Kommentar | Wirtschafts- / Sozialpolitik Schwarz-Grün spart NRW kaputt

Ein Kommentar von Kathrin Vogler über den Kahlschlaghaushalt der Landesregierung Nordrhein-Westfalens

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Kathrin Vogler,

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, spricht am 13.11.2024 in Düsseldorf vor Tausenden Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die gegen die Haushaltskürzungen im öffentlichen Dienst demonstrieren.
Die Einsparungen in NRW haben reale Konsequenzen: überschuldete Familienhaushalte, steigende Obdachlosigkeit und weniger Prävention bei Suchterkrankungen, Rückschritte bei Integrationsmaßnahmen. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann spricht am 13.11.2024 in Düsseldorf zu tausenden Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die gegen die Haushaltskürzungen demonstrieren., Foto: IMAGO / NurPhoto

In Nordrhein-Westfalen preist die schwarz-grüne Landesregierung ihren Haushaltsentwurf für 2025 als «Rekordetat» an. Doch hinter der stolzen Summe von 105,5 Milliarden Euro verbergen sich falsche Prioritäten, massive Angriffe auf die soziale Infrastruktur und ein fragwürdiger Sicherheitsbegriff. Wer diesen Haushalt genauer betrachtet, sieht: Hier wird nicht in Sicherheit investiert, sondern in Sozialabbau.

Kathrin Vogler ist Mitglied des Bundestags und Co-Landessprecherin der Partei Die Linke in Nordrhein-Westfalen.

Mit 83 Millionen Euro Kürzungen im Sozialetat zeigt die Regierung, wo ihre Prioritäten nicht liegen: nämlich bei den Bedürftigen. Einsparungen bei den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege bedeuten weniger Hilfe für Schuldnerberatungen, die Familien vor dem finanziellen Ruin bewahren. Projekte zur Armutsbekämpfung, die oft die letzte Hoffnung für Betroffene sind, werden gestrichen. Ebenso trifft es die Suchthilfe, die in Zeiten steigender Suchterkrankungen für viele überlebensnotwendig ist. Diese Einsparungen haben reale Konsequenzen: überschuldete Familienhaushalte, steigende Obdachlosigkeit und weniger Prävention bei Suchterkrankungen.

Besonders perfide ist, dass die Regierung auch Programme für Flucht, Migration und Integration kürzt – in einer Zeit, in der gesellschaftliche Spannungen und rassistische Gewalt massiv zunehmen. So wird nicht nur das soziale Netz zerstört, sondern auch die Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenhalts aufs Spiel gesetzt.

Und während die Landesregierung den Sozialbereich ausbluten lässt, fehlt es an einer aktiven Industriepolitik, die auf die Sicherung von Arbeitsplätzen ausgerichtet ist. Die aktuellen Stellenstreichungen bei Großunternehmen wie Ford und ThyssenKrupp sind alarmierende Beispiele. Der US-Autobauer Ford plant den Abbau von 2.900 Arbeitsplätzen allein in Köln, was in der Belegschaft für große Verunsicherung sorgt. ThyssenKrupp will bis 2030 sogar rund 11.000 Stellen abbauen; 6.000 von ihnen sollen an Dienstleister ausgelagert werden, die ihren Kostenvorteil bekanntlich dadurch erzielen, dass sie die Beschäftigten zu wesentlich schlechteren Konditionen anstellen. Was das für tausende Familien bedeutet, liegt auf der Hand.

Die Landesregierung verfügt hier über, um es vorsichtig zu formulieren, keine hinreichenden Antworten. Es fehlt an Programmen zur Arbeitsplatzsicherung. Es gibt auch keine Idee, wie der sozial-ökologische Umbau ohne Massenentlassungen vorangetrieben werden kann. Stattdessen belässt es die Landesregierung bei vagen Hinweisen – die Folgen sollen die Beschäftigten und ihre Familien dann offenbar allein schultern.

Und während Schwarz-Grün überall dort, wo es um Arbeitsplätze und soziale Sicherheit geht, Einsparungen vornimmt oder durch Nichtstun glänzt, ist für die innere Sicherheit offensichtlich genug Geld da. 3.000 neue Polizeianwärter*innen will die Landesregierung einstellen – pro Jahr. Das lässt Rückschlüsse darauf zu, wie diese Regierung Sicherheit versteht, nämlich in erster Linie polizeilich-repressiv.

Wirkliche Sicherheit bedeutet für die Menschen aber weit mehr als Polizeipräsenz – sie erfordert auch soziale Sicherheit. Kein Polizeieinsatz kann die Probleme von Armut, Unsicherheit und Perspektivlosigkeit lösen. Gute Arbeitsplätze, hochwertige Bildung und Schutz vor sozialem Abstieg hingegen können diese Form der Sicherheit sehr wohl gewährleisten.

Hinzu kommt, dass die Polizei unter Innenminister Herbert Reul durch zahlreiche Skandale das Vertrauen vieler Menschen verloren hat; erinnert sei nur an die rechtsextremen Chatgruppen in ihren Reihen und den bis heute nicht aufgeklärten Polizeieinsatz in Dortmund, bei dem Mouhamed Lamine Dramé erschossen wurde. Mehr Polizei bedeutet also nicht automatisch mehr Sicherheit für alle.

Als Rechtfertigung für ihre Kürzungen verweist die Landesregierung auf die Schuldenbremse. Doch in Wahrheit ist diese eine politische Entscheidung gegen Investitionen in die Zukunft. Während Großunternehmen und Vermögende weiterhin von Steuervorteilen profitieren, wird bei jenen gespart, die Unterstützung am dringendsten brauchen.

Dabei hätte die Landesregierung durchaus die Möglichkeit, für Steuererhöhungen auf große Vermögen und hohe Einkommen zu werben, um sich auf diesem Wege finanzielle Spielräume zu verschaffen – doch sie entscheidet sich bewusst dagegen. Stattdessen wälzt sie einen Teil der Einsparungen auf die Kommunen ab, die mit immer weniger Mitteln immer mehr Aufgaben bewältigen müssen. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch gefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten.

Echte Sicherheit entsteht, wenn niemand Angst vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes und seiner Wohnung haben muss. Sie bedeutet also, dass Menschen über gute Jobs, bezahlbare Wohnungen sowie Zugang zu Bildung verfügen und nicht von Armut bedroht sind. Das aber kann die Politik nur mit einer gerechten Wirtschafts-, Mieten-, Bildungs- und Sozialpolitik erreichen.

Dieser Haushalt zeigt: Die schwarz-grüne Koalition hat keine Vision für ein gerechtes und soziales NRW. Im Gegenteil: Ihre Politik verschärft soziale Ungleichheit und versagt beim Schutz der Schwächsten. Statt weiter an der sozialen Infrastruktur zu sparen, muss die Landesregierung umsteuern. Denn die Menschen in NRW verdienen eine Politik, die sie schützt, statt sie im Stich zu lassen.

Dieser soziale Kahlschlag muss gestoppt werden. Dass sich dafür bereits ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis gegründet hat, gibt Hoffnung. Denn fest steht: Nur gemeinsam können wir einen anderen Kurs durchsetzen.