Analyse | Wirtschafts- / Sozialpolitik - Stadt / Kommune / Region - Alles wird teurer - Wohnen Den Wohnungsmarkt nicht den Milliardären überlassen

Öffentliche und genossenschaftliche Wohnungsgesellschaften vermieten deutlich günstiger

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Ein Wohngebäude der Wohnungsbaugenossenschaft «Bremer Höhe» in Berlin Prenzlauer Berg. Leute sitzen auf Bänken in der Sonne vor dem Hauseingang.
Gemeinschaftlich wohnen ist billiger. Gebäude der Wohnungsbaugenossenschaft «Bremer Höhe» in Berlin, Prenzlauer Berg, Foto: Stefan Thimmel

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis, und es wird immer teurer, es zu befriedigen. Mieter*innen geben in Deutschland im Schnitt fast jeden dritten Euro ihres Nettoeinkommens für die Miete aus. Bei Haushalten mit sehr niedrigen Einkommen ist es sogar noch mehr. Aber hohe Mieten sind kein Schicksal. Früher war Wohnen billiger. Heute fließt ein großer Teil der gestiegenen Einkommen an die Vermieter. Das Problem sind vor allem die großen privaten Vermieter: Sie erhöhen ihre Gewinne, investieren davon aber zu wenig in energetische Sanierung und sozialverträglichen Neubau. Besser sind gemeinwirtschaftlich organisierte Vermieter. Staatliche und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen sind im Schnitt günstiger, investieren deshalb aber nicht unbedingt weniger und oft sinnvoller. Statt Immobilienmilliardäre steuerlich zu subventionieren, sollten ihre leistungslosen Gewinne abgeschöpft werden.

Christoph Trautvetter ist Wissenschaftlicher Referent beim Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Früher war Wohnen günstiger

Von 1924 bis 1943 gab es in Deutschland eine Hauszinssteuer für die Gewinner der damaligen Hyperinflation. Aus den Einnahmen von bis zu 75 Milliarden Euro pro Jahr (nach heutigen Preisen) subventionierte der Staat kommunalen und gemeinnützigen Wohnungsbau. Viele dieser Wohnungen existieren noch heute und werden günstig vermietet.

1988 schafften Union und FDP die Wohnungsgemeinnützigkeit ab und läuteten damit eine Privatisierungswelle ein. Der Staat förderte privaten Wohnungsbau mit befristeter Sozialbindung und den Bau von Eigenheimen. Auch in Ostdeutschland wurde nach der Wende umfassend privatisiert, bestärkt durch umfassende steuerliche Subventionen. Die Zahl der Sozialwohnungen sank von vier Millionen auf heute weniger als eine Million. Die Mietbelastung stieg von etwa 20 auf 27 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens, im Osten sogar von 4 auf 25 Prozent – trotz steigender Einkommen. Ein großer Teil der Einkommenssteigerungen ist also an die Vermieter geflossen – aber nur zum Teil für größere und bessere Wohnungen.

Gemeinschaftlich wohnen ist billiger

Der Zensus 2022 erhob erstmals Mieten für unterschiedliche Eigentümergruppen. Die Ergebnisse sind ziemlich ungenau, weil der Zensus die Privateigentümer nur sehr grob kategorisiert und nicht detailliert genug nach Lage und Qualität der Wohnungen unterscheidet. Aber sie zeigen eine eindeutige Tendenz: Bei privaten Vermietern ist die durchschnittliche Miete deutschlandweit mit 7,2 Euro pro Quadratmeter ungefähr einen Euro höher als bei den genossenschaftlichen, staatlichen und gemeinnützigen Vermietern. In Berlin beträgt diese Differenz zwei Euro, in München sogar fünf Euro.

Die Datenlage ist lückenhaft

Laut Zensus wurden 2022 in Deutschland etwa 23 Millionen Wohnungen vermietet. Für den Zensus wurden zu allen Wohnungen umfangreiche Informationen von den Eigentümern und Verwaltern erhoben, darunter zum Eigentumstyp und zur Miethöhe. Dabei wurde zwischen acht Eigentümertypen unterschieden. Der «Kleinvermieter», der ein Haus oder eine Eigentumswohnung vermietet, lässt sich dabei nicht vom «Großgrundbesitzer» mit Hunderten Wohnungen unterscheiden. Alle fallen unter die Kategorie Privatperson(en) oder Gemeinschaft von Wohnungseigentümern.

Die Mieten wurden nach insgesamt 24 Stufen in Ein-Euro-Schritten (z. B. 6 bis 7 Euro, 25 Euro und mehr) unterschieden. Für die berechneten Durchschnitte wurde für jede Stufe jeweils die Mitte (also 6,50 Euro für die Mietstufe 6 bis 7 Euro) verwendet. Mieten oberhalb von 24 Euro fließen mit 24,50 Euro in den Durchschnitt ein. Der Zensus enthält zwar ebenfalls Daten zu Baujahr, Wohnungsgröße und zu den wichtigsten Ausstattungsmerkmalen, eine detaillierte Unterscheidung nach Lage und Wohnqualität erlaubt er aber nicht. Niedrigere Mieten bei kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungen könnten also zumindest teilweise auch damit zusammenhängen, dass diese in unattraktiveren Gegenden, zum Beispiel in Wohnblocks am Stadtrand, liegen.

Tabelle 1: Mietwohnungsbestände in Deutschland mit Durchschnittsmieten nach Vermietertypen, 2022

 

Zahl der Wohnungen

Anteil am Mietwohnungsbestand

Durchschnittsmiete in €/m2

Gesamt

23.059.330

100%

7,0

Privat

17.946.521

78%

7,2

Privatperson(en)

9.906.949

43,0%

6,5

privatwirtschaftliches Wohnungsunternehmen

2.603.362

11,3%

7,7

Gemeinschaft von Wohnungseigentümern

4.734.991

20,5%

8,4

anderes privatwirtschaftliches Unternehmen (z.B. Bank, Versicherung)

701.219

3,0%

8,6

gemeinwirtschaftlich

5.112.809

22%

6,3

Wohnungsgenossenschaft

2.081.716

9,0%

5,9

Kommune oder kommunales Wohnungsunternehmen

2.519.341

10,9%

6,2

Bund oder Land

169.127

0,7%

8,4

Organisation ohne Erwerbszweck (z.B. Kirche)

342.625

1,5%

8,5

Quelle: eigene Darstellung basierend auf Zensus 2022 (Tabelle 4000W-2027)

Die Zensusdaten liegen für alle Bundesländer, Landkreise und Gemeinden sowie die Bezirke in Berlin und Hamburg vor. In Städten mit angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin, und dort vor allem im Innenstadtbereich wie zum Beispiel im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, ist der Mietunterschied zwischen den verschiedenen Wohnungstypen besonders ausgeprägt. Während er dort knapp zwei Euro beträgt, sind es in München sogar fast fünf Euro.

Tabelle 2: Mietwohnungsbestände in Berlin und Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg mit Durchschnittsmieten nach Vermietertypen, 2022

 

Berlin

Friedrichshain-Kreuzberg

 

Anzahl

Anteil

Durchschnitts-miete in €/m2

Anzahl

Anteil am Mietwohnungs-bestand

Durchschnitts-miete in €/m2

gemeinwirt-schaftliche Vermieter

637.034

38%

6,5

36.782

26%

6,4

private Vermieter

1.026.143

62%

8,4

104.173

74%

8,8

Quelle: eigene Darstellung, basierend auf Zensus 2022 (Tabelle 4000W-2027)

In neun Bundesländern sind genossenschaftliche Wohnungen im Schnitt am günstigsten und in zwei die kommunalen Wohnungen. In fünf Bundesländern sind dagegen Privatpersonen diejenigen Vermieter, die am wenigsten Miete verlangen. Privatwirtschaftliche Unternehmen wie Banken oder Versicherungen lagen in sieben Bundesländern an der Spitze.

Um auszuschließen, dass die Preisunterschiede nur durch Lage und Wohnqualität zustande kommen, lohnt es sich, einzelne Stadtteile und Wohngegenden genauer anzuschauen.

Gleich wohnen, fast 40 Prozent mehr zahlen: Das Beispiel München-Neuaubing

München ist für Mieter*innen die mit Abstand teuerste Stadt Deutschlands. Private Vermieter verlangen hier in bestehenden Mietverhältnissen durchschnittlich 13,80 Euro pro Quadratmeter. Immerhin 22 Prozent der Mietwohnungen gehören kommunalen, genossenschaftlichen und gemeinnützigen Vermietern. Dort ist die Miete im Schnitt etwa fünf Euro niedriger.

Tabelle 3: Mietwohnungsbestände in München mit Durchschnittsmieten nach Vermietertypen, 2022

 

München

 

Anzahl der Wohnungen

Anteil am Mietwohnungsbestand

Durchschnitts-miete in €/m2

gemeinwirt-schaftliche Vermieter

137.468

22%

8,7

private Vermieter

475.808

78%

13,8

Quelle: eigene Darstellung basierend auf Zensus 2022 (Tabelle 4000W-2027)

München ist gleichzeitig die Stadt der Immobilienmilliardäre. Die Nachkommen der Familie Sedlmayr zum Beispiel haben sich zwar aus dem Brauereigeschäft zurückgezogen, aber umfangreichen Immobilienbesitz behalten. Die Familie Doblinger ist mit dem Kauf der ehemals gewerkschaftlichen Wohnungen der Neuen Heimat in München und Bayern in den Kreis der Milliardäre aufgestiegen. Und die zwei Kinder der Familie W. haben von ihrem Vater 6.000 Wohnungen in München geerbt. Bei den derzeitigen Preisen war dieses Geschenk fast eine Milliarde Euro wert. In der Reichenliste des Manager Magazins taucht die Familie bisher trotzdem nicht auf.

Die Gemeinde Neuaubing entstand Anfang des 20. Jahrhunderts als Eisenbahner- und Arbeitersiedlung. In den 1960er-Jahren errichtete die Heimbau Bayern Gemeinnützige Baugesellschaft mbH dort eine Reihe von öffentlich geförderten sowie freifinanzierten Wohnblocks. Mit dem Ende der Gemeinnützigkeit gingen sie 1994 zur Hälfte an eine Genossenschaft (GFBW Bau- und Wohnungsgesellschaft mbH) und zur anderen Hälfte an den privaten Nachfolger der Heimbau Bayern. In der Mitte des Wohngebiets befinden sich mehrere Wohnblocks der städtischen Wohnungsbaugesellschaft.

Ein Großteil der Wohnungen in Neuaubing gehörten der Heimbau Bayern Bau- und Verwaltungs GmbH, die in ganz München etwa 6.000 Wohnungen besitzt. Im Zentrum ihrer im Geschäftsbericht 2023 dargelegten Strategie steht das «Ausschöpfen von Mieterhöhungsspielräumen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten». Auch weil ehemals geförderte Wohnungen schrittweise aus der Sozialbindung gefallen sind, sind die Mieten in den letzten Jahren im Schnitt um fünf Prozent jährlich gestiegen – von weniger als sieben Euro pro Quadratmeter im Jahr 2006 auf zuletzt mehr als elf Euro im Jahr 2023. Der Gewinn belief sich zuletzt auf 36 Millionen Euro. Damit kaufte die Heimbau Bayern 2023 drei weitere Bestandsobjekte mit 42 Wohnungen. Sie erklärt dazu in ihrem Geschäftsbericht, dass diese «dadurch dem angespannten Münchner Mietwohnungsmarkt erhalten bleiben». Was das den Mieter*innen bringt, ist unklar.

Seit 2015 gehört die Gesellschaft den zwei Kindern des ehemaligen Geschäftsführers. Um für Stabilität auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen, sind große Erbschaften wie ihre steuerbefreit. Um Investitionen zu fördern, entfällt auch die Gewerbesteuer. Auf die geerbten Mietgewinne zahlen die Geschwister effektiv knapp 16 Prozent Steuern. Aber statt neu zu bauen, häufen sie lieber weiteres Vermögen an. Statt günstig zu vermieten, steigern sie lieber den Gewinn. Besonders fragwürdig erscheinen die Steuerprivilegien aber beim Vergleich mit der Genossenschaft von nebenan.

Denn die GFBW Bau- und Wohnungsgesellschaft mbH verfolgt ein ganz anderes Geschäftsmodell. Der 100-prozentigen Tochter der Wohnungsgenossenschaft Verein für Wohnungskultur e.G. gehören insgesamt 1.735 Wohnungen in München und Fürstenfeldbruck. Ein Großteil davon befinden sich in den mit den Häusern der Heimbau Bayern baugleichen Wohnblocks in München-Neuaubing.

Bei der GFBW beträgt die durchschnittliche Miete lediglich acht Euro pro Quadratmeter. Der Gewinn betrug zwar nur vier Millionen Euro, trotzdem baute die GFBW zuletzt 70 neue Wohnungen in Neuaubing. Ein Besuch vor Ort zeigt außerdem, dass die Gebäude der Genossenschaft mindestens genauso gut gepflegt sind wie die von Heimbau Bayern.

Auch sonst ist kein Grund erkenntlich, warum die Milliardäre von nebenan für die Stabilität auf dem lokalen Wohnungsmarkt wichtig wären. In genossenschaftlicher Hand wären die Gebäude mindestens genauso gut aufgehoben. Die Steuervergünstigungen würden dann mit Sicherheit dem Wohnungsmarkt zugutekommen, statt Gefahr zu laufen, irgendwann in privaten Taschen zu verschwinden. Vor allem aber könnten sich die Mieter*innen schon jetzt über niedrigere Mieten freuen. Die Differenz beträgt hier – bei gleicher Lage und Wohnqualität – etwa drei Euro.[*]

Nicht «Lage, Lage, Lage», sondern das Geschäftsmodell zählt

Der Vergleich auf Stadtteilebene zwischen den Wohnungsangeboten von privaten und profitorientierten Vermietern und gemeinwirtschaftlich orientierten Vermietern (im Fall von München-Neuabing eine Wohnungsgenossenschaft) bestätigt den deutschlandweiten Befund: Bei privaten Vermietern wohnt es sich in der Regel deutlich teurer. Das Beispiel München-Neuaubing zeigt zudem, dass sich diese Preisunterschiede nicht mit Unterschieden bei der Lage und Qualität der Gebäude und Wohnungen erklären lassen, sondern auf unterschiedliche Geschäftsmodelle – Wohnraumversorgung im Sinne des Gemeinwohls vs. individuelle Bereicherung – zurückgehen.


[*] Ein exakter Vergleich wäre wegen der weiteren Wohnungen im Portfolio der untersuchten Unternehmen nur über eine lokale Abfrage der Mieten möglich. Beide Unternehmen haben bisher nicht auf entsprechende Anfragen reagiert.