Interview | Rosa-Luxemburg-Stiftung «Eine große Erleichterung»

Der Erfolg der Linken sichert auch die Arbeit der Stiftung – Interview mit Heinz Bierbaum und Daniela Trochowski

Heinz Bierbaum, Daniela Trochowski Foto: Olaf Krostitz

Die uns nahestehende Partei Die Linke ist mit einem großartigen Wahlergebnis erneut in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen. Was bedeutet das für die Gesellschaft?

Heinz Bierbaum: Das ist ein großartiges Ergebnis und ein tolles Comeback nicht nur für die Partei. Das Ergebnis hat die gesellschaftliche Linke insgesamt gestärkt. Die Linke hat an Gewicht gewonnen. Sie ist jetzt die soziale Stimme im Parlament. Das stärkt auch den internationalen Einfluss, beispielsweise in der Europäischen Linken. Und dass vor allem junge Menschen die Linke gewählt haben und wir in dieser Altersgruppe stärkste Partei sind, das macht Hoffnung.

Prof. Dr. Heinz Bierbaum ist Vorsitzender des Vorstands der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Daniela Trochowski deren Geschäftsführerin. Das Interview führte Alrun Kaune-Nüsslein.

Daniela Trochowski: Ja, das Wahlergebnis gibt Zuversicht. Es zeigt, dass es einen Raum für eine linke Partei in diesem Land gibt. Die Themen, die viele Menschen bewegen, werden jetzt ins Parlament getragen. Ich denke da u.a. an den Mietendeckel, die steigenden Lebenshaltungskosten, die Löhne und Gehälter.

Was bedeutet der Wahlausgang für die Stiftung?

Heinz Bierbaum: Eine große Erleichterung, denn damit ist die Stiftung für die nächsten Jahre finanziell absichert. Dennoch müssen wir uns auf sinkende finanzielle Mittel einstellen. Das Stiftungsfinanzierungsgesetz ist mit der Wahl nicht vom Tisch. Die Auswirkungen werden wir ab 2026 deutlich spüren.

Daniela Trochowski: Wir müssen mit unseren Ressourcen klug umgehen und sie gezielt für politische Bildung und Gesellschaftsanalyse einsetzen. Wir haben jetzt die Chance, uns stärker auf unsere inhaltliche Arbeit und die politischen Debatten zu konzentrieren. Unsere Stiftung wird in der linken Familie gebraucht. Dazu gehört, dass wir uns fokussieren und Doppelstrukturen abbauen.

Die Stiftung versteht sich als linker Think Tank und ist ein Träger politischer Bildung. Das gute Wahlergebnis der Linken kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das politische Koordinatensystem weiter nach rechts verschoben hat. Nicht zuletzt deshalb haben sich in den letzten Wochen viele junge Menschen in und für linke Politik engagiert. Welche neuen Herausforderungen ergeben sich daraus?

Heinz Bierbaum: Da sich viele junge Leute jetzt links verorten, wird die Stiftung ein ganz neues Interesse erfahren. Für uns bedeutet das, unser Bildungsangebot zu erweitern und über vielfältige Formate und Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen nachzudenken. Das ist eine große Herausforderung.

Daniela Trochowski: Die Themen, mit denen wir in die Gesellschaft hineingewirkt haben und bei denen uns eine hohe Expertise zugeschrieben wird, wie zum Beispiel das Thema Mietendeckel, werden wir weiterverfolgen. Aber auch andere brennende Themen wie die steigenden Lebenshaltungskosten, die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft und natürlich das Thema der Fluchtbewegungen und einer Gesellschaft der Vielen. Durch unsere Studien und Analysen wollen wir zeigen, dass bestimmte Forderungen, die die gesellschaftliche Linke erhebt, auch funktionieren können. Hieran werden wir weiter arbeiten.

Die Konzentration auf wenige inhaltliche Schwerpunkte, eine einfache und verständliche Kommunikation und eine starke Präsenz in den sozialen Medien gelten als Erfolgsrezept der linken Wahlkampagne. Kann die Stiftung daran anknüpfen?

Heinz Bierbaum: Die Kampagne der Linken hat gewirkt. Aber das lässt sich nicht eins zu eins auf die Stiftung übertragen. Wir müssen in längeren Linien denken, gesellschaftliche Zustände in der Tiefe analysieren. Gesellschaftliche Zusammenhänge lassen sich nur schwer in 30 Sekunden erklären.

Daniela Trochowski: Wahlkampf ist immer eine zugespitzte Situation. Das lässt sich nicht auf die Stiftung übertragen. Wir wollen Faktenwissen vermitteln, gesellschaftliche Zusammenhänge aufzeigen, wichtige Entwicklungen frühzeitig erkennen. Wir müssen über den Tag hinaus denken. Unsere Studien und Analysen sollen in die Gesellschaft hineinwirken und die Linke strategisch unterstützen. Ich weiß, dass nicht alle lange Publikationen lesen. Sicherlich müssen wir unsere Podcast-Formate ausbauen. Studien für Social-Media-Formate zu übersetzen, ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen.

Heinz Bierbaum: Wir werden weiterhin die gesellschaftliche Linke durch unsere Analyse- und Bildungsarbeit unterstützen. Unsere strategische Ausrichtung werden wir weiter schärfen. Unsere Social-Media-Kanäle sollen in erster Linie Interesse an der Stiftung und ihren Angeboten wecken, auf uns und unsere Arbeit aufmerksam machen.

Zwei Tage vor der Wahl hat die CDU/CSU-Fraktion eine Kleine Anfrage mit 551 Einzelfragen unter dem Titel «Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen» an die Bundesregierung gestellt. Im Fokus stehen dabei gemeinnützige Vereine wie Correctiv, Omas gegen Rechts, Campact oder der BUND und deren staatliche Förderung. Erste Stimmen sehen darin einen Frontalangriff auf Demokratie und Zivilgesellschaft. Wie seht ihr das?

Daniela Trochowski: Ist das das Demokratieverständnis des neuen Kanzlers und der Union als Regierungspartei? Wer gegen die herrschende Politik demonstriert, gerät ins Visier? Das verkennt die Arbeit von gemeinnützigen Vereinen. Sie sind nicht per se politisch neutral, sondern spiegeln die breite politische Landschaft wider. Gerade diese Vielfalt ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Hier sollen gemeinnützige Vereine mundtot gemacht werden. Das hat autoritäre Züge. Es ist gut, wenn sich dagegen breiter Widerstand regt. Denn die Überschrift, die über den öffentlichen Zuwendungen steht, die einige dieser Vereine erhalten haben, heißt «Demokratie fördern». Genau das haben «Omas gegen Rechts» und alle anderen gemacht.

Heinz Bierbaum: Das ist ein Angriff auf die Zivilgesellschaft und die Demokratie, der stark an Trumps Vorgehen erinnert.

2024 war ein schwieriges Jahr für die Stiftung. Mit dem Inkrafttreten des Stiftungsfinanzierungsgesetzes muss sie sich ab 2026 auf sinkende finanzielle Mittel einstellen. Welche Schritte wurden zur finanziellen Konsolidierung unternommen?

Heinz Bierbaum: Wir standen und stehen vor der Notwendigkeit, die Stiftung an die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen anzupassen. Deshalb haben wir 2024 den Prozess einer Betriebsänderung eingeleitet, um die Zukunft der Stiftung zu sichern. Dazu gehörten das Freiziehen angemieteter Räume, die Konzentration in der inhaltlichen Arbeit, die Reduzierung von Projektmitteln und in letzter Konsequenz der Abbau von Stellen. Trotz des sehr guten Wahlergebnisses der uns nahestehenden Partei bleibt der Prozess der Betriebsänderung notwendig. Wir müssen sicherstellen, dass die Stiftung auch nach dem zu erwartenden Rückgang der Mittel handlungsfähig, solvent und damit in ihrer Existenz gesichert ist.

Wie geht es weiter?

Daniela Trochowski: Wir sind gerade dabei, die neue Quote, die Auswirkungen auf die Einnahmen und die Entwicklung der Ausgaben in den nächsten Jahren zu berechnen. Die Finanzierungsquote wird von rund 9,9 Prozent auf 8,49 Prozent sinken. Dies liegt zum einen daran, dass nach dem Stiftungsfinanzierungsgesetz der Durchschnitt der letzten vier Wahlergebnisse den Finanzierungsanteil unserer Stiftung ergibt. Und aus diesem Durchschnitt fällt das sehr gute Wahlergebnis in Höhe von 11,9 Prozent im Jahr 2009 heraus. Zum anderen wird erstmals die AFD-nahe Erasmus-Stiftung berücksichtigt. Das wirkt sich noch einmal erheblich auf die Höhe der Quoten aller anderen Stiftungen aus. Weitere Unwägbarkeiten sind die noch nicht verabschiedeten Bundeshaushalte für 2025 und 2026 sowie der zu erwartende hohe Tarifabschluss, der für die Beschäftigten erfreulich ist, aber die finanzielle Situation der Stiftung belastet.

Heinz Bierbaum: Das gute Wahlergebnis verpflichtet, der Zusammenarbeit zwischen Partei, Bundestagsfraktion und Stiftung eine neue Qualität zu geben. Der Vorstand wird sich damit befassen und Schlussfolgerungen ziehen.