Nach über sieben Monaten des systematischen gewerkschaftlichen Stärkeaufbaus und der Auseinandersetzung um höhere Entgelte setzten die Beschäftigten des Lufthansa Bodens im Frühjahr 2024 ihre Forderungen gegen den erklärten Willen der Konzernführung durch. In der Mitgliederbefragung zum Tarifergebnis stimmten 94,6% der ver.di-Mitglieder für die Annahme und machten damit deutlich, dass sie ihre selbst definierten Gewinnmarken der Auseinandersetzung erreicht sahen. Sie stellten damit ein direktes Verhältnis zwischen ihrer neuen Stärke und dem Tarifabschluss her.
Die Beschäftigten am Lufthansa Boden knüpfen damit an die Erfolge ihrer Kolleg*innen aus dem öffentlichen Dienst und der Krankenhausbewegung an. Sie hatten die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, sich gewerkschaftlich zu organisieren und ihre Streikmacht ins Feld zu führen. Die Lufthanseat*innen profitierten in ihrer Auseinandersetzung von deren Strategien. Zu den zentralen Momenten dieser gewerkschaftlichen Erneuerung gehören:
- aktivierende Forderungsbefragung aller Beschäftigten im Vorfeld,
- beteiligungsorientiertes Netzwerk aus Tarifbotschafter*innen (Öffentlicher Dienst) und Teamdelegierten (Krankenhausbewegungen),
- Rückkopplung der Verhandlungsstände sowie
- permanente, transparente Kommunikation in und aus den Betrieben.
Die Lufthanseat*innen kopierten diese Momente aber nicht einfach. Vielmehr fanden sie ihre eigene Form, indem sie die Strategien anpassten und weiterentwickelten. Denn ihre Ausgangsbedingungen waren andere als die ihrer Kolleg*innen im öffentlichen Dienst oder im Krankenhaus. Die Reisebeschränkungen während der Corona-Pandemie hatten die Lufthansa an den Rand der Insolvenz getrieben. Entlassenes Personal fehlte, als mit dem Wegfall der Reisbeschränkungen die Fluggastzahlen explodierten und Rekordgewinne möglich wurden. „Die Zeit, in der wir zusammen verlieren und zusammen gewinnen gibt es nicht mehr“, brachten ältere Kolleg*innen ihre Enttäuschung über das Verhalten der Konzernführung zum Ausdruck. Die Manager*innen wollten sich inmitten der Krise noch Boni auszahlen lassen, während die Bodenbeschäftigten auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichteten und Kurzarbeit herrschte. Aus Sicht der Beschäftigten hatte die Konzernführung die oftmals als „Lufthansa-Familie“ beschworene Sozialpartnerschaft bereits vor Jahren einseitig aufgekündigt, aber in der Corona-Pandemie mit ihrem Verhalten das Fass zum Überlaufen gebracht.
Es hat sich zum ersten Mal so angefühlt, als wären wir [Beschäftigte] zu jeder Zeit in der Auseinandersetzung mit dem Konzern am längeren Hebel gewesen.
Claudia Salvoch (Mitglied der ver.di-Konzerntarifkommission)
Über die Weiterentwicklung der aus dem öffentlichen Dienst und der Krankenhausbewegung bekannten Momente gewerkschaftlicher Erneuerung gelang es den Lufthanseat*innen am Boden, aus einer Position der gewerkschaftlichen Schwäche den Kurs des alten Kranichs zu drehen. Insbesondere sticht die gestärkte Rolle der Tarifbotschafter*innen hervor. Bei der Rückkopplung hin zu einer Art quantifizierbarer Streikbereitschaftsabfrage wurden zugleich signifikante Fortschritte erzielt. So entschieden sich mehr als 2.300 Beschäftigte am Lufthansa Boden dazu, sich für die Durchsetzung ihrer Forderungen gewerkschaftlich zusammenzuschließen und Verdi beizutreten. Darüber hinaus fassten die in der Technik Gewerkschaft Luftfahrt (TGL) organisierten Beschäftigten den Entschluss im Nachgang zu dieser Tarifauseinandersetzung in Verdi überzugehen, um sich künftig (wieder) gemeinsam mit ihren tarifbeschäftigten Kolleg*innen am Lufthansa Boden zu organisieren. Diese Erfahrungswerte gilt es für die kommenden gewerkschaftliche Klassenauseinandersetzungen zu teilen.
Forderung | Ergebnis |
12,5% mind. 500€ | 01.01.2024: 7%, mind. 280€ |
250€ für Azubis | 01.01.2024: 120€ |
3.000€ IAP | 3.000€ IAP |
Jährliche Stufensteigerungen | - |
Erhöhung des Zuschlags zum Urlaubsgeld um 12,5% | 2025:
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Einführung einer Schichtzulage in Höhe von 3,6% der individuellen Vergütung | 01.08.2024: Einführung einer Wechselschichtzulage in Höhe von 3,6% der individuellen Vergütung |
Laufzeit 12 Monate | Laufzeit 24 Monate |
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Erwartungen |
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Einstieg in eine neue Vergütungstruktur | - |
Angleichung Ost-West: Abschaffung der ostdeutschen Manteltarifverträge | 01.07.2024: Angleichung Ost-West: Abschaffung der ostdeutschen Manteltarifverträge (u.a. 2,5h/Woche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich) |
Wahlfreiheit zwischen mehr Urlaub und mehr Geld | - |
Übernahme der Auszubildenden | Übernahme der Auszubildenden |
Anerkennung der Leiharbeitszeit bei der Eingruppierung | - |
Tarifbotschafter*innen zwischen öffentlichem Dienst und Krankenhausbewegung
Entscheidend für den Ablauf der gesamten Kampagne war die Weiterentwicklung des Tarifbotschaftersystems als Symbiose der Erfahrungen der Tarifbotschafter*innen in den Tarifrunden des öffentlichen Dienstes und der Teamdelegierten der Krankenhausbewegungen. Ihre Aufgabe als „self selected activists[2]“ bestand in der Verantwortungsübernahme für den Stärkeaufbau und die Rückkopplung in ihren jeweiligen Teams. Die Vergütungsrunde bei der Lufthansa erforderte einen äußerst kurzfristigen und doch wirkungsvollen Stärkeaufbau, durch den eine möglichst große Anzahl von Kolleg*innen in die Situation versetzt werden konnte, möglichst nah an der betrieblichen Basis Verantwortung für sich und die eigenen Forderungen zu übernehmen.
Ähnlich wie im öffentlichen Dienst setzten sich die selbstselektierten Tarifbotschafter*innen bei der Lufthansa besonders zu Beginn aus Kolleg*innen zusammen, die lange Zeit gewerkschaftlich aktiv und Teil des Vertrauensleutekörpers waren. Sie unterschieden sich damit von den Teamdelegierten der Krankenhäuser, die in der Regel von ihren Teams speziell für diese Funktion nominiert sowie mandatiert sind und dadurch mit Legitimität ausgestattet werden, um Entscheidungen in ihrem Sinne zu treffen. Trotz fehlender Mandatierung erfüllten die Lufthansa-Tarifbotschafter*innen, ebenso wie Teamdelegierte, die wichtige Funktion, den Willen ihrer Kolleg*innen in Resolutionen zu übersetzen, die der Tarifkommission als Entscheidungs- und Legitimitätsgrundlage für den Fortgang des Arbeitskampfes dienten.
Ich hatte das Gefühl, sprachfähig zu sein und parallel für mich selbst auch mehr zu wissen. Viele Dinge wurden klar, die ich früher immer nur vermutet und dafür keine Erklärung hatte. Jetzt hatte ich harte Argumente. Das tolle Gefühl, dass endlich mal gemeinsam gekämpft wird und man nicht alleine dasteht.
(Tarifbotschafter*in 1)
Gleichzeitig waren sie diejenigen, die die entscheidenden Gespräche führten, um ihre Kolleg*innen in die Verantwortung zu nehmen, zum Teil der Bewegung zu machen und für einen gewerkschaftlichen Zusammenschluss zu begeistern. Es ist fraglich, ob der Stärkeaufbau am Lufthansa-Boden in dieser Form ohne sie möglich gewesen wäre. Ihre Verantwortung überstieg die der Tarifbotschafter*innen im öffentlichen Dienst deutlich, denen in der Vergangenheit besonders die Aufgabe zufiel, den Informationsfluss von der Bundestarifkommission in die einzelnen Betriebe zu gewährleisten. In der Terminologie der US-amerikanischen Organizerin Jane McAlevey könnte man von einem „strukturbasierten Vorgehen“ sprechen, das sich zu Beginn vor allem auf die Arbeit betrieblicher Aktivist*innen verließ und damit Organizing- und Mobilizing-Ansätze vereinigte (McAlevey 2019).
Durch ihren voluntaristischen Charakter war es zudem möglich, stetig und in aller Kürze „on the run“ neue Tarifbotschafter*innen zu gewinnen und damit weitere Bereiche zu erschließen. Bedingungen für die Aktivität waren eine Mitgliedschaft bei Verdi und die Teilnahme an fortlaufenden qualifizierenden Schulungen zur Tarifkampagne und ihrer neuen Rolle als Tarifbotschafter*innen. Am Ende der Tarifauseinandersetzung waren über 280 Kolleg*innen als Tarifbotschafter*innen registriert. Bei etwa 25.000 Beschäftigten am Lufthansa-Boden kam damit eine Tarifbotschafter*in auf ungefähr 89 Kolleg*innen. Zum Vergleich: Die erste Generation Tarifbotschafter*innen, von denen die viele bereits zuvor als ver.di-Vertrauensleute aktiv waren, bestand aus rund 80 Kolleg*innen. Sie kamen zum Auftakt der Auseinandersetzung bereits im September 2023 zu einer Tarifwerkstatt in Berlin zusammen und führten im Anschluss, wahrscheinlich noch mit einigen Zweifeln am Gelingen der Kampagne, mit über 3.600 Beschäftigten die Forderungsbefragung durch.
Die Tarifbotschafter*innen, sofern sie nicht Mitglieder der Tarifkommission oder der Verhandlungsgruppe waren, erhielten im Anschluss an eine Verhandlungsrunde in Online-Meetings die neuesten und wichtigsten Informationen aus erster Hand. Daran beteiligten sich in der Spitze über 180 Tarifbotschafter*innen. Ihr entschlossenes und selbstbewusstes Vorgehen half dabei, Darstellungen von Konzernseite entgegenzuwirken, die das Ziel hatten, die Beschäftigten zu beschwichtigen oder zu demoralisieren. Der Lufthansa-Konzern nutzte hierzu einerseits firmeninterne Kanäle, versuchte allerdings auch, das System der Tarifbotschafter*innen über persönliche Ansprachen durch Führungskräfte aus dem Management wie Abteilungs- oder Gruppenleiter zu kopieren.
Die Tarifbotschafter*innen der Lufthansa waren der Transmissionsriemen zwischen der Verhandlungsführung und allen Kolleg*innen im Betrieb – egal ob gewerkschaftlich organisiert oder nicht. Dauerhafte Präsenz und Aktivität sorgten für die positiv durch die Beschäftigten hervorgehobene Sichtbarkeit und Transparenz ihrer Gewerkschaft. Sie lassen sich als neuer Modus ehrenamtlicher Gewerkschaftsarbeit zwischen Krankenhaus-Teamdelegierten und Tarifbotschafter*innen des öffentlichen Dienstes einordnen. Wie versuchten die Kolleg*innen nun, die Legitimitätslücke zu schließen, die durch fehlende Mandatierung entstand und wie strebten sie die Rückübersetzung der Stimmung im Betrieb in eine Entscheidung der Tarifkommission an? Zur Demokratisierung von Tarifauseinandersetzungen gehört schließlich mehr als reine Partizipation. Hier kommt eines der Hauptinstrumente im Werkzeugkoffer der Tarifbotschafter*innen zum Einsatz: die quantifizierbare Rückkopplung.
Quantifizierbare Rückkopplung als Instrument gewerkschaftlicher Willensbildung
Der Rückkopplungsprozess startete jeweils direkt im Anschluss an die Online-Meetings, welche nach den Verhandlungsrunden stattfanden. Mithilfe eines Leitfadens, der im gesamten Konzern Anwendung fand, gingen die Tarifbotschafter*innen zurück in ihre Abteilungen, um in kürzester Zeit massenhafte Befragungen unter ihren Kolleg*innen durchzuführen und ihre Meinung zu den von den Arbeitsdirektor*innen gemachten Angeboten einzufangen. Nach der Vorstellung des Angebots und Rückfragen der Kolleg*innen ging es an die entscheidende Frage: „Seid ihr bereit, das Angebot anzunehmen oder für die Durchsetzung eurer Forderungen (noch stärker) zu streiken?“ Entscheidend bei der Abstimmung: die Mitgliedschaft bei Verdi spielte keine Rolle! Vielmehr bot sich die Rückkopplung an, um im Anschluss mit Kolleg*innen, deren Begeisterung geweckt war, „1 zu 1“-Gespräche über die Bedeutung gewerkschaftlicher Organisierung zu führen. Die Tarifbotschafter*innen schufen mit den Rückkopplungen Momente echter kollektiver Stärke und Entschlossenheit – diese führten über den Verlauf der gesamten Kampagne zu beeindruckenden Ergebnissen. Befragungen mit einer Anzahl von Kolleg*innen im mittleren zweistelligen Bereich pro Tarifbotschafter*in waren keine Seltenheit. Ihr Wille, die Auseinandersetzung fortzuführen, bis die selbst gesetzten Gewinnmarken erreicht wurden, war für alle sichtbar.
Ich fand’s schön alle mit ins Boot zu holen - so wusste ich, dass wirklich ALLE informiert waren! Am Ende kamen die Leute von selber und haben gesagt, ich möchte meine Stimme bei Dir abgeben! In der Zeit hat sich ein viel besseres Gemeinschaftsgefühl entwickelt, wir haben uns sogar mit ganz vielen Kolleg:innen getroffen, um gemeinsam zu den Demos zu gehen, das war ein schönes wärmendes Gefühl.
(Tarifbotschafter*in 2)
Nachdem sich die Tarifbotschafter*innen in einer WhatsApp-Gruppe unter strenger Funkdisziplin über den Verlauf der Abstimmungen bundesweit auf dem Laufenden hielten, fanden sie sich zum Abschluss jeder Rückkopplungsschleife zusammen, um der Tarifkommission eine Empfehlung über den Fortgang der Tarifauseinandersetzung zu geben. Die Rückkopplungsergebnisse, mittlerweile nach Standorten, Unternehmen, Betrieben und Abteilungen ausgewertet, wurden zur Debatte gestellt. Auf Basis der Ergebnisse verabschiedeten sie anschließend eine Resolution, die ungefähr so lauten konnte: „Wir, die Tarifbotschafter*innen, empfehlen der Tarifkommission die Ablehnung des Angebots und sind bereit (noch stärker) für die Durchsetzung unserer Forderungen zu streiken.“ Ihre Entscheidung versuchten die Tarifbotschafter*innen auf Grundlage ihres Gewissens, so repräsentativ wie möglich, für ihre Bereiche zu treffen.
Die hohe Quantifizierung der Befragungen, ergänzt um qualitative Berichte, trug zu ihrer Legitimierung bei. Hierdurch gab es Momente, in denen Tarifbotschafter*innen, die sich persönlich vollkommen einer Fortsetzung des Arbeitskampfes verschrieben hatten, die Resolution ablehnten, weil dies dem Rückkopplungsergebnis in ihren Teams entsprach. In der Masse spielten solche Fälle aber eine untergeordnete Rolle, da die Abstimmungsergebnisse eine enorme Einmütigkeit unter den Kolleg*innen abbildeten – sowohl für die Fortsetzung der Arbeitskämpfe als auch für die endgültige Annahme des Schlichtungsspruchs.
Diese Geschlossenheit resultierte auch aus dem Anspruch der Tarifkommission zu jedem Zeitpunkt möglichst breit, unmittelbar und transparent den aktuellen Stand der Auseinandersetzung sowie die nächsten Schritte zu kommunizieren; sei es über kurze Videos in dem eigens über die Tarifrunde aufgebauten Info-Kanal auf WhatsApp mit am Ende knapp 10.000 Beschäftigten, über die Tarifbotschafter*innen oder indem sie in Schlüsselbereichen selbst in die Rückkopplung gingen. Nicht nur die Rolle der Tarifbotschafter*innen hat sich durch die Lufthansa-Auseinandersetzung weiterentwickelt. Auch das Selbstverständnis der Tarifkommission, die in der Verantwortung war, die Bewegung anzuführen, hat sich transformiert, indem sie durch die Rückkopplung Orientierung gaben und jene Geschlossenheit nicht nur in der eigenen Mitgliedschaft, sondern in der gesamten tarifierten Belegschaft aktiv herstellten.
Fazit: Lehren aus der Tarifbewegung
Die Kolleg*innen am Lufthansa-Boden haben von den Erfahrungen ihrer Kolleg*innen im öffentlichen Dienst und den Krankenhausbewegungen wgelernt und sie auf ihre Situation angepasst weiterentwickelt. Sie haben damit wie die Kolleg*innen vor ihnen bewiesen, dass es möglich ist, auch aus einer Position der vermeintlichen Schwäche heraus die Arbeitgeberseite vor sich her zu treiben und seine Forderungen durchzusetzen. Die entscheidenden Faktoren hierfür waren der Aufbau eines Netzwerks aus Tarifbotschafter*innen sowie die qualitative Weiterentwicklung ihrer Rolle, die Einführung der quantifizierbaren Rückkopplung in Verbindung mit einem neuen Selbstverständnis der Tarifkommission. Letzteres bestand darin, in Videokonferenzen für die Tarifbotschafter*innen Orientierung an die betriebliche Basis zu vermitteln und sich wiederum an das Streikbereitschafts-Votum dieser Basis am Verhandlungstisch zu koppeln.
Die neue Rolle der Tarifbotschafter*innen bei der Lufthansa besteht darin, systematisch geschult Verantwortung für den Stärkeaufbau und die Rückkopplung zu übernehmen. Stärkeaufbau meint dabei die Durchführung des jeweiligen Stärketests in ihren Teams wie z.B. Forderungsbefragung, Mehrheitspetition, Streikbereitschaftsabfrage. Unter Rückkopplung bei der Lufthansa wird die quantifizierbare Streikbereitschaftsabfrage nach den jeweiligen Verhandlungsterminen durch die Tarifbotschafter*innen in ihren Teams verstanden. Letztere wiederum gibt der Tarifkommission die Möglichkeit, in kurzer Zeit Orientierung an die Beschäftigten zu vermitteln und damit empirisch zu überprüfen, ob weiterhin die Bereitschaft unter den Beschäftigten besteht, den Weg zur Durchsetzung der Forderungen bis zum Erreichen der eigenen Gewinnmarken zu gehen.
Das jeweilige Gelingen steht und fällt dabei immer mit der Bereitschaft der verantwortlichen Akteur*innen, sich auf einen solchen Weg der Beteiligungs- und Konfliktorientierung einzulassen. Wenn sie das tun, können sie überdurchschnittlich mitgliederwirksam und materiell erfolgreich sein, wie nach den Kolleg*innen im öffentlichen Dienst und der Krankenhausbewegungen nun auch die Beschäftigten am Lufthansa Boden gezeigt haben.
Autor*innen:
Sebastian Durben studierte Politikwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg und arbeitet als gewerkschaftlicher Organizer. In den Krankenhausbewegungen für den Tarifvertrag Entlastung lernte er das System der Teamdelegierten und Rückkopplung kennen. Am Lufthansa-Boden unterstütze er die Beschäftigten darin, diese Erfahrungen für ihre Auseinandersetzung nutzbar zu machen.
Marvin Reschinsky ist neuer Konzerntarifbetreuer von ver.di bei der Lufthansa. Als Verhandlungsführer hat er die Tarifbotschafter*innen unmittelbar nach den Verhandlungsrunden über die strategische Einschätzung der Tarifkommission informiert, um anschließend gemeinsam mit ihnen zu den Beschäftigten im Betrieb in die Rückkopplung zu gehen.
Claudia Salvoch arbeitet seit 1988 für die deutsche Lufthansa und ist seitdem Mitglied in verdi. Sie hat in den Abteilungen Fluggastabfertigung, Flugscheinverkauf, Gepäckermittlung und Flugzeugabfertigung gearbeitet. Heute ist sie als Passenger Service Managerin tätig und trägt Verantwortung für ein knapp 30-köpfiges Team von Mitarbeitenden. In der vergangenen Tarifrunde war sie als Tarifbotschafterin und (stellvertretendes) Tarifkommissionsmitglied aktiv.
Tobias Wallrath studierte Sozial- und Politikwissenschaften in Magdeburg und Leipzig mit einem Fokus auf Gewerkschaften und Industriellen Beziehungen. Als Organizer wurde er zunächst in der Tarifrunde der Länder in Bayern tätig und unterstützte daraufhin die Beschäftigten am Lufthansa-Boden in Frankfurt a. M. durch die Begleitung ihrer Tarifbotschafter*innen und Rückkopplungen.
Literatur:
McAlevey, Jane (2019): Keine halben Sachen. Machaufbau durch Organizing, Hamburg: VSA.
McAlevey, Jane (2023): Machtaufbau in Tarifverhandlungen. Fallbeispiele aus den USA und Deutschland, Berlin: Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Tagesschau (2024): Rettungspaket während Corona-Pandemie. EU eröffnet Untersuchung wegen Hilfen für Lufthansa, URL: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/eu-kommission-lufthansa-100.html [Stand: 30.09.2024]
ver.di (2024): Lufthansa Boden: ver.di-Mitglieder bestätigen Tarifergebnis mit 94,5 Prozent, URL: https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++760ff5e4-f74e-11ee-8b5d-3fb50f19d973 [Stand: 03.10.2024]
[1] Kolleg*innen mit einem fiktiven Grundbrutto von 3.000€ vor der Auseinandersetzung verdienen dadurch ab dem 01.03.2025 pro Monat 3.498,60€ (+498,60€/Monat). Greift hier die Wechselschichtzulage von 3,6%, kommen diese Kolleg*innen sogar auf insgesamt 3624,55€ pro Monat (+624,55€/Monat).
[2] Bereits überzeugten, gewerkschaftlich Aktive, die sich selbst als Tarifbotschafter*innen registrierten (vgl. McAlevey 2019). Damit unterscheiden sie sich bspw. von den Teamdelegierten der Krankenhausbewegungen dadurch, dass letztere durch ihre Teams als solche nominiert und mandatiert werden.