
Das heutige queerfeministische Archiv «Lieselle» wurde 1978 als feministisches und Frauenarchiv und -bibliothek an der Ruhr-Universität Bochum gegründet. Es sammelt seit über 45 Jahren Materialien vor allem aus der autonomen Frauen- und Lesbenbewegung. In Bochum gibt es mit dem «AusZeiten» sogar noch ein zweites feministisches Archiv.
In der hier vorliegenden Publikation werden 45 ausgewählte Materialien, Publikationen und Objekte jeweils auf einer Doppelseite vorgestellt, die Schlaglichter auf die Entwicklung feministischer, queerer und auch antirassistischer Kämpfe werfen. Jede Doppelseite enthält neben dem von vielen verschiedenen Autorinnen verfassten Texten auf der rechten Seite ein von der Künstlerin Julia Lübbecke aufgenommenes ganzseitiges Foto.
Darunter sind zum Beispiel (mitunter autobiographische) Texte etwa zum Bochumer Frauenbuchladen «Amazonas», der von 1978 bis 2006 existierte, oder zu verschiedenen Medienprojekten wie den Zeitschriften «IHRSINN» (erschienen in Bochum von 1989 bis 2004), der feministischen Rechtszeitschrift «Streit» (seit 1983 bis heute) und der «Afrekete», die mit nur sechs Ausgaben von 1988 bis 1990 eine der ersten afrodeutschen Zeitschriften war. Daneben stehen unter anderem die Dokumentation eines Frauenstadtplans oder Reflektionen über Esoterik, über die Situation von Frauen in den Naturwissenschaften oder die Bedeutung bestimmter Bücher für die damalige Frauenbewegung.
Zwischen den Zeilen lassen sich (unbeabsichtigt?) die verschiedenen Generationen von Frauen* herauslesen, die sich nicht nur in Bochum engagierten. Auch die Themen und Zugänge, die ihnen im Laufe der Jahrzehnte wichtig waren und denen sie sich stellten, werden deutlich.
Lieselle und AusZeiten (dieses kommt in der Publikation aber nur am Rande vor) sind beide Mitglied im 1994 gegründeten Dachverband i.d.a. für deutschsprachige Lesben- und Frauenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen. Dieser ist wiederum Träger des DDF, dem Digitalen Deutschen Frauenarchiv, das seit mehreren Jahren ein umfangreiches Portal zur Frauengeschichte mit sehr vielen Digitalisaten und einem Meta-Katalog zu den Beständen der beteiligten Archive und Bibliotheken unterhält.
Katja Teichmann (Hrsg.): Aktivist*innen im Archiv. Von den Anfängen der Frauenforschung bis zu queeren Interventionen; Orlanda Verlag, Leipzig 2025, 120 Seiten, 20 Euro