
Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich nicht nur das Leben von Israelis und Palästinenser*innen, sondern von allen Menschen in der Region massiv verschlechtert. Der Krieg im Gazastreifen und zuletzt auch im Libanon und in Syrien droht zu einem Endlos-Konflikt zu werden, da Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine rechte Regierung ihr politisches Überleben an den militärischen Sieg über Israels Feinde gebunden haben.
Aida Touma-Sliman ist palästinensische Bürgerin Israels und Knesset-Abgeordnete für das politische Bündnis Chadasch, das von der Israelischen Kommunistischen Partei gegründet wurde.
In Israel selbst gibt es keine Anzeichen für ein Abflauen der revanchistischen Stimmung. Die palästinensische Bevölkerung dort steht unter Generalverdacht und ist einer permanenten Überwachung ausgesetzt. Auch die marginalisierte jüdische und arabische Linke ist von staatlicher Repression und Drangsalierung durch Rechte betroffen. Für Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt es derzeit wenig Anlass.
Dennoch geht der Kampf für eine friedliche, demokratische Zukunft für alle, die zwischen Jordan und Mittelmeer leben, weiter. Eine der führenden Figuren dieses Kampfes ist die palästinensische Israelin Aida Touma-Sliman, die als Abgeordnete für die sozialistische Liste Chadasch in der Knesset sitzt. Auf Einladung der Portugiesischen Kommunistischen Partei war sie kürzlich zu Gast im Europäischen Parlament und traf sich bei dieser Gelegenheit mit Loren Balhorn (Rosa-Luxemburg-Stiftung), um über die eskalierende Repression gegen Palästinenser*innen in Israel, Netanjahus Annexionspläne und den schwindenden Raum für linke Kräfte im Land zu sprechen.
Loren Balhorn: Als palästinensische Bürgerin Israels hast du dich in der Vergangenheit sehr deutlich über die Diskriminierung und Ungleichbehandlung der Palästinenser*innen geäußert und das israelische Nationalstaatsgesetz von 2018 sogar als «Apartheidgesetz» bezeichnet. Wie hat sich die Lage seit dem 7. Oktober 2023 verändert?
Aida Touma-Sliman: Uns war immer bewusst, dass wir in Israel nicht die gleichen Rechte genießen. Aber was wir im vergangenen Jahr erlebt haben, kannten wir so noch nicht. Seit dem 7. Oktober sind palästinensische Bürger*innen einer harschen Verfolgung ausgesetzt. Viele wurden verhaftet, beispielsweise weil sie in sozialen Medien Koran-Verse gepostet haben. Ich erzähle oft die Geschichte eines 70-Jährigen aus der Wüste Negev, der am 7. Oktober um 7:45 Uhr die Worte «Guten Morgen» postete und ein paar Tage später verhaftet wurde. Zu diesem Zeitpunkt wusste nicht einmal Netanjahu, was vor sich ging, doch ihn haben sie für einen morgendlichen Gruß nach dem Aufstehen festgenommen.
Zahlreiche Studierende wurde von ihrer Universität ausgeschlossen, und für viele Künstler*innen ist durch bloße Verdächtigungen, sie würden den Angriff vom 7. Oktober gutheißen, das Leben zur Hölle geworden. Der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, hat Fotos von Festgenommenen veröffentlicht – sie werden darauf mit verbundenen Augen vor israelischer Flagge gezeigt – und sie der Hamas-Unterstützung bezichtigt. Kaum eine*r von ihnen wurde letztlich strafrechtlich verfolgt, aber ihr Ruf war bereits ruiniert.
Natürlich standen wir nach dem Angriff alle unter Schock. Und wir wussten, dass von israelischer Seite eine Reaktion kommen würde. Als uns schließlich klar wurde, dass diese in einem umfassenden genozidalen Krieg bestehen würde, wollten wir auf die Straße gehen – nicht aus Zustimmung zu den Geschehnissen des 7. Oktobers, sondern um für Frieden und eine politische Lösung zu demonstrieren. Doch die israelische Regierung setzte unter Einsatz lokaler Polizeikräfte über zwei, drei Wochen praktisch ein flächendeckendes Protestverbot durch. Bei dem Versuch, in Nazareth eine Mahnwache abzuhalten und Spruchbänder mit der Aufschrift «Stoppt den Krieg!» zu zeigen, wurden viele führende Köpfe der palästinensischen Community festgenommen, darunter Mohammad Barakeh, Vorsitzender des High Follow-Up Committee for Arab Citizens of Israel (des Hohen Begleitkomitees für arabische Bürger Israels), sowie einige ehemalige Mitglieder der Knesset.
Darüber hinaus ist öffentliche Hetze gegen die palästinensische Community normalisiert worden. Regelmäßig stempeln Parlamentarier*innen uns pauschal als Hamas-Unterstützer*innen oder Terrorist*innen ab. Drohanrufe und öffentliche Belästigungen haben zugenommen. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Faschist Ben-Gvir über 100.000 Waffenscheine und tausende Schusswaffen an regierungstreue jüdische Zivilist*innen ausgegeben hat, kann man sich ein Bild von der Gefahr machen, der wir ausgesetzt sind.
Vor dem Interview hast du erzählt, dass du nicht mehr alleine auf die Straße gehst.
Ja, das stimmt. Und meine Befürchtungen sind nicht aus der Luft gegriffen: Es gibt ernstzunehmende Todesdrohungen gegen mich. Aber nicht nur ich bin betroffen. In allen öffentlichen Räumen sind jetzt Waffen tragende jüdische Zivilist*innen präsent, und als Palästinenser*in bist du immer verdächtig. Das ist die Atmosphäre, in der wir leben.
Die Veränderung zeigt sich auch in der Gesetzgebung. Aktuell liegt ein Gesetzentwurf vor, der der Regierung ermöglichen soll, Einzelpersonen und ganze Listen von der Teilnahme an den Wahlen auszuschließen. Ganz sicher geht es dabei nicht darum, Ben-Gvir daran zu hindern, sich zur Wiederwahl zu stellen. Das Gesetz richtet sich gegen Palästinenser*innen und Linke. Die faschistische Rechte in Israel – für mich schließt das den Likud mit ein – weiß, dass eine Veränderung des Kräfteverhältnisses wesentlich von Araber*innen sowie linken Jüdinnen und Juden abhängt, darum wollen sie uns von der politischen Landkarte tilgen.
Was du beschreibst, wäre ohne den Angriff vom 7. Oktober sicher nicht möglich gewesen. Du hast als Kommunistin jahrzehntelang für einen anderen Ausgang des israelisch-palästinensischen Konflikts gekämpft – hat dich die Grausamkeit der Hamas an diesem Tag überrascht? Wie kann es überhaupt eine «politische Lösung» für diese Art von Gewalt geben?
Ich möchte deine Frage von einem anderen Blickwinkel aus beantworten. Heute ist der 13. November 2024, etwas mehr als dreizehn Monate sind seit dem 7. Oktober vergangen, und dennoch sollen wir immer wieder zu diesem Datum zurückkehren, als ob der Konflikt da angefangen hätte. Ich möchte ganz sicher nicht verharmlosen, was an dem Tag geschah – es war wirklich ein grauenhafter Angriff und Verlust von Menschenleben. Doch was ist mit den 43.000 Bewohner*innen des Gazastreifens, darunter 70 Prozent Frauen und Kinder, die seither getötet wurden? Als Kommunistin und als Mensch kann ich nicht tolerieren, was an jenem Tag passiert ist. Ich weigere mich, das Töten als Lösung für überhaupt irgendetwas anzuerkennen. Dennoch muss es im Zusammenhang dauerhafter Besatzung und Unterdrückung betrachtet werden.
Wie kann es eine politische Lösung geben? Nun, es hat ja auch eine politische Lösung nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben, der noch viel schrecklicher war als der 7. Oktober. Ich spreche nicht nur vom Holocaust – die ganze Welt hat unter dem Nazismus gelitten, und trotzdem konnte für das russische, jüdische und deutsche Volk das Leben nur weitergehen, indem eine politische Lösung gefunden wurde. Deshalb bin ich weiterhin davon überzeugt, dass Krieg keine Konflikte löst.
Mit diesem Krieg wird auch nichts verteidigt, außer das Recht Israels, weitere Kriege zu führen. Er dauert nun schon über ein Jahr an, und ich sitze hier in Brüssel und mache mir Sorgen um meine Töchter und Enkelinnen zu Hause in Akkon, das täglich unter Raketenbeschuss steht. Wenigstens gibt es dort ein Alarmsystem und Luftschutzbunker – die Kinder im Libanon und den palästinensischen Gebieten haben nichts dergleichen.
Vor dem Angriff der Hamas schien Netanjahus Regierung alle Bemühungen um eine dauerhafte Lösung aufgegeben und sich stattdessen auf ein «Management» der Besatzung verlegt zu haben, das die Palästinenser*innen nach und nach zermürben und einen unabhängigen palästinensischen Staat unmöglich machen sollte. Seit Kriegsbeginn scheint er sich auf seine eigene politische Lösung festgelegt zu haben, nämlich ethnische Säuberung des Gazastreifens und Annexion des Westjordanlands.
Man muss sich klarmachen, dass das von Anfang an der Plan war – der 7. Oktober hat Netanjahu und seiner rechtsradikalen Regierung nur den Vorwand geliefert, ihn umzusetzen. Schon in der Koalitionsvereinbarung der gegenwärtigen Regierung ist von der Annektierung des Westjordanlands die Rede. Sie haben die Gesetzesgrundlage für den Rückzugsplan von 2005 gekippt, der für den Gazastreifen und den Norden des Westjordanlands galt. Dadurch konnten Bemühungen zur Wiederbesiedlung des evakuierten Gebiets verstärkt werden, das eigentlich unter Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde stehen sollte. Daneben wurde der Siedlungsbau überall im Westjordanland und in Ostjerusalem vorangetrieben.
Der Plan für Großisrael des israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich sieht im Wesentlichen vor, das israelische Staatsgebiet auf das Westjordanland, den Gazastreifen oder sogar noch weiter auszudehnen. Darum hat er auf einen führenden Posten im Verteidigungsministerium bestanden, der ihm Zuständigkeit für die Zivilverwaltung im Westjordanland verschafft. Laut Smotrichs «Entscheidungsplan» haben die Palästinenser*innen drei Optionen: Sie können im jüdischen Staat verbleiben und ihren Status als zweit- oder sogar drittklassige Bürger*innen akzeptieren; sie können auswandern; oder sie finden den Tod durch die israelische Armee. Diesen Plan zur ethnischen Säuberung umschreibt er als «freiwilligen Transfer» der palästinensischen Bevölkerung.
Das erinnert sehr daran, wie die Bush-Regierung die Anschläge vom 11. September 2001 als Vorwand für den US-amerikanischen Einmarsch im Irak genutzt hat.
Genau. Die Pläne gab es bereits, aber jetzt haben sie eine Rechtfertigung dafür, weil alle sagen, Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung, und meinen, Israel sehe sich einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt. Netanjahu hat sein eigenes Versagen, die israelische Bevölkerung zu schützen, sowie die Angst und den Schmerz nach dem 7. Oktober in eine Gelegenheit verwandelt, um seine eigene politische Karriere voranzutreiben.
Du wurdest letztes Jahr vorübergehend von der Knesset ausgeschlossen, weil du nahelegtest, Israel begehe Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Erst vor wenigen Tagen wurde dein Kollege Ofer Cassif, der ebenfalls für Chadasch in der Knesset sitzt, ausgeschlossen, weil er Palästinenser*innen, die sich der Siedlergewalt in Jenin widersetzen, in den sozialen Medien als «Freiheitskämpfer» bezeichnete. Ohnehin werden die Pressefreiheit, die Redefreiheit und ähnliche Rechte immer weiter eingeschränkt. Inwieweit lässt sich Israel noch als liberale Demokratie bezeichnen?
Ich habe Israel nie als Demokratie im umfassenden Sinne angesehen. Besonders seit dem Nationalstaatsgesetz 2018 ähnelt es eher einer «Ethnodemokratie»: demokratisch für Jüdinnen und Juden, jedoch nicht für Araber*innen. Aber jetzt bekommen zunehmend auch jüdische Israelis die Konsequenzen zu spüren. Israel verwandelt sich in ein faschistisches Regime.
Das ist eine ziemlich heftige Aussage. Was genau meinst du damit?
Schau dir an, was heute in Israel mit linken Jüdinnen und Juden passiert, die gegen die Besatzung und den Krieg sind. Sie werden öffentlich diffamiert und auf undemokratische Weise behandelt. Aktuell werden in rascher Folge Gesetze erlassen, die die Menschenrechte untergraben und Bürgerrechte beschränken. Rechtsradikale Politiker*innen und ihre Unterstützer*innen bauen Staat und Justiz um, während Ben-Gvir die israelische Polizei in seine politische Privatmiliz verwandelt.
Viele sogenannte Liberale – Leute, mit denen wir vor dem 7. Oktober noch zusammen demonstriert haben – unterstützen das sogar oder lassen es zumindest geschehen. Ich flehe die israelische Gesellschaft an, sich die Folgen für die Zukunft klarzumachen: Zuerst wenden sie diese Gesetze gegen Palästinenser*innen und die Linke an, aber später werden sie auch euch verfolgen.
Du hast die Demokratiebewegung vor dem 7. Oktober angesprochen, aber wir haben in den letzten Monaten auch große Demonstrationen gegen den Krieg gesehen. Mittlerweile haben sich Netanjahus Zustimmungswerte wieder erholt, besonders nach Ausweitung des Kriegs auf den Libanon. Was sagt uns das über die Stimmung in der israelischen Bevölkerung?
Zunächst einmal richteten sich die Demonstrationen nicht wirklich gegen den Krieg. In der israelischen Öffentlichkeit gab es im Allgemeinen große Unterstützung für den Krieg im Gazastreifen. Aber viele hielten einen Waffenstillstand für notwendig, um die Geiseln freizubekommen. Gleichzeitig war ihnen bewusst, dass Netanjahu niemals ein dauerhaftes Friedensabkommen mit der Hamas unterzeichnen würde. Darum hatte ein Großteil der Demonstrationen im Grunde die Botschaft: «Lass dich auf einen Waffenstillstand ein und bring die Geiseln nach Hause, dann kannst du machen, was du willst.» Im diesem Sinne gründete sich der Protest nicht auf eine prinzipielle Antikriegshaltung.
Die Mehrheit der Israelis folgt dem Reflex, im Krieg die eigene Seite zu unterstützen. Im Laufe der vielen Kriege, die wir erlebt haben, waren wir von Chadasch und den arabischen Parteien in der Regel die Einzigen, die von Anfang an dagegen waren. Nach ein paar Wochen folgte uns dann die linksliberale Partei Meretz. Doch die spielt aktuell natürlich keine Rolle mehr.
Aufgrund der Geschehnisse des 7. Oktobers war die Unterstützung für den Krieg zunächst überwältigend. Dann setzte Kriegsmüdigkeit ein, weil die Menschen das Gefühl hatten, dass die gewünschten Erfolge ausblieben. Jetzt, da Netanjahu den Krieg in den Libanon getragen hat, keimt Hoffnung auf, dass die Hisbollah sich vielleicht auslöschen ließe und die evakuierten Israelis aus dem Norden des Landes in ihre Häuser zurückkehren können. Als hätten sie aus den letzten zwölf Monaten nichts gelernt: Weder Hamas noch Hisbollah lassen sich militärisch auslöschen, es wird sie weiterhin geben.
Um ehrlich zu sein, hat die israelische Gesellschaft diesen Krieg auch gebraucht, um ihren Stolz zurückzuerlangen. Der 7. Oktober hat den Nationalstolz vieler Israelis verletzt, ihr Gefühl, einer mächtigen Nation anzugehören, der einzigen wirklichen Macht im Nahen Osten. Der Krieg gibt ihnen das Gefühl, die Situation zu kontrollieren und Hamas und Hisbollah besiegen zu können.
Denkst du, Israel hat mehr Angst vor der Hisbollah als vor der Hamas?
Natürlich, die Hisbollah ist viel stärker. Die Hamas war jahrelang unter Belagerung im Gazastreifen, die Hisbollah kann viel freier agieren, Waffen importieren und so weiter. Wir sehen das an den Raketen, die sie auf Israel abschießen. Die Hisbollah hat immer noch große Macht und Schlagkraft.
Wie auch immer, ich lehne die Eskalation mit Waffengewalt von beiden Seiten ab. Das provoziert nur die andere Seite zum Schlagabtausch. Dann gibt es noch mehr Raketen, Schusswaffen und Tote. Der einzige Weg aus dieser verfahrenen Situation ist eine politische Vereinbarung. Aber jede Einigung würde Netanjahus Position gefährden. Er will die chaotische Lage, weil er nur unter solchen Bedingungen überleben kann. Es ist ebenso sehr ein Krieg für Netanjahus politisches Überleben wie für seine großisraelische Vision.
Was denkst du über die gescheiterten Friedensverhandlungen und die Erklärung Katars, es habe die Hamas zum Verlassen seines Territoriums aufgefordert?
Bei der Frage, was die Hamas will, bin ich nicht die richtige Ansprechperson. Ich erfahre das aus denselben Quellen, wie du: aus den Nachrichten. Katar hat immer eine vermittelnde Rolle gespielt, weil das der Wunsch der USA ist, die immer irgendjemanden für diese Aufgabe brauchen. Das bedeutet, dass der Druck auf die Hamas wächst, zu einer Einigung zu kommen. Ich glaube aber, dass die Hamas mit dem Rücken zur Wand steht. Mehr als eine Beendigung des Kriegs kann sie nicht verlangen.
Was bedeuten die große Unterstützung für den Krieg und die andauernde Repression gegen die Linke für eine sozialistische Strategie? Glaubst du als palästinensische Kommunistin in Israel, dass es immer noch Raum für Bündnisse zwischen jüdischen und arabischen Arbeiter*innen gibt? Dass sich Menschen auf Grundlage ihrer Klassenzugehörigkeit zusammenschließen können?
Zunächst musst du dir klar machen, dass ich in der Knesset sitze. Meine Rolle ist es, mit größeren Teilen der Gesellschaft in Verbindung zu stehen. Ich kann es mir nicht leisten, die radikalsten Positionen innerhalb der Bewegung zu vertreten. Aber davon abgesehen erleben wir in Israel, dass die Räume für breite Bündnisse immer weiter schrumpfen – immer weniger Menschen sind zur Kooperation bereit. Viele von denen, die aktuell für Demokratie in Israel auf die Straße gehen, weigern sich, mit uns zusammenzuarbeiten.
Dennoch gibt es weiterhin eine Minderheit in der jüdisch-israelischen Bevölkerung, die ihre Position zur Besatzung und Kolonisierung des palästinensischen Volks nicht geändert hat und wirklich überzeugt ist, dass Israel ein Staat mit gleichen Rechten für alle seine Bürger*innen sein muss. Gemeinsam mit diesen Menschen kämpfen wir als Palästinenser*innen in Israel gegen den Krieg und gegen die Besatzung.
Viele Palästinenser*innen wollen wie ich ein Ende von Krieg und Besatzung, vertreten gleichzeitig aber auch rechte Ideen, die ich überhaupt nicht teile. Wenn ich mit ihnen Beziehungen aufrechterhalten kann, dann doch umso mehr mit jüdischen Genoss*innen, die bereit sind, Gefahren auf sich zu nehmen, um die Menschenrechte der Palästinenser*innen zu verteidigen. Trotzdem sind wir nur eine kleine Gruppe, und wir sind deutlich weniger geworden. Heute brauchen wir mehr denn je die Unterstützung der internationalen Linken.
Wie kann internationale Unterstützung aussehen?
Früher haben wir Leute aus anderen Ländern zu uns nach Israel eingeladen, um ihnen die Ungleichheit und Unterdrückung zu zeigen. Jetzt fordern wir sie dazu auf, in ihren Ländern zu bleiben und dort zu kämpfen. Internationale Solidarität besteht im besten Fall darin, den Druck auf die jeweiligen Regierungen zu erhöhen, damit diese ihre Unterstützung für die israelische Regierung einstellen und begreifen, dass Israel nicht nur gegen die Interessen seiner eigenen Bevölkerung, sondern gegen die aller Menschen in der Region handelt.
Übersetzung von Daniel Fastner und Maximilian Hauer für Gegensatz Translation Collective.