
Die USA ziehen sich nahezu vollständig aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zurück. Im Eiltempo hat US-Präsident Donald Trump nur wenige Wochen nach seinem Wiedereinzug ins Weiße Haus eines seiner wichtigsten Wahlkampfversprechen umgesetzt. Außenminister Marco Rubio zufolge sei die «Überprüfung» der US-Entwicklungsgelder bereits endgültig abgeschlossen. Nach einer sechswöchigen Schockoffensive in Abstimmung mit dem rechtsradikalen Tech-Milliardär Elon Musk und dessen Staatsabbau-Truppe DOGE (Department of Government Efficiency) feiern die Republikaner die «überfällige und historische Reform» als großen Erfolg.
Cornelia Möhring, MdB (Die Linke), ist Mitglied im Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Bundestags.
In seiner Rede vor dem Kongress Anfang März attackierte Trump die Auslandsgelder wiederholt. «Betrug in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar» habe man angeblich aufgedeckt, die «entsetzliche Verschwendung» werde ein Ende haben. Der Präsident spottete über Stipendienprogramme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) in Birma, über LGBTQ-Rechte in Lesotho, «eine afrikanische Nation, von der niemand jemals gehört hat», über wirtschaftliche Förderprogramme für «sesshafte Migranten», wobei «niemand weiß, was das ist». All dies wurde von den Republikanern mit höhnischem Lachen quittiert.
Hauptziel dieses Angriffs auf die US-Außenhilfe ist ein innenpolitischer Geländegewinn: Trump serviert seiner Wählerschaft das Zusammenstreichen der Mittel für die Ärmsten der Armen im Ausland als Sieg im (Kultur-)Kampf gegen die «Verschwendung» amerikanischer Steuergelder. Und so raunen die Republikaner im klassischen Verschwörungsduktus, die Auslandsgelder seien ein korruptes Netzwerk der «liberal-globalistischen Agenda», des «Deep State» oder fauler, «woker» Staatsbediensteter.
Für das internationale System bedeutet der Ausstieg des weltweit größten Geldgebers der Entwicklungszusammenarbeit eine massive Schwächung demokratischer Akteure sowie von Minderheiten und Notleidenden, während Oligarchen, autokratische Regime und Gewaltakteure in Afrika, Asien und Lateinamerika zunehmend fester im Sattel sitzen.
Ergebnis des Frontalangriffs auf die internationale Kooperation ist ein politischer, wirtschaftlicher und humanitärer GAU. 5.200 der insgesamt 6.200 Programme der US-Entwicklungshilfebehörde USAID seien gestrichen worden, verkündete Rubio. Für die verbliebenen 18 Prozent der ursprünglichen Mittel werde künftig sein Ministerium zuständig sein. Die Eingliederung der Entwicklungsbehörde in das Außenministerium deutet zudem auf einen weiteren Abbau der Entwicklungsgelder, aber auch auf die politische Instrumentalisierung der US-Entwicklungszusammenarbeit hin.
Religiös verbrämter Egoismus
Die Meldung aus dem State Department, man habe dem Globalen Süden den Geldhahn zugedreht, folgte im Anschluss an einen denkwürdigen Auftritt des bekennenden Katholiken Rubio. Bei einem Live-Interview auf «Fox News» trug der Republikaner am Aschermittwoch ein schwarzes Aschenkreuz auf seiner Stirn. Es symbolisiert für Christ*innen die Vergänglichkeit des Menschen, die Bereitschaft zu Umkehr und Buße und die Hoffnung auf Auferstehung. «Kehre um und glaube an das Evangelium» oder «Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst», lauten die Segenssprüche der Priester. Wir erleben hier eine politische Elite, die das faktische Ende der Solidarität mit Millionen von benachteiligten Menschen in den Ländern des Südens religiös verbrämt. Der nationalistische Egoismus einer Weltmacht, die ihre Interessen allem Augenschein nach nur noch mit offener Erpressung und Gewalt durchsetzen will, wird mit der Bibel in der Hand und dem Aschenkreuz auf der Stirn gerechtfertigt.
Ungewiss bleibt, ob der Kahlschlag der Auslandshilfe rechtlich Bestand haben wird. Per Dekret hatte Trump am Tag seines Amtsantritts das Einfrieren der US-Auslandshilfen und deren Überprüfung angeordnet. In den kommenden Wochen und Monaten wird sich klären, wie der gewichtige Einwand der Demokraten, dass die vom Kongress bewilligten USAID-Programme auch nur vom Kongress beendet werden können und die Kürzungen per Präsidialdekret somit illegal seien, von den Gerichten beurteilt wird. Immerhin hat der Oberste Gerichtshof bereits Anfang März ein Gesuch der Regierung zurückgewiesen, die Anordnung eines Richters zu stoppen, der die Freigabe der eingefrorenen Auslandsgelder angeordnet und der Trump-Regierung dazu ein Ultimatum gestellt hatte.
Geopolitischer Frontalangriff
Wie auch immer es mit den US-Auslandsgeldern weitergeht, der isolationistisch-geopolitische Frontalangriff der Trumpisten wird sich fortsetzen. Was wir heute in Realtime erleben, ist nicht weniger als der Express-Rückzug des größten Geberlandes der Welt aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Zwar war die US-Außenhilfe immer auch Teil des geopolitischen Hegemoniestrebens einer Weltmacht, die seit Ende des Kalten Krieges die Pax Americana mittels militärischer Dominanz, liberal-demokratischer Grundausrichtung und neoliberalem Washington Consensus herstellte. Unter Trump jedoch werden wir Zeug*innen einer disruptiven Rückkehr zum Isolationismus, der von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Eintritt in den Zweiten Weltkrieg die vorherrschende Außendoktrin der USA war. Heute hat der kriselnde Hegemon auf der internationalen Bühne ein neues, brutalisiertes Kapitel aufgeschlagen und sich grundlegend gewandelt: vom Hegemon mit Soft Power und freiwilliger Gefolgschaft seiner Verbündeten hin zum eisernen Imperium auf Egotrip.
«Make America Great Again»: Das bedeutet für Millionen Menschen von Afghanistan bis Simbabwe den Sturz in die Misere. Denn bei aller Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit ehemaliger Kolonialmächte ist die internationale Entwicklungsfinanzierung der Industriestaaten für die Ärmsten der Armen immer noch so etwas wie das, was auf nationaler Ebene der Sozialstaat ist. An beide – ohnehin nicht hinreichenden – Umverteilungsmechanismen legen Trump und Konsorten nun die Axt. Angesichts des Frontalangriffs der rechten Multimilliardäre auf Demokratie, Kooperation und Umverteilung ist klar: Die internationale Entwicklungszusammenarbeit gilt es genauso zu verteidigen wie den nationalen Sozialstaat.
Die Auswirkungen vor Ort
Denn die Folgen des Kahlschlags greifen tief und treffen die Schwächsten. Partner der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tansania berichten beispielsweise, dass für 2025 eingeplante US-Gelder in Höhe von 400 Millionen US-Dollar nun wegfallen. Betroffen sind unter anderem Arbeitsmarktförderprogramme; Tausende subventionierte Jobs werden gestrichen. Auch Gesundheitsprogramme werden eingestellt und vermeidbare Krankheiten infolge der Streichung kostenloser Impfungen wieder ausbrechen.
In den meisten afrikanischen Ländern ist fast die gesamte Familienplanung von ausländischen Geldern abhängig. So werden Verhütungsmittel umsonst verteilt, weil arme Bevölkerungsschichten sich Kondome, Pille und Spirale schlicht nicht leisten können. Gesundheits- und Aufklärungsprogramme für die besonders vulnerable Queer-Gemeinschaft entfallen ebenfalls. Mühsam aufgebaute Schutzräume für queere Menschen und für von Gewalt betroffene Frauen verschwinden. Auch Organisationen, die Bildungsprogramme und Radiosendungen zur Aufklärung gegen die Genitalverstümmelung junger Frauen betreiben, direkt mit den Communities arbeiten und Safe Spaces anbieten, müssen ihre Arbeit einstellen. Hunderte Arbeitskräfte verloren auf diese Weise von einem Tag auf den anderen ihr Einkommen.
Bereits ihre Türen geschlossen haben in Tansania auch die beiden großen US-Politikinstitute National Democratic Institute (NDI) und International Republican Institute (IRI), die einen großen Anteil an der Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hatten und sich für Frauenrechte, Gleichberechtigung und unabhängige Medien starkmachten. Man kann die Arbeit dieser Akteure bewerten, wie man will: Autoritäre Staaten wie China, Russland und arabische Länder werden den amerikanischen Rückzug für sich zu nutzen wissen.
Im größten Flüchtlingslager Bangladeschs, Cox’s Bazar, wo über eine Million in Myanmar verfolgte Rohingya-Muslim*innen in Zeltstädten ums Überleben kämpfen, bringen die USAID-Kürzungen Hunger und Krankheit. Mit 300 Millionen US-Dollar in 2024 waren die USA der größte Geldgeber für die vor dem Völkermord geflohene Minderheit. Zwar sei die Verteilung von Nahrungsmitteln von der Finanzierungssperre bisher ausgenommen, aber die UN-Welternährungsorganisation (WFP) beklagt einen historischen Mittelrückgang, der auch auf US-Kürzungen zurückgeht. Schon jetzt müssten, so das WFP, die Nahrungsmittelgutscheine im Lager von 12,50 US-Dollar auf 6 US-Dollar im Monat gesenkt werden. Den vielen kleinen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in dem riesigen Lagerkomplex – die mit Ärzten direkt zu den geflüchteten Familien gehen, sich um Wasser und Toiletten kümmern, Abfall entsorgen, Schulunterricht anbieten – wurde der Geldhahn komplett zugedreht.
Betroffen ist auch die internationale Klimafinanzierung. Zwar stellen die USA als weltweit größter Klimazerstörer und stärkste Volkswirtschaft viel zu wenig öffentliche Gelder für den weltweiten Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas und für die Klimaanpassung zur Verfügung. Dennoch kommen bisher von einhundert internationalen Klima-Dollar acht aus den USA. Ein Drittel dieser Gelder läuft über USAID und wurde nun gestoppt. Mit dem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und dem Einstampfen der Klimafinanzierung fällt somit eines der Schwergewichte im Kampf gegen die Klimakrise aus. Angesichts der Rekordtemperaturen werden es auch hier die Schwächsten sein, die am stärksten unter den Folgen der Trump-Politik leiden werden.
Armutsbekämpfung statt Rüstungsspirale
Die deutsche Politik sollte jetzt versuchen, die aufgerissenen Lücken so gut wie möglich zu schließen. Das gilt insbesondere für Projekte, die Menschen in Not unmittelbar vor Ort unterstützen, bei Armutsbekämpfung, Gesundheit, Ernährung, Humanitärem, Minderheitenrechten, Umwelt.
Doch die Aussichten dafür stehen schlecht. Denn auch Deutschland hat sich in den globalen Trend der Kürzungen bei der globalen Solidarität eingereiht. Die letzte Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat die Entwicklungszusammenarbeit gekürzt, wie keine vor ihr, und dabei die Zuwendungen für die Menschen im globalen Süden besonders stark zusammengestrichen. Gegenüber dem letzten Haushalt der Vorgängerregierung sanken die Mittel für das Entwicklungsministerium in vier Haushaltsjahren um 23 Prozent. Die Mittel für humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amts schrumpften gar um 29,9 Prozent.
Diese Haushaltskürzungen waren auch ein Ergebnis der Schuldenbremse im Grundgesetz. Doch leider hält auch die künftige Bundesregierung an diesem historischen Fehler fest; bei der Grundgesetzänderung im März wurden lediglich die Ausgaben für Verteidigung weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen.
Fest steht jedoch: Die Bekämpfung von Armut und sozialer Not ist ein besserer Weg zum Frieden als Hunderte Milliarden für die Rüstungsspirale. Deshalb müssen wir für öffentliche Einnahmeerhöhungen ebenso streiten wir für nationale und globale Umverteilung. Denn wollen wir den Durchmarsch der autoritären Internationale aus Trump, Putin & Co stoppen, brauchen wir mehr, nicht weniger, soziale Gerechtigkeit.