Interview | Rosalux International - Krieg / Frieden - Europa - Demokratischer Sozialismus «Europa muss auf eigenen Füßen stehen»

Interview mit Li Andersson vom finnischen Linksbündnis

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Li Andersson bei einem kürzlichen Besuch der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin.
Li Andersson bei einem kürzlichen Besuch der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin.
 
 

 

 

Foto: RLS

Der russische Überfall auf die Ukraine hat nicht nur die Staaten Osteuropas, sondern auch die skandinavischen Länder in besonderem Maße betroffen. Dies gilt zuvörderst für Finnland, das bereits zum russischen Zarenreich gehörte und, nach Erlangung seiner Unabhängigkeit Ende 1917, im Rahmen des sogenannten Hitler-Stalin-Pakts 1939 von der Sowjetunion angegriffen wurde. Heute hat das Land eine mehr als 1.300 Kilometer lange Grenze zu Russland. Nach Jahrzehnten weitgehend eigenständiger Außen- und Verteidigungspolitik schloss Finnland sich im Frühjahr 2023 der NATO an.

Zu diesem Zeitpunkt war Li Andersson noch Bildungsministerin im von der Sozialdemokratin Sanna Marin geführten Kabinett und Vorsitzende der Partei Vasemmistoliitto (Linksbündnis). Nach Ablösung der Fünfparteienkoalition durch eine Rechtsregierung wurde sie im Sommer 2024 ins Europaparlament gewählt. Albert Scharenberg (Rosa-Luxemburg-Stiftung) sprach mit ihr über die sicherheits- und verteidigungspolitischen Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine für Finnland und Europa.

Seit Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat, fordern kritische Stimmen in- und außerhalb der Linken, dass die sozialistischen Parteien die Sicherheits- und Verteidigungspolitik ernster nehmen sollten. Teilen Sie diese Einschätzung? Welche Art von Umdenken hat Ihre Partei, das Linksbündnis (Vasemmistoliitto), eingeleitet?

Als die russische Invasion in der Ukraine begann, war das Linksbündnis Teil der finnischen Regierung. Wir alle wollen Frieden, aber diese Invasion zwang uns zu schwierigen Diskussionen und Debatten, denn als Regierungspartei reicht es nicht aus, allgemeine Aussagen über die Bedeutung von Frieden zu machen. Man muss in der Lage sein, zu den schwierigen Verteidigungs- und Sicherheitsfragen Stellung zu beziehen.

Allerdings waren wir in Bezug auf unsere politischen Leitlinien einigermaßen vorbereitet. So hatte das Linksbündnis beispielsweise die allgemeine Wehrpflicht in den finnischen Streitkräften bereits zuvor befürwortet, sodass wir unsere Politik in dieser Hinsicht nicht ändern mussten. Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben mussten wir jedoch hinnehmen.

Dies war jedoch keine isolierte Position der finnischen Linken. Auch andere nordische Parteien trafen entsprechende Entscheidungen, da wir alle mit derselben Situation konfrontiert waren: nämlich, dass eines unserer Nachbarländer einen konventionellen Krieg gegen ein anderes Land führt und damit gegen das Völkerrecht verstößt. Aus unserer Sicht ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Linke den Angriffskrieg Russlands klar verurteilt und die Ukraine unterstützt, auch mit Waffen. Die Herausforderung für die Linke besteht darin, dass Putin uns gezwungen hat, anders über Verteidigungsfragen nachzudenken. Wir haben uns das nicht ausgesucht, aber wir können die Gefahr eines Krieges nicht mehr ausschließen.

Als Reaktion auf den Krieg und die weit verbreitete Angst vor einer russischen Aggression traten sowohl Finnland als auch Schweden der NATO bei. Wie reagierte das Linksbündnis auf diese neue Realität?

Tatsächlich war die Frage der NATO-Mitgliedschaft die größte Herausforderung, mit der Finnland sich nach der russischen Invasion konfrontiert sah. Aus unserer Sicht ging es weniger darum, dass wir unbedingt in die NATO wollten, als darum, dass wir Sicherheitsgarantien brauchten – ich glaube, das ist ein wichtiger Unterschied, den man aus Sicht der Linken betonen muss. Und genau vor dieser Frage stehen heute auch andere Länder in Osteuropa.

Meine Partei akzeptiert Finnlands Mitgliedschaft in der NATO als Tatsache. Vor diesem Hintergrund konzentrieren wir uns auf die Rolle, die Finnland unserer Auffassung nach innerhalb der NATO spielen soll, etwa durch Kampagnen gegen Atomwaffen und indem wir dafür eintreten, dass die NATO der Verteidigung Vorrang einräumt, anstatt sich an Operationen außerhalb des NATO-Gebiets zu beteiligen.

Der NATO-Beitritt hat die traditionelle finnische Außen- und Sicherheitspolitik jedoch nicht auf den Kopf gestellt. Davor war Finnland militärisch bündnisfrei, aber als EU-Mitglied haben wir uns nicht als neutral bezeichnet. Leider hat Putin diese verteidigungs- und sicherheitspolitische Option ihrer Glaubwürdigkeit beraubt, da wir nun mit ansehen mussten, wie Russland in ein souveränes Land einmarschierte, das außerhalb dieser Sicherheitsarchitektur stand.

Wie können wir die Abhängigkeit Europas von den USA reduzieren? Ich denke, das sollte eine gemeinsame Frage der europäischen Linken sein.

Ich glaube, einer der größten Fehler, den wir als linke Partei gemacht haben, war, dass wir nicht die Initiative ergriffen haben, eine alternative europäische Sicherheitsarchitektur zu konzipieren und aufzubauen, einschließlich entsprechender Sicherheitsgarantien. Wir hätten eine echte, konkrete Alternative zur NATO-Mitgliedschaft schaffen können, die wir in die Debatten in Schweden und Finnland nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hätten einbringen können.

Ich verstehe, dass es innerhalb der europäischen Linken unterschiedliche Positionen gibt, und ich bin mir der Probleme im Zusammenhang mit der NATO voll bewusst. Aber das größte Problem war, dass in Bezug auf Sicherheitsgarantien wirklich keine anderen Optionen auf dem Tisch lagen. Und ich denke, die Linke sollte selbstkritisch genug sein, um einzugestehen, dass sie nicht früher eine entsprechende Lösung entwickelt hat, die tatsächlich die Rolle der NATO hätte begrenzen können.

Nur zwei Jahre nachdem dem Beitritt Finnlands und Schwedens wird die NATO von niemand anderem als Donald Trump angeführt. Welche Auswirkungen hat das auf Europa?

Trump wird sich zunächst für eine weitere Erhöhung der Militärausgaben einsetzen. Ich glaube nicht, dass wir das unterstützen werden, ebenso wenig wie eine Festlegung von allgemeinen Ausgabenzielen. Unser Standpunkt ist, dass wir die Verteidigungsausgaben nicht auf einen bestimmten Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts festlegen wollen, wie beispielsweise zwei Prozent oder noch mehr. Ich halte eine solche Zielvorgabe überhaupt für eine unsinnige Methode, Verteidigungsfähigkeit zu bemessen. Verteidigungsausgaben sollten sich nicht an abstrakten Zielen, sondern an realen Bedürfnissen und Prioritäten orientieren.

Es gab zum Beispiel Zeiten, in denen Finnland seine Luftwaffe erneuern und neue Flugzeuge kaufen musste. In einer solchen Situation steigen die Verteidigungsausgaben. Nach der Investition können und sollten sie jedoch sinken – auch unter das NATO-Ziel von zwei Prozent.

Grundsätzlich hat Finnland bereits vor seinem NATO-Beitritt viel Geld für die Verteidigung ausgegeben. Dies war eine Folge der Tatsache, dass wir kein NATO-Mitglied waren. Es ist ganz einfach: Ohne ein Militärbündnis muss man bereit sein, genug Geld auszugeben, um allein eine glaubwürdige Verteidigung aufzubauen.

Benötigt Europa angesichts der Herangehensweise Trumps an die internationale Diplomatie eine unabhängigere Sicherheitspolitik? Wenn ja, welche Maßnahmen müssen dazu ergriffen werden?

Zunächst einmal sind wir der Meinung, dass es derzeit ein zentrales Ziel unserer Sicherheits- und Außenpolitik sein sollte, die Abhängigkeit von den USA zu verringern – was uns zu den fehlenden Optionen angesichts des russischen Einmarschs in die Ukraine zurückführt. Ebendeshalb sollte die europäische Zusammenarbeit eine größere Rolle im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik spielen. Dazu gehört auch eine Stärkung der Position Europas innerhalb der NATO.

Aus diesem Grund brauchen auch wir in der EU eine Diskussion über unsere Rüstungsindustrie. Schaut man sich die europäischen Verteidigungsausgaben an, fällt auf, dass ein Großteil des Geldes für den Kauf US-amerikanischer Waffen ausgegeben wird. Doch wollen wir wirklich den militärisch-industriellen Komplex der USA finanzieren? Aus unserer Sicht wäre es besser, dieses Geld für mehr europäische Zusammenarbeit einzusetzen.

Die wichtigste Lehre, die Europa mit Blick auf Trump ziehen sollte, ist, dass wir bereit sein müssen, auf eigenen Beinen zu stehen. Wir können uns nicht auf die USA verlassen und sollten dies auch nicht anstreben. Aber wenn wir die Abhängigkeit Europas von den USA verringern wollen, werden einige Länder wahrscheinlich etwas mehr für Verteidigung ausgeben müssen als bisher.

Würden Sie argumentieren, dass das europäische Ziel darin bestehen sollte, eine Art «strategische Autonomie» von den USA zu erlangen?

Ja, das ist ein sinnvoller Ansatz für die Linke, weil er einen aktuellen Bezug hat. Wie können wir die Abhängigkeit Europas von den USA reduzieren? Ich denke, das sollte eine gemeinsame Frage der europäischen Linken sein.

Das hat auch eine industriepolitische Dimension, die über die Rüstungsindustrie hinausgeht. Viele der derzeit diskutierten politischen Maßnahmen entsprechen mehr oder weniger der grundsätzlichen Haltung der Linken zu öffentlichen Investitionen in unsere Industrien. Wir wollen uns nicht von amerikanischen oder chinesischen Technologiemonopolen abhängig machen, sondern müssen diese Branchen in Europa ausbauen. Dazu gehört nicht zuletzt die Notwendigkeit einer Energiewende unserer Industrie.

Ich denke, dass die unglaublich schwache Reaktion der EU-Länder auf den Völkermord in Gaza die Kluft zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden vertiefen wird.

Zugleich wissen wir, dass eine Welt mit einer geringeren gegenseitigen Abhängigkeit neue Risiken birgt. Ich denke, die Linke sollte in der Lage sein, dies zu vermitteln. Wir sollten nicht alle Handels- oder Wirtschaftsbeziehungen abbrechen oder eine trumpistische Politik der hohen Zölle und des Protektionismus betreiben – eine solche Politik ist ohnehin keine wirklich fortschrittliche Alternative. Aus linker Sicht könnte es für Europa von Vorteil sein, in Begriffen strategischer Autonomie zu denken, aber wir sollten diese nicht als eine Art isolationistische Politik interpretieren, wie es derzeit vor allem die xenophobe extreme Rechte tut.

Infolge der russischen Invasion in der Ukraine hat sich Europa sehr deutlich geäußert und das betroffene Land stark unterstützt. In Bezug auf Gaza stellt sich die Situation ganz anders dar. Während der Gaza-Krieg im globalen Süden weithin verurteilt wurde, haben sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten größtenteils ziemlich zurückhaltend geäußert. Sollten die europäischen Länder sich Ihrer Meinung nach stärker gegen die Kriegführung Israels aussprechen?

Davon bin ich felsenfest überzeugt. Das Vorgehen der sogenannten westlichen Länder – darunter die große Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten – wird verheerende Auswirkungen auf multilaterale Institutionen und die Bedeutung des Völkerrechts haben. Ihre Doppelmoral ist offensichtlich und skandalös. Der Vergleich zwischen der Ukraine und Gaza macht dies umso deutlicher. Es gibt EU-Länder, die zu verstehen gegeben haben, dass sie die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen israelische Staatschefs und Amtsträger*innen nicht umsetzen werden, aber gleichzeitig fordern, dass der Globale Süden uns bei der Verhaftung Putins unterstützt. Und das, obwohl beide Haftbefehle vom selben Gericht ausgestellt wurden! Diese Art von Heuchelei ist einfach unfassbar.

Wir stehen an einem Wendepunkt in der Weltpolitik, und eine der gefährlichsten Entwicklungen ist die Erosion, oder besser gesagt: die Zersetzung internationaler regelbasierter Institutionen. Das ist es, was Machthaber wie Putin und Trump anstreben: eine Welt, in der Länder nach Belieben entscheiden, wann sie sich an internationales Recht halten und wann nicht. Genau diese Art von Weltordnung versuchen sie zu schaffen. Und das ist natürlich eine schlechte Nachricht für alle, die sich für Frieden, internationale Zusammenarbeit und Verständigung und eine auf internationalen Regeln beruhende Ordnung einsetzen. Es zeigt, in welche Richtung sich die Welt entwickelt hat und wie stark die extreme Rechte geworden ist.

Ich denke, dass die unglaublich schwache Reaktion der EU-Länder auf den Völkermord in Gaza die Kluft zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden vertiefen wird. Das ist ein sehr wichtiges Thema für die Linke – denn wir sollten versuchen, diese Kluft zu überwinden. Wir müssen den Akteuren im Norden und Süden zeigen, dass es immer noch Kräfte, Bewegungen und Parteien gibt, die sich einig sowie bereit und willens sind, zusammenzuarbeiten, um die Institutionen zur Durchsetzung des Völkerrechts und der Menschenrechte zu verteidigen.

Zuletzt wurde viel über einen Waffenstillstand in der Ukraine gesprochen. Was sollten Ihrer Meinung nach hierbei die Forderungen der europäischen Linken sein?

Meines Erachtens muss die Linke begreifen, dass bei einem Waffenstillstand – und danach bei hoffentlich nachhaltigen Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine – die Frage relevant wird, zu welcher Sicherheitsarchitektur die Ukraine gehören wird. Es sollte klar sein, dass die Ukraine nicht außen vor gelassen werden kann.

Meiner Meinung nach wäre eine EU-Mitgliedschaft die klügste Lösung für die Ukraine und sollte Priorität haben. Sie ist einfacher als eine NATO-Mitgliedschaft – die von der neuen US-Regierung ohnehin bereits ausgeschlossen wurde. Eine EU-Mitgliedschaft würde das Land in die europäische Sicherheitsarchitektur einbinden. Damit wären gewisse politische Garantien gegeben, auch wenn diese aus verteidigungspolitischer Sicht nicht so stark sind wie bei einer NATO-Mitgliedschaft.

Die europäische Linke sollte sich nach diesem Krieg für einen EU-Beitritt der Ukraine aussprechen. Die Ukraine muss dafür weiterhin die formalen Voraussetzungen erfüllen. Das wird nicht einfach sein – sie wird viel Unterstützung brauchen, um ihre Verwaltung und Gesellschaft zu reformieren und die Beitrittskriterien zu erfüllen. Aber auch für die EU wird dies eine große Veränderung hinsichtlich der Ressourcenverteilung innerhalb der Union bedeuten. Das ist eine große Frage für die Zukunft der EU, aber auch für die Menschen in Europa. Wir müssen den Menschen verständlich machen, warum dies wichtig ist, und sie mit ins Boot holen.

Darüber hinaus wird es im Falle eines Waffenstillstands eine Friedensmission in der Ukraine geben müssen. Es werden ausländische Truppen auf ukrainischem Gebiet stationiert werden müssen, um den Waffenstillstand zu gewährleisten. Der neue US-Verteidigungsminister, Pete Hegseth, hat bereits erklärt, dass keine Streitkräfte der USA am Friedenseinsatz in der Ukraine beteiligt sein werden, und diese Verantwortung auf Europa abgewälzt. Das wirft die Frage auf, ob eine europäische Präsenz ausreicht, um einen Waffenstillstand durchzusetzen. Ich bin der Meinung, dass Europa das schaffen kann.

Sollte die Linke sich auch auf Entwicklungen in der Ukraine konzentrieren? Und sollten wir nicht die Plünderung ukrainischer Ressourcen durch den Westen kritisieren, wie etwa den Deal über seltene Erden, den Trump kürzlich gefordert hat?

Auf jeden Fall. Die europäische Linke sollte solche schmutzigen «Deals», die im Grunde Erpressungen sind, anprangern und sich auf die ukrainische Gesellschaft konzentrieren.

Seit Beginn des Krieges fordern wir den Erlass der ukrainischen Staatsschulden. Dies ist ein entscheidender Punkt, denn andernfalls wird die Ukraine in völlige Abhängigkeit von ausländischen Kreditgeber*innen geraten. Autonomie bzw. Unabhängigkeit sieht anders aus. Daher sollten wir uns weiterhin für dieses Thema einsetzen und mit der ukrainischen Zivilgesellschaft, den Gewerkschaften und progressiven Bewegungen in Bereichen wie der Kontrolle natürlicher Ressourcen, Arbeitnehmerrechte usw. zusammenarbeiten.

Zu viele Beobachter*innen interessieren sich nur für militärische Themen und nicht für die innenpolitischen Fragen, die für die Ukrainer*innen selbst von großer Bedeutung sind – diese Probleme hängen mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit in der Ukraine zusammen.

In der Ukraine wird derzeit eine große Debatte über das nationale Arbeitsrecht geführt. Meines Wissens versucht die Regierung, einige Änderungen des Arbeitsrechts, die unter dem Kriegsrecht eingeführt wurden, dauerhaft zu verankern. Das würde die Rechte der Beschäftigten und die Rolle der Gewerkschaften erheblich schwächen. Genau solche Aspekte müssen wir politisieren. Deshalb sollten wir mit der ukrainischen Linken zusammenarbeiten und sie bei ihrer Arbeit innerhalb der Gesellschaft unterstützen, indem wir für die Ideale und allgemeinen politischen Ziele eintreten, die wir alle teilen.

Ein anderes Beispiel ist die große Wohnraumkrise in der Ukraine. Warum diskutiert niemand in der EU über diese Probleme? Zu viele Beobachter*innen interessieren sich nur für militärische Themen und nicht für die innenpolitischen Fragen, die für die Ukrainer*innen selbst von großer Bedeutung sind – diese Probleme hängen mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit in der Ukraine zusammen. Darauf sollten wir uns konzentrieren.

Abschließend möchte ich Sie als Mitglied des Europäischen Parlaments fragen: Welche Ziele sollte Europa in der aktuellen politischen Situation vorrangig verfolgen?

Ich denke, viele Bürger*innen würden es begrüßen, wenn Europa eine aktivere Rolle in dieser geopolitischen Situation übernehmen würde. Sie erwarten von uns, dass wir eine Alternative zur autoritären, faschistischen und gewaltsamen Herrschaft aufbauen, die sich weltweit ausbreitet. Gefragt sind Stimmen, die für eine andere Vorstellung von der Rolle eintreten, die wir spielen wollen – starke Stimmen für Völkerrecht, Menschenrechte und eine wirkliche Lösung der Klimakrise, die unsere Sicherheit weitaus umfassender beeinträchtigt als die Verteidigungsfrage.

Das setzt aber die Bereitschaft voraus, sich den Technologiemonopolen und den Reichsten der Welt entgegenzustellen, die offen versuchen, ihre wirtschaftliche Stärke in politische Macht umzuwandeln. Wird Europa das tun? In den kommenden Jahren wird es im Europäischen Parlament vor allem um den Kampf gegen die extreme Rechte gehen. Welche Seite wird sich durchsetzen und die Stellung der EU in dieser neuen geopolitischen Landschaft bestimmen? Das wird die entscheidende Schlacht sein.

Übersetzung aus dem Englischen von Camilla Elle und Claire Schmartz für Gegensatz Translation Collective.

How the Left Can Win: Talk with Li Andersson (Left Alliance, Finland)

Dauer

1:24:39

Details

The Finnish Left Party achieved 17.3 percent in the European elections, while left-wing parties also obtained good results in Sweden and France, with over 10.9 percent. We spoke with Li Andersson, who led her party Vasemmistoliitto (Left Alliance) for eight years and was its leading candidate for the European elections about her experiences, strategies, and the conditions that make left-wing victories possible.

Moderator: Johanna Bussemer