
Die zweite Trump-Präsidentschaft begann mit einer Prozession: Amerikas CEOs standen bei der Amtseinführung brav Spalier. Die Chefs von Amazon, Facebook und Google hatten sich in seiner ersten Amtszeit noch mit dem rechten Emporkömmling angelegt, doch nun saßen sie in der zweiten Reihe und ließen sich die Ehre eine Million Dollar Spende pro Nase kosten. Vielleicht tun sich in dieser beunruhigenden Allianz noch Risse auf, aber bis auf Weiteres vermeiden die Titanen des US-Kapitals jede Andeutung ihrer früheren Unabhängigkeit gegenüber dem wiedererstarkenden Trump-Regime, von Widerstand ganz zu schweigen.
Keith Brower Brown ist Organizer bei Labor Notes und forscht am Berkeley Labor Center der Universität von Kalifornien.
Wenn die Bosse gehorchen, obliegt der Widerstand den Beschäftigten. Kaum im Amt, ging die neue Regierung mit voller Wucht gegen Angestellte im öffentlichen Dienst, Migrant*innen an ihrem Arbeitsplatz, die öffentliche Gesundheitsversorgung, Meinungsfreiheit und grundlegende Arbeitsrechte vor. Wenig scheint sie bislang zu bremsen. Doch ein kämpferischer Flügel der Gewerkschaftsbewegung, der Teil einer größeren Wiederbelebung ist, die während Trumps erster Amtszeit begann, steht bereit. Er ist über viele Konfliktfelder hinweg gut vernetzt und bietet eine realistische Chance auf Gegenwehr. Ausgerechnet die Gewerkschaften könnten zur aussichtsreichsten Hoffnung werden, den Vormarsch der Rechten zu stoppen, wenn sich die Trump-Offensive weiter zuspitzt.
Vom Funken zum Flächenbrand
Nach der Finanzkrise von 2008 rollte eine Lawine von Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand und Unternehmensoffensiven über die Arbeiter*innen hinweg, und die Wut unter den Gewerkschaftsmitgliedern wuchs. Doch statt sich zu wehren, scheuten die Gewerkschaftsspitzen den Konflikt mit den Unternehmen. Sie hofften, die schwierigen Zeiten unbeschadet zu überstehen.
Damit war der Boden für einen Aufstand der Basis bereitet. 2010 übernahm eine kämpferische Reformfraktion die Führung der 26.000 Mitglieder starken Lehrer*innengewerkschaft in Chicago. Zwei Jahre später bestreikten die Lehrer*innen die ganze Stadt und beendeten das jahrelange Kürzungsregime mit 17-prozentigen Gehaltssteigerungen. Noch bemerkenswerter war, dass die sie den Arbeitskampf nutzten, um auch für ihre Schüler*innen zu kämpfen, und zwar gegen überfüllte Klassen, stumpfe Standardtests und die schleichende Privatisierung durch staatlich finanzierte, aber in freier Trägerschaft befindliche Charter Schools. Der Arbeitswissenschaftler Eric Blanc sprach vom «erste ernsthafte Infragestellung des parteiübergreifenden Konsenses zur Schulreform».
In den Jahren danach gründeten sich nach dem Chicagoer Vorbild in etlichen Bundesstaaten allmählich aktivistische Netzwerke. 2018/2019 gipfelte dies in einer Streikwelle von Lehrer*innen, die die republikanisch dominierten Staaten wie Arizona, Oklahoma oder West Virginia besonders hart traf. Dort setzten sie sich sogar mit einem neuntägigen wilden Streik durch, ohne Sanktionen von Gewerkschaftsfunktionär*innen. Dieser Mut ist noch immer da, etwa in Massachusetts, wo Lehrer*innen in sechs Regionen streikten, obwohl ihre Streiks als illegal galten und hohe Geldstrafen drohten. Ein Biologielehrer mit 15 Jahren Berufserfahrung sagte gegenüber Labor Notes: «Ich habe meine Meinung geändert. Nicht alle Gesetze sind gerecht – und das ist ein ungerechtes Gesetz. Lehrer*innen haben das Recht, für faire Löhne zu streiken.»
Wenige Jahre nach der Streikwelle übernahmen Reformkräfte die Führung zweier Großgewerkschaften, der Lastwagenfahrergewerkschaft (Teamsters) und der Gewerkschaft für Angestellte im Automobilsektor (United Auto Workers, UAW), die zusammen über 1,5 Millionen Mitglieder haben. Innerhalb weniger Jahre organisierten sie große Streiks in Autofabriken und Amazon-Logistikzentren. Oft verbunden durch die gut besuchten Labor Notes-Konferenzen, sprang der Funken auf neue Basisbewegungen anderer Branchen über, darunter die Elektriker*innen, Supermarktangestellten und Beschäftigten der Unterhaltungsbranche, um nur einige zu nennen.
Das zaghafte Wiederaufleben der US-Gewerkschaften sieht sich mit der neuen Trump-Regierung nun massivem Gegenwind ausgesetzt.
In den Jahren nach der Pandemie verlieh die niedrige Arbeitslosigkeit dem Arbeitskampf zusätzlichen Rückenwind. Selbst Gewerkschaften, bei denen es keinen Führungswechsel gegeben hatte, traten zunehmend kämpferisch auf, da Organizingansätze à la Jane McAlevey oder Labor Notes bei Gewerkschaftsaktivist*innen an Beliebtheit gewannen und viele junge Leute sich im Anschluss an die Bernie-Sanders-Kampagnen dem Organizing am Arbeitsplatz zuwandten.
In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass in den vergangenen sechs Jahren rund 300.000 Beschäftigte pro Jahr an größeren Streiks beteiligt waren. Das sind dreimal so viele Großstreiks wie in den zwei zurückhaltenden Jahrzehnten davor, aber immer noch halb so viele wie in den unruhigen 1980er Jahren.
Auch die Organisierung neuer Mitglieder hat an Fahrt aufgenommen, begleitet von erstaunlich hoher Zustimmung in der Bevölkerung. Von 2021 bis 2023 stiegen die Mitgliederzahlen um über 400.000 Personen. In Betrieben mit über 500 Beschäftigten stieg die Erfolgsquote bei Gewerkschaftswahlen auf 86 Prozent, ein gewaltiger Sprung im Vergleich zu den 63 Prozent im letzten Jahrzehnt. Zwar gab es dabei etwas Rückenwind durch gewerkschaftsfreundliche Regelungen und Nominierungen für Behördenposten durch die Biden-Regierung, aber die Durchsetzung gegen die geballte Macht großer Konzerne blieb schwach. Laut Umfragen liegt die Zustimmung zu Gewerkschaften heute bei 70 Prozent, gegenüber einem Tiefstand von 49 Prozent im Jahr 2009.
Die größten Zugewinne gab es in Krankenhäusern und an Universitäten. In der verarbeitenden Industrie, Logistik und besonders im Baugewerbe blieb der Aufbruch hingegen weitgehend aus – dabei hätten gerade diese Sektoren mit ihrer unmittelbaren Hebelwirkung auf das Kapital strategisch große Bedeutung und könnte den politischen Einfluss der Gewerkschaftsbewegung ausbauen. Die Baugewerkschaften schrumpften tatsächlich von 2022 bis 2024, und zwar ausgerechnet während der Hochphase staatlicher Subventionen und Anreize für gewerkschaftsgebundene Bauträger unter Biden.
Trotz einiger vielversprechender Siege ist die bittere Wahrheit, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den USA weiter sinkt und im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief von 9,9 Prozent fiel, gegenüber 10 Prozent im Jahr 2023. Neue Gewerkschaften konnten mit dem Wachstum des Arbeitsmarkts nicht Schritt halten, und gegen die jahrzehntelang erprobten Strategien der Unternehmen – von Standortverlagerungen über High-Tech-Überwachung bis hin zu Auslagerungen – bislang kaum ankommen.
Doch das Problem ist zumindest teilweise hausgemacht. Die Gewerkschaftsmittel und die 14 Millionen Mitglieder wurden bislang kaum für neues Organizing aktiviert. Gewerkschaften besitzen aktuell 33 Milliarden US-Dollar Nettovermögen, doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Dass die meisten Funktionär*innen lieber Rücklagen ansammeln als Organizing und Streiks zu fördern, ist ein ernüchternder Beleg dafür, wie viel Reformarbeit noch vor der Bewegung liegt.
Klassenzusammenarbeit oder Unabhängigkeit?
Das zaghafte Wiederaufleben der US-Gewerkschaften sieht sich mit der neuen Trump-Regierung nun massivem Gegenwind ausgesetzt. Das neue Regime hat bereits zehntausende Bundesbeschäftigte illegal entlassen, will Verträge nicht einhalten und das gewerkschaftliche Vertretungsrecht für 700.000 Kolleg*innen abschaffen. Öffentlich inszenierte Festnahmen von Migrant*innen, etwa die eines Organizers von landwirtschaftlichen Beschäftigten, der aus dem Auto gezerrt wurde, oder von Dutzenden Feldarbeiter*innen, die im Januar auf einem Supermarktparkplatz in Kalifornien verhaftet wurden, sollen Angst säen. Auch politisch motivierte Abschiebungen von Palästina-Solidaritätsaktivist*innen zielen darauf ab. Parallel dazu wurden in der ohnehin schon sehr schlecht ausgestatteten Behörde für die Durchsetzung des Arbeitsrechts, dem Department of Labor, zentrale Regeln gekippt und Stellen gestrichen – mit dem Ergebnis, dass Unternehmen wie Amazon und Ford Gewerkschaftsaktivist*innen mittlerweile offen entlassen können, ohne Konsequenzen zu fürchten.
Angesichts dieser Angriffe stehen US-Gewerkschaften nun an einem Scheideweg.
Die zweite Trump-Amtszeit startete mit heftigen Angriffen auf die Gewerkschaften, während die Regierung behauptete, gleichzeitig für Konzerne und Arbeiter*innen zu stehen.
Einerseits könnten sie sich für eine defensive Koexistenz mit Trump entscheiden. Eine tragische Entwicklung, die mit dem Präsidenten der Hafenarbeitergewerkschaft (International Longshoremen’s Association, ILA), der Trump umschmeichelte, bereits begonnen hat und sich mit fremdenfeindlichen Ausfällen des Teamsters-Vorsitzenden bei gemeinsamen Auftritten mit Trump-Verbündeten fortsetzt. Sogar Shawn Fain, der Hoffnungsträger der Reformbewegung in der Automobilarbeiter*innengewerkschaft UAW, kündigte an, mit Trump in der Frage der Zölle eine gemeinsame Basis zu finden – wenn auch nicht zu seiner ganzen Agenda.
Viele Gewerkschaftsfunktionär*innen versuchen damit, das rechte Lager in den eigenen Reihen zu besänftigen – oder wenigstens für Waffenstillstand zu sorgen. Laut Nachwahlbefragungen wählten 2024 rund 55 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder Harris und 43 Prozent Trump – ähnlich wie 2020. Doch das soziale Umfeld der Gewerkschaftsmitglieder ist weiter nach rechts gerückt. Die Financial Times berichtet: «Im Unterschied zu 2020 haben diesmal mehrheitlich Haushalte mit einem Jahreseinkommen unter 50.000 US-Dollar für Trump gestimmt.» Aus der Bau- und Logistikbranche melden Labor-Notes-Kontakte, dass rechte Stimmen in den Gewerkschaften zwar nicht unbedingt zahlreicher, aber deutlich lauter und aggressiver geworden seien. Was Mike Davis einst das «unfruchtbare Zweckbündnis zwischen der amerikanischen Arbeiter*innenbewegung und der Demokratischen Partei» nannte, ist in eine Sackgasse geraten. Die Versuchung, sich mit republikanischen Amtsträger*innen zu arrangieren, um eine begrenzte Verteidigung nach außen und innen zu gewährleisten, wächst.
Andererseits könnten Gewerkschaften eine unabhängige Opposition gegen Trump aufbauen, die über die Reihen der organisierten Beschäftigten hinausgeht. Seit ihrer Niederlage der Demokrat*innen bei den Wahlen 2024 haben führende Parteikräfte öffentlich kapituliert und gefragt: «Was können wir schon ausrichten?» Diese vorauseilende Kapitulation hat ein politisches Vakuum hinterlassen. Die Gewerkschaften und ihre 14 Millionen Mitglieder sind die stärkste organisierte Kraft, die diese Lücke füllen könnte, indem sie einen lauteren, von der Arbeiterklasse angeführten Widerstand leisten, zu dem die Demokrat*innen und CEOs während der ersten Amtszeit von Trump nicht in der Lage waren.
Das Ruder herumreißen?
Erste Anzeichen eines solchen kämpferischen Kurses sind bereits zu sehen. Bundesbeschäftigte, die verschiedenen Gewerkschaften angehören, haben in Windeseile ein Netzwerk aufgebaut, das sich gegen die bisher über 20.000 fristlosen Kündigungen und Drohungen gegen Hunderttausende weitere Betroffene wehrt. Überraschenderweise zeigten sich auch Spitzenfunktionär*innen der größten landesweit agierenden Gewerkschaften und sogar der Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO mit diesem Basisnetzwerk solidarisch. Doch angesichts eines Regimes, das die Bundesverwaltung und ihre Leistungen radikal zusammenstreichen will, sind Arbeitsniederlegungen womöglich ein stumpfes Schwert. Ihre Durchschlagskraft hängt davon ab, ob sie Veteran*innen, Rentner*innen und Besucher*innen der Nationalparks mobilisieren können, also jene, die von den öffentlichen Leistungen profitieren, und ob sie auf solidarische Störaktionen aus anderen Teilen der Arbeiter*innenbewegung zählen können.
Mutige, gewerkschaftsübergreifende Aktionen, bis hin zu gemeinsamen Streiks, könnten das Ruder herumreißen. In Kalifornien etwa koordinieren Lehrer*innengewerkschaften derzeit für diesen Mai einen Streik im ganzen Gebiet des größten Bundesstaats. Die Arbeiter*innen der Automobilbranche haben für Mai 2028 zu einer gemeinsamen Streik- und Tarifrunde sowie zu politischen Aktionen aufgerufen. Auch wenn es nicht zu einem Generalstreik kommen sollte, so ist er damit doch so nahe wie seit den 1940er Jahren nicht mehr. Die offizielle gewerkschaftsübergreifende Zusammenarbeit beschränkt sich seit dieser aktivistischen Ära auf verschlafene Treffen von Spitzenfunktionär*innen, die Reviere und Wahlempfehlungen aushandeln. Eine Ausnahme, auf die sich UAW und die Chicagoer Lehrer*innen gern berufen, ist das «Minnesota-Modell», wie es Autorin Sarah Jaffe nennt: eine Reihe von Gewerkschaften, die im letzten Jahrzehnt ihre Tarifrunden, politische Bildungsarbeit und Gesetzesinitiativen bewusst abgestimmt haben.
Im Vergleich zu Trumps wackeliger neuer Koalition kann die Gewerkschaftsbewegung Mut schöpfen, dass ihre jüngste Wiederbelebung auf alten, tieferen Wurzeln beruht.
Damit eine breite Opposition gegen Trump entstehen kann, reicht es aber nicht, nur Funktionär*innen- und Aktivist*innenkreise zu vernetzen. Gewerkschaften müssen die demokratischen und kämpferischen Ansätze, die sie am Arbeitsplatz verfolgen, auf die Politik übertragen und die Zahl der Mitglieder erhöhen, die sich in ihrer Nachbarschaft, in Kirchen und an den wenigen Orten, an denen die Arbeiterklasse noch zusammenkommt, als politische Organizer*innen engagieren.
Das würde einen Bruch mit der jahrelangen gewerkschaftlichen Führungskultur erfordern, die kaum Mitglieder einbezieht und im vergangenen Jahr nur knapp eine Mehrheit von einer Wahl gegen Trump überzeugen konnte. Statt sich in Wahlempfehlungen für das «geringere Übel» der Demokrat*innen zu verlieren, braucht es weniger und bessere Kandidaturen – im besten Fall aus den eigenen Reihen. Bernie Sanders sprach sich nach der Wahl explizit dafür aus, dass es mehr unabhängige Kandidaturen aus dem gewerkschaftlichen Umfeld und Kandidat*innen aus der Arbeiter*innenklasse geben solle. Nur so kann eine glaubwürdige politische Alternative zu einer Demokratischen Partei entstehen, die mit einem historischen Tiefstwert von 29 Prozent Zustimmung kaum noch Rückhalt hat. Hoffnung machte zuletzt die beinahe erfolgreiche Kandidatur von Dan Osborn, einem Gewerkschafter, der 2021 einen Streik bei Nabisco anführte und als Unabhängiger fast gegen eine republikanische Senatorin in Nebraska gewann. Dazu kamen etliche Erfolge bei den Abstimmungen über Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mindestlöhne und Gewerkschaftsrechten, teils in Bundesstaaten, die Trump deutlich gewonnen hatte.
Sieben Jahre nach dem Lehrer*innenstreik, der den kämpferischen Gewerkschaftsgeist in den USA neu entfachte, gibt es keine Garantie dafür, dass dies auch in den kommenden Jahren so bleibt. Die zweite Trump-Amtszeit startete mit heftigen Angriffen auf die Gewerkschaften, während die Regierung behauptete, gleichzeitig für Konzerne und Arbeiter*innen zu stehen.
Doch im Vergleich zu Trumps wackeliger neuer Koalition kann die Gewerkschaftsbewegung Mut schöpfen, dass ihre jüngste Wiederbelebung auf alten, tieferen Wurzeln beruht: auf einer rebellischen Tradition von Fabrikarbeiter*innen und Pflegekräften, die gegen Vorgesetzte am Arbeitsplatz kämpften, lange bevor Gewerkschaften rechtlich anerkannt wurden. Dies gibt der Bewegung die Chance, eine breitere Arbeiter*innenklasse gegen die Rechte zu mobilisieren, anstatt mit ihr zu kollaborieren. Wie es in einem alten Streiklied der Bergarbeiter*innen aus Kentucky heißt: «There are no neutrals there.» (Da gibt es keine Neutralen.)
Deutsche Übersetzung von André Hansen & Camilla Elle für Gegensatz Translation Collective.