volksaufstand mit eindeutigem Klassencharakter: Die Mehrheit der Bürger*innen, die zur Waffe griffen, stammte aus den Armenvierteln von Athen und Piräus. Sie kämpften nicht nur gegen eine gut organisierte, modern ausgestattete und einer kolonialen Logik folgenden Alliiertenarmee, sondern auch gegen die konservativen griechischen Kräfte, die diese unterstützten. Auch wenn es den Aufständischen an Waffen mangelte und ihre Organisation Lücken aufwies, waren sie doch von der festen Überzeugung getragen, dass in ihrem Kampf für ein demokratisches Nachkriegsgriechenland die Gerechtigkeit auf ihrer Seite stehe.

Die Dekemvriana sind ein gutes Beispiel dafür, wie eine tiefe Krise – in diesem Fall der verheerende Krieg und die militärische Besetzung Griechenlands – innerhalb kürzester Zeit bestehende politische Strukturen auf nationaler und internationaler Ebene beiseite räumen, umgestalten oder sogar vollständig beseitigen kann.[2] Der Konflikt verdeutlicht zudem die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Großmächten und peripheren Staaten, die in einer solchen Krisensituation in ihrem gesamten Ausmaß zutage treten. Im Bestreben, die Kontrolle über das Land wiederzuerlangen, haben die griechische Exilregierung und der König maßgebliche Eingriffe britischer politischer und militärischer Kräfte in innere griechische Angelegenheiten in Kauf genommen oder sogar aktiv gefördert. Letztendlich bedeuteten die Dekemvriana einen gravierenden Einschnitt in die nationale Unabhängigkeit Griechenlands, und die Schlacht um Athen zeigt, dass die Nachkriegszeit – lange bevor Feldmarschall Wilhelm Keitel am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation Nazideutschlands unterzeichnete – bereits begonnen hatte.

Der Überfall der Achsenmächte

Griechenland trat am 28. Oktober 1940 in den Zweiten Weltkrieg ein, als das faschistische Italien von Albanien aus in das Land einfiel. In erbitterten und heldenhaften Kämpfen gelang es der griechischen Armee, den Angriff abzuwehren und die Invasoren über die Grenze zurückzudrängen. Es war die erste Niederlage der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg.

Der italienische Misserfolg zwang Nazi-Deutschland zum Angriff auf Griechenland. Nachdem die Wehrmacht am 6. April 1941 in das Land eingefallen war, sah sich Griechenland gezwungen, Italien und Deutschland gleichzeitig abzuwehren. Im März 1941 rückten Truppen der Alliierten in das Land ein, um die griechische Bevölkerung bei ihrer Verteidigung zu unterstützen. Aber die 60.000 australischen, neuseeländischen, britischen, zypriotischen, palästinensischen und jüdischen Soldaten konnten den deutschen Vormarsch nicht aufhalten.

Die griechische Krone und die Regierung beschlossen Ende April, Athen zu verlassen, um einer Festnahme durch die Wehrmacht zu entgehen. Die griechische Exilregierung ließ sich in London nieder, während die verbliebenen Truppen und das Kriegsministerium nach Kairo verlegt wurden. Die Operationen zur Besetzung Griechenlands währten noch weitere zwei Monate und endeten am 30. Mai 1941 mit dem deutschen Sieg in der Schlacht von Kreta. Griechenland war nun von Deutschland, Italien und Bulgarien okkupiert und wurde in drei Besatzungszonen aufgeteilt.

Zum Zeitpunkt der Befreiung deutete alles darauf hin, dass die EAM die Oberhand gewinnen würde.

In der Folge zerrütteten nicht nur die beispiellose Plünderung der griechischen Wirtschaft – insbesondere durch die deutschen Besatzungsbehörden – und die Terrorisierung durch Wehrmacht und SS den Zusammenhalt der griechischen Bevölkerung, sondern auch die Kollaboration griechischer Politiker*innen, Militärs und Geschäftsleute. Schon in den ersten Tagen der Besatzung zeichnete sich eine Kluft ab zwischen denen, die die Notlage zu ihrem Vorteil nutzten, und jenen, die unter ihr litten.

Diese Kluft vertiefte sich mit dem Ausbruch einer verheerenden Hungersnot im Winter 1941/42, die als die schlimmste des Zweiten Weltkriegs in Europa gilt. Allein in Athen und Piräus forderte die Hungersnot mindestens 45.000 Tote, insgesamt starben etwa 250.000 Menschen in einem Land mit 7,3 Millionen Einwohner*innen. Ein Großteil der Opfer stammte aus den besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen der städtischen Zentren. Bei ihnen handelte es sich hauptsächlich um Geflüchtete (etwa 20 Prozent der Bevölkerung), die nach der Niederlage der griechischen Armee im griechisch-türkischen Krieg (1919–1922) aus Kleinasien und Ostthrakien ins Land gekommen waren. 1941 lebten sie noch immer unter erbärmlichen Bedingungen in den Ghettos am Rand von Athen und Piräus. Aber auch die Mittelschicht war von der Hungersnot betroffen, denn ihr Einkommen wurde durch galoppierende Inflation und den wirtschaftlichen Zusammenbruch stark entwertet.

Vom Widerstand zur Befreiung

Als die Hungersnot dann im Sommer 1942 nachließ, spielten diese Bevölkerungsgruppen eine zentrale Rolle bei der Entstehung der griechischen Widerstandsbewegung. In großer Zahl traten sie in die verschiedenen Widerstandsorganisationen ein, wobei insbesondere die Nationale Befreiungsfront (EAM) viel Zulauf erhielt, die auf Initiative der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) gegründet worden war.[3] Jene, die mit der deutschen Besatzungsmacht kollaborierten, formten wiederum ihre eigene Front, die sich gegen den Zusammenschluss von EAM und KKE stellte. Sie wollten eine Machtergreifung der Befreiungsfront bei Kriegsende verhindern und damit nicht zuletzt auch die eigenen Gewinne sichern, die sie durch ihre Kollaboration mit der Besatzungsmacht anhäufen konnten.

Die griechische Widerstandsbewegung war von großer politischer Bedeutung und Zugkraft. Dass die EAM darin die größte Organisation darstellte, spiegelt die Radikalisierung großer Teile der griechischen Gesellschaft wider, die aufgrund der extremen Härten des Alltags unter der Besatzung in den Widerstand traten. Durch ihre Mitgliedschaft in der EAM befanden sich nun Geflüchtete aus Kleinasien, Frauen und Jugendliche, die sich bis dahin an den Rändern der griechischen Politik bewegt hatten, in der vordersten Reihe der politischen Aktion. Als Griechenland im Oktober 1944 befreit wurde, gab es drei unterschiedliche politische Kräfte, die bei der Gestaltung der Zukunft Griechenlands eine Rolle spielen würden: die EAM, die provisorische Anti-EAM-Allianz zwischen liberalen und monarchistischen Kräften und schließlich die britische Regierung.

Zum Zeitpunkt der Befreiung deutete alles darauf hin, dass die EAM die Oberhand gewinnen würde. Die Griechische Volksbefreiungsarmee (ELAS), die Partisanenarmee der EAM, hatte den Großteil des Landes unter ihre Kontrolle gebracht, und auch der politische Flügel der EAM und die Parteiorganisationen der KKE erlebten einen Aufschwung. Das Vertrauen, das man der griechischen Linken für ihren heldenhaften Widerstandskampf entgegenbrachte, ließ ihren Einfluss auf die nationale Politik auf ein nie dagewesenes Ausmaß anwachsen. Aber auch die schiere Macht ihrer Streitkräfte übersetzte sich in politischen Einfluss. In der neuen, von Besatzung und Widerstandskampf geprägten Gemengelage stand die EAM für die weit verbreitete Forderung, dass das Kriegsende auch einen politischen Wandel mit sich bringen müsse. Die EAM hatte sich zum Ziel gesetzt, die Monarchie abzuschaffen, und stellte sich gegen die Rückkehr des politischen Establishments der Vorkriegszeit, das sich als unfähig oder gar unwillig erwiesen hatte, die Errichtung der Diktatur durch General Ioannis Metaxas und den König (1936–1941) zu verhindern. Die EAM zog Reformen einer Revolution vor und war zu der Einsicht gelangt, dass sie die Macht ohne den Einsatz revolutionärer Gewalt übernehmen könne, und zwar auf dem bürgerlich-parlamentarischen Weg. Sie forderte ein unparteiisches Referendum zur Frage der Abschaffung der Monarchie und Wahlen zur Bildung eines neuen Parlaments.

Zwei Fronten gegen die EAM

Die politischen Opponenten der EAM standen geschwächt da. Während der Besatzung hatten sich zwei unterschiedliche Anti-EAM-Fronten um zwei gleichwertige Machtsäulen gebildet: Die «interne» um die Kollaborationsregierung von Ioannis Rallis mit der Unterstützung der deutschen Besatzungsautoritäten und die «externe» um die griechische Exilregierung, die die Unterstützung der britischen Regierung genoss. Die Anti-EAM-Front der Rallis-Verwaltung wurde von den meisten Griech*innen für ihre Zusammenarbeit mit den Deutschen klar abgelehnt. Aber auch die «externe» Anti-EAM-Front verfügte über kein stabiles Fundament. Ihr Ansehen war stark in Mitleidenschaft gezogen: Weder der König noch die Politiker der Exilregierung hatten einen nennenswerten Beitrag zum Widerstandskampf geleistet. Stattdessen verstrickten sie sich in kleinliche Parteistreitigkeiten, mit denen sie sich einen Platz in der Nachkriegsregierung sichern wollten. Da der König darüber hinaus auch noch die Hauptverantwortung für die Errichtung der griechischen Diktatur im Jahr 1936 trug, wäre der große Verlierer eines reibungslosen politischen Prozesses in der Nachkriegszeit wohl der monarchistische Block gewesen.

Die sonnigen Morgenstunden am 3. Dezember, einem Samstag, ließen nichts von den sich anbahnenden Ereignissen erahnen.

Die britische Regierung wiederum befürwortete die Rückkehr des Königs auf den griechischen Thron. Als wichtigster Wahrer britischer Interessen in Griechenland stand er für eine wohlgesinnte – also nicht zur EAM gehörende und nicht kommunistische – griechische Regierung. Großbritannien war sehr daran gelegen, die Kontrolle über die Meeresrouten im südöstlichen Mittelmeer zu sichern, über die es mit seinen indischen Kolonien kommunizierte, und wollte Griechenland als Barriere gegen eine sowjetische Präsenz im Mittelmeer etablieren. Darüber hinaus waren mehrere große britische Unternehmen insbesondere im griechischen Energie-, Transport- und Bausektor aktiv und britische Banken hielten eine beträchtliche Anzahl an griechischen Staatsanleihen in ihren Portfolios. Die griechische Regierung hatte 1932 infolge der weltweiten Finanzkrise von 1929 Konkurs angemeldet. Eine EAM-Regierung würde die Gewinne und Interessen der britischen Unternehmen stark beeinträchtigen.

Als im September 1941 Alliierte und Exilregierungen die Atlantik-Charta unterzeichneten, setzten sie damit auch die Eckpfeiler für ihre Nachkriegspolitik. Ausdrücklich versprach man, das Recht aller Völker zu respektieren, ihre Regierungsform selber zu wählen. Mit Fortschreiten des Krieges wurde diese Verpflichtung allerdings zunehmend ausgehöhlt. Schon 1943 zeichnete sich ab, dass derlei demokratische Bekenntnisse in den politischen Entwicklungen der Nachkriegszeit eine untergeordnete Rolle spielen und stattdessen die Interessen der Alliierten im Kontext einer Neuordnung der globalen Machtverhältnisse entscheidend sein würden.

Die Aufteilung Europas in unterschiedliche Einflusssphären stellte den ersten Akt des sich anbahnenden Kalten Kriegs dar. Auf ihrem Vormarsch nach Berlin befreite die Rote Armee die Länder Osteuropas, die somit unter sowjetischen Einfluss fielen. Die Befreiung der westeuropäischen Länder durch amerikanische und britische Truppen brachte diese unter den Einfluss der Westalliierten. Griechenland war das einzige Balkanland, das mit der Zustimmung der Sowjetunion Teil der britischen Einflusssphäre wurde. Die Sowjetunion und Großbritannien hatten bereits im Frühling 1944 mit der Festlegung der Einflusssphären begonnen. Besiegelt wurden sie am 9. Oktober 1944, als Winston Churchill Moskau besuchte und gemeinsam mit Joseph Stalin das berühmte «Prozentabkommen» beschloss, das Griechenland zum Teil der britischen Einflusssphäre machte.

Britische Eingriffe in die politische Entwicklung Griechenlands

Im September 1944 wurde eine Allparteienregierung gebildet, in der Parteien aus dem gesamten politischen Spektrum vertreten waren, darunter erstmalig auch Kommunist*innen. Die EAM erhielt sechs Ministerien, und der zentristische Politiker Georgios Papandreou wurde zum Ministerpräsidenten ernannt. Am 18. Oktober 1944 kehrte die Regierung wieder nach Athen zurück. Als Übergangsregierung sollte sie die Transition vom besetzten zum Nachkriegsgriechenland umsetzen.

Die Regierung sah sich mit massiven Problemen konfrontiert. Der Krieg und die Plünderungen der Besatzungsarmee hatten das Land vollkommen verwüstet. An erster Stelle galt es nun, die Wirtschaft wiederaufzubauen, Kollaborateur*innen zur Rechenschaft zu ziehen und eine neue Nationalarmee aufzustellen. Die ersten Herausforderungen ergaben sich bei der Zusammensetzung der neuen Armee: Zu welchen Anteilen sollten EAM und EAM-Gegner*innen darin vertreten sein?

An diesem Punkt – die Verhandlungen waren noch nicht gescheitert – griff Großbritannien zum ersten Mal ein. Am 1. Dezember 1944 erließ General Ronald Scobie[4] ein Dekret, in dem er die Entwaffnung der Partisanenarmee der ELAS und der (ebenfalls aus dem Widerstand kommenden) Nationalrepublikanischen Griechischen Liga (EDES) anordnete. Die EAM konnte die Entwaffnung der ELAS, die zu diesem Zeitpunkt fast ganz Griechenland kontrollierte, ohne klare Garantien für eine gleichberechtigte Beteiligung in der neuen Nationalarmee unmöglich annehmen. Bereits am nächsten Tag traten die sechs EAM-Minister aus Protest zurück, und die Partei kündigte für den 3. Dezember eine Kundgebung auf dem Syntagma-Platz und einen Generalstreik an.

Die sonnigen Morgenstunden am 3. Dezember, einem Samstag, ließen nichts von den sich anbahnenden Ereignissen erahnen: Als der erste Block der Demonstration den Platz betrat, eröffnete die Polizei das Feuer und tötete 13 Demonstrant*innen und verletzte 60. Heutzutage ist bekannt, dass es Polizeichef Angelos Evert war, der den Befehl erteilte, auf die unbewaffnete Menge zu schießen. Weiterhin unklar bleibt jedoch, wer ihm diese Anweisung gegeben hatte. Viele vermuteten dahinter die griechischen Monarchist*innen, die als einzige von einer Unterbrechung der politischen Verhandlungen profitierten. Die EAM beschloss, nicht mit Waffengewalt zu antworten.

EAM-Anhänger*innen versammeln sich in Trauer um 23 Opfer, die während des Dekemvriana-Aufstandes in Athen erschossen wurden, 4.12.1944. Foto: IMAGO / Pond5 Images

Auch nach dem Massaker auf dem Syntagma-Platz bemühten sich die Gesandten der britischen Regierung in Athen, der griechische Ministerpräsident und die Führung der EAM um eine politische Lösung. Man einigte sich auf den Rücktritt Papandreous, an dessen Stelle der zentristische Politiker Themistoklis Sofoulis treten sollte. Am 4. Dezember reichte Papandreou seinen Rücktritt ein, Sofoulis nahm das Amt des Ministerpräsidenten an, die EAM und auch die britischen Vertreter*innen, die den Weg zu dieser Lösung geebnet hatten, stimmten zu.

Dem widersetzte sich allerdings Winston Churchill. Das Ausmaß der britischen Einmischung zeigt sich in den beispiellosen und absurden Ereignissen dieses Tages: Der griechische Ministerpräsident erklärte seinen Rücktritt, der vom britischen Premierminister jedoch nicht angenommen wurde, und so blieb Papandreou auf seinem Posten. Mit diesem zweiten maßgeblichen Eingriff verhinderte Churchill endgültig die Möglichkeit einer politischen Einigung. Ab nun würde die Situation mit Waffengewalt geklärt werden.

Kampf um jede Straße: Athen als Schlachtfeld

Die Dekemvriana machten Athen zum Schlachtfeld. Die militärischen Auseinandersetzungen begannen am 4. Dezember 1944 und endeten am 11. Januar 1945. Sie lassen sich in zwei Phasen aufteilen: Während der ersten Phase, die bis zum 17. Dezember andauerte, hatte die ELAS die Oberhand und hielt die wenigen britischen Truppen in der Defensive. In der zweiten Phase, nach dem 17. Dezember, ermöglichte das Eintreffen von Verstärkungen es den Briten, in die Offensive zu gehen.

Das erste große Gefecht begann am 6. Dezember, als die ELAS die Kasernen der griechischen königlichen Gendarmerie im Makrigianni-Viertel am Fuß der Akropolis angriff. Etwa 1.200 junge Männer und Frauen aus den Flüchtlingsvierteln durchquerten die Ruinen des Zeus-Tempels und die Gassen der Altstadt Plaka, um die 550 Gendarmen zu bekämpfen, die sich in der Kaserne verbarrikadiert hatten. Die britische Luftwaffe griff jedoch im entscheidenden Moment ein, als die Verteidigung der Gendarmerie zu bröckeln begann, und verhinderte eine Einnahme der Kaserne durch die ELAS.

In den Tagen darauf mussten die Bewohner*innen der Stadt mit Schrecken beobachten, wie Mörser- und Artilleriegeschosse ihre Häuser zerstörten, britische Tanks an ihren Fenstern vorbeifuhren und bärtige ELAS-Partisanen Türen und Fenster einschlugen, um in Häusern und Fabriken Deckung zu suchen. Britische Flieger zerbombten ganze Stadtteile, und Scharfschütz*innen schossen von Hausdächern und Glockentürmen. Es war die größte Schlacht, die Athen je gesehen hatte.

Die erste Operation der ELAS gegen ein britisches Ziel fand am 13. Dezember im wohlhabenden Kolonaki-Viertel statt. Partisan*innen schlugen eine Bresche in die Außenmauer des Lagers, in dem die wichtigste britische Einheit stationiert war, drangen dort ein und lieferten sich einen erbitterten Nahkampf mit den britischen Soldaten. Diese waren völlig überrumpelt. Die Dunkelheit der Nacht und die durch eine riesige Explosion in den Treibstofftanks ausgelöste Panik machten jede Koordination unmöglich. Der britische Unteroffizier Rehill sah eine ELAS-Kämpferin mit einer Granate in der Hand den Hang des Lykabettus-Hügels hinunterrennen: «Sie muss getroffen worden sein, denn sie fiel auf den Rücken und blieb kurz mit wächsernem Gesicht und starrer Miene liegen, bevor die Granate in ihrer Hand explodierte. […] Die blutgetränkten Kleider lagen in einem unförmigen Knäuel da.»[5] Unmittelbar darauf ging ein britischer Lastwagen in Flammen auf, und die Munition, die er geladen hatte, explodierte. Gefreiter White lief die Straße hinunter, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Als er zurückkam, sagte er zu Rehill: «Da ist ein armer Kerl mit einem abgetrennten Arm – die werden hier fertig gemacht!»[6] Mit Anbruch des Morgengrauens zog sich die ELAS zurück. Sie nahm 108 Gefangene und hinterließ 48 verletzte und 20 tote Briten.

Der britische Angriff verursachte ein wahrhaftiges Massaker. An nur einem Tag starben 290 Menschen, die meisten davon Zivilist*innen, die in den Bombardements ums Leben kamen.

Einer der Gründe, warum die ELAS die Notlage der britischen Truppen während der ersten Phase der Dekemvriana nicht ausnutzte, war die völlige Abhängigkeit Griechenlands von externer humanitärer und finanzieller Hilfe. Die EAM war nicht in der Lage, die Kriegsschäden im Transportwesen und in Produktionsstätten selbstständig zu beheben. Die politische Führung war sich darüber im Klaren, dass das Überleben der unterernährten griechischen Bevölkerung und die Wiederbelebung der Wirtschaft nur mit britischer Unterstützung möglich sein würden. EAM und KKE beschlossen daher, die politischen Ziele vor die militärischen zu stellen. Man wollte die Briten zu Verhandlungen drängen, indem zunächst nur griechische Regierungsgruppen angegriffen wurden.[7] So erklärt sich auch, warum in der ersten Phase der Auseinandersetzungen der erwartete Generalangriff der ELAS auf die geschwächten britischen Kräfte im Zentrum Athens ausblieb.

Im Dezember 1944 erfolgte ein großer deutscher Gegenangriff an der westlichen Front – die Ardennenoffensive. Viele glaubten, die Briten würden nicht in der Lage sein, eine neue Front zu eröffnen, geschweige denn sich in der Hauptstadt eines gerade befreiten Landes gegen ihre EAM-Verbündeten richten. So waren nicht nur die EAM-Führung, sondern auch die britischen Offiziere überrascht, als Churchill die Verlegung so vieler Soldaten von der aktiven Front in Norditalien nach Griechenland anordnete. Bis Januar 1945 sollte die britische Regierung rund 70.000 Soldaten nach Griechenland entsenden – mehr, als sie 1941 geschickt hatte, um die griechische Verteidigung gegen die drohende deutsche Invasion zu unterstützen.

Nachdem die britischen Verstärkungen mitsamt Trägerflugzeugen eingetroffen waren, begann am 17. Dezember der britische Gegenangriff. In den Straßen von Athen und Piräus kämpften nun Soldaten aus Schottland, Wales, England, Armenien, Kurdistan, Zypern, Südafrika, Assyrien und Indien in 20 Infanteriebataillonen, zwei Artillerieregimentern, vier Panzerregimentern mit 140 gepanzerten Fahrzeugen und acht Luftwaffenstaffeln mit etwa 120 Flugzeugen. Die britische Übermacht war erdrückend.

Eine Woche später traf der britische Premierminister in Athen ein, um eine politische Lösung zu finden. Churchill wollte sein Ansehen in der britischen und internationalen Öffentlichkeit wiederherstellen, nachdem ihm die britische Beteiligung an der Schlacht um Athen in der britischen Presse und bei Abgeordneten der Labour Party heftige Kritik eingebracht hatte. Als jedoch die Verhandlungen zwischen der EAM und der griechischen Regierung scheiterten, bedeutete dies grünes Licht für die großen britischen Räumungsoperationen.

Am 29. Dezember begann der Großangriff auf die östlichen Vororte Athens, eine wichtige Hochburg der ELAS. Die Gemeinde von Kaisarini, ein Ghetto, das zur Unterbringung von Geflüchteten aus Kleinasien errichtet worden war, wurde von den Briten als das «griechische Stalingrad» bezeichnet. Zwei Stunden lang bombardierten die Briten das Gebiet, bevor die Infanterie eindrang. Giorgos Gounaris, ein ELAS-Kämpfer, erinnert sich in seinem unveröffentlichten Tagebuch:

In den Straßen, in den Häusern, auf den Balkonen, schlagen pausenlos Geschosse ein. […] Sie haben uns mit ihren Bombardements in den Wahnsinn getrieben. […] Drei Mitstreiter*innen liefen mit Maschinengewehren auf das Hausdach. Im Sturzflug ließen britische Kampfflugzeuge Bomben auf sie fallen, die sie buchstäblich in der Luft zerrissen. Die Kamerad*innen, die hinaufrannten, fanden nur noch Körperfetzen vor.

Der britische Angriff verursachte ein wahrhaftiges Massaker. An nur einem Tag starben 290 Menschen, die meisten davon Zivilist*innen, die in den Bombardements ums Leben kamen.

Nach der Räumung der östlichen Vororte sammelten die Briten ihre gesamten Streitkräfte für einen finalen Schlag gegen die ELAS im Stadtzentrum und in den westlichen und nördlichen Stadtteilen. Einige der heftigsten Straßenkämpfe fanden in Exarchia statt, wo der ELAS angehörende Studierende kämpften. Studierende verbarrikadierten sich in Wohnhäusern und fingen britische Panzer mit Molotowcocktails und Granaten ab, die aus mit Kies und Dynamit gefüllten Dosen bestanden. Zu den bekanntesten Kämpfenden gehörten die Komponisten Mikis Theodorakis und Iannis Xenakis, der durch eine britische Granate schwer im Gesicht verletzt wurde, der Philosoph Kostas Axelos sowie die Filmregisseure Nikos Koundouros und Alexis Damianos.

Die überwältigende Überlegenheit der Briten zwang die ELAS-Führung am Abend des 4. Januars 1945, den Rückzug ihrer Streitkräfte aus Athen anzuordnen. Die britischen Truppen bombardierten die Reihen der sich zurückziehenden Partisan*innen und töteten viele von ihnen. Mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands am 11. Januar 1945 wurden die Kämpfe beendet. Die Bilanz der Gefechte spiegelte ihre Grausamkeit wider: In nur einem Monat gab es 70.000 Verletzte, 5.500 Tote und 25.000 Vertriebene.

Politisch endeten die Dekemvriana am 12. Februar 1945 mit der Unterzeichnung des Varkiza-Abkommens zwischen der EAM und der griechischen Regierung. Eine zentrale Bedingung des Abkommens war die Entwaffnung der ELAS. Die Sieger*innen der Dekemvriana hielten sich allerdings nicht an ihren Teil der Vereinbarung. Unmittelbar nachdem die ELAS ihre Waffen abgegeben hatte, brach der sogenannte Weiße Terror (1945–1946) an – die unerbittliche Verfolgung der griechischen Linken durch Strafverfolgungsbehörden und rechtsextreme paramilitärische Gruppen, die viele ehemalige ELAS-Kämpfer*innen zwangen, wieder in die Berge zu flüchten. Eine der Hauptursachen für den späteren Griechischen Bürgerkrieg (1946–1949), in dem sich die neuen Guerillagruppen der kommunistischen Demokratischen Armee Griechenlands anschlossen und gegen die Regierungstruppen kämpften, lag hierin begründet.

Die internationale Bedeutung der Dekemvriana

Die Dekemvriana waren kein regionaler Konflikt, der nur ein kleines Land im Südosten Europas betraf. Sie mögen zwar die einzige bewaffnete Konfrontation zwischen alliierten Kräften während des Zweiten Weltkriegs gewesen sein, aber ihre politischen Ursprünge weisen Parallelen zu vielen anderen europäischen Ländern auf. Die griechischen Dezemberereignisse waren Teil eines größeren Konflikts, der in den europäischen Ländern ausbrach und bei dem es um die Machtverteilung in der Nachkriegszeit ging.

Die militärische Kontrolle durch die Achsenmächte hinterließ in mehreren Ländern ein Machtvakuum. Regierungen flohen ins Exil, Nationalarmeen wurden aufgelöst und Sicherheitskräfte sowie Staatsapparate kamen unter die Kontrolle der Besatzungsmächte. Die «alte Welt», die nicht in der Lage gewesen war, den Aufstieg von Faschismus und Nationalsozialismus zu verhindern, hatte ihr Ansehen verloren. Die «neue Welt», die sich aus den Trümmern des Krieges formte, musste sich der Aufgabe des Wiederaufbaus stellen. Das Ende des Krieges markierte also auch den Anfang eines Prozesses, in dem die Staatsmacht in einem unsteten Kontext wiederaufgebaut werden musste – ein Prozess, der viele Optionen offenließ und den die Alliierten mit politischen Mitteln zu steuern versuchten. Wo dies sich als unmöglich erwies, setzten sie auf militärische Gewalt.

Der Ausbruch der Dekemvriana muss im Zusammenhang mit den politischen Zielen der EAM (der sowohl politisch als auch militärisch stärksten Kraft in Griechenland) verstanden werden, die im Widerspruch zu den Zielen der Alliierten (der stärksten internationalen Kraft) standen – insbesondere zu denen Großbritanniens.

Im Nachkriegsgriechenland wurden ehemalige Kollaborateur*innen nicht aus dem Staatsapparat entlassen. Im Gegenteil: Man zog für den Aufbau des neuen Staates Personen heran, die während der Besatzung mit den deutschen Truppen zusammengearbeitet hatten.

Für die Alliierten, denen sehr daran gelegen war, ihre Machtposition zu festigen, Revolutionen und Aufstände zu verhindern und ihre Interessen zu wahren, waren die Dekemvriana Ausdruck einer großen Gefahr, die sie im Nachkriegseuropa sahen. Die Aussagen von Dean Acheson, damals Vizechef des US-Außenministeriums, in seinem Bericht für Harry Hopkins, Präsidentenberater Roosevelts, sind in diesem Zusammenhang besonders aufschlussreich. Acheson, der im Dezember 1944 selbst in Athen war und den Aufstand mit eigenen Augen gesehen hatte, warnte darin, dass die Alliierten, wenn sie die griechische Bevölkerung nicht aktiv in ihrem Kampf ums Überleben und der Wiederherstellung der sozialen und moralischen Ordnung unterstützten, ein Blutbad in ganz Europa riskieren würden, dem gleich mehrere Regierungen zum Opfer fallen könnten. Er befürchtete, dass die Szenen, denen er in Athen beigewohnt hatte, sich auf ganz Europa ausweiten und einen gesamteuropäischen Bürgerkrieg auslösen könnten.[4] Die britische Regierung kam zum selben Schluss. Sollte sich der Widerstand in Athen zu einem erfolgreichen Aufstand entwickeln, so befürchtete sie, dass er dominoartig auf andere europäische Hauptstädte übergreifen könnte: «Wenn die Ereignisse in Athen sich in die gewünschte Richtung entwickeln, dann ließen sich damit ein gewaltiges Ausmaß an Anarchie in Europa vermeiden und ähnliche Aufstände in anderen Ländern verhindern.»[5]

Die Geschehnisse während den Dekemvriana zementierten zwei wesentliche Aspekte, die die griechische politische Realität bis zum Sturz der Junta im Jahr 1974 prägen sollten. Der erste Aspekt war das Eingreifen ausländischer Mächte in die inneren Angelegenheiten Griechenlands. Die britische Militärintervention im Zuge der Dekemvriana entwickelte sich zu einer konstanten (ab 1947 US-amerikanischen) ausländischen Präsenz im Land. Dabei untergrub das externe Eingreifen zwar die nationale Unabhängigkeit, es bot jedoch den griechischen Regierungen und dem griechischen König, der 1946 durch das Referendum ins Land zurückgekehrt war, die entscheidende Unterstützung. Diese Rückendeckung wiederum ermöglichte es ihnen, ihr Regime des Schreckens aufrechtzuerhalten und mit einem harten repressiven Regierungsapparat gegen die griechische Linke vorzugehen.

Der zweite entscheidende Aspekt zeigte sich in der Bildung des neuen, nationalistisch geprägten Staates. Schon seit den 1920er Jahren zeichnete sich der griechische Staat durch einen starken Antikommunismus aus – eine Tendenz, die sich nach der sechsjährigen Diktatur von Ioannis Metaxas weiter verschärfte. Während der Besatzung wurde dann der Antikommunismus zur zentralen Staatsdoktrin und bildete die Grundlage für die Zusammenarbeit Griechenlands mit den Besatzungskräften.

Im Nachkriegsgriechenland wurden ehemalige Kollaborateur*innen nicht aus dem Staatsapparat entlassen. Im Gegenteil: Man zog für den Aufbau des neuen Staates Personen heran, die während der Besatzung mit den deutschen Truppen zusammengearbeitet hatten. So wurde im neuen nationalistischen Staat auch die harte Verfolgung der griechischen Linken institutionalisiert – Tausende wurden hingerichtet, viele erhielten langjährige Freiheitsstrafen oder gingen ins Exil – und die gesetzliche Diskriminierung der Bevölkerung auf Grundlage ihrer politischen Überzeugungen etabliert. Gestützt auf das Schreckgespenst einer kommunistischen Gefahr hielt sich dieser Staat volle dreißig Jahre lang, verhinderte die Demokratisierung des Landes und brachte jene Akteure hervor, die 1967 das diktatorische Regime der Obristen formen und durchsetzen würden, das erst mit dem Fall der Junta im Sommer 1974 zusammenbrach.

Übersetzung von Charlotte Thießen und Sebastian Landsberger für Gegensatz Translation Collective.


[1] Für eine ausführlichere Darstellung der hier erwähnten historischen Ereignisse vgl. Menelaos Charalampidis, Δεκεμβριανά 1944. Η Μάχη της Αθήνας (dt.: Dezember 1944. Die Schlacht um Athen), Athen 2014.

[2] Zu den politischen Umwälzungen, die mit der deutschen Besatzung Griechenlands einhergingen, vgl. ausführlich Menelaos Charalampidis, εμπειρία της Κατοχής και της Αντίστασης στην Αθήνα (dt.: Die Erfahrung der Besatzung und des Widerstands in Athen), Athen 2012.

[3] Drei kleinere Parteien, die Sozialistische Partei Griechenlands, die Union der Volksdemokratie und die Agrarpartei, schlossen sich ebenfalls der EAM an.

[4] Angesichts der erwarteten Befreiung Griechenlands stellte die griechische Regierung die griechischen und britischen Streitkräfte, die in Griechenland operieren sollten, unter den Befehl des britischen Generals Ronald Scobie.

[5] Henry Maule, Scobie: Hero of Greece. The British Campaign 1944-5 (dt.: Scobie: Held von Griechenland. Die britische Kampagne 1944-1945), London 1975, S. 150.

[6] Ebd.

[7] Auch griechische Streitkräfte kämpften an der Seite der britischen Truppen: die Griechische Gebirgsbrigade, eine Einheit der griechischen Armee, die im Nahen Osten geformt worden war; die Stadtpolizei und die Gendarmerie, die während der Besatzung eng mit den deutschen Behörden zusammengearbeitet hatten; sowie die Bataillone der Nationalgarde, die während der Dekemvriana von Männern aus nicht-kommunistischen Widerstandsorganisationen, aber auch von Gruppen, die mit den Besatzern kollaboriert hatten, gebildet wurden.

[8] Keith Lowe, Savage Continent. Europe in the Aftermath of World War II (dt.: Wilder Kontinent. Europa nach dem Zweiten Weltkrieg), London 2012, S. 71.

[9] British National Archives, War Cabinet 65/48/22, 29, Dezember 1944.