Hintergrund | Rassismus / Neonazismus - Parteien / Wahlanalysen - Rosalux International - Europa - Cono Sur - USA / Kanada - Good Night Far Right Die reaktionäre Internationale

Extreme Rechte vernetzen sich weltweit

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Ute Löhning,

Der argentinische Präsident Javier Milei überreicht dem US-Unternehmer und Sonderangestellten der US-Regierung Elon Musk eine Kettensäge auf der Conservative Political Action Conference, 20.2.2025.
Der argentinische Präsident Javier Milei überreicht dem US-Unternehmer und Sonderangestellten der US-Regierung Elon Musk eine Kettensäge auf der Conservative Political Action Conference, 20.2.2025. Foto: IMAGO / Newscom / AdMedia

Man könnte meinen, extrem rechten Parteien ginge es vor allem darum, ihr nationales Süppchen zu kochen. Tatsächlich jedoch betreibt eine große Zahl an rechten Think Tanks, Stiftungen und Netzwerken aktiv den Austausch zwischen reaktionären Kräften weltweit. Ganz vorne dabei: Rechte aus Lateinamerika und Argentiniens Javier Milei, der von einer «rechten Internationalen» träumt.

Ute Löhning ist freie Journalistin mit Schwerpunkt Menschenrechte, Lateinamerika, rechte Netzwerke und war in den letzten Jahren mehrmals auf Recherchereise in Chile und Argentinien.

«Chainsaw, Chainsaw», ruft Elon Musk und streckt die Kettensäge, die ihm zuvor Argentiniens Präsident Javier Milei mit einem Handschlag überreicht hat, triumphierend in die Höhe. Kettensägen-Sounds dröhnen aus den Lautsprechern, das Publikum jubelt. Die bizarre Bühnenshow ist der Höhepunkt der rechten Conservative Political Action Conference (CPAC), die Ende Februar in Washington D.C. stattfand. Die Kettensäge als Symbol für eine radikale Kürzungspolitik hatte Milei in seinem Wahlkampf 2023 bekanntgemacht. Mit der Übernahme dieser Symbolik bei der CPAC lässt Musk, der aktuell im Auftrag der US-Regierung die öffentliche Verwaltung demontiert, sich und Milei als Rockstars einer internationalen libertären Rechten feiern, die weltweit für Sozialkahlschlag und einen Kulturkampf von rechts eintritt. Bereits im Dezember 2024 hatte Milei auf dem CPAC-Treffen in Buenos Aires eine «rechte Internationale» beschworen. Diese rechte Vernetzung weltweit voranzubringen, daran arbeitet neben CPAC eine Vielzahl weiterer rechter Netzwerke, Think Tanks und Stiftungen.

Von internationaler Bedeutung ist dabei etwa der rechts-libertäre ultrakonservative US-Think Tank Heritage Foundation, der mit seinem «Project 2025» eine Blaupause für einen Regierungsplan für die neue US-Regierung formulierte. In dem Dokument «Mandate for Leadership» sind Maßnahmen für die ersten 180 Tage der Trump-Administration ausformuliert, die dieser die schnelle Besetzung aller Schaltstellen der Macht ermöglichen sollen. Das Ziel ist, staatliche Regulierungs- und Kontrollmechanismen auszuhebeln sowie die öffentliche Verwaltung und soziale Daseinsfürsorge abzubauen. Der Staat soll allenfalls für Justiz, Verteidigung und innere Sicherheit zuständig sein. Der Markt hingegen soll von jeglichen Beschränkungen befreit werden und alles regeln. Die Heritage Foundation war jahrelang Teil des rechts-libertären Atlas-Netzwerks, das sich inzwischen von manchen der Trump-nahen, kulturpolitisch autoritären Organisationen trennt.

Argentinien und Milei als Vorreiter

Zu den Partnern der Heritage Foundation gehört die argentinische Fundación Libertad y Progreso (Stiftung Freiheit und Fortschritt), eine langjährige Partnerorganisation der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Der Vorsitzende des akademischen Rates der Fundación Libertad y Progreso ist der Ökonom Alberto Benegas Lynch Jr., wichtiger Promotor des Rechts-Libertarismus in Argentinien und intellektueller Ziehvater des argentinischen Präsidenten Javier Milei.

Milei, der sich selbst als Anarcho-Kapitalist bezeichnet, hat Argentinien seit seiner Amtsübernahme im Dezember 2023 in ein Experimentierlabor für rechts-libertäre Politik verwandelt. Wie die Journalistin Diana Cariboni analysiert, wurden viele der im «Mandate for Leadership» formulierten Maßnahmen in Argentinien bereits umgesetzt. Ein Exemplar dieses Handbuchs hatte der stellvertretende Vorsitzende der Heritage Foundation, Derrick Morgan, Milei bereits im Februar 2024 bei der CPAC in Washington DC überreicht.

Internationale Konferenzen wie CPAC, Foro Madrid oder andere dienen dem Austausch von Strategien und Erfahrungen, sie stärken die Vernetzung und ermöglichen es, neue junge Eliten auszubilden.

Die CPAC wurde 1973 in den USA ursprünglich als Austauschort für Konservative aus dem Umfeld der Republikanischen Partei gegründet. Seit 2017 tagt die Konferenz auch außerhalb der USA und hat eine wichtige Funktion für die Vernetzung rechter Akteure weltweit. So fanden 2024 fünf CPACs statt, außer in den USA auch in Ungarn, Brasilien, Mexiko, Argentinien. In ihrer politischen Ausrichtung rückt die Konferenz noch weiter nach Rechtsaußen. Im Februar 2025 zeigt der Trump-Vertraute Steve Bannon am Ende seiner Rede den Hitlergruß und ruft «Fight, fight, fight». Javier Milei erklärte 2024, der «Wert der CPAC» bestehe darin, «unsere Ideen, unseren Geist, unsere Orientierung und unsere Visionen zu bewahren». Als Teil der von ihm beschworenen «rechten Internationalen» sieht er die Regierungen von Argentinien und den USA, Italien und Israel, auch El Salvador und Ungarn als Avantgarde in einem Kulturkampf von rechts. Dieser richtet sich immer gegen progressive soziale, ökologische, feministische und menschenrechtsorientierte Politik, die wahlweise als Wokismus, Globalismus, Gender-Ideologie, Sozialismus oder kultureller Marxismus gebrandmarkt wird.

Spaniens Rechte und die Erklärung von Madrid

Ähnliche Töne hörte man im Mai 2024 auch aus Madrid, als die spanische extrem rechte Vox-Partei im Rahmen ihres EU-Wahlkampfs Vertreter*innen der internationalen extremen Rechten zu ihrer Europa VIVA24-Veranstaltung einlud. Milei und der chilenische Rechtsaußenpolitiker José Antonio Kast traten neben Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National, dem Vorsitzenden der spanischen VOX-Partei, Santiago Abascal, der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und dem ungarischen Präsident Viktor Orbán auf.

Die 2013 gegründete franquistische VOX Partei und ihre Stiftung Disenso nehmen eine Scharnierfunktion zwischen der extremen Rechten in Europa und in Lateinamerika ein. Sie bezeichnen die spanischsprachigen Länder mit etwa 700 Millionen Menschen als «Iberosphäre», als «Gemeinschaft freier Nationen», berufen sich auf ein gemeinsames historisches Erbe und beziehen sich dabei positiv auf den Kolonialismus. 2020 rief Disenso die Rechtsallianz Foro Madrid mit dem programmatischen Dokument «Carta de Madrid» (Erklärung von Madrid zur Verteidigung der Freiheit und der Demokratie in der Iberosphäre) ins Leben. Dieser Erklärung zufolge seien Wohlstand und Entwicklung durch Kommunismus, Drogenhandel und totalitäre Regime sowie die lateinamerikanischen Linksbündnisse Foro de Sao Paulo und Grupo de Puebla bedroht.

Mehr als 150 Politiker*innen und Intellektuelle haben die Erklärung unterzeichnet, darunter auch Milei, die argentinische Vizepräsidentin Victoria Villaruel, Kast und Eduardo Bolsonaro, Sohn des brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro.  Das Foro Madrid hält jährlich regionale Treffen in Lateinamerika ab, 2022 in Kolumbien, 2023 in Peru, 2024 in Argentinien. Dabei attackieren die Teilnehmenden die lateinamerikanischen Mitte-Links-Regierungen derzeit in Brasilien, Chile, Kolumbien, Mexiko sowie die spanische Regierung und versuchen den Boden für Politikwechsel in diesen Ländern zu bereiten.

In diesem Sinne dienen internationale Konferenzen wie CPAC, Foro Madrid oder andere dem Austausch von Strategien und Erfahrungen, sie stärken die Vernetzung und ermöglichen es, neue junge Eliten auszubilden. Ein prominentes Beispiel für eine Politik mit Strahlkraft für die internationale Rechte ist die Kampagne der chilenischen Rechten, die 2022 zur Ablehnung des progressiven Verfassungsentwurfs in einem Referendum führte. Der Gründer der chilenischen Republikanischen Partei, José Antonio Kast, stellte diese Kampagne bei mehreren von der VOX-Stiftung Disenso oder vom Political Network for Values organisierten internationalen Meetings in Europa ausgewählten jungen Nachwuchskräften in Schulungsgruppen und Kampagnentrainings vor.

Antifeminismus als gemeinsamer Nenner

Bei dem Political Network for Values (PNfV) handelt es sich um ein Netzwerk mit hochrangigen Kontakten in Europa, den USA, Lateinamerika und Afrika, von denen viele einen religiösen Hintergrund haben. So gehört etwa der neue Vorsitzende Stephen Bartulica der katholischen Kaderorganisation Opus Dei an. Das PNfV organisiert transatlantische rechte Gipfeltreffen, teils finanziert von Regierungen, teils im UN-Hauptquartier in New York - oder wie im Dezember 2024 im Madrider Senatsgebäude - und versucht, sich damit einen offiziellen Anstrich zu geben.

Das Online-Interview von X-Chef Musk mit der AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel und die Zuschaltung Musks zum Wahlkampfauftakt im Januar haben die weitgehende Isolation der AfD auf internationaler Ebene aufgehoben und zeigen, dass die Vernetzung mit der internationalen Rechten längst zu ihrer Strategie gehört.

Antifeminismus, der als kleinster gemeinsamer Nenner verschiedene rechte Spektren verbindet, ist bei dem PNfV besonders stark ausgeprägt. Wer konservative Geschlechterrollen und Familienbilder infrage stellt, wer sich für LGBTIQ-Rechte und für den freien Zugang zu Abtreibung einsetzt, gilt als Bedrohung der gott- oder naturgegebenen Ordnung, und vielen auch als Bedrohung für das Überleben der jeweiligen Nation. Im Fall des PNfV stehen – dem Slogan «Leben, Familie, Freiheit» entsprechend - die Förderung des traditionellen Familienmodells und des Privateigentums sowie die Erhöhung der Geburtenraten besonders weit oben auf der Agenda. Reproduktive und sexuelle Rechte sollen hingegen zurückgedrängt werden.

So fordert das Netzwerk Regierungen weltweit dazu auf, die 2020 von Ungarn, Guatemala, Uganda und anderen Staaten verfasste «Genfer Konsens Erklärung» (Geneva Consensus Declaration on Promoting Women’s Health and Strengthening the Family) zu unterzeichnen, die Abtreibung verbieten und ein traditionelles Familienbild stärken will. Das PNfV verfolgt auch die Strategie, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Sinne von «Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod» neu zu interpretieren.

Argentinien als rechter Leuchtturm

Im Diskurs der extremen Rechten gewinnt derzeit auch die Gegnerschaft zu supranationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen an Bedeutung. Hinter deren «Agenda 2030 zur Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und Umweltzerstörung», die nachhaltige Entwicklungsziele formuliert, sowie dem UN-Zukunftspakt wittert man den Einfluss der Linken. Insbesondere tut sich hierbei Argentiniens Regierung hervor. So wetterte etwa Nahuel Sotelo, der argentinische Staatssekretär für Glaubensfragen und Zivilisation, bei Treffen von PNfV und CPAC gegen die «ideologisierte Linke», die die Organe der Vereinten Nationen dominierten und gegen NGOs wie Open Society oder Amnesty International, die sich direkt in innere Angelegenheiten einzelner Staaten einmischten. Argentinien bezeichnet Sotelo dagegen als «Leuchtturm für die Welt», der mit den USA, Italien, Ungarn, El Salvador, Ecuador und – so Gott wolle, bald auch wieder mit Chile – zusammenarbeite.

Dieser Anspruch zeigt sich auch im Namen, den sich die Stiftung von Mileis Partei La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran) gegeben hat: Fundación Faro, also «Leuchtturm-Stiftung». Deren Vorsitzender, der Buchautor Agustín Laje, der seit Jahren rechts-libertäre antifeministische Ideologie verbreitet, kündigt nach der Wahl Trumps an, nun werde die «wahre Rechte» zum Vorschein kommen. «Was in Argentinien und El Salvador passiert, zeigt uns, dass die Linke nicht durch das Zentrum, sondern von der Rechten besiegt wird».

Stellvertretender Vorsitzender der Fundación Faro ist Axel Kaiser Barents von Hohenhagen, chilenischer Jurist und Philosoph mit deutschen Vorfahren. Er leitet den chilenischen Think Tank Fundación para el Progreso (Stiftung für den Fortschritt). Axel Kaiser organisiert seit Jahren Buchpräsentationen und Veranstaltungen mit Javier Milei und bezeichnet die traditionelle chilenische Rechtsallianz «Chile Vamos» als Mitte-Links und sozialdemokratisch. Seine Schwester Vanessa Kaiser ist Unterzeichnerin der «Carta de Madrid». Sein Bruder Johannes wiederum überholt José Antonio Kast von rechts und will mit seiner National-Libertären Partei (PNL) chilenischer Präsident werden.

Und die AfD?

Bisher waren AfD-Politiker*innen bei den internationalen Konferenzen der extremen Rechten kaum präsent; das kann sich durch Trumps Wahlsieg, seine Annäherung an Putin und vor allem durch den Einfluss von Elon Musk ändern. Das Online-Interview von X-Chef Musk mit der AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel und die Zuschaltung Musks zum Wahlkampfauftakt im Januar haben die weitgehende Isolation der AfD auf internationaler Ebene aufgehoben und zeigen, dass die Vernetzung mit der internationalen Rechten längst zu ihrer Strategie gehört.

Bei der Kooperation mit rechten Kräften in Lateinamerika stachen neben einer Brasilien-Connection von Waldemar Herdt bislang vor allem der deutsch-chilenische Ökonom Sven von Storch und die AfD-Fraktions-Vizevorsitzende Beatrix von Storch hervor. Beide nehmen regelmäßig am «Marsch für das Leben» in Berlin teil und mobilisieren gegen Abtreibungen. Sven von Storch betreibt Petitions- und Nachrichtenportale wie «Freie Welt» oder «civil petition», die mit dem rechten Lobbyverein «Zivile Koalition» kooperieren und AfD-nahe Nachrichten und Petitionen lancieren.

Sven und Gattin Beatrix von Storch, die jahrelang Vorsitzende der deutsch-brasilianischen Parlamentariergruppe im Bundestag war, gelten als Vertraute von Jair und Eduardo Bolsonaro. Der im südchilenischen Osorno geborene Sven von Storch, der dort auch politisch aktiv ist, war 2021 bereits als Berater für außenpolitische Fragen des damaligen Präsidentschaftskandidaten José Antonio Kast bekannt geworden.

Nun reisten die von Storchs zu Trumps Amtseinführung nach Washington, posteten Bilder von einem «Official Hispanic Inaugural Ball 2025». Sven von Stroch traf sich nach eigenen Angaben mit Steve Bannon und anderen Trump-Beratern und erklärte gegenüber dem chilenischen Medium Radio Bío-Bío, er sei seit mehr als sieben Jahren Teil eines Beraterteams von Donald Trump. Dabei habe er zu strategischen Fragen der Beziehungen zwischen USA, Lateinamerika und Europa gearbeitet, die Zukunft Chiles habe dabei immer eine Rolle gespielt. Schon bald beginnt in Chile der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen im November 2025. Deren Ausgang wird große Bedeutung für die Region haben, und auch darüber entscheiden, welche Rolle Chile in Zukunft in der internationalen Kooperation der Rechten spielt.