Artikel | Was ist eigentlich Fachkräftemangel?

Der Effekt der alternden Gesellschaft lässt sich durch längere Arbeitszeiten nicht mehr ausgleichen.

Gastronomiebetrieb mit Schild "Wegen Personalmangel vorübergehend geschlossen"
Die Gastronomie leidet stark unter Fachkräftemangel. Foto: IMAGO / Funke Foto Services

Wir leben in extrem politisierten Zeiten. Die Diskussionen ändern sich schnell und sind oft hitzig. Manchmal werden absichtlich falsche Behauptungen aufgestellt, und es ist nicht immer leicht, Fake News von Fakten zu unterscheiden. In unserer Serie «Was ist eigentlich …? Politische Grundlagen zum Bundestagswahlkampf 2025» erklären wir wichtige Begriffe aus der politischen Diskussion und zeigen, welche Interessen und Konflikte dahinterstecken.

Fachkräftemangel bedeutet, dass Personen mit bestimmten Berufsqualifikationen auf dem Arbeitsmarkt fehlen. In Deutschland ist der Fachkräftemangel insbesondere auf die alternde Gesellschaft zurückzuführen. Ende 2023 waren 25 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung (13,1 Millionen Menschen) zwischen 55 und 65 Jahre alt – gut ein Fünftel mehr als zehn Jahre zuvor. Bis 2050 wird dieser Anteil auf etwa 40 Prozent anwachsen. Inzwischen sind bereits über 300 von etwa 800 Berufsgruppen von Fachkräftemangel betroffen. Eine besondere Herausforderung ist die Pflege, denn während die Anzahl der Pflegekräfte abnimmt, benötigt die alternde Gesellschaft immer mehr Unterstützung.

Um diese Entwicklung auszugleichen, schlagen Politiker*innen regelmäßig Erhöhungen des Rentenalters, Umwandlungen von Teilzeit- in Vollzeitstellen oder die Schleifung des Arbeitszeitgesetzes und damit längere tägliche Arbeitszeiten vor. In Deutschland liegt die Erwerbsbeteiligung aber bereits auf einem sehr hohen Niveau. Der demografische Effekt lässt sich so nicht ausgleichen.

Deswegen geht die Debatte um den Fachkräftemangel stets mit einer Diskussion um Einwanderung einher. Die deutsche Migrationspolitik ist dabei widersprüchlich. In zahlreichen Migrationsabkommen mit sogenannten «sicheren Herkunftsländern» geht es darum, benötigte Arbeitskräfte anzuwerben und zugleich Asylwerber*innen von dort leichter abzulehnen oder abzuschieben. Es wird in jene unterteilt, die der Staat brauche und zugleich werden mit dem Begriff «Wirtschaftsflüchtlinge» jene abgewertet, die sich angeblich zu Unrecht auf der Flucht befinden. Zugewanderten Personen stehen bei der Arbeitssuche außerdem zahlreiche Gesetze im Weg, etwa die «Vorrangprüfung», mit der bei einer Jobzusage erst untersucht wird, ob eine Stelle auch mit einer in Deutschland als arbeitssuchend gemeldeten Person besetzt werden kann.

Stattdessen sollten die Bedingungen für Zuzug und Arbeitsbedingungen für alle verbessert werden. Eine bessere Anerkennung vorhandener Qualifikationen und ein leichterer Zugang zu Bildungsangeboten für zugewanderte Menschen kann der Unterscheidung in «nützliche» und «überflüssige» Einwander*innen entgegenwirken. Nötig sind außerdem flächendeckende Tarifverträge, der Ausbau von Mobilität und Freizügigkeit sowie der Daseinsvorsorge, zum Beispiel durch ausreichend Kita-Plätze.

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