Kommentar | Wirtschafts- / Sozialpolitik - Globalisierung - USA / Kanada - Alles wird teurer - Brennpunkt USA Trumps Zölle – was ist davon zu halten?

Steht der 20. Januar 2025 symbolisch für das Ende des freien Weltmarktes?

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Pakete mit dem Text "MADE IN USA" auf dem Förderband in einer Lagerhalle.
Rechte Globalisierungskritik setzt nicht beim Schutz von Mensch und Natur an, sondern beim Schutz des heimischen Profits vor ausländischer Konkurrenz. Foto: IMAGO / Depositphotos

Der neue US-Präsident Donald Trump tritt zum zweiten Mal sein Amt an und die Wirtschaftswelt ist tief verunsichert. Denn Trump hat nicht nur die massenhafte Deportation von Migrant*innen angekündigt – was Unternehmen und Politik vor allem beunruhigt, sind die Importzölle. Trump hat angedroht, er werde sofort nach Amtsantritt Zölle für Waren aus Mexiko und Kanada um 25 Prozent erhöhen. Auf chinesische Güter soll ein Zoll von 60 Prozent erhoben werden und auf Güter aus dem Rest der Welt – also auch aus Europa – 20 Prozent. Der 20. Januar, so der Ungleichheitsforscher Branko Milanovic, «steht damit symbolisch für das Ende der neoliberalen Globalisierung», also des freien Weltmarktes.

Kritik am Freihandel war früher mal eine linke Domäne. Die «globalisierungskritische» Bewegung wandte sich gegen eine Politik, die den Unternehmen alle Schranken aus dem Weg räumte bei der Benutzung der weltweiten Arbeitskraft und der Umwelt zum Wohle des Profits. Zwischen den Standorten begann damit ein verschärfter Kampf um Investorengelder, in dessen Folge Steuern, Sozialausgaben und Umweltstandards gesenkt wurden. Die Kritik von links hatte allerdings immer schon den Nachteil, dass sie nach rechts offen war: Auch Nationalisten wenden sich gegen die «Globalisten», fordern den Schutz der «Heimat» vor dem Ausland und den «Ausländern», die «uns» ausbeuten.

Globalisierungskritik ist jetzt Heimatschutz

An diesem Punkt setzt auch Trump an. Bereits in seiner ersten Amtszeit ab 2017 führte er Außenzölle insbesondere gegen China ein, die auch von seinem Nachfolger Joe Biden nicht abgeschafft wurden, im Gegenteil: Biden erließ zahlreiche weitere Handelsbeschränkungen und Sanktionen, mit denen Chinas Aufstieg gebremst werden sollte. Der US-Regierung ging es dabei aber weniger um den Schutz der heimischen Lohnabhängigen vor Ausbeutung oder um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Sondern um den Schutz des heimischen Kapitals, dessen Erfolg gesichert werden sollte.

Für diesen Erfolg wurden auch die Arbeitnehmer*innen der USA verplant: als produktive Ressource. «Es gibt keinen Grund, warum die amerikanischen Arbeiter nicht den Rest der Welt niederkonkurrieren könnten», sagte Biden. «Was sie dafür brauchen ist eine Regierung, die ihnen dazu die Mittel an die Hand gibt.» Und auch die Umwelt soll durch die Zölle nicht geschützt, sondern rentabel verwertet werden, und zwar durch US-Unternehmen. Trump hat angekündigt, zahlreiche Umweltschutzvorschriften zu streichen und die Förderung von Öl und Gas in den USA zu fördern.

US-Unternehmen gewinnen, US-Haushalte verlieren

Rechte Globalisierungskritik setzt also nicht beim Schutz von Mensch und Natur an, sondern beim Schutz des heimischen Profits vor ausländischer Konkurrenz. Für diesen Zweck bringt Washington seine Weltmacht in Stellung und damit stärkt es gleichzeitig die materielle Basis seiner Weltmacht, das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Dieses Programm ist erfolgreich: Das US-BIP ist seit der Corona-Pandemie um über elf Prozent gewachsen, das deutsche hat dagegen stagniert. Das BIP pro Kopf der Bevölkerung ist in den USA etwa 60 Prozent höher als hier zu Lande, das bedeutet: Jede*r US-Bürger*in produziert 60 Prozent mehr Wirtschaftsleistung als die Deutschen. Davon kommt bei ihnen allerdings wenig an: Bei zehn von 15 wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren steht Deutschland besser da als die USA, zum Beispiel bei Gesundheit und Lebenserwartung, bei Sicherheit, Gleichstellung und bei der Arbeitszeit: Die Amerikaner*innen produzieren viel, müssten aber auch pausenlos schuften.

Dass die US-Zölle kein Sozialprogramm für die Bevölkerung sind, sieht man auch daran, wer am Ende für sie zahlt: die Haushalte in den Vereinigten Staaten. Denn die Zölle machen billige Auslandswaren teurer, die Konsument*innen müssen für sie daher mehr bezahlen. Oder sie weichen auf Güter inländischer Produktion aus, die allerdings teurer sind als die Importware – deswegen werden die Zölle ja eingeführt. Das kostet einen durchschnittlichen US-Haushalt viele Tausend Dollar pro Jahr. Profiteure sind die US-Unternehmen. Das Nachsehen haben die Unternehmen in anderen Ländern – zum Beispiel beim Exportland Deutschland, das sich durch die Zölle benachteiligt sieht und daher über sie klagt.

Regulierung ist nicht per se gut und Deregulierung nicht per se schlecht. Es kommt auf den Zweck der Handelsregulierung an.

Aus linker Perspektive zählt also weniger die Frage «mehr oder weniger Freihandel?». Regulierung ist nicht per se gut und Deregulierung nicht per se schlecht. Es kommt auf den Zweck der Handelsregulierung an. Besteht dieser Zweck in der Erzielung von Maximalprofit, haben die Lohnarbeitenden weltweit immer das Nachsehen und können nur darauf hoffen, dass ihre heimischen Unternehmen den Kampf um Marktanteile gewinnen, damit Armut und Arbeitslosigkeit in anderen Ländern anfallen.

Eines noch: Wenn Standorte Importzölle einführen, dann beschränken sie damit den Zugang ausländischer Konkurrenten zu ihrem Markt. Ausländische Ware soll Nachteile erhalten, inländische Ware dagegen bevorzugt werden. Es geht also um den Kampf eines gigantischen Warenangebots um eine beschränkte zahlungsfähige Nachfrage der Käufer*innen. Ein Grundproblem, mit dem die Welthandelspolitiker*innen konfrontiert sind, ist also kein Mangel an Gütern, sondern ein riesiger Überfluss. Dass dieser Überfluss zu Weltwirtschaftskrieg und echten Kriegen führt, ist eine spezielle Absurdität des Kapitalismus. Die Lösung des Problems bestünde in einer demokratischen Planung der Produktion weltweit. Das klingt innerhalb des herrschenden Systems natürlich illusorisch. Aber selbst, wenn es so ist: spricht das gegen die Lösung oder gegen das System?