Hintergrund | Rosalux International - Krieg / Frieden - USA / Kanada - Brennpunkt USA Trump: Außenpolitik als Nullsummenspiel

Schon vor seinem Amtsantritt am 20. Januar des Jahres hatte Donald Trump mit Annexionsfantasien gegenüber Kanada, Grönland und Panama aufhorchen lassen. Was ist von seiner zweiten Amtszeit außenpolitisch zu erwarten? Eine Analyse von Julia Gledhill.

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Julia Gledhill,

Donald Trump und Benjamin Netanjahu bei der Unterzeichnungszeremonie des Abraham-Abkommens im Weißen Haus, 15.09.2020.
Donald Trump und Benjamin Netanjahu bei der Unterzeichnungszeremonie des Abraham-Abkommens im Weißen Haus, 15.09.2020.
 
 

 

 

Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire

Mit seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl schockierte Donald Trump im Jahr 2016 die Welt. Ein Grund für seinen Erfolg lag darin, dass er im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten war, die scheinbar ewig dauernden Kriege der USA zu beenden und «Amerika wieder groß» zu machen («Make America Great Again»). Im Jahr 2024 gewann er die Präsidentschaftswahl als erster Republikaner seit zwanzig Jahren mit einer Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Sein Erfolg war teilweise darauf zurückzuführen, dass er die Demokratische Partei als Kriegstreiber kritisiert hatte, der das Ansehen der USA weltweit in den Schmutz ziehe.

Julia Gledhill arbeitet als Research Associate für das National Security Reform Program am Stimson Center in Washington DC.

Sein beeindruckender Wahlsieg bewies, dass 2016 keine Anomalie war, und dass eine militärisch zurückhaltende Außenpolitik bei beachtlichen Teilen der US-amerikanischen Öffentlichkeit Anklang findet. Doch Trumps Bilanz lässt ernsthafte Zweifel daran aufkommen, ob er und seine Gefolgsleute tatsächlich militärische Zurückhaltung üben, die Gefahr von Konflikten verringern oder eine Außenpolitik betreiben werden, die der US-Bevölkerung nützt – ganz zu schweigen vom Rest der Welt. In diesem Beitrag wird Trumps politische Rhetorik mit der Realität konfrontiert, um der Frage nachzugehen, was Trumps Außenpolitik ist und wohin sie führt.

Illiberale Hegemonie

Einige Politikwissenschafter*innen zögern jedoch, Trump im Bereich der internationalen Beziehungen zu verorten. Er frustriert sowohl die Verteidiger*innen der liberalen Hegemonie der USA – also des Status quo in der US-Außenpolitik – als auch deren Kritiker*innen. Liberale Hegemonie ist die Aufrechterhaltung der globalen Dominanz bzw. des Primats der USA, die die mit der nationalen Sicherheit befassten Eliten des Landes seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschäftigt.

Posen stellte 2018 die These auf, Trumps Großstrategie sei die einer illiberalen Hegemonie. Demnach hat Trump die sogenannte regelbasierte Ordnung, die auf der internationalen Vormachtstellung der USA beruht, nicht verteidigt, sondern offen attackiert. Er zog die Vereinigten Staaten aus vielen internationalen Abkommen zurück, darunter aus dem Pariser Klimaabkommen, dem UN-Menschenrechtsrat, der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie aus der Transpazifischen Partnerschaft. Außerdem übte er scharfe Kritik an der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO). Zusammenfassend ließe sich mit Posen sagen, dass Trump auf eine amerikanische «Vormachtstellung um ihrer selbst willen» aus war.

Die Außenpolitik Trumps ist – auch wegen seiner irrgeleiteten strategischen Herangehensweise – unberechenbar. Posen begreift sie als Strategie der illiberalen Hegemonie. Andere Politikwissenschafter*innen sind sich dagegen unsicher, ob Trump sich im Gefüge internationaler Beziehungen überhaupt verorten lässt. Er frustriert sowohl Verfechter*innen der liberalen Hegemonie der USA — also des Status quo US-amerikanischer globaler Vorherrschaft, die die mit der nationalen Sicherheit befassten Eliten der USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschäftigt – als auch deren Kritiker*innen.

Trumps Markenzeichen als Kandidat war 2016 seine Rolle als Außenseiter, der gegen das Establishment antritt – gegen das Netzwerk von Personen im Weißen Haus, im Pentagon, im Kongress, in der Rüstungsindustrie und in der Zivilgesellschaft, das sich der Vorrangstellung der USA verschrieben hat. Er kritisierte den damaligen Präsidenten Barack Obama und die Ex-Außenministerin Hillary Clinton dafür, Amerikas Kriege nach 9/11 ohne Ende fortgesetzt zu haben. Er verurteilte die gescheiterten Nation-Building-Versuche der USA und sagte, dass «wir andere Länder wieder aufbauen, während wir unser eigenes verkommen lassen». Er beschuldigte die NATO-Verbündeten, Japan und Südkorea, kostenlos von den Sicherheitsgarantien der USA zu profitieren, und fügte hinzu, die Vereinigten Staaten hätten «keine klare Vorstellung mehr von unseren außenpolitischen Zielen». Zurecht wies er darauf hin, dass die USA überfordert seien.

Trump hatte in seinem ersten Wahlkampf ‹America First› und das Ende aller Kriege versprochen. Letztendlich aber schrammte er nur haarscharf daran vorbei, einen neuen Krieg zu beginnen.

Das Problem der rückläufigen Solvenz der USA ist im Wesentlichen dem enormen Ausmaß ihrer globalen Ambitionen geschuldet. Fast achtzig Jahre nach ihrem Aufstieg zur internationalen Supermacht halten die Vereinigten Staaten aus reiner Gewohnheit an ihrer liberalen Hegemonie fest. Wie der Historiker Stephen Wertheim schreibt, «wurde die amerikanische Führungsposition, die praktisch unangefochten war, aufrechterhalten von einer politischen Elite und dank einer kollektiven Vorstellung, die diese Führungsposition für die einzige Möglichkeit hält und jede andere Meinung als untragbar zurückweist.»

Von diesem hegemonialen Blickwinkel aus betrifft so ziemlich alles, was Posens eingangs zitiertem Konzept von Sicherheit zuwiderläuft, die nationale Sicherheit der USA. Trump geht mit diesem Thema auf seine Art um, nämlich indem er dem internationalen System den Wert abspricht. Damit kommt er bei vielen Amerikaner*innen gut an. Der Bevölkerung erzählt er, die Küsteneliten würden sich auf ihre Kosten bereichern und dabei ihr eigenes Imperium anstreben. Diese Aussagen passen zu seiner Außenwirtschaftspolitik, die der ehemalige Chefstratege des Weißen Hauses, Stephen Bannon, als Trumps «wirtschaftsnationalistische Agenda» bezeichnete.

Die Anziehungskraft des Wirtschaftsnationalismus besteht dem Wirtschaftshistoriker Martin Suesse zufolge darin, dass er «aus der wirtschaftlichen Ungleichheit international wie auch im Inland Kapital schlagen kann». Wirtschaftsnationalist*innen gehen dabei auf unterschiedliche Weise vor. Bannon, der sich selbst als «General der globalen Populisten» bezeichnet, meint, «nicht das amerikanische Volk ist es, das Billionen von Dollar verpulvert, um Ländern gegen ihren Willen eine Demokratie aufzudrücken [...], die Leute werden von einer Elite verarscht, die sich nicht um sie kümmert und die nichts mit ihnen zu tun hat.» Daran ist etwas Wahres. Der Experte für internationale Beziehungen Van Jackson schreibt, «die hegemoniale amerikanische Ordnung fordert ihren Preis. Es sind die Arbeiter*innen in Amerika, die dafür bezahlen.» Diesen Umstand nutzt Trump zum Vorteil der Wenigen und zum Nachteil der Vielen.

Trump bedient sich der berechtigten Kritik an der neoliberalen Globalisierung und trägt dabei doch nur zur Aufrechterhaltung eines Wirtschaftssystems bei, das Konzerne und ihre Zuträger bereichert – zum Nachteil der arbeitenden Bevölkerung. Nationalistische Wirtschaftspolitik, und dazu gehört Protektionismus, führt zu steigenden Lebenshaltungskosten. Für inländische Hersteller erhöht sich dadurch die Nachfrage, und die Konkurrenz geht zurück – was meist ihre Gewinne steigert. Trotz seines populistischen Anstrichs ist Wirtschaftsnationalismus gefährlich, und er schadet der US-amerikanischen Bevölkerung.

Außenpolitik als Nullsummenspiel

Trump vermischt überdies seine eigenen Sonderinteressen mit den Interessen der amerikanischen Öffentlichkeit. Dies ist teilweise auf sein unstillbares Bedürfnis zurückzuführen, von anderen nicht nur respektiert, sondern auch gelobt und gefeiert zu werden. Oft wurde darauf hingewiesen, dass man Trumps psychischen Zustand nicht beurteilen kann, wenn man sich nur mit seinen Äußerungen befasst. Klar ist jedoch, dass Trump ein zutiefst unsicherer Mann ist, den selbst die plumpsten Komplimente beeindrucken können. Als Oberbefehlshaber und letztlich Gesicht der Nation im Ausland stellt er ein ernsthaftes Risiko dar.

Für Trump besteht die Welt aus Gewinnern und Verlierern. Solch ein binäre Sicht geht auf ein sehr simples Verständnis der diplomatischen, Handels- oder Sicherheitsbeziehungen der USA mit anderen Ländern zurück. Wie die Sozialwissenschaftler Christopher A. Preble, John Glaser, und A. Trevor Thrall schreiben, ist Trumps Weltsicht von seiner Obsession mit seinem Ruf durchdrungen. Sie bezeichnen sie als «zero-sum transactional worldview», als eine Sicht auf die Welt, die Interaktionen als Nullsummenspiel begreift, in dem der Gewinn der einen den Verlust der anderen bedeutet. Diese Weltsicht prägt seine Wirtschafts- und Außenpolitik, seinen Hang zum Handelsprotektionismus und seine Skepsis gegenüber Verbündeten. Sie macht die Vereinigten Staaten anfällig für seine Launen, ob sie nun im Interesse der US-amerikanischen Öffentlichkeit liegen oder nicht.

Nehmen wir beispielsweise den Vorschlag Polens, dort während Trumps erster Amtszeit eine ständige US-Militärbasis einzurichten. Der damalige polnische Präsident Duda schlug vor, den Stützpunkt «Fort Trump» zu nennen. Oder nehmen wir Saudi-Arabien und Japan. Auf der Wahlkampftour 2016 rügte Trump beide Länder dafür, nicht genug für Verteidigung auszugeben. Als er ins Weiße Haus einzog, rollte Saudi-Arabien ihm buchstäblich einen roten Teppich aus, und Japan schenkte ihm einen vergoldeten Golfschläger. Am Ende lobte Trump die Beziehungen der USA zu Saudi-Arabien als Segen für US-Rüstungsunternehmen wegen ihrer Waffenverkäufe an das Land. Und seine Kritik an Japan wurde leise. Mit Schmeicheleien kommt man bei Donald Trump offenbar gut an.

Wie Trump Außenpolitik betreibt, lässt sich allerdings nicht auf seine Launen reduzieren. Natürlich gibt es weitere Faktoren. Einige Wissenschaftler*innen haben darauf hingewiesen, dass das Dominanzstreben ein prägendes Merkmal der staatlichen Bürokratien ist, die seit über 70 Jahren darauf ausgerichtet sind, die globale Vormachtstellung der USA zu sichern. Trump hielt am Hegemonialanspruch seiner Vorgänger großenteils fest. Wie der Politikwissenschaftler Stephen Walt schrieb, «machte Trump sich letztendlich die problematischsten Aspekte der liberalen Hegemonie zu eigen – die übermäßige Betonung militärischer Gewalt, die Missachtung diplomatischer Bemühungen und eine Neigung zum Militarismus. Die positiven Elemente, wie die Förderung von Menschenrechten und der Erhalt einer offenen, auf Regeln basierenden Weltwirtschaft, ließ er außer Acht.»

Trumps erste Amtszeit

Trump hatte in seinem ersten Wahlkampf «America First» und das Ende aller Kriege versprochen. Letztendlich aber schrammte er nur haarscharf daran vorbei, einen neuen Krieg zu beginnen. Der nicht enden wollende «Krieg gegen den Terror» ging auch unter Trump weiter. Nach dem Vorbild Obamas ordnete er mörderische Angriffe im Ausland an. Sie sind eine Fortsetzung von Amerikas 9/11-Kriegen, fallen der US-Bevölkerung aber weniger auf, weil dabei keine Bodentruppen eingesetzt werden. Trump eskalierte die Angriffe und sorgte gleichzeitig dafür, dass sie kaum mehr nachvollziehbar waren.

Zwar hatte Trump die militärische Besetzung Afghanistans durch die USA immer wieder kritisiert, weil er sie vor allem als Verschwendung ansah, aber er erhöhte die dortige US-Truppenpräsenz und unterzeichnete dann eine Vereinbarung mit den Taliban, die die Truppen nur geringfügig reduzierte. Trump bekundete seine Absicht, US-Truppen aus dem Irak und Syrien abzuziehen, was in beiden Fällen aber nicht erfolgte.

Was der breiten Öffentlichkeit wohl am meisten auffiel, war Trumps rücksichtsloser Umgang mit US-Bündnispartnern. Ihnen warf er vor, die USA und deren Sicherheitsgarantien auszunutzen, während er autoritäre Staatchefs wie Russlands Wladimir Putin oder Nordkoreas Kim Jong-un bei mehreren Gelegenheiten lobte. Entgegen seiner früheren Kritik an der NATO erweiterte Trump das Bündnis durch die Aufnahme von Montenegro und Nordmazedonien. Allerdings sorgte sein Unmut über NATO-Mitglieder, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkamen, auch dafür, dass Europa seine eigenen Verteidigungsausgaben zu überdenken begann.

Die meisten Beobachter*innen werden sich auch an Trumps Handelskrieg gegen China erinnern, der das Land indes kaum von der Überproduktion von Waren und deren Dumping auf dem Weltmarkt abhielt. Stattdessen schossen für amerikanische Verbraucher*innen die Preise in die Höhe. Wie Ali Wyne von der International Crisis Group feststellt, könnte Trumps Handelskrieg mit China – den Biden fortsetzte – sogar den Niedergang der USA beschleunigen. Eine unbeabsichtigte Folge des Zollschutzes ist demnach der Rückgang des Handelsvolumens. Unterm Strich isoliert der Protektionismus die Vereinigten Staaten, indem er zur Schwächung ihrer Wirtschaftskraft führt. Dagegen stärkt er China als globales Produktionszentrum und wichtiger Kreditgeber in Asien.

Rhetorisch lässt Trump seine Vorliebe für militärische Zurückhaltung gern durchklingen. Das ist mehr, als viele in Washington DC von sich behaupten können, auch wenn es weitgehend oberflächlich und politisch opportunistisch ist.

In der Atompolitik riskierte Trump einen Krieg mit Nordkorea, indem er den nordkoreanischen Führer Kim Jong-un auf Twitter beleidigte. Zudem stiegen die USA unter Trump aus dem Iran-Atomabkommen aus. Dieser Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) war von der Obama-Regierung ausgehandelt worden, um dem Iran Atomwaffen zu verwehren. Stattdessen betrieb die Trump-Regierung eine Politik des «maximalen Drucks»: Die USA verhängten unilaterale Sanktionen, die die iranische Bevölkerung schwer trafen. Tatsächlich rückte Trumps angeblich «beserer Deal» den Iran in greifbare Nähe zu Atomwaffen. Seine Amtszeit beendete er mit einer Anordnung, die ohne Zustimmung des Kongresses erfolgte und einem Krieg gegen den Iran gleichkam: mit dem Mord am zweitmächtigsten Mann im Iran, Qasem Soleimani.

Unter Präsident Trump kündigten die USA darüber hinaus den historischen Vertrag über atomare Mittelstreckensysteme (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty) auf. Unterzeichnet hatten ihn 1987 Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow. Er sollte der Stationierung bestimmter Raketen Grenzen setzen. Die unter Obama geplante Modernisierung der drei Elemente der nuklearen Triade verfolgte er mit Nachdruck weiter – eine strategisch überflüssige und grobe Verschwendung staatlicher Ressourcen.

Diese Darstellung kann die Außenpolitik Trumps in seiner ersten Amtszeit nicht erschöpfend behandeln. Doch eine kurze Analyse seiner außenpolitischen Bilanz zeigt, dass er militärischer Zurückhaltung immer wieder das Wort redet, aber auf keinen Fall ihr Verfechter ist. Wer sicherheitspolitischen Herausforderungen wirklich mit Umsicht begegnen will, verzichtet konsequent auf den Einsatz militärischer Gewalt und vergrößert stattdessen die diplomatischen Kapazitäten. Trump hingegen höhlte in seiner ersten Amtszeit das Außenministerium aus und sorgte für die Erhöhung des Pentagon-Haushalts.

Trump 2.0

Mit Trump schwappt Reality-TV in das mächtigste Amt der Welt. Man kann ihn fast hören, wie er dort «You’re fired!» brüllt. In der Tat feuerte er in seiner ersten Amtszeit vier Stabschefs und vier Nationale Sicherheitsberater. Gleichwohl sollte man zum jetzigen Zeitpunkt – basierend auf Trumps Personalentscheidungen – nicht allzu viele Vorhersagen über seine zweite Amtszeit treffen. Mehrere von Trumps Wunschkandidaten haben im Laufe der Jahre in zentralen Fragen beliebig die Meinung gewechselt – einschließlich ihrer Haltung zum Präsidenten selbst. Ob sie sich in der neuen Trump-Regierung halten können, hängt wohl von ihrer Loyalität zu Trump selbst ab, das heißt davon, ob sie ihre politischen Ansichten willkürlich zu ändern bereit sind.

Kein Zweifel kann jedenfalls daran bestehen, dass die Trump-Regierung ungeheure Summen in den nationalen Sicherheitsstaat stecken wird – wie alle anderen Regierungen in der jüngeren Geschichte auch. Auf seiner Wahlkampfwebseite von 2024 prahlte Trump, er habe in seiner ersten Amtszeit «die US-Militärmacht vollständig wiederaufgebaut und Amerika global zu solcher Stärke verholfen, dass überall auf der Welt der Frieden ausbrach und wir Frieden durch Stärke hatten.» Das Mantra «Frieden durch Stärke» hatte Trump aus der Reagan-Ära übernommen. Wiederholt beschwor er es, und viele Republikaner haben es sich zu eigen gemacht. Mit Schlagworten wie diesen rechtfertigen sie hochriskante Vorhaben wie die Ausgabenerhöhung für nationale Sicherheit um Billionen von Dollar in den kommenden zehn Jahren.

In seiner Wahlsiegesrede 2024 erklärte Trump: «Wir wollen ein starkes und mächtiges Militär, und im Idealfall brauchen wir es nicht einsetzen». Der zweite Teil dieser Aussage findet bei einer breiten Masse von Amerikaner*innen Anklang – er hat die Wahl durchaus beeinflusst. Aber seine Glaubwürdigkeit als Interventionsgegner geht gegen Null. Rhetorisch lässt er seine Vorliebe für militärische Zurückhaltung gern durchklingen. Das ist mehr, als viele in Washington DC von sich behaupten können, auch wenn es weitgehend oberflächlich und politisch opportunistisch ist.

Dasselbe gilt für Trumps Stellvertreter, den gewählten Vizepräsidenten JD Vance. Im Großen und Ganzen ist er ein Falke: Er befürwortet die volle Unterstützung Israels, eine militärische Intervention in Mexiko, eine harte Linie gegenüber dem Iran und einen militärisch orientierten Ansatz zur Eindämmung Chinas. Allerdings war Vance auch einer der lautstärksten Kritiker der Ukraine-Politik der Biden-Regierung. Im April 2024 schrieb er, keine noch so große US-Militärhilfe werde das Blatt im Krieg der Ukraine gegen Russland wenden, weil die Ukraine nicht über die nötigen personellen Ressourcen verfüge. Dieses Argument bringen Befürworter*innen einer verhaltenen Militärpolitik vor, um ein schnelleres Ende des Krieges zu fordern, auch wenn sie gleichzeitig den Schrecken der russischen Invasion in der Ukraine und das Recht des Landes auf Souveränität anerkennen.

Nur eins darf als sicher gelten für die zweite Trump-Regierung: dass fast alles möglich ist.

Es ist unklar, welche Rolle Vance bei der Gestaltung der US-Außenpolitik spielen wird. Er ist jedenfalls nicht der Einzige, der einzelnen Aspekten militärischer Besonnenheit gelegentlich zustimmt. Beispielsweise wandte sich der Abgeordnete Mike Waltz, Trumps Wunschkandidat für das Amt des Nationalen Sicherheitsberaters, gegen den Einsatz von Raketen aus US-Produktion durch das ukrainische Militär für Angriffe auf russisches Territorium, den die Biden-Regierung genehmigt hatte. Er sprach von «einer weiteren Stufe auf der Eskalationsleiter» und sagte: «Niemand weiß, wohin das führt». Als Tulsi Gabbard, Trumps Kandidatin für die US-Geheimdienstkoordination, im Jahr 2020 die Nominierung zur (demokratischen) Präsidentschaftskandidatin anstrebte, bezeichnete sie sich als Falke, «wenn es um den Krieg gegen Terroristen geht», und als Taube, «wenn es um kontraproduktive Regimewechsel-Kriege geht».

In der Iran-Politik sind sowohl Waltz als auch Senator Marco Rubio, Trumps Kandidat für das Amt des Außenministers, Verfechter einer ausgesprochen harten Linie. Voraussichtlich wird Rubio auch gegenüber zentral- und südamerikanischen Ländern eine kompromisslose Haltung einnehmen. Ein Experte meint, Rubio sei ausgesprochen «antikubanisch, antinicaraguanisch und antivenezolanisch» eingestellt. Zudem kritisierte Rubio den kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro und den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva scharf. Wenn es um Mexiko geht, hat Rubio gegen die Entsendung von US-Truppen zum Kampf gegen die dortigen Drogenkartelle nichts einzuwenden. Und das, obwohl die überwältigende Mehrheit illegaler Drogen von US-Bürger*innen über die offiziellen Grenzpunkte geschmuggelt wird.

Trumps Kandidat für die Leitung des Verteidigungsministeriums, Pete Hegseth, interessiert sich anscheinend vorrangig für kulturelle Fragen – er nennt sie «woke». Ein Blick in sein Buch zeigt zudem, dass ihm an Zahlen und Fakten nicht viel gelegen ist. Denn War and Warriors enthält kaum Zitate. Dafür liefert es Einblicke in Hegseths Weltanschauung, etwa wenn er schreibt, dass «kein General in den Vereinigten Staaten innerhalb von zehn Jahren nach seinem Ruhestand in der Rüstungsindustrie arbeiten dürfen sollte» – ein mutiger Vorschlag, der die Karenzzeit für Pentagon-Beamte, die nach dem Ausscheiden aus dem Beruf wie durch eine Drehtür in die Wirtschaft abwandern, erheblich verlängern würde. Ansonsten gibt es in Bezug auf Hegseth wenig Grund für Optimismus. Für den Job als Leiter der größten US-Regierungsbehörde fehlt ihm die Erfahrung. Unabhängig davon ist seine erkennbare Verachtung für die Korruption der Verteidigungspolitik durch Unternehmen begrüßenswert.

Elbridge Colby, der «Ideenmann» der Republikanischen Partei, ist von Trump für den Posten des für Politik zuständigen Staatssekretärs im Pentagon nominiert worden. In der ersten Trump-Regierung war er als stellvertretender Assistent im Verteidigungsministerium mit der Erarbeitung strategischer Leitlinien befasst. Darin hieß es, «die zentrale Herausforderung für den Wohlstand und die Sicherheit der USA ist die Rückkehr des langfristigen, strategischen Wettbewerbsverhältnisses [zu China und Russland]». In einem später erschienenen Buch stellte Colby die Forderung auf, die USA sollten ihren Fokus von Europa und dem Nahen Osten abwenden und stattdessen daran arbeiten, China die Vormachtstellung in Asien zu «verweigern». Zwar sticht er im Vergleich zu Trumps anderen Auswahlentscheidungen für den Bereich der nationalen Sicherheit deutlich hervor – insbesondere weil er einen Krieg mit dem Iran ablehnt. Aber er ist dennoch ein Befürworter der US-Dominanz im Indo-Pazifik und teilt insofern den maximalistischen Ansatz zur Eindämmung Chinas, der von einer Fixierung auf «Wettbewerb» geprägt ist, anstatt auf eine nationale Erneuerung ausgerichtet zu sein.

Nur eins darf als sicher gelten für die zweite Trump-Regierung: dass fast alles möglich ist. In den Wochen vor seiner Amtseinführung schlug der designierte Präsident die Annexion Kanadas durch die USA und die Umbenennung des Golfs von Mexiko in «Golf von Amerika» vor, was beide US-Nachbarn sofort abwiesen. Darüber hinaus verlangte Trump die Übernahme der Kontrolle über den Panamakanal sowie den Kauf von Grönland, wobei er den Einsatz militärischer Gewalt explizit nicht ausschloss. Die meisten dieser Äußerungen sind nichts Neues, und sie unterstreichen über seine Bilanz hinaus einmal mehr, dass Trump keiner ist, der sicherheitspolitisch auf die Bremse treten wird. Sie spiegeln unmissverständlich die Rücksichtslosigkeit wider, mit der er in der Weltpolitik seine Sicht von «America First» durchsetzen will.

«America First»

Zu ersten Mal verwendete Trump den Slogan «America First» im Präsidentschaftswahlkampf 2016. Damals erklärte er: «Meine Außenpolitik wird immer die Interessen des amerikanischen Volkes und die Sicherheit der USA über alles andere stellen. Das muss klar sein: Amerika muss immer an oberster Stelle stehen.» Obwohl Trump den Einmarsch der USA in den Irak anfangs für eine kurze Zeit befürwortet hatte, wovon er sich später distanzierte, präsentierte er sich als Antikriegskandidat. Damit hängte er die Messlatte relativ hoch, vor allem, wenn man bedenkt, dass er im Unterschied zu Hillary Clinton zu diesem Zeitpunkt über keinerlei Regierungserfahrung verfügte.

Bemerkenswerterweise setzte Trump 2024 erneut auf diese Karte, obwohl er die USA während seiner ersten Amtszeit nah an den Rand eines Krieges mit dem Iran und Nordkorea gebracht und die Bombardierungen der US-Luftwaffe im Nahen Osten ausgeweitet hatte. Auch sonst war er nicht gerade zimperlich mit anderen Staatschefs umgegangen. Dass er sich in diesem Wahlkampf erneut erfolgreich als Antikriegskandidat ausgeben konnte, hat zumindest partiell mit dem Unvermögen der Biden-Regierung zu tun. Diese hat praktisch nichts Konstruktives dazu beigetragen, den Krieg in der Ukraine oder das, was Amnesty International als Völkermord Israels an den Palästinenser*innen im Gazastreifen bezeichnete, zu beenden. Von daher hat die Biden-Regierung dem designierten Präsidenten Trump reichlich Gelegenheit gegeben, sich als jemand zu positionieren, der nicht nur willens und in der Lage ist, für Frieden zu sorgen, sondern endlich auch etwas gegen die angeblich «offenen Grenzen» zu unternehmen.

Trump hat seine migrationsfeindlichen Positionen in den fast zehn Jahren, die seit seiner ersten erfolgreichen Präsidentschaftskandidatur vergangen sind, beibehalten. Im Jahr 2016 versprach er noch, eine Mauer an der US-Grenze zu Mexiko errichten zu lassen – ein Vorhaben, das er nicht umsetzen konnte und das bereits unter der Regierung von George W. Bush gescheitert war. Das mag der Grund dafür sein, dass Trump beim Thema eine gewisse Schwerpunktverlagerung vorgenommen hat. Seiner offiziellen Wahlkampfwebseite zufolge hat derzeit oberste Priorität, «die Grenzen dichtzumachen und die Völkerwanderung in die USA zu stoppen». An zweiter Stelle nennt er sein Vorhaben, «die größte Abschiebekampagne in der amerikanischen Geschichte durchzuführen».

Der Plan mit dem Bau der Mauer mag ein Fehlschlag gewesen sein, aber Trump setzt weiter auf Abschottung. Er behauptet, es seien die Einwanderinnen und Einwanderer, die die Kriminalität in die USA bringen und den Einheimischen ihre Arbeitsplätze stehlen würden. Und das ungeachtet der Tatsache, dass Migrant*innen, insbesondere Menschen ohne Papiere, weitaus seltener Gewaltverbrechen begehen als US-amerikanische Staatsbürger*innen, und ungeachtet dessen, dass die Wirtschaft in den USA ohne ihre Arbeitskraft von einem Tag auf den anderen einfach zusammenbrechen würde. Doch Trumps extreme Hetze gegen Einwanderung hat historische Vorbilder in der US-amerikanischen Politik.

Sowohl die Bilanz von Trumps erster Amtszeit, als auch der Kreis der Loyalist*innen, mit dem er sich gegenwärtig umgibt, deuten darauf hin, dass er sich in den kommenden Jahren erneut dem Militarismus verschreiben wird – zum Nachteil des eigenen Landes und der ganzen Welt.

Es gibt einen Politiker, der für die groben Linien von Trumps Wahlkampfstrategie Pate stand: Pat Buchanan, ein umtriebiger Paläokonservativer, dreimaliger Präsidentschaftskandidat und ehemaliger Berater der Präsidenten Richard Nixon, Gerald Ford und Ronald Reagan. Bereits im Jahr 2000, als Pat Buchanan sich wieder einmal erfolglos für die Präsidentschaftskandidatur der Reformpartei bewarb (und damals kurzzeitig mit Trump konkurrierte), hatte er dazu aufgerufen: «Make America First Again.» Dabei erinnerte Buchanans Slogan bewusst an die America-First-Bewegung in den 1930er Jahren, die gegen den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg mobilisiert hatte.

Während seiner vorangegangenen Kandidatur für das Präsidentenamt im Jahr 1992 hatte Buchanan zudem vor der «Invasion» von «mindestens einer Million Illegaler pro Jahr» gewarnt. In den 1980er Jahren war er noch einen Schritt weitergegangen und hatte die Bevölkerung dazu aufgerufen, nur noch US-amerikanische Produkte zu kaufen («Buy American»). Er hatte außerdem verlangt, Zölle auf Exporte aus Japan zu erheben (was damals den Vorstellungen der meisten Globalisierungsgegner*innen entsprach) sowie Schutzzölle gegen Mexiko einzuführen, was zu jener Zeit eine neue Forderung war. Buchanan schrieb sogar, dass nichts dagegen spräche, «wenn die Amerikaner von einer Republik träumten, die im Jahr 2000 [Teile Kanadas] sowie die größte Insel der Welt, Grönland, umfasst». Allerdings billigte er nicht die Anwendung von Gewalt, um dieses Ziel zu verfolgen.

Jahrzehnte später ist Buchanans weitreichender Einfluss auf die Rechte in den USA kaum mehr zu übersehen. Nach Einschätzung des ehemaligen Redaktionsleiters von AntiWar.com Justin Raimondo hat Buchanan «fast im Alleingang den Aufstieg einer nichtinterventionistischen Strömung unter den Konservativen befördert». Ebenso war er einer der ersten Konservativen in den USA, der sich gegen den Freihandel aussprach. Martin Suesse zufolge lassen sich Buchanans Positionierungen als «Vorboten von Trumps Populismus» deuten. Er habe bereits frühzeitig «die politische Ökonomie als einen Kampf zwischen den globalen Eliten und den lokalen Bevölkerungen dargestellt». Diese Überzeugung steckt hinter den Verschwörungstheorien und Aufforderungen, endlich «den Sumpf trockenzulegen» oder den sogenannten tiefen Staat zu bekämpfen, die für Trump genauso typisch sind wie der Schlachtruf «America First».

«America First» ist jenseits von Pat Buchanan ein Slogan mit weit zurückreichenden populistischen Wurzeln. Bei Trump handelt es sich allerdings nicht um mehr als einen anbiedernden inhaltsleeren Appell. Er verwendet ihn, um sich als Kriegsgegner zu gerieren, während er gleichzeitig für einen chauvinistischen Wirtschaftsnationalismus eintritt. Dieser Tradition folgend bezieht sich Trump auf reale ökonomische Missstände, um bei seiner Wählerschaft zu punkten. Statt den Wohlstand der US-Bevölkerung zu mehren und damit einem zentralen Versprechen seines Wahlkampfs nachzukommen, bedroht Trumps America-First-Ansatz deren wirtschaftliches Wohlergehen, indem er die Lebenshaltungskosten durch Inflation und letztlich höhere Zinssätze nach oben treibt. Zugleich wächst die Gefahr neuer globaler Konflikte.

Noch ist nicht alle Hoffnung verloren

Sowohl die Bilanz von Trumps erster Amtszeit, als auch der Kreis der Loyalist*innen, mit dem er sich gegenwärtig umgibt, deuten darauf hin, dass er sich in den kommenden Jahren erneut dem Militarismus verschreiben wird – zum Nachteil des eigenen Landes und der ganzen Welt. In zentralen Fragen der nationalen Sicherheit wird die neue Trump-Regierung wohl eher unnachgiebige Positionen vertreten und damit globale Konflikte verschärfen, obwohl es hier und da auch Überschneidungen zu Haltungen gibt, die militärische Zurückhaltung nahelegen. Insbesondere Angehörige des Kabinetts wie Vance unterstützen die Besatzungs- und Expansionspolitik Israels, während andere wiederum Militärschläge gegen den Iran oder gar Mexiko vorantreiben könnten. Rubio, Walz und Colby sind extreme Falken, vor allem, was das Verhältnis zu China betrifft, gegen das sie aggressiver auftreten wollen, auch wenn die Notwendigkeit der Zusammenarbeit wächst.

Dennoch ist noch nicht alle Hoffnung verloren. Forderungen nach militärischer Zurückhaltung haben sich in der Geschichte immer wieder als richtig erwiesen. Und auch während der zweiten Amtszeit von Trump wird es weiterhin möglich sein, auf eine rationalere Außenpolitik zu drängen. Nach fast einem Jahrzehnt provokantester politischer Äußerungen und Ankündigungen sollte das nötige Rüstzeug vorhanden sein, um Trump beim Wort zu nehmen und eine gerechtere Außenpolitik einzuklagen.

Die US-amerikanische Bevölkerung hat für die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus votiert. Das heißt aber noch lange nicht, dass damit eine Kritik des nationalen Sicherheitsestablishments im US-Kongress überflüssig wird oder die Bevölkerung eine militaristische Ausrichtung befürwortet. Das Ergebnis der Wahl im November ist vielmehr auf das Versagen der Biden-Harris-Regierung zurückzuführen, eine vernünftigere Außenpolitik zu verfolgen – eine Politik, die auf den Grundsätzen der militärischen Zurückhaltung beruht und die nicht nur den US-amerikanischen Arbeiter*innen, sondern den Arbeiter*innen überall auf der Welt zugutekommen würde.

Übersetzung von Max Böhnel.