
Wir leben in extrem politisierten Zeiten. Die Diskussionen ändern sich schnell und sind oft hitzig. Manchmal werden absichtlich falsche Behauptungen aufgestellt, und es ist nicht immer leicht, Fake News von Fakten zu unterscheiden. In unserer Serie «Was ist eigentlich …? Politische Grundlagen zum Bundestagswahlkampf 2025» erklären wir wichtige Begriffe aus der politischen Diskussion und zeigen, welche Interessen und Konflikte dahinterstecken.
«Die Brandmauer ist gefallen.» Das war das Fazit nach einem politischen Tabubruch, der sich Ende Januar im Bundestag ereignete. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz leitete zwei Abstimmungen ein, die nur mit den Stimmen der extrem rechten AfD Aussicht auf Erfolg hatten. Durch die zweite wäre zum ersten Mal ein Gesetz mit Hilfe der AfD verabschiedet worden – ein Schritt, der als Lehre aus dem Faschismus bisher verpönt war. Dass es dazu knapp nicht kam, lag an fehlenden Stimmen aus CDU und FDP. Aber der Schaden war angerichtet, zumal Merz’ Antrag zur Migrationsbekämpfung zwei Tage zuvor eine solche Mehrheit fand.
Der Konsens der Parteien, die AfD im Bundestag von Mehrheitsfindungen auszuschließen, ist damit Geschichte. «Die Brandmauer sind wir», skandierten daraufhin Hunderttausende Demonstrant*innen in ganz Deutschland und Redner*innen der Partei Die Linke im Bundestag. Sie bekräftigten so ihre Absicht, die rechtsextreme AfD weiter zu ächten und zu bekämpfen. Aber was hat es mit der Brandmauer eigentlich auf sich?
Eine Brandmauer ist eine Wand, die das Übergreifen eines Feuers von einem Gebäude auf ein anderes verhindern soll. Politisch steht sie für eine klare Abgrenzung zur AfD, um ihren weiteren Aufstieg aufzuhalten. Der Begriff wird oft auf einen CDU-Beschluss von 2018 zurückgeführt, der eine Zusammenarbeit mit der AfD – und im gleichen Atemzug auch mit der Partei Die Linke – ausschloss. Damals, nach den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz, war die AfD in Umfragen erstmals zweitstärkste Kraft.
Seitdem ist die Politik weiter nach rechts gerückt. Die AfD hat sich radikalisiert, in drei ostdeutschen Bundesländern erreichte sie 2024 30 Prozent oder mehr der Stimmen, in Thüringen war sie sogar stärkste Partei. Auch andere Parteien sind nach rechts gezogen, vor allem in der Migrationspolitik. Und so ist die «Brandmauer» aktuell weniger eine inhaltliche als eine formale Abgrenzung. Migration und Menschenrechte weiter einschränken wollen fast alle, nur eben nicht mit der AfD.
Insbesondere in ostdeutschen Kommunen bröckelt die Brandmauer ohnehin. Viele Ost-CDUler*innen wollen das Verhältnis zur AfD normalisieren, auch weil mancherorts ohne die AfD Mehrheiten nur schwer zu organisieren sind. Doch wer mit der extremen Rechten kooperiert und ihre Themen kopiert, stärkt sie. Um der extremen Rechten das Wasser abzugraben, wäre eine Veränderung der Diskussionsrichtung hin zu Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit nötig. Nicht die AfD nachahmen, ihre Parolen wiederkäuen, sondern eine klare Haltung gegen die Rechtsverschiebung – so ließe sich die «Brandmauer» wiederaufbauen.