Analyse | Rosalux International - Mexiko / Mittelamerika / Kuba - Sozialökologischer Umbau - Demokratischer Sozialismus Kubas Kampf gegen den Kollaps

Während die sozialistische Inselrepublik ums Überleben kämpft, bieten erneuerbare Energien neue Hoffnung

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Menschen warten auf einen Bus in der kubanischen Hauptstadt Havanna, 28.03.2025.
Menschen warten auf einen Bus in der kubanischen Hauptstadt Havanna, 28.03.2025.
 
 

 

 

Foto: IMAGO / SOPA Images

Es war ein kleiner Lichtblick im wahrsten Sinne des Wortes: Am 21. Februar weihte die kubanische Führung im Hauptstadtdistrikt Cotorro den ersten Solarpark ein. Bis 2028 sollen 92 Anlagen in Betrieb sein. Die rund 100 Megawattstunden, die der mit chinesischer Technologie und kubanischen Unternehmen gebaute Park nun täglich produziert, können die schwere Energiekrise auf der Insel nicht wesentlich lindern. Doch sie vermitteln Hoffnung auf bessere Zeiten.

Gerold Schmidt leitet das Regionalbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Mexiko-Stadt.

Denn derzeit erlebt das sozialistische Land die wahrscheinlich schlimmste Wirtschaftskrise seit der Revolution von 1959. Massive landesweite Stromausfälle legten seit Herbst 2024 wiederholt die Produktion und das öffentliche Leben lahm. An manchen Tagen produziert das Land nur die Hälfte des Strombedarfs; der Strom muss daher immer wieder abgeschaltet werden. Aufgrund von Ölmangel können mehrere Kraftwerke nicht betrieben werden, überdies mangelt es an Ersatzteilen. Benzin fehlt ebenfalls, was sich wiederum massiv auf das gesamte Transportwesen auswirkt.

Etwa 80 Prozent der Lebensmittel müssen derzeit gegen teure Devisen importiert werden. Die Versorgungslage ist generell schlecht – selbst im Gesundheits- und Bildungssektor, auf den die Kubaner*innen zu Recht seit Jahrzehnten stolz sind. Der Tourismus ist nach der Corona-Pandemie immer noch nicht wieder in Schwung gekommen; Fluglinien wie Condor oder die Schweizer Gesellschaft Edelweiss haben die Direktflüge nach Havanna aus ihrem Sommerflugplan genommen.

Gerade junge und gut ausgebildete Menschen haben die Insel in den vergangenen Jahren zu Hunderttausenden verlassen – in der großen Mehrheit nicht aus Opposition gegen die kubanische Führung, sondern weil ihnen die beruflichen und ökonomischen Perspektiven fehlen. Erstmals seit vielen Jahren ist die Bevölkerungszahl der Insel wieder unter die Zehn-Millionen-Grenze gefallen.

Die kubanische Regierung unter Präsident Miguel Díaz-Canel beschönigt die Lage nicht. Noch im Dezember 2024 gestand sie ein, dass ihre bisherigen Maßnahmen die Wirtschaft nicht wiederbeleben konnten.

Trump verschärft Sanktionen

Am 20. Dezember 2024 mobilisierten Díaz-Canel und der inzwischen 93-jährige Raúl Castro Hunderttausende Menschen in Havanna zum Protest gegen die Blockade- und Sanktionspolitik der USA. Seit Anfang der 1960er Jahre hat Washington der Bevölkerung des unliebsamen und unbeugsamen Nachbarn immensen Schaden zugefügt. Die Absicht, Kuba über eine Wirtschafts- und Finanzblockade zu destabilisieren und dem sozialistischen Modell in seiner kubanischen Form ein Ende zu bereiten, entwickelte sich mit der Zeit zu einer Zwangsvorstellung fast aller US-Regierungen.

Es lässt sich nicht genau beziffern, wie es ohne diese Blockade um die kubanische Wirtschaft stünde. Klar ist nur: wesentlich besser. Doch nun verschärft Donald Trump in einer für Kuba ohnehin prekären Situation die Sanktionspolitik gegen das Land. Die leise Hoffnung, seine Regierung werde aufgrund der vielen weltpolitischen Konflikte das Land zumindest eine Zeit lang in Ruhe lassen, hat sich nicht erfüllt. Marco Rubio, US-Außenminister kubanischer Abstammung, agiert seit dem ersten Tag seiner Amtszeit ausgesprochen aggressiv. Gegenüber Albert Ramdin, dem im März gewählten neuen Generaldirektor der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), stellte er unmissverständlich klar, dass er das kleine sozialistische Kuba für «ein Risiko und eine Bedrohung» hält.

Die neue US-Regierung revidierte auch die – erst kurz zuvor von Joe Biden getroffene – Entscheidung, Kuba von der Liste der terrorismusfördernden Staaten zu streichen. Mit diesem Terrorismusvorwurf rechtfertigen die USA ihre Politik, Finanztransaktionen mit Kuba durch Sanktionsdrohungen gegenüber Dritten extrem zu erschweren. Alle Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit bestimmten kubanischen Partnern und Einrichtungen pflegen, müssen nun wieder mit Anklagen und Strafen rechnen. Viele Firmen knicken aus Angst oder wirtschaftlichem Kalkül ein.

Die über Kuba fast immer scheinende Sonne ermöglicht den Umbau hin zu einer nachhaltigeren Energiewirtschaft. Doch dazu sind Infrastrukturinvestitionen notwendig, für die angesichts leerer Staatskassen andere in Vorleistung treten müssten.

Die Trump-Regierung reaktivierte zudem Teil III des berüchtigten Helms-Burton-Gesetzes. Es erlaubt US-Bürger*innen (einschließlich der in den USA nationalisierten Kubaner*innen), vor US-Gerichten gegen Unternehmen zu klagen, die in nach der Revolution von 1959 enteignetes Vermögen investieren. Das schafft zusätzliche Rechtsunsicherheit für internationale Unternehmen, die Geschäfte mit Kuba machen wollen.

In die gleiche Richtung zielt eine weitere Maßnahme: Wer an Kooperationsprogrammen mit Kuba teilnimmt, muss Visaeinschränkungen für die USA befürchten. Im Visier sind besonders die kubanischen Ärztemissionen im Ausland, eine der wichtigsten Devisenquellen für den kubanischen Staat. Die Regionalregierung der italienischen Provinz Kalabrien etwa hat 2022 ein Abkommen mit Kuba geschlossen, in dessen Kontext 500 kubanische Ärzt*innen den Personalmangel in öffentlichen Krankenhäusern lindern sollen. Nun müssen italienische Regionalpolitiker*innen damit rechnen, nicht mehr in die USA einreisen zu dürfen.

Im Fall Mexikos zeigt sich das Dilemma besonders deutlich. Das Land verhält sich solidarisch mit Kuba und ist angesichts der ausbleibenden Öllieferungen Venezuelas in die Bresche gesprungen. Mexiko schickt auch Fachkräfte und Material, um bei der Stabilisierung des kubanischen Stromnetzes zu helfen, und nahm in den vergangenen Jahren mehrere tausend kubanische Ärzt*innen unter Vertrag. Donald Trump droht Mexiko seit seinem Amtsantritt ständig mit neuen Strafzöllen, sollte es bei den Themen Migration, Drogenbekämpfung und Außenhandel mit China nicht so agieren, wie Washington sich das vorstellt. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die USA sich auf Mexikos Kubapolitik einschießen.

Folgen der US-Migrationspolitik

Auch mit Blick auf die Migrationspolitik vollzieht die US-Politik eine Kehrtwende. Jahrzehntelang schafften die USA Anreize für kubanische Staatsbürger*innen, ihr Land zu verlassen, um die dortige Regierung zu destabilisieren. Nun macht der US-Präsident die zuvor geförderte Familienzusammenführung so gut wie unmöglich. Das sogenannte Parole-Programm gewährte bislang mehr als 110.000 Kubaner*innen die Möglichkeit eines zweijährigen Aufenthalts in den USA mit der Aussicht auf ein ständiges Bleiberecht. Damit ist es nun vorbei. Außerdem ist ein großer Teil der etwa 900.000 Kubaner*innen, die die Insel seit 2021 aufgrund von Sonderregelungen in Richtung USA verließen, von der Deportation bedroht. Trump erwägt überdies sogar ein generelles Einreiseverbot für Kubaner*innen.

Darüber hinaus entzog die US-Regierung dem kubanischen Unternehmen Orbit die Lizenz, die Rücküberweisungen von Kubaner*innen in den USA an ihre Familienmitglieder in Kuba entgegenzunehmen. Western Union stellte seinen Überweisungsdienst aus Angst vor Sanktion ein. Betroffen sind Zehntausende Familien, die mit diesen Einnahmen ihre Grundbedürfnisse abdecken.

Außerdem ließ Trump die Visa-Bewilligung für Austauschprogramme stoppen. Dies betrifft kubanische Kulturschaffende, Akademiker*innen, Wissenschaftler*innen und Sportler*innen. Nicht einmal kubanische Schüler*innen werden also künftig an Sportwettbewerben in die USA teilnehmen können.

Die Quadratur des Kreises

Für Kubas Staatsführung ist es schwierig, in absehbarer Zeit Auswege aus der Krise zu finden. Sie will die Errungenschaften der Revolution im Bildungs- und Gesundheitswesen nicht aufgeben und das Primat des Staates gegenüber der Privatwirtschaft wahren. Doch es fehlen die Mittel für notwendige Investitionen, das Land bekommt aufgrund der US-Sanktionen und hoher Auslandsverschuldung kaum noch Kredite. Kurzfristig geht es darum, wie die Wirtschaft überleben kann und die Geduld der Bevölkerung nicht überstrapaziert wird.

In der Landwirtschaft gibt es ein großes, nicht ausgeschöpftes Potenzial, auch für die – teilweise in kleinem Maßstab sehr erfolgreiche – Biolandwirtschaft. Aber bisher bietet das kubanische System wenig Anreize für junge Leute, auf dem Land zu bleiben und dort freie Ackerflächen zu bebauen oder Viehwirtschaft zu betreiben. Nach einer Gesetzesreform wird nun ausländischen Unternehmen und Einzelpersonen die Pacht von Agrarland erlaubt. Ein vietnamesisches Unternehmen soll in diesem Jahr auf 1000 Hektar Reis anbauen. Bei einem Erfolg könnte die Fläche in den folgenden Jahren mehr als verdreifacht werden.

Die über Kuba fast immer scheinende Sonne ermöglicht den Umbau hin zu einer nachhaltigeren Energiewirtschaft. Doch dazu sind Infrastrukturinvestitionen notwendig, für die angesichts leerer Staatskassen andere in Vorleistung treten müssten. Das lange Zeit von Venezuela gelieferte billige Öl hat den Umbau in wirtschaftlich besseren Zeiten verzögert.

Vieles könnte für Kuba einfacher sein, wenn sich die Europäische Union entschiedener gegen die US-Blockade wenden würde.

Die Mitgliedschaft Kubas in der erweiterten Gruppe der BRICS-Staaten seit Januar 2025 hat vorerst vor allem symbolischen Charakter. Nennenswerte wirtschaftliche Unterstützung kann sich das Land nach dem Stand der Dinge allenfalls von China und Russland erhoffen.

Die zunehmende Dollarisierung der Ökonomie mit ihren enormen Unterschieden zwischen offiziellem Wechsel- und Schwarzmarktkurs sowie die Einkommensdifferenzen zwischen den Beschäftigten im kleinen Privat- und im Staatssektor sind eine weitere Herausforderung. In der sogenannten Spezialperiode, die Anfang der 1990er Jahre auf den Zusammenbruch des osteuropäischen Realsozialismus folgte, waren alle Kubaner*innen noch in gleichem Maße von Versorgungsengpässen betroffen. Das ist heute anders, die Ungleichheit ist gewachsen. Und diese Lücke zu schließen, kommt angesichts der höchst unterschiedlichen Produktivität im Privat- und Staatssektor fast einer Quadratur des Kreises gleich.

Vieles könnte für Kuba einfacher sein, wenn sich die Europäische Union entschiedener gegen die US-Blockade wenden würde. Jahr für Jahr stimmen die EU-Mitgliedstaaten in der UN-Vollversammlung gegen die Blockadepolitik. Doch das tun mit Ausnahme der USA und Israels alle anderen Länder auch.

Einen offenen Konflikt jedoch scheut die EU. Seit langem bestehende Regeln, von US-Sanktionen betroffene Unternehmen aus dem EU-Raum zu unterstützen, finden in der Praxis so gut wie keine Anwendung. Das ist keine Ermutigung für Unternehmen, sich der Blockadepraxis zu widersetzen.

An Plänen für die Zeit nach einem potenziellen Ende der US-Blockade fehlt es laut kubanischen Regierungsmitgliedern nicht. Aber dieses Ende ist mit Trump in weite Ferne gerückt. Es wird schwierig bleiben für den Inselstaat.

Dieser Text erschien zuerst in «nd.aktuell» im Rahmen einer Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.