
Während dieser Text geschrieben wird, streiken in Deutschland Hunderttausende Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes (ÖD) für höhere Löhne und Arbeitszeitverkürzung. Die Streikbeteiligung ist hoch: Die meisten städtischen Kitas bleiben geschlossen, der Müll wird nicht abgeholt, die Straßenbahnen und Busse bleiben in den Depots, viele Kliniken und Krankenhäuser richten Notdienste ein und auch viele Bäder bleiben zu. Direkt betroffen sind etwa 2,5 Millionen Beschäftigte im Bund und in den Kommunen sowie indirekt noch einmal 4 Millionen Menschen, die in Kirchen, der Diakonie, der Caritas, in Vereinen und Wohlfahrtseinrichtungen tätig sind.
Bernd Riexinger war von 2012 bis 2021 Ko-Vorsitzender der Linken und von 2017 bis 2025 für die Partei im Bundestag. Zudem ist er Mitglied des Vorstands der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Zuvor war er viele Jahre Gewerkschaftssekretär und später Geschäftsführer des ver.di Bezirks Stuttgart.
Im Unterschied zu den Industriegewerkschaften trägt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die Streiks meist auch auf Straßen und Plätze und vor die Rathäuser. Die Streikenden sind bunt, Frauen dominieren und es sind viele junge Gewerkschaftsmitglieder und Migranten*innen dabei. Ver.di konnte im ÖD substanziell Mitglieder und damit Streikfähigkeit dazugewinnen und ist eine zentrale Kraft der Arbeitnehmer*innen geworden. Trotzdem sind die kommunalen Arbeitgeber und die des Bundes nicht so leicht in die Knie zu zwingen, werden sie doch – mit Ausnahme von Flughäfen oder Krankenhäusern – selten wirtschaftlich getroffen. Wenn die Kita geschlossen bleibt oder Bahnen und Busse nicht fahren, sparen die Träger sogar Personalkosten. Druck entsteht durch erboste Eltern oder Einwohner*innen, weil die öffentliche Infrastruktur nicht mehr funktioniert, oder durch Firmen, die sich beschweren, weil ihre Beschäftigten nicht pünktlich oder gar nicht zur Arbeit kommen.
Nicht nur deshalb ist es folgerichtig, die Tarifauseinandersetzungen in den öffentlichen Raum zu tragen, die gesellschaftliche Meinung zu beeinflussen und politischen Druck auszuüben. Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst sind per se politisch. Es geht um den Zustand der öffentlichen Finanzen, um grundlegende Verteilungsfragen und um Steuerpolitik. Die IG Metall (IGM) organisierte am 15. März 2025 Großkundgebungen in mehreren Städten, um Druck auf die neue Bundesregierung auszuüben, ihre industriepolitischen Forderungen in das Regierungsprogramm aufzunehmen.
Hier wird deutlich: Neben ihren betriebs- und tarifpolitischen Aufgaben haben Gewerkschaften ein politisches Mandat. Für die Partei Die Linke sind sie deshalb diejenigen Akteure, die in der direkten Auseinandersetzung mit dem Kapital die Interessen der lohnabhängigen Klasse vertreten und für ihre Forderungen kämpfen. Somit sind sie ein wichtiger Bezugspunkt linker Politik. Die Linke unterstützt in aller Regel tatkräftig die streikenden Kolleg*innen und damit ihre betrieblichen, tariflichen und politischen Kämpfe. Das bedeutet jedoch nicht, dass gewerkschaftliche Positionen und Kompromisse und die meist sozialdemokratisch geprägte politische Orientierung kritiklos übernommen würden.
Gewerkschaften als Interessenorganisation der lohnabhängig Beschäftigten
Der Grundgedanke von Gewerkschaften ist einfach. Er entstammt der Erkenntnis, dass die Macht der Kapitalbesitzer über die Lohnabhängigen so groß ist, dass sie ihre Interessen beim Verkauf ihrer Arbeitskraft nur gemeinsam durchsetzen können. Gewerkschaften sind deshalb organisierte Zusammenschlüsse von Lohnabhängigen etwa einer Branche, um bei der Regelung von Entlohnung und Arbeitsbedingungen nicht machtlos zu sein. Die Grundlage dieser Zusammenschlüsse ist Solidarität. Sie wird zum Beispiel im Streik geübt, um den Kapitalisten gemeinschaftlich die Arbeitskraft zu verweigern. Solidarität ist jedoch auch eine Alltagspraxis – sich sozial und solidarisch gegenüber Kollegen*innen, Nachbar*innen oder Freund*innen zu verhalten statt auf den individuellen Vorteil im alltäglichen Konkurrenzkampf zu schauen.
Der gewerkschaftliche Kampf hat in rund 150 Jahren erheblichen sozialen Fortschritt erzielt: Tarifverträge, die kollektive Mindeststandards für Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen regeln, Vertretung durch Betriebs- und Personalräte, Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Viele dieser sozialen Rechte wurden in harten Streiks erkämpft, etwa die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit einem 13-wöchigen Streik 1956 in Schleswig-Holstein. Nicht selten wurden tarifpolitische Errungenschaften später in Gesetze gegossen.
Die Linke tritt seit ihrer Gründung dafür ein, das Streikrecht zu erweitern und politische Streiks zuzulassen. Dass die Sozialdemokratie dieses Thema in zahlreichen Koalitionen nie ernsthaft auf die Tagesordnung gesetzt hat, ist kein Zufall.
Gestützt auf hohe Wachstumsraten in den 1960er-Jahren bildete sich in Deutschland eine stark sozialpartnerschaftlich ausgerichtete Gewerkschaftspolitik heraus. Deutschland war unter den Industrieländern eines mit den wenigsten Streiks. Häufig wurden in einer Branche (meist von den Industriegewerkschaften) erkämpfte Tarifabschlüsse auf andere Branchen übertragen. Dieser Sozialstaatskompromiss wurde in den 1990er-Jahren durch eine radikal neoliberale Politik verbunden mit einer in der Nachkriegszeit nicht gekannten Kapitaloffensive gegen die Lohnabhängigen und ihre Gewerkschaften aufgekündigt. Arbeitszeiten, Löhne und Arbeitsbedingungen wurden dereguliert, Europas größter Niedriglohnsektor entstand und mit der Agenda 2010 wurde die Axt an den Sozialstaat gelegt.
Verstärkt wurde dies durch einen massiven Umbau der Ökonomie. Heute arbeiten mehr als 70 Prozent der Beschäftigten im Dienstleistungssektor, wodurch sich auch die Zusammensetzung der Arbeiter*innenklasse veränderte. Sie wurde weiblicher, migrantischer, gebildeter und prekärer. Zur gleichen Zeit ging die Beschäftigung im Bergbau, in der Stahl-, Textil-, Chemie- und Metallindustrie massiv zurück. Dort hatten die Gewerkschaften die höchste Organisations- und Kampfkraft. Inzwischen ist sie mit 10 bis 15 Prozent in den DGB-Gewerkschaften niedrig. Das sind weniger als 6 Millionen gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte bei rund 45 Millionen insgesamt. Tarifverträge haben im Westen knapp über 50 Prozent der Belegschaften, im Osten sind es weniger als 40 Prozent. Einen Betriebsrat gibt es nur in jedem fünften Betrieb.
Mehr Arbeitskämpfe seit der Jahrtausendwende
Etwa seit 2006 nehmen Streiks und Arbeitskämpfe in Deutschland wieder zu, wobei sie sich in den öffentlichen Sektor und die Dienstleistungsbereiche verlagert haben. Hier schlägt die veränderte Zusammensetzung der Arbeiter*innenklasse durch. Die Gewerkschaften sind ebenfalls weiblicher und migrantischer geworden, auch prekär Beschäftigte organisieren sich. So stellen die Erzieher*innen in den öffentlichen Kitas häufig die zahlenmäßig größte Gruppe der Streikenden. Auch in den Krankenhäusern hat die Streikfähigkeit erheblich zugenommen. Dort wurde Tarifgeschichte geschrieben, indem Tarifverträge zur Personalbemessung und Entlastung erstreikt werden konnten (z. B. bei der Charité in Berlin oder bei Unikliniken). Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) konnte ihre Streikfähigkeit ausbauen, ebenso konnte die IG-BAU wichtige Tarifabschlüsse für die schwer zu organisierenden Reinigungskräfte durchsetzen. Auch bei der Postbank und der Post konnten Tarifabschlüsse mit mehreren Warnstreiks durchgesetzt werden. Im Einzelhandel, eine Branche mit über 2,5 Millionen Beschäftigten und einer Mehrheit nicht tarifgebundener Betriebe dauerte die Tarifauseinandersetzung ein Jahr, bis im Mai 2024 die ersten landesweiten Tarifabschlüsse erzielt wurden. Die IGM ist nach wie vor die mitgliederstärkste Gewerkschaft, die eine hohe Streikfähigkeit besitzt, wenn sie auch relativ selten eingesetzt wird. 2024 streikten mehr als eine Million Mitglieder der IG Metall für mehr Geld und mehr freie Tage.
Neue Streikmethoden und Demokratisierung der Arbeitskämpfe
Nicht zuletzt von linken Gewerkschafter*innen vorangetrieben, wurden in den letzten 20 Jahren neue Methoden der Streikorganisation entwickelt und in die Praxis umgesetzt. Verstärkt konnte in Betrieben mit geringem Organisationsgrad mithilfe von Organizing gestreikt werden, zudem wurden Warnstreiktage mit der Organisierung der Betriebe verknüpft. Streiks wurden mit Aktionen im öffentlichen Raum verbunden, wobei neue und lebendige kulturelle Ausdrucksformen entstanden sind (Streiklieder, Performances, bunte Demos usw.). Im Einzelhandel und bei der Müllabfuhr gab es zum Beispiel «Rein-raus-Strategien»: Regelmäßig wurden vor den Kundeneingängen Streikversammlungen organisiert, die von Eingang zu Eingang wanderten. In den Krankenhäusern wurde überlegt, welche Bereiche streiken müssen, damit ökonomischer Druck entsteht. Neue Organisationsformen für gewerkschaftliche Multiplikatoren und Ansprechpersonen haben sich herausgebildet.
Ob wir dies verbindende oder organisierende Klassenpolitik nennen, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass Linke die verbindenden Interessen als Klasseninteressen formulieren und in praktische Politik umsetzen.
Vor allem wurden die Streiks demokratisiert: Auf regelmäßigen Streikversammlungen wurde über die Lage betrieblicher Akteure informiert und über den weiteren Verlauf des Arbeitskampfs, neue Aktionsideen, den Stand der Verhandlungen, die Erwartungen an die Verhandlungsführung und vieles mehr debattiert und entschieden. Bei den Streiks der Sozial- und Erziehungsdienste wurden bundesweite Streikdelegiertenversammlungen einberufen, die über die Verhandlungsergebnisse bzw. über die Fortsetzung der Streiks abstimmten. Auch ohne vorherige Urabstimmung wurden Abstimmungen über die Verhandlungsergebnisse organisiert. Durch die Demokratisierung der Arbeitskämpfe machten die Streikenden viel stärker als bei traditioneller Streikführung den Arbeitskampf zu ihrer Sache, was in aller Regel die Kampfkraft erhöhte und neue Räume für Solidarität und Reflexion geschaffen hat.
Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, als seien diese Streikformen flächendeckend angewandt worden. Davon sind wir immer noch weit entfernt. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung leistet mit ihren bundesweiten «Streikkonferenzen» (für die aktuelle haben sich schon 2.000 Teilnehmer*innen angemeldet) einen immens wichtigen Beitrag. Dabei entstehen wichtige Vernetzungen gewerkschaftlicher Akteure innerhalb der Branchen.
Politische Streiks
Im Unterschied zu den meisten europäischen Ländern sind in Deutschland politische Streiks oder gar Generalstreiks rechtlich nicht zulässig oder zumindest umstritten. Die Linke tritt seit ihrer Gründung dafür ein, das Streikrecht zu erweitern und politische Streiks zuzulassen. Dass die Sozialdemokratie dieses Thema in zahlreichen Koalitionen nie ernsthaft auf die Tagesordnung gesetzt hat, ist kein Zufall. Sie hält nach wie vor am Bild der Sozialpartnerschaft fest, die von der Kapitalseite jedoch längst aufgekündigt worden ist.
Demgegenüber gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass die bestehenden Rechtsgrenzen in der gewerkschaftlichen Praxis ausgedehnt und «politische Streiks» organisiert werden können. Etwa indem zu Demonstrationen während der Arbeitszeit aufgerufen wird. Oder durch gleichzeitige Streiks der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und von ver.di sowohl bei der Bahn als auch im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), die 2023 den Verkehr lahmlegten. Auch die gemeinsamen Streiks von Fridays for Future und ver.di im ÖPNV richteten neben konkreten Tarifforderungen eine klare politische Forderung an die Regierung: eine bessere Finanzierung des ÖPNV. Bei gemeinsamen Streiks von Studierenden und Erzieher*innen wurden ähnliche Erfahrungen gesammelt. Gerade linke Gewerkschafter*innen treten für die offensive Ausschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten und für die Politisierung von Arbeitskämpfen ein.
Das politische Mandat offensiv wahrnehmen
Ihrem Selbstverständnis nach haben Gewerkschaften ein politisches Mandat. Als Konsequenz aus ihrer Zersplitterung und Zerschlagung im Faschismus wurden in Deutschland Einheitsgewerkschaften mit einem Dachverband (Deutscher Gewerkschaftsbund, DGB) gegründet. (Auf die Besonderheiten der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, GDL, oder des Beamtenbunds als Berufsgewerkschaften gehe ich hier nicht ein.) Obwohl die meisten DGB-Gewerkschaften (vor allem die Führungen) eng an die Sozialdemokratie angebunden sind, verstehen sie sich nicht als parteipolitische Organisationen. Sie reklamieren für sich jedoch ein politisches Mandat, damit sie die Interessen ihrer Mitglieder bzw. der Lohnabhängigen gegenüber den Parteien und der Regierung vertreten können.
Gerade linke Gewerkschafter*innen treten für die offensive und lautstarke Wahrnehmung des politischen Mandats ein. So hatte Die Linke bzw. die damalige PDS einen großen Anteil an der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Sie war die erste Partei, die die konkrete Forderung eines gesetzlichen Mindestlohns auf die politische Agenda setzte und dafür mobilisierte. Nachdem insbesondere die Gewerkschaften NGG und ver.di (später auch der DGB) öffentlichkeitswirksame Mindestlohnkampagnen gestartet hatten, entstand so viel gesellschaftlicher Druck, dass die Regierung Merkel 2015 ein Mindestlohngesetz mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro unterzeichnen musste.
Die gesellschaftliche Entwicklung nach rechts, die bedrohliche Aufrüstung und die Herausbildung eines autoritären Kapitalismus bedrohen gewerkschaftliche Handlungsfreiheit und Handlungsmöglichkeiten. Im Kampf gegen Rechts sind die Gewerkschaften wichtige Akteure und Bündnispartner.
Gerade bei geringer Tarifbindung sind gesetzliche Regelungen zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, zu Mindestbedingungen bei Arbeitszeit und gesetzlichem Urlaubsanspruch, zur Lohnfortzahlung, aber auch zur Ausstattung und Finanzierung der Rente, der Krankenversicherung, der Erwerbslosenversicherung oder aktuell dem Bürgergeld elementar für die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten und ihrer Familien. Das gilt auch für die soziale Infrastruktur: für bezahlbares Wohnen, Bildung, Erziehung, Gesundheit, Mobilität, Zugang zu Kunst und Kultur, Klimaschutz usw. Unter einer von Friedrich Merz geführten Bundesregierung, die milliardenschwere Steuergeschenke an die Kapitalbesitzer geben will, wird es in den kommenden Jahren heftige Auseinandersetzungen um diese Fragen geben – und damit um die zentrale Frage der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Die Linke greift diese Fragen auf und trägt sie in die politische Arena. Gleichzeitig machen sich Linke in den Gewerkschaften für die Politisierung der Gewerkschaftsarbeit, für die offensive Auslegung des politischen Mandates und für konkrete Mobilisierung in zentralen Fragen politischer Entscheidungen stark.
Verbindende Klassenpolitik
Die Arbeiter*innenklasse ist infolge der neoliberalen Politik zersplitterter und in ihrer sozialen Lage gespaltener: Es gibt befristet und unbefristet Beschäftigte, solche mit und ohne Tarifvertrag, Kern- und prekär Beschäftigte, Leiharbeiter*innen und Festangestellte. Solo- und Scheinselbstständigkeit nehmen zu.
Die Lohndifferenzen sind größer geworden, etwa zwischen «personennahen Dienstleistungen» und Industriearbeit. Migrantische Personen unterliegen einem höheren Risiko prekärer Beschäftigung und mieser Arbeitsbedingungen. Millionen Arbeitende können ihre Zukunft nicht planen, jede unvorhergesehene Belastung bringt sie in schier unlösbare Zwänge. Das Kapital nützt die Spaltung und Differenzierung der Arbeiter*innenklasse aus, um die Gewerkschaften zu schwächen. «Teile und herrsche» war von jeher ein elementares Machtinstrument. Demgegenüber verfolgt der Ansatz verbindender Klassenpolitik mehrere Ziele:
- Stärkung von Klassenbewusstsein auf der Grundlage der heutigen Klassenzusammensetzung;
- Stärkung eines inklusiven Klassenbegriffs – Migranten*innen und Geflüchtete als Teil der Arbeiter*innenklasse;
- statt Spaltung und Ausgrenzung: verbindende Interessen und Forderungen der verschiedenen Beschäftigtengruppen herausarbeiten und Bündnisse der Solidarität schmieden;
- Bündnisse mit Akteur*innen sozialer und ökologischer Bewegungen für gemeinsame Interessen, z. B. mit der Mieter*innen-Bewegung für bezahlbare Mieten, mit der Klimabewegung für sozial gerechten Klimaschutz, mit Wohlfahrtsverbänden gegen die Schließung von Krankenhäusern oder Verschlechterungen beim Bürgergeld;
- Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse im Kampf für eine soziale und solidarische Gesellschaft; gegen einen autoritären Kapitalismus und die schleichende Faschisierung der Politik.
Ob wir dies verbindende oder organisierende Klassenpolitik nennen, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass Linke die verbindenden Interessen als Klasseninteressen formulieren und in praktische Politik umsetzen: also Arbeitszeitverkürzung und Umverteilung von Arbeit als Alternative zur Spaltung von Erwerbslosen und Beschäftigten, Tarifverträge für alle, neues Normalarbeitsverhältnis statt Spaltung in Kern- und Randbelegschaften. Wichtig ist, die Verbindung von direkten gewerkschaftlichen Kämpfen mit sozialen und ökologischen Bewegungen herzustellen und Bündnisse der Solidarität zu schmieden und damit die Felder der Klassenauseinandersetzung zu erweitern.
Betriebliche und gewerkschaftliche Verankerung ausbauen
Die Partei Die Linke hat nicht nur einen großen Wahlerfolg erzielt, sie erlebt zugleich einen bisher nie dagewesenen Zustrom neuer Mitglieder. Viele von ihnen sind lohnabhängig beschäftigt oder werden es zukünftig sein. Die Orientierung auf die Gewerkschaften und die Entwicklung eines Verständnisses von linker Gewerkschaftspolitik sind deshalb wichtige Aufgaben. Die Genoss*innen sollen in die Gewerkschaften gehen, für Betriebs- und Personalräte kandidieren, gewerkschaftliche Funktionen übernehmen, sich Vertrauen erwerben und so auch zu wichtigen Akteur*innen bei Streiks und gewerkschaftlichen Kämpfen werden.
Die gesellschaftliche Entwicklung nach rechts, die bedrohliche Aufrüstung und die Herausbildung eines autoritären Kapitalismus bedrohen gewerkschaftliche Handlungsfreiheit und Handlungsmöglichkeiten. Im Kampf gegen Rechts sind die Gewerkschaften wichtige Akteure und Bündnispartner. Es muss mehr als nachdenklich stimmen, dass viele Gewerkschafter*innen AfD wählen und bis zu 38 Prozent der Arbeiter*innen für diese Partei gestimmt haben.
Die Gegenwehr gegen die bedrohliche Aufrüstung und den Beginn eines neuen Wettrüstens ist dringend geboten. Die Gewerkschaften haben dabei nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren.