Interview | Soziale Bewegungen / Organisierung - Arbeit / Gewerkschaften - Gewerkschaftliche Kämpfe «Wir haben eine neue Gewerkschaftskultur geschaffen»

Demokratische Arbeitskämpfe und Bündnisse mit der Stadtgesellschaft – Über den erfolgreichen Arbeitskampf bei den Berliner Verkehrsbetrieben

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Celina Bittger, Akivistin beim Bündnis #BerlinStehtZusammen! und Manuel von Stubenrauch, Straßenbahnfahrer bei der BVG und ver.di-Vertrauensmann
«Für alle ist eindeutig: Je mehr Kolleg*innen sich organisieren, desto mehr ist rauszuholen.» Celina Bittger, Akivistin beim Bündnis #BerlinStehtZusammen! und Manuel von Stubenrauch, Straßenbahnfahrer bei der BVG und ver.di-Vertrauensmann, Fotos: Karoline Barner

In der Tarifauseinandersetzung bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) sollten mit hohen Lohnforderungen der massive Reallohnverlust durch die Preissteigerung der letzten Jahre ausgeglichen und an das deutlich höhere bundesweite Lohnniveau angeschlossen werden. Nach sechs Verhandlungsrunden und einigen Warnstreiks verständigten sich BVG und ver.di auf eine Schlichtung, die am 07. April ihre Schlichtungsempfehlung vorlegte. Das auf dieser Grundlage von ver.di und BVG verhandelte Ergebnis für die ca. 16.000 Beschäftigten der BVG empfahl die ver.di-Tarifkommission daraufhin anzunehmen. In einer Mitgliederbefragung entscheiden die Beschäftigten nun bis zum 18. April über das Ergebnis. 

Karoline Barner ist Praktikantin für die Konferenz gewerkschaftliche Erneuerung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und studiert Politische Kommunikation an der Freien Universität Berlin.

In der Tarifauseinandersetzung bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ging es seit Beginn des Jahres um hohe Lohnforderungen von 750€. Die Forderung sollte die Preissteigerung der letzten Jahre ausgleichen und an das deutlich höhere bundesweite Lohnniveau aufschließen. Seit Verhandlung des letzten Tarifabschlusses bei der BVG im Herbst 2021 hatten sich über die Laufzeit massive Reallohnverluste angehäuft. Nach erfolgter Schlichtung kommt es jetzt auf die Entscheidung der Beschäftigten an. Nach sechs Verhandlungsrunden und einigen Warnstreiks verständigten sich BVG und ver.di inzwischen auf eine Schlichtung. Unter dem Vorsitz von Bodo Ramelow für die Gewerkschaft ver.di und Matthias Platzeck für die BVG, legte die Schlichtungskommission Anfang April eine Empfehlung vor. Diese besteht bei einer Laufzeit von 24 Monaten im Wesentlichen aus einer Einmalzahlung von 1.500 Euro, aus Lohnsteigerungen von 390 € ab Juni 2025 plus weitere 50 € ab Juli 2026, sowie einer deutlichen Erhöhung der Schicht und Fahrdienstzulagen und 100 Euro mehr Weihnachtsgeld. 

Im Durchschnitt bedeutet das Einkommenssteigerungen von 15,4 Prozent bzw. sogar 20,1 Prozent für die Fahrer*innen. Mit diesen beeindruckend hohen Lohnsteigerungen wären die addierten Inflationsraten der letzten vier Jahre mit dem Abschluss ausgeglichen. Allerdings müssen die hohen Lebenshaltungskosten bei weit darunterliegenden Lohnsteigerungen dieser Zeit in die Bewertung einbezogen werden. 

Wie diese aussieht, liegt in der Hand der ca. 16.000 Beschäftigten bei der BVG. Nachdem die ver.di-Tarifkommission das auf Grundlage der Schlichtung von ver.di und BVG vorgestellte Ergebnis zur Annahme empfohlen hat, läuft nun bis zum 25. April eine Mitgliederbefragung über die Tarifeinigung. 

Sicher ist schon jetzt: Dieses Ergebnis wäre ohne die Stärke der Tarifbewegung nicht möglich gewesen. Über die Gründe dafür, die Demokratisierung der Verhandlungen, die Zusammenarbeit mit dem streiksolidarischen Bündnis #BerlinStehtZusammen und gemeinsame Kämpfe mit der Stadtgesellschaft sprechen wir mit Manuel von Stubenrauch (Stubi) und Celina Bittger. Stubi ist Straßenbahnfahrer bei der BVG, Ver.di-Vertrauensmann und Tarifkommissionsmitglied. Celina Bittger ist Akivistin beim Bündnis #BerlinStehtZusammen. 
 

Karoline Barner: Oft heißt es, die Beschäftigten bei der BVG würden zu viel fordern und es sei kein Geld da, die BVG nennt eure Forderung nach Lohnerhöhungen gern «unfinanzierbar». Wie siehst du das?

Stubi: Ein Beispiel ist die Miete, die immer weiter steigt. Ich habe keine Chance, eine andere Wohnung zu bekommen, weil sich mindestens 800 andere Personen darauf bewerben. Da gibt es immer eine Person, die mehr verdient. Ich bin früher mit 1.400 Euro Netto viel besser zurechtgekommen als heute mit 2.100 Euro. Und das liegt daran, dass alles teurer geworden ist. Wir haben einen riesigen Nachholbedarf. Es läuft etwas schief, wenn ich mir mit meiner Arbeit bei einem Landesunternehmen mein alltägliches Leben nicht mehr finanzieren kann. Viele von uns bei der BVG sind alleinerziehend. Sie haben Anspruch auf Sozialleistungen, weil sie zu wenig verdienen. Das kann doch nicht sein, wenn man gleichzeitig arbeitet! Dazu kommt, dass wir Tabellenletzter im Ländervergleich sind. Die Kolleg*innen in Thüringen verdienen etwa 763 Euro mehr. Es geht auch um Wertschätzung. Wenn ich derart unter Wert bezahlt werde, dann verliere ich den Mut bei dieser anstrengenden Arbeit. Die Stadtgesellschaft sollte sich Gedanken machen, was passiert, wenn wir alle woanders arbeiten. Dann fährt hier bald keine Bahn mehr. Wir brauchen attraktivere Angebote, damit Menschen sich für die Arbeit in der öffentlichen Daseinsvorsorge entscheiden.

Was haben die Beschäftigten und Aktivist*innen bei #BerlinStehtZusammen in ihrem Kampf gemein?

Celina: Ein Hauptziel von «Berlin steht zusammen» ist es, sich gegen die Kürzungen zusammenzuschließen. Wir erleben in Berlin sehr deutlich, wie milliardenschwere Kürzungsbeträge auf Kosten der Beschäftigten durchgedrückt werden. Das belastet zugleich alle Berliner*innen, weil Busse nicht regelmäßig fahren, die Krankenhausversorgung schlecht ist oder wir lange Wartezeiten bei Ämtern ertragen müssen. Genau das haben wir alle in Berlin gemein. Es gibt Menschen in diesem Land, die Milliarden Euro Profite scheffeln, während andere, die unsere Stadt erhalten, ausgebeutet werden. Und wenn Kollegen mir dann Geschichten erzählen, dass sie neben ihrer stressigen Schicht als Busfahrer noch einen Nebenjob machen müssen, dann frage ich mich, ob das noch gerecht ist. Dagegen müssen wir uns wehren.

Nicht die Beschäftigten sind schuld daran, dass die Bahn nicht fährt.

Stubi: Wir leiden alle unter den Kürzungen, wie Celina sagt. Und ich glaube, man kann sich immer gegenseitig unterstützen. Und unsere Auseinandersetzung betrifft letztlich auch einige Studierende direkt. Wir haben auch bei der BVG Berufe, für den es einen Uni-Abschluss braucht, wie z. B. Ingenieure. Auch ihre Arbeitsbedingungen spielen in unseren Auseinandersetzungen eine Rolle.

Welche solidarischen Aktionsformen habt ihr bei #BerlinStehtZusammen durchgeführt? 

Celina: Wir wollen Politiker*innen, die verantwortlich für die Entlohnung der Kolleg*innen bei der BVG sind, mit deren Situation konfrontieren. Denn die Auseinandersetzungen um höhere Löhne gerade in öffentlichen Bereichen müssen auch politisch gewonnen werden. Dafür haben wir die sogenannte «Schienbeintreter-Aktion», in der wir aktiv mit vielen Kolleg*innen der BVG den Bürgermeister Kai Wegner bei einem Bürgerdialog mit Fragen unter Druck gesetzt haben, wann er in dem Fall endlich Geld in die Hand nimmt. Außerdem haben wir vor dem Gebäude eine Kundgebung veranstaltet. Es ist unsere Rolle, zu betonen, dass der geringe Verdienst der Beschäftigten eben nicht Standard sein darf. Wenn die Politik will, dann ist Geld da. 

An den Streiktagen der BVG haben wir unsere Ringbahnaktion gemacht. In der S-Bahn sind wir mit Flyern das Gespräch mit den Fahrgästen gesucht, um Solidarität mit den Streikenden in der Stadtgesellschaft aufzubauen. Denn es ist ja klar, dass Menschen, die auf den ÖPNV angewiesen sind, an Streiktagen schnell ungeduldig und sauer werden. Aber nicht die Beschäftigten sind schuld daran, dass die Bahn nicht fährt. Sie sind gezwungen zu streiken, solange Politik und Arbeitgeber nicht liefern.

Was motiviert euch dazu, politisch aktiv zu werden?

Celina: Die Gespräche und Freundschaften mit Kolleg*innen aus den Betrieben bringen mich aus meiner «Bubble» raus, was super spannend ist. Vor allem aber brauchen wir als Stadtgesellschaft eine andere Strategie, als nur zu demonstrieren. Mit der Streikmacht der Beschäftigten ist es möglich, Veränderungen durchzusetzen. Dabei ist eine wichtige Frage, wie wir die Tarifrunden politisieren und politischen Druck aufbauen können. Arbeitskämpfe hängen sehr eng mit politischen Forderungen wie der Einführung einer Vermögenssteuer oder der Aufhebung der Schuldenbremse zusammen. Wir können Kämpfe verbinden. 

Stubi: Ich habe den Weg in die Gewerkschaft durch meine persönliche Einstellung gefunden. Bevor ich damals als Fahrer anfing, war ich schon Mitglied. Zwei Jahre später haben mich Kollegen gebeten, mich als Vertrauensmann aufstellen zu lassen. Nur meckern hilft eben nicht. Wenn man etwas ändern möchte, sollte man sich beteiligen. Ich bin jetzt zehn Jahre bei ver.di und erlebe gerade wirklich einen Höhepunkt. 

Was genau macht diesen Höhepunkt in der Gewerkschaft aus?

Stubi: Früher war es üblich, dass wir im Betrieb wenig von den Verhandlungen mitbekamen. Viele der vergangenen Abschlüsse waren nicht zufriedenstellend. Jetzt arbeiten wir ähnlich wie die Linkspartei im Haustürwahlkampf: Wir wollen wissen, welche Probleme die Kolleg*innen beschäftigen. Außerdem haben wir eine Struktur geschaffen, in der wir nach jeder Verhandlungsrunde unsere Kolleg*innen fragen: «Wie findet ihr das Angebot? Was seid ihr bereit, einzusetzen, um weiterzumachen? Seid ihr streikbereit?» Mit diesem System, das es in ähnlicher Form mit den Tarifbotschafter*innen im öffentlichen Dienst gibt, sind plötzlich viel mehr Menschen im Betrieb beteiligt. In den letzten drei Umfragen haben wir es geschafft, dass jedes Mal fast 10.000 Beschäftigte abgestimmt haben. Das Ergebnis: Es waren immer über 95 Prozent der Kolleg*innen dafür, mehr Druck durch Streiks aufzubauen. Seit Beginn der Tarifbewegung im Herbst haben wir 1850 neue ver.di-Mitglieder gewonnen. Wir haben eine neue Gewerkschaftskultur geschaffen. Das hat dazu geführt, dass wir den Konflikt bei der BVG – von dem viele meinten, er sei sicher im Februar vorbei – bis April entschlossen und kampfbereit geführt haben.

Woher kommt die Entschlossenheit genau?

Stubi: Wir waren uns sehr einig bei der Forderung. Einfach weil wir so erschreckend weit unten sind bei der Entlohnung. Von Anfang an war klar, dass die Löhne deutlich steigen müssen. Die Kolleg*innen wissen, dass es so nicht weitergehen kann. Wir sehen, dass die Menschen sich was anderes suchen – zur Konkurrenz gehen. Als Straßenbahnfahrer ist es z. B. mit einer entsprechenden Weiterbildung relativ leicht, zur Deutschen Bahn zu gehen. 

Aber vor allem kommt die Einigkeit durch die neue Gewerkschaftskultur. Wir lernen uns im Streik besser kennen und das schweißt zusammen, auch wenn wir aus verschiedenen Bereichen kommen. Früher ist bis auf die Streikgelderfassung nicht viel passiert. Jetzt machen wir viele Streikversammlungen und da lernen Kollegen aus der Werkstatt Kollegen kennen, die Bus oder Straßenbahn fahren. Menschen trauen sich, das erste Mal vor Publikum zu reden und offen zu sagen, welche Probleme es gibt. Wir sehen am wöchentlichen Mitgliederzuwachs, dass das mobilisiert. 

Wer ist die Gewerkschaft? - Wir sind die Gewerkschaft!

Mein Slogan ist: «Wer ist die Gewerkschaft? - Wir sind die Gewerkschaft!» Damit üben wir einen gewissen positiven Druck auf die Gewerkschaft aus. Es geht darum zu tun, was die Beschäftigten wollen. Diese Vergewisserung braucht die gewerkschaftliche Verhandlungsführung, damit sie weiß, dass Menschen hinter ihr stehen. 

Celina: Ich beobachte eine 180-Grad-Wende im Vergleich zu den Tarifauseinandersetzungen im letzten Jahr bei der BVG. Alleine, wenn wir die Anzahl der Streiktage betrachten. Letztes Jahr blieb es bei zwei Streiktagen, diesmal sind es acht. Letztes Jahr hörte ich die Beschäftigten oft Sätze sagen wie: «Eigentlich habe ich keine Lust im Streik irgendwo rum zu stehen. Ich hole mir das Streikgeld, trinke ein Käffchen und dann gehe ich wieder. Die Gewerkschaft verhandelt in der Zeit irgendwas und mal gucken, was dabei rumkommt.» Diesmal hat die neue Rückkopplungsstruktur diese Haltung der Beschäftigten gedreht. Dass nach jeder Verhandlungsrunde alle Beschäftigten gefragt werden, egal ob sie Gewerkschaftsmitglieder sind oder nicht, sorgt für Beteiligung. Ihnen ist klar, dass es nicht nur um den Verhandler der Gewerkschaft geht. Für alle ist eindeutig: Je mehr Kolleg*innen sich organisieren, desto mehr ist rauszuholen. 

Wie genau erfolgt die Rückkopplung der Verhandlungsstände und die Mitbestimmung durch die gewerkschaftliche Basis bei BVG und TVöD?

Stubi: Nach jeder Verhandlungsrunde trifft sich die Tarifkommission und bespricht den Verhandlungsstand. Bei der BVG werden dann die Hofverantwortlichen in einer Videokonferenz informiert, die wiederum die Beschäftigten persönlich informieren. Hofverantwortliche sind quasi unsere «Gewerkschaftsbienen». Sie verbreiten den Stand der Dinge auf ihrem Betriebshof: Welches Ziel verfolgt die Tarifkommission? Was wollen die Mitglieder? Ohne zu wissen, was die Mitglieder wollen, kann die Tarifkommission keine Richtung vorgeben. Mit unseren etwa 300 Hofverantwortlichen schaffen wir es, innerhalb von neun Tagen bis zu 10.000 Menschen zu befragen. So eine Informationsstruktur gab es noch nie. Wir fragen dann: «Würdest du das folgende Angebot annehmen oder würdest du den Druck durch Streiks erhöhen?» Als wir einmal weiterverhandeln wollten, obwohl kein weiterer Verhandlungstermin im Raum stand, haben wir mithilfe der Befragung gezeigt: «Wir wollen binnen 24 Stunden einen weiteren Verhandlungstermin, denn wir sind hier am Drücker.» Diesen Druck aufbauen zu können, funktioniert nur mit einer Mehrheit, die hinter den Forderungen steht. Es ist die Masse, die erfolgreiche Streiks ausmacht und deshalb ist es so wichtig, dass viele Kolleg*innen neu in die Gewerkschaft eingetreten sind und mitmachen. Dieser Machtaufbau im Betrieb ist den Hofverantwortlichen zu verdanken.

Es hat richtig Laune gemacht, zusammen für die eigenen Rechte zu kämpfen.

Celina: Auch in der bundesweiten Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst wurde in diesem Jahr mit dem Rückkopplungsmodell experimentiert und sie in einem Pilotprojekt im ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg ausprobiert. Die angesprochenen Hofverantwortlichen nennen wir hier Teamdelegierte. Im Krankenhaus beispielsweise gibt es in Berlin pro Station Teamdelegierte, die ihr Team befragen und das Ergebnis rückkoppeln. Als Bündnis #BerlinStehtZusammen haben wir bei dieser gewerkschaftlichen Ansprache in den Krankenhäusern unterstützt, um das Modell an den Start zu bringen. Mit unseren Gesprächen wollten wir Kolleg*innen dazu motivieren, selbst die Aufgabe der Teamdelegierten zu übernehmen. Weil wir davon überzeugt sind, dass es genau diese Basis an aktiven Beschäftigten braucht, die die Gewerkschaft als ihre verstehen. Bei der BVG haben sich die Kolleg*innen diese Errungenschaft angeeignet und man kann sie ihnen nicht mehr wegnehmen. Denn klar ist auch: Nur mit einer starken Beteiligung an den Verhandlungen sind die Kolleg*innen zu gewinnen und werden wirklich aktiv im Streik. Das ist für mich gewerkschaftliche Erneuerung. Es sind nicht nur ein paar hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre, die für die Beschäftigten verhandeln, sondern Entscheidungen werden an der Basis getroffen und nicht durch Stellvertreter*innen.

Welche Perspektiven seht ihr für branchenübergreifende Arbeitskämpfe? 

Stubi: Es ist Gewerkschafter*innen wichtig, gemeinsam mit anderen Betrieben Aktionen zu starten. Wir haben im Februar gegenseitige Unterstützungsaktionen gestartet. Das funktioniert nur, wenn wir zusammenhalten. Bei der BVG haben wir gemeinsam mit den Betrieben BSR, Berliner Wasserbetriebe, Stromnetz Berlin und Berliner Energie und Wärme gestreikt und konnten so mehr Druck aufbauen. Es hat richtig Laune gemacht, zusammen für die eigenen Rechte zu kämpfen. Wir waren mit über 10.000 Menschen vor dem Roten Rathaus und standen schon lange nicht mehr so geeint auf der Straße. Auch die Mitglieder in den Tarifkommissionen standen zusammen, was eine starke solidarische Botschaft nach außen zeigt. Genau das haben wir geschafft, weil die Gewerkschaftsmitglieder dafür waren, branchenübergreifend Aktionen zu machen. Wir versichern uns gegenseitig, wie sehr es unser gutes Recht ist, zu streiken. Wir haben uns bei der BVG ja auch bei unserem Rückkopplungssystem am Arbeitskampf bei der Lufthansa orientiert. Uns wurde in der Tarifkommissionssitzung vorgestellt, wie sie damals vorgegangen sind. Vielleicht werde ich im Sommer bei einem anderen Betrieb sitzen und von unserem Kampf erzählen, wer weiß. 

Die Solidarität zwischen den Beschäftigten und die Solidarität aus der Stadtgesellschaft macht mir Mut.

Celina: Die Kolleg*innen aus verschiedenen Branchen eint dasselbe Anliegen. Nur zusammen können wir uns gegen die Kürzungen am Sozialstaat wehren. Unter einer CDU geführten Regierung müssen wir uns zusammentun. So kann ein Spaltungsgedanke erst gar nicht entstehen. Es braucht Geld überall in der öffentlichen Daseinsvorsorge, damit die Stadt funktioniert.

Inwiefern verschärft der von euch angesprochene Sozialabbau den Rechtsruck in den Betrieben? Wie nehmt ihr den Rechtsruck wahr?

Celina: Die ständig wiederkehrende Erzählung im Sinne von, es sei kein Geld da, und deswegen müsse es die Menschen treffen, die zu uns migrieren oder Bürgergeld empfangen, verfängt. Wir müssen mit linken Erzählungen dagegenhalten. Beim Streikposten waren auch linke Politiker*innen vor Ort, die die Oben-Unten-Erzählung verbreiteten. Im Sinne von: «Es gibt Leute, die extrem viel Geld haben, während ihr die Stadt am Laufen haltet.» Das ist wichtig, um rechten Einstellungen zu begegnen und Alternativen aufzuzeigen. 

Stubi: Rechte Erzählungen höre ich hin und wieder. Wenn Kollegen von Radwegen in Peru sprechen, die durch deutsche Gelder ermöglicht worden sind, wobei das Geld eher für Deutsche ausgegeben werden müsse, dann weiß ich, dass rechte Informationsquellen dahinterstehen. Aber man muss die Leute mitnehmen und aktiv dagegenhalten. Wichtig ist, dass wir Vertrauen schaffen, wie durch das Rückkopplungssystem. Ein offenes Vertrauensverhältnis stärkt meine Glaubwürdigkeit. Selbst, wenn es nur mal ein kleines Gespräch mit einem Beschäftigten ist: Kontinuierliche Präsenz ist wichtig. Viele sehen, dass die Linkspartei die einzige Partei ist, die zu Streikversammlungen erscheint. Die Politik muss in Zukunft vorsichtig sein. Die Menschen sind jetzt schon unzufrieden. Dazu haben sie genug Gründe. Ob sie den Acht-Stunden-Tag abschaffen oder uns nötigen, später in Rente zu gehen: Irgendwann kippt die Stimmung.

Was gibt euch Hoffnung?

Celina: Ich habe mit sehr vielen Kolleg*innen gesprochen, die nicht daran glauben, dass sich etwas ändern kann. Mittlerweile sind sie überzeugt, dass sie es selbst in die Hand nehmen können. Außerdem macht mir die Solidarität zwischen den Beschäftigten und die Solidarität aus der Stadtgesellschaft Mut. 

Stubi: Ich bin hoffnungsvoll, weil ich so viele gute junge aktive Menschen kennengelernt habe. Wenn ich das sehe, mache ich mir keine Sorgen über die Zukunft.

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