![Bild von einer Häuserzeile in Leipzig. Während die Sonne die Fassade anstrahlt, verdunkelt sich der Himmel darüber bedrohlich.](/fileadmin/_processed_/8/3/csm_Leipzig-Mietshaus_Schenkendorfstra%C3%9Fe_53_teaser_6f2e86f277.jpg)
Die Mietpreisbremse läuft 2025 aus, weil sich die Ampelkoalition nicht auf eine Verlängerung einigen konnte. Doch die vor fast einem Jahrzehnt eingeführte Mietpreisbremse ist ohnehin nahezu wirkungslos geblieben. Auch die weiteren Regelungen des deutschen Mietrechts schützen die Mieter*innen nur unzureichend, während viele Vermieter*innen mit hohe Gewinne einfahren.
Ein bundesweiter Mietendeckel dagegen kann die Mietpreisexplosion stoppen und das Wohnen bezahlbar halten, indem er Mieterhöhungen in bestehenden Verträgen begrenzt, die Wiedervermietungsmieten kappt und überhöhte Mieten absenkt. Ein Überblick über ein rechtliches Instrument, das Mieter*innen die dringend nötige Entlastung verschaffen kann.
Andrej Holm ist Sozialwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Gentrification und Wohnungspolitik. Er engagiert sich darüber hinaus in Berlin für das Recht auf Wohnen und ist in zahlreichen stadtpolitischen Initiativen aktiv.
Warum brauchen wir einen bundesweiten Mietendeckel?
Mieten steigen nicht einfach, sie werden bewusst erhöht. In vielen Städten und Regionen müssen die Mieter*innen mehr für ihre Wohnungen bezahlen, weil ihre Vermieter*innen immer höhere Mieten verlangen. Die Bestandsmieten wurden seit 2014 im bundesweiten Durchschnitt um 14 Prozent erhöht. Die aktuellen Zensusdaten zeigen: In den Großstädten liegt der Mietenanstieg bei fast 25 Prozent. Noch stärker fällt die Steigerung der Angebotsmieten in den Großstädten aus, die beim Neuabschluss eines Mietvertrags aufgerufen werden: über 40 Prozent seit 2014. In Städten wie Potsdam und Leipzig wurden die Angebotsmieten im vergangenen Jahrzehnt um mehr als 50 Prozent angehoben, in Berlin wurden sie sogar verdoppelt. Wenn die Mietpreisbremse im kommenden Jahr auslaufen sollte, gibt es hier keine mietrechtliche Grenze mehr. Lediglich das Wirtschaftsstrafrecht könnte vor extrem überhöhten Mieten schützen, ist in seiner heutigen Form aber nur sehr schwer anwendbar. Zusätzlich belasten die Haushalte immer höhere Heizkosten, die gegenüber 2021 im Durchschnitt um 43 Prozent gestiegen sind.
Hohe Mieten machen arm. Infolge dieser Entwicklungen leiden heute schon viele Menschen unter einer sehr hohen Mietbelastung. Aus sozialen Gründen kein Haushalt mehr als 30 Prozent des Einkommens fürs Wohnen ausgeben, inklusive Betriebs- und Heizkosten. Doch jeder Dritte Mieterhaushalt überschreitet dieses Leistbarkeitsgrenze; jeder sechste Haushalt muss sogar mehr als 40 Prozent seines Einkommens für das Wohnen ausgeben. Wenn große Teile des oft ohnehin schon geringen Einkommens für die Miete anfallen, bleibt wenig zum Leben.
Hohe Mieten blockieren eine gerechte und sinnvolle Verteilung der Wohnungen. Viele ältere Menschen leben nach dem Auszug der Kinder in (für sie zu) großen Wohnungen. Diese werden aber vor allem von jungen Familien und Wohngemeinschaften dringend gesucht. Je größer die Lücke zwischen den Bestandsmieten und den Mieten bei neu abgeschlossenen Verträgen ist, desto geringer ist der Anreiz für einen Umzug. Selbst die Wohnungswirtschaft spricht in diesem Zusammenhang von «Lock-in-Effekten», weil immer weniger Menschen umziehen können, selbst wenn ihre Wohnung nicht mehr zu ihren Lebensumständen passt.
Hohe Mieten verstärken die soziale Ungleichheit. In der Bunderepublik leben mehr als 44 Millionen Menschen in etwa 23 Millionen Mietwohnungen. Über die regelmäßigen Mietzahlungen werden aus ihren Einkommen und Renten die Einkünfte, Erträge und Profite von 4 Millionen Vermieter*innen finanziert. Pro Jahr werden etwa 150 Milliarden Euro für Miete gezahlt. Für die Bewirtschaftung der Häuser, also für Instandhaltungen, Reparaturen, Hausverwaltung und Mieterservice, werden aber gerade einmal 60 Milliarden Euro benötigt. Der Rest, also 90 Milliarden Euro, fließt in den Vermögensaufbau oder den Gewinn von meist privaten Eigentümer*innen oder Unternehmen.[1] Mieterhöhungen verschärfen diese ohnehin stattfindende Vermögensumverteilung von unten nach oben.
Hohe Mieten lassen die Staatsausgaben steigen. Mit höheren Mieten steigen auch die Ausgaben des Staates für die Kosten der Unterkunft und das Wohngeld. 2023 wurden die Mieten so mit 21 Milliarden Euro aus Steuergeldern bezuschusst – 4,3 Milliarden Euro für das Wohngeld und 16,6 Milliarden Euro für die Kosten der Unterkunft (davon 11,6 Milliarden Euro vom Bund und 5 Milliarden Euro von den Kommunen). Das ist ein Anstieg von 43 Prozent gegenüber 2019.
Wie funktioniert ein bundesweiter Mietendeckel?
Der bundesweite Mietendeckel soll Mieterhöhungen in bestehenden Mietverträgen beschränken, Wiedervermietungsmieten beim Abschluss neuer Mietverträge deckeln und stark überhöhte Mieten absenken.
Mit einer Kombination aus verschiedenen Regelungselementen wird der bundesweite Mietendeckel auch den regional unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken gerecht. Unterschieden wird im Konzept für einen bundesweiten Mietendeckel, das wir in Grundzügen schon 2021 ausgearbeitet haben, zwischen
- Gebieten mit «nicht angespannten Wohnungsmärkten» (mittlere Angebotsmiete max. 15 Prozent über Bestandsmieten, Leerstand > 3 Prozent, stagnierende Bevölkerungsentwicklung),
- Gebieten mit «angespannten Wohnungsmärkten» (mittlere Angebotsmiete > 15 Prozent über Bestandsmieten; Leerstand < 3 Prozent, steigende Bevölkerungszahlen), und
- Gebieten mit «Wohnungsnotlagen» (mittlere Angebotsmiete > 30 Prozent über Bestandsmieten; Leerstand < 2 Prozent, steigende Bevölkerungszahlen).
Durch die Kombination aus bereits in der Vergangenheit genutzten Elementen des Miet- und Wirtschaftsstrafrechts kann der bundeweite Mietendeckel schnell und rechtssicher umgesetzt werden.
Bis zur vollständigen Einführung eines bundesweiten Mietendeckels soll als befristete Sofortmaßnahme ein Mietenstopp für Bestandswohnungen in Gebieten mit «angespannten Wohnungsmärkten» und solchen mit «Wohnungsnotlagen» verhängt werden, darüber hinaus sollen Erhöhungen in den übrigen Gebieten auf maximal 2 Prozent pro Jahr begrenzt werden.
Ein regional abgestufter bundesweiter Mietendeckel, der während des befristeten Mietenstopps umgesetzt werden sollte, besteht aus vier Säulen:
- Referenzmieten auf Basis der tatsächlichen Bestandsmieten (in allen Gebietstypen) berechnen: Eine ganze Reihe von mietrechtlichen Instrumenten nehmen Bezug auf die «ortsüblichen Vergleichsmieten». Diese werden in aufwendigen Mietspiegeluntersuchungen für Wohnungen unterschiedlicher Baujahre, Größen und Lagen ermittelt. Dabei werden nur die Wohnungen mit einbezogen, bei denen sich in den letzten sechs Jahren Veränderungen ergeben haben (meist durch neu abgeschlossene Mietverträge und Mieterhöhungen).
Im Rahmen eines bundesweiten Mietendeckels soll flächendeckend, also in allen Gebietstypen, eine echte Durchschnittsmiete auf Basis der tatsächlich gezahlten Mieten ermittelt werden. Stichpunktartige Analysen zeigen, dass die so bestimmten Referenzmieten bis zu 10 Prozent unter den Ergebnissen der bisherigen Berechnungsmethoden liegen würden. Schon diese erste Säule kann also für spürbare Erleichterung sorgen.
Die Ermittlung der hier vorgeschlagenen Referenzmieten kann auf Basis von Mikrozensuserhebungen oder regionalen Mietenkatastern erfolgen. Die Referenzmieten sind nach Baujahr und Ausstattungsmerkmalen der Wohnungen zu differenzieren, nicht jedoch nicht nach deren Lage. - Begrenzung von Mieterhöhungen: In Gebieten mit «nicht angespannten Wohnungsmärkten» sollen künftig Erhöhungen bis zur Referenzmiete auf maximal 10 Prozent in drei Jahren begrenzt werden. In Gebieten «mit angespannten Wohnungsmärkten» sollen Mieterhöhungen auf maximal 6 Prozent in drei Jahren begrenzt werden. In Gebieten «mit Wohnungsnotlage» sollen Mieterhöhungen nicht länger möglich sein.
In allen drei Gebietstypen soll eine wirtschaftliche Härtefallregelung greifen, die Erhöhungen um den Betrag des Anstiegs der Bewirtschaftungskosten (nach II. BV) zulässt. Modernisierungskosten können bis maximal 1 Euro pro Quadratmeter auf die Miete umgelegt werden. - Beschränkungen bei den Wiedervermietungsmieten: In Gebieten mit «nicht angespannten Wohnungsmärkten» dürfen die Wiedervermietungsmieten die jeweiligen Durchschnittsmieten im Bestand (Referenzmieten) um maximal 10 Prozent überschreiten. In Gebieten «mit angespannten Wohnungsmärkten» werden Wiedervermietungsmieten auf maximal 6 Prozent der Referenzmieten begrenzt. Hier wirkt der Mietendeckel ähnlich wie die Mietpreisbremse, nur in verschärfter Form. In Gebieten «mit Wohnungsnotlage» sollen die Wiedervermietungsmieten auf das Niveau der Referenzmieten beschränkt werden.
- Absenkung überhöhter Mieten: In allen Gebietstypen sollen Mieten, die mehr als 20 Prozent über den jeweiligen Referenzmieten liegen, abgesenkt werden. Dies soll über das Wirtschaftsstrafrecht durchgesetzt werden, so dass Mieter*innen nicht selbst Klagen einreichen müssen.
Was bringt ein bundesweiter Mietendeckel?
Finanzielle Entlastung für viele: Der bundesweite Mietdeckel würde die Mieterhöhungen deutlich stärker begrenzen, weil die neuen, echten Durchschnittsmieten unterhalb der heutigen Mietspiegelmieten liegen. Das würde viele Haushalte entlasten, in allen Städten und Regionen. In Wohnungsnotgebieten dürften die Mieten gar nicht mehr erhöht werden, in angespannten Wohnungsmärkten deutlich langsamer und weniger als es heute möglich ist.
Wohnungsversorgung für alle statt nur für Besserverdienende: In Gebieten «mit angespannten Wohnungsmärkten» und solchen mit «Wohnungsnotlagen» sollen die Wiedervermietungsmieten gekappt werden, sodass auch Haushalte mit niedrigem Einkommen wieder größere Chancen auf günstigen Wohnraum hätten.
Bedarfsgerechte Umzüge statt ungerechter Verteilung: Die Begrenzung der Neuvermietungsmieten würde zudem bestimmten Bevölkerungsgruppen finanzielle Anreize liefern, in kleinere Wohnungen umzuziehen. Dies könnte zu einer gerechteren Verteilung und besseren Nutzung des Wohnungsbestands beitragen, weil mehr Menschen in den ihren Raumbedürfnissen angemessenen Wohnungen leben könnten.
Leistbare Mieten für viele statt hohe Gewinne für wenige: Durch die Absenkung von stark überhöhten Mieten könnten nicht nur mehr Haushalte eine für sie bezahlbare Wohnung finden. Es könnten auch die über Mietzahlungen forcierten ungleichheitsverschärfenden Umverteilungsprozesse abgeschwächt werden.
[1] Diese Schätzungen folgen den Überlegungen von Manfred Klose und Norbert Schwarz: Wohnungsvermietung in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. In einer vereinfachten Überschlagsrechnung auf der Basis der Daten für 2022 wurden dabei die vorliegenden Durchschnittsinformationen zu den Wohnflächen von Mietwohnungen (74,5m²) und den durchschnittlichen Nettokaltmieten (7,40 €/m²) mit der Anzahl der Haushalte in Mietwohnungen (22.881.000) multipliziert. Immobilienwirtschaftliche Kalkulationen gehen davon aus, dass etwa 40 Prozent der Mieteinnahmen die Kosten für Verwaltung, Instandsetzung und Bewirtschaftung decken.