Der Umgang des CDU/SPD-Senats mit der Haushaltslage des Landes Berlin gefährdet die Zukunft der Stadt. Die verkündeten Einsparungen in Höhe von rund drei Milliarden Euro gehen einseitig zu Lasten der Menschen, die nur über wenig oder gar kein Geld verfügen. In der Folge droht die Verelendung und Verdrängung sozial prekärer Schichten. Aber auch die zuletzt positive wirtschaftliche Entwicklung dürfte durch das Sparpaket abgewürgt werden; mit weiteren Privatisierungen öffentlichen Vermögens ist zu rechnen.
Dieses geradezu dystopische Szenario ist aber keineswegs alternativlos, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen.
Tobias Schulze ist Ko-Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus.
Die Wiederholungswahl im Februar 2023 hatten CDU und SPD noch mit sozialen Versprechen bestritten, darunter das 29-Euro-Ticket (SPD) und der Bürgeramtstermin binnen einer Woche (CDU). Berlin müsse endlich funktionieren, hieß es. In den Koalitionsvertrag wurden dann jedoch, der bereits absehbaren Haushaltslücke zum Trotz, die eigenen, rund eine Milliarde teuren Wahlversprechen aufgenommen. Der neu gewählte Regierende Bürgermeister, Kai Wegner (CDU), sprach vollmundig von einem «Zukunfts-» und «Chancenhaushalt».
Der ungedeckte Scheck des Senats
In Wirklichkeit jedoch verstärkte die Haushaltspolitik die bereits erkennbaren Probleme. Gleichzeitig klammerte der Senat Verbesserungen auf der Einnahmeseite aus. Man stellte also einen Haushalt der ungedeckten Schecks aus – und schrieb die fehlende Deckung in Milliardenhöhe als «Pauschale Minderausgabe» in den Haushaltsplan, frei nach dem Motto: «Das klärt sich schon irgendwie.»
Die wachsende Haushaltslücke, vor der der Senat lange die Augen verschlossen hatte, schlug dann in diesem Kalenderjahr mit voller Wucht zu; es fehlten 1,7 Milliarden Euro. Bereits im laufenden Jahr wurde daher massiv gekürzt, vor allem bei den Bezirken. In der Folge sahen sich viele Bezirke gezwungen, Haushaltssperren zu erlassen, was wiederum voll auf die bürgernahen Verwaltungsleistungen durchschlug, die zu verbessern sich der Senat großspurig auf die Fahnen geschrieben hatte. Zudem wurden Rücklagen des Landes und der Bezirke, der Hochschulen, Kultureinrichtungen und Träger aufgebraucht.
Zur Deckung der Haushaltslücke für das Jahr 2025 reicht das alles jedoch nicht aus. Es fehlen mehr als drei Milliarden Euro. Nachdem alle Senatsverwaltungen im Laufe des Jahres bereits hinter verschlossenen Türen Kürzungslisten vorbereitet hatten, verhandelte eine exklusive Mini-Runde der Chefhaushälter von CDU und SPD bis kurz vor Jahresende über das Schicksal der Stadt. Weder die Senator*innen noch die Abgeordneten waren eingebunden – und schon gar nicht die von den Kürzungen Betroffenen: die Freien Träger aus Bildung und Sozialbereich, die Beschäftigtenvertretungen und Gewerkschaften, die Institutionen in Wissenschaft und Kultur. Anders formuliert: Die Stadt wurde das ganze Jahr über belogen und betrogen.
Die Kürzungsliste, die am 18. November in der Koalition und am Folgetag im Senat beschlossen wurde, traf Berlin dann wie ein Hammer.
Angriff auf die Zukunft
Prozentual am härtesten trifft es die Kulturlandschaft der Stadt: Mehr als 130 Millionen, das entspricht etwa 12 Prozent des Budgets, werden gestrichen. Darunter fallen viele zuwendungsfinanzierte Projekte, aber auch die Zuschüsse für Theater und Opernhäuser; gespart wird außerdem bei den Investitionen. Innovative Projekte – wie Berlin Mondiale, Jugendkulturinitiative oder Kultursommer – werden ebenso abgeschafft wie der einst vom linken Kultursenator eingeführte eintrittsfreie Museumssonntag. Die Folgen dieser Kürzungsorgie sind verheerend: Entlassungen stehen bevor, Produktionen werden abgesagt, und manche Theater haben bereits ihre Insolvenz angekündigt.
Auch die zweite Zukunftsressource Berlins, Wissenschaft und Hochschulen, wird so hart angegangen, als gäbe es kein Morgen. Hier sollen mehr als 250 Millionen Euro eingespart werden, rund neun Prozent des Budgets. Dabei hatte der Senat sich beim Abschluss der Hochschulverträge im April 2024 noch selbst gefeiert. Man gab damals vor, Planungssicherheit bis 2028 mit Aufwüchsen von fünf Prozent pro Jahr zu garantieren.
Die Halbwertzeit dieses Versprechens war indes kurz: Nur gut ein halbes Jahr später kündigte der Senat die Verträge wieder; allein dadurch sollen 100 Millionen Euro gespart werden. Parallel schafft man die Entfristung von Postdoc-Stellen ab, die Rot-Grün-Rot ins Berliner Hochschulgesetz aufgenommen hatte. Auch das Studierendenwerk, das für soziale Betreuung, preiswertes Essen und Wohnen zuständig ist, muss überdurchschnittlich bluten.
Gebetsmühlenartig betont die SPD, es werde keinen sozialen Kahlschlag geben. In der Tat scheinen die vom Vorgängersenat aus SPD, Grünen und Linken eingeführten sozialpolitischen Reformen – Gebührenfreiheit für KiTa, Hort, Schulessen und die ÖPNV-Tickets für Schüler*innen – zunächst nicht angetastet zu werden. Aber die Spitzen von CDU und SPD ließen bereits durchblicken, dass diese Angebote nicht dauerhaft gesichert sind. Das bedeutet, dass sie spätestens für den Doppelhaushalt 2026/27 zur Disposition stehen.
Im aktuellen Haushalt trifft der Kahlschlag vor allem jene Angebote, die für die Menschen am unteren Ende der Einkommenspyramide stehen, also Programme der Sozial-, Mieten-, Schulden-, Schwangerschafts- und Suchtberatung, Angebote zur Unterbringung und medizinischen Versorgung von Obdachlosen, zur sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und zur Prävention von Verelendung und Gewalt. Der Preis des Sozialtickets wird von monatlich 9 auf 19 Euro mehr als verdoppelt, während die Parkgebühren unangetastet bleiben.
Der Bildungsbereich ist ebenfalls von harten Einsparungen betroffen, obwohl Kai Wegner auch hier das Gegenteil versprochen hatte. Hunderte Stellen von Lehrkräften und Sozialarbeiter*innen, der KiTa-Ausbau und der Neubau von Schulen werden gestrichen, ebenso verschiedene Zulagen für Lehrkräfte.
Obschon Berlin einen großen Bedarf an Investitionen in die Zukunft hat, kürzt der Senat auch hier. Schul-, Straßen-, Schienen- und Brückensanierungen werden verschoben, Neu- bzw. Ersatzbauten gleich ganz gestrichen. Mittel für den sozialen Wohnungsbau und die Begrenzung der Mieten entfallen ebenso wie Planungs- und Erschließungsmittel für große Wohnbaugebiete wie den Güterbahnhof Köpenick oder den Blankenburger Süden. Und dass der Senat den Abriss des intakten Jahn-Sport-Parks gegen alle Widerstände forciert hat und nun das Geld für den Neubau kürzt, kann man nur noch als Schildbürgerstreich bezeichnen.
Die Alternative zum Kahlschlag
Die soziale Schieflage dieser Politik zeigt sich jedoch nicht nur daran, wo gekürzt wird, sondern auch daran, wer geschont wird. Beispielsweise Immobilienerwerber: Eine moderate Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf das Brandenburger Niveau würde 100 Millionen Euro jährlich einbringen – aber sie ist kein Thema für diesen Senat. Man könnte Berlins Steueraußenstände in Höhe von knapp einer Milliarde Euro eintreiben – auch das kein Thema für den Senat. In der Verkehrspolitik würde eine Erhöhung der Parkgebühren Geld in die Kassen spülen – ebenfalls kein Thema für diesen Senat. Stattdessen hält man verbissen am antiquierten Vorrang des Individualverkehrs fest, einschließlich des Ausbaus der A100, und streicht die Budgets für den ÖPNV, für Radwege und Fußverkehr zusammen.
Es steht überdies zu befürchten, dass die aktuelle Kahlschlagpolitik noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. Die von der falschen Prioritätensetzung des Senats verursachte soziale Schieflage könnte sich nämlich auf dramatische Weise vertiefen, wenn der Regierungskoalition – wie es die Finanzplanung prognostiziert – bereits 2026 weitere 1-2 Milliarden Euro fehlen. Dieser Fehlbetrag würde sich noch erhöhen, sollte eine neue Bundesregierung weitere Steuersenkungen durchsetzen.
Dennoch ist die Kahlschlagpolitik des Senats nicht alternativlos. Auf Bundesebene könnten die Defizite der Landeshaushalte beispielsweise durch eine gerechtere Steuerpolitik (einschließlich der Wiedereinführung einer Vermögensteuer), die Abschaffung der Schuldenbremse und durch Verbesserungen bei Hauptstadtförderung und Verkehrspolitik reduziert werden. Auf Landesebene wiederum würde die Aufnahme konjunkturell bedingter Kredite in Milliardenhöhe die Belastungen für die Menschen abfedern. Zudem lassen sich kreditfinanzierte Investitionen über landeseigene Unternehmen generieren. All dies hat der Senat nicht vorbereitet.
Fest steht: Die Linke lehnt diesen fatalen Sparkurs entschieden ab – und das nicht nur in Worten, sondern auch in Taten: Wir werden gemeinsam mit Gewerkschaften und Sozialverbänden, mit Kultureinrichtungen und Hochschulen auf der Straße für einen Kurswechsel protestieren. Es bleibt dabei: Berlin ist #unkürzbar!