
Wir leben in extrem politisierten Zeiten. Die Diskussionen ändern sich schnell und sind oft hitzig. Manchmal werden absichtlich falsche Behauptungen aufgestellt, und es ist nicht immer leicht, Fake News von Fakten zu unterscheiden. In unserer Serie «Was ist eigentlich …? Politische Grundlagen zum Bundestagswahlkampf 2025» erklären wir wichtige Begriffe aus der politischen Diskussion und zeigen, welche Interessen und Konflikte dahinterstecken.
Ein Rentensystem, bei dem Versicherte zwei Prozent ihres Bruttoeinkommens in einen staatlichen Aktienfonds einzahlen – die sogenannte Aktienrente – ist ein Steckenpferd der FDP. Die Renditen, also Gewinne, sollen zurück an die Rentenkassen fließen und Beitragserhöhungen für die Einzahlenden dämpfen. So will sie verhindern, dass die Beiträge von immer weniger jungen Menschen auf immer mehr Ältere umgelegt werden. Dabei blendet sie andere wichtige Faktoren der Rentenfinanzierung aus, etwa die Lohnentwicklung oder die Arbeitsproduktivität. Derzeit steht die Aktienrente wieder im Wahlprogramm der Liberalen. Auch Grüne und AfD wollen für die Rente die «Chancen des Kapitalmarkts» nutzen.
Risikoanlagen am Finanzmarkt lösen aber das Finanzierungsproblem nicht und verschärfen darüber hinaus Ungleichheit und Altersarmut. 19,6 Prozent der älteren Bevölkerung sind arm oder armutsgefährdet. Um das künftig zu verhindern, muss an den Ursachen angesetzt werden: zu niedrige Löhne, Brüche in der Erwerbsbiographie und Teilzeitbeschäftigung.
Selbst der Status Quo wäre mit einer Kapitalmarkt-Rente nicht haltbar, wie die Berechnungen des «Generationenkapitals» zeigen. Das ist eine abgeschwächte Version der Aktienrente, auf die sich die Ampel-Regierung geeinigt hatte, ohne sie allerdings umzusetzen. Dabei hätte der Bund eine Art öffentlich-rechtlichen Vermögensfonds kreditfinanziert. Ab 2038 wären damit jährlich zehn Milliarden Euro aus den Renditen in das Rentensystem geflossen – ein Bruchteil der aktuellen Rentenausgaben von 360 Milliarden Euro im Jahr.
Darüber hinaus ist die Aktienrente anfällig für Finanzschwankungen und verstärkt diese, weil sie mehr Geld für Zockerei bereitstellt. Wie sich die angestrebte Finanzialisierung, d.h. die Ausbreitung der Logik der Aktienmärkte, in alltägliche Lebensbereiche auswirkt, zeigt sich in Deutschland am Wohnungsmarkt. Da höhere Mieten höhere Renditen bedeuten, ist Spekulation ein treibender Faktor der aktuellen Wohnkrise. Mögliche langfristige Auswirkungen einer Kapitalmarkt-basierten Rente sehen wir in Schweden. Für neun von zehn Personen reicht die staatliche Rente dort nicht zum Leben.
Um eine armutsfeste Rente zu schaffen, müssten die Löhne steigen und mehr Personen in die staatliche Rente einzahlen. Das wäre machbar durch eine Rente für alle, an der sich Selbstständige aber gerade auch Besserverdienende wie Beamt*innen und Politiker*innen beteiligen.