Nachricht | Geschichte Künstlerin für Menschenwürde und Frieden

Käthe Kollwitz (8. Juli 1867 – 22. April 1945)

Information

Autorin

Gisela Notz,

Hugo Erfurth - Portrait der Käthe Kollwitz, 1927, Wikimedia Commons

Käthe Kollwitz war eine sozialkritische Grafikerin, Malerin und Bildhauerin und zählt zu den berühmtesten deutschen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Die Schrecken und Auswirkungen der beiden verheerenden Weltkriege haben ihr Werk ebenso geprägt wie der Kampf gegen Unrecht, Armut und Krieg.

Kindheit, Jugend und Ausbildung

Am 8. Juli 1867 wurde sie als Käthe Schmidt in Königsberg (Preußen) – heute Kaliningrad/Russland - als fünftes Kind einer Maurermeister-Familie geboren. Käthe wurde früh von ihren Eltern gefördert. Als sie vierzehn Jahre alt war, ermöglichten sie ihr den Unterricht bei einem Kupferstecher und einem Maler. Als 18jährige ging sie nach Berlin an die sogenannte Damenakademie des Vereins Berliner Künstlerinnen. Anschließend ließ sich in Königsberg als Zeichnerin ausbilden und besuchte 1888 – 89 die Künstlerinnenschule in München. Eine Ausbildung an einer Kunstakademie blieb ihr als Frau versperrt, da diese zu dieser Zeit noch keine Frauen aufnahmen. Nachdem sie 1891 den sozialdemokratischen Armenarzt Karl Kollwitz geheiratet hatte, lebte sie mit ihm und ihren beiden Söhnen Hans und Peter inmitten der Armen und Unterdrückten im Berliner Arbeiterviertel Prenzlauer Berg. Zwischen 1898 und 1903 unterrichtete sie an der Damenakademie, an der sie einst gelernt hatte. Die Weißenburger Straße, in der sie mit ihren Lieben lebte, wurde 1947 nach ihr benannt.

Die Sehnsucht nach einer gerechteren Gesellschaft 

Im Mittelpunkt ihres Werkes standen die Stärken und Leiden der Arbeiterinnen. Ihre Kunstwerke – meist in Schwarz-Weiß gehalten – sind Schreie und Anklagen, aber sie zeigen auch die Sehnsucht einer überzeugten Pazifistin und Sozialistin nach einer menschenwürdigen Gesellschaft. Auf zum Teil erschreckend realistische Art stellte sie in ihren Werken das Elend der Armen und Unterdrückten, der Arbeiterinnen und ihrer Kinder dar. Käthe Kollwitz erhielt zahlreiche Auszeichnungen im In- und Ausland. Inspiriert durch die Uraufführung von Gerhard Hauptmanns Drama «Die Weber» 1983 schuf sie 1894–98 die sechsteilige Bilderfolge «Ein Weberaufstand». Die Aufnahmekommission der königlichen Akademie hatte diesen Zyklus 1898 zur großen Berliner Kunstausstellung zugelassen. Max Liebermann (1847–1935) war von dem «Weberaufstand» so beeindruckt, dass er Käthe Kollwitz noch im selben Jahr zur kleinen goldenen Medaille vorschlug. Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) lehnte es jedoch ab, das Werk mit der Goldenen Medaille auszuzeichnen, weil es von einer Frau stammte.

1898 wurde Käthe Kollwitz Mitglied der Berliner Künstlervereinigung «Secession», 1916 dann deren einziges weibliches Jurymitglied. 1902–1908 schuf die Künstlerin ihr zweites großes Werk, den aus sieben Radierungen bestehenden «Bauernkrieg». 1904 hielt sie sich für ein Jahr in Paris auf und studierte an der Académie Julian Bildhauerei. Als sie für die Deutsche Heimarbeit-Ausstellung in der Alten Akademie Unter den Linden in Berlin, die vom 17. Januar bis Ende Februar 1906 gezeigt wurde, ein Plakat entwarf, kam sie erneut mit den Herrschenden in Konflikt. Diesmal war es Kaiserin Auguste Victoria (1858–1921), die das Plakat verbot. Es zeigte eine durch ihre Arbeit entkräftete Frau. Darüber ärgerte sich die deutsche Kaiserin derartig, dass sie den Besuch der Ausstellung verweigerte, solange das Plakat dort zu sehen war. Ein Jahr später erhielt Käthe Kollwitz den Villa-Romana-Preis, der ihr die Einrichtung eines eigenen Ateliers in Florenz ermöglichte. Nach ihrer Rückkehr nach Berlin zeichnete sie vor allem Plakate, Aufrufe und Flugblätter für humane und politische Zwecke und schuf zahlreiche Plastiken.

«Sinnlose Opfer für einen hirnverbrannten Wahnsinn»

Während des Ersten Weltkriegs setzte sie sich nach dem Verlust ihres jüngeren Sohnes, der zu Kriegsbeginn zu den ersten Freiwilligen gehörte und bereits im Oktober 1914 auf dem Schlachtfeld getötet wurde, vor allem mit den Themen Krieg und Tod auseinander. Über die «sinnlosen Opfer» für einen «hirnverbrannten Wahnsinn» kam sie Zeit ihres Lebens nie hinweg. Die Holzschnittfolge «Der Krieg», die sie 1922/23 fertigte, ist ein bewegendes Werk einer überzeugten Antimilitaristin. Am 13. Oktober 1923 wurde der Zyklus in der Akademie der Künste ausgestellt. Er setzt sich aus den Einzelbildern «Die Witwe», «Die Mutter», «Die Bettelnde» und anderen Frauendarstellungen zusammen. Das sechste Blatt des Kriegszyklus zeigt die Mütter, die ihre Kinder vor dem Krieg schützen wollen. Möglicherweise ist es ein Ausdruck der Selbstvorwürfe, weil ihr das nicht gelungen ist. In diesem Kriegszyklus trägt die Frau das Leid der Menschheit. Die Bilder zeigen, dass sie die schwerste Last trägt. Mehr noch als die Männer, weil sie die Toten zu beklagen hat.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Käthe Kollwitz am 24. Januar 1919 als erste Frau zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste gewählt und bekam einen Professorinnentitel. Während der Zeit der Weimarer Republik fertigte sie Plakate für die Internationale Arbeiterhilfe, für die Russlandhilfe und 1924 für den Mitteldeutschen Jugendtag das wohl bekannteste deutsche Anti-Kriegsplakat «Nie wieder Krieg». Außerdem unterzeichnete sie einen Aufruf gegen den Bau von Panzerkreuzern.

«Nieder mit dem Abtreibungsparagraphen»

Käthe Kollwitz unterstützte auch die Bewegung zur Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch, die vor allem von Kommunistinnen mit dem Slogan «Dein Bauch gehört Dir», gefordert wurde. Das Plakat «Nieder mit dem Abtreibungsparagraphen» von 1924 prangert den Abtreibungsparagrafen als Klassenparagrafen an. Sie fertigte es für eine Kampagne des Frauensekretariats der KPD. Auf das Plakat zeichnete sie eine überforderte Arbeiterin, die kaum zwei Kinder ernähren kann und wieder schwanger ist.

Anlässlich des Internationalen Frauentages 1926 beteiligt sich Käthe Kollwitz an den Kampagnen zur entschädigungslosen Enteignung der ehemals im Deutschen Reich regierenden Fürstenhäuser. Mit ihrer Unterschrift setzte sie sich für einen Volksentscheid ein, der am 20. Juni 1926 durchgeführt wurde. Der Volksentscheid scheiterte, weil sich – ebenso wie an den Kundgebungen zum gleichen Thema - nicht genügend Frauen und Männer beteiligten.

Käthe Kollwitz unterstützte auch die 1915 gegründete Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF). Neben der schwedischen Schriftstellerin, Politikerin und Pazifistin Selma Lagerlöf (1858–1940) gehörte sie vom 4. bis 6. Januar 1929 zum Ehrenkomitee der IFFF-Konferenz in Frankfurt/M. Themen der Konferenz waren «Die modernen Kriegsmethoden und der Schutz der Zivilbevölkerung». Die wichtigsten Resultate der Konferenz sind in einer von Käthe Kollwitz gestalteten Dokumentation zusammengefasst: «Es gibt keine wirksamen Schutzmaßnahmen gegen Zerstörungsmittel wie Giftgas» und «ein neuer Krieg wäre ein Krieg der gegenseitigen Vernichtung der Völker und könnte den Untergang der Zivilisation bedeuten». Das Titelbild des Buches ist mit einer eindrucksvollen Grafik versehen, die den tragischen Tod durch Giftgas darstellt.

Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind

(Käthe Kollwitz, 1922)

«Trauernde Eltern»

Die Plastik der «Trauernde Eltern», die 1932 in Erinnerung an Käthe Kollwitz getöteten Sohn auf dem Soldatenfriedhof Roggervelde in Belgien, auf dem ihr Sohn begraben liegt, aufgestellt wurde, ist eigentlich ein Mahnmal. Die Worte, die sie 1922 in ihr Tagebuch schrieb: «Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind», sind leider heute wieder aktuell. Nachdem sie 1933 einen Appell für die Arbeitereinheitsfront gegen den Hitler-Faschismus unterzeichnet hatte, musste sie unter dem Druck der Nazis ihren Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste erklären. Die Leitung der Meisterklasse wurde ihr entzogen, sie war Verhören durch die Gestapo ausgesetzt, bekam faktisch Ausstellungsverbot und ihre Kunstwerke wurden als «entartet» verbannt. In dieser Zeit begann sie eine Lithographienreihe mit dem Titel «Tod» und etwas später «Saatfrüchte dürfen nicht vermahlen werden». Viele Drucke und Druckplatten wurden 1943 bei einem Bombenangriff, dem ihre Berliner Wohnung zum Opfer fiel, zerstört. Käthe Kollwitz zog nach Moritzburg bei Dresden, wo sie kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs am 22. April 1945 im Alter von 77 Jahren starb.

Zum Weiterlesen:

Käthe Kollwitz: «Ich will wirken in dieser Zeit», Berlin 1952.

Gisela Notz: Käthe Kollwitz (1867 – 1945), in: diess.: Wegbereiterinnen. Berühmte, bekannte und zu Unrecht vergessene Frauen aus der Geschichte, Neu-Ulm 2020, S. 100 – 101.

Yvonne Schymura: Käthe Kollwitz: Die Liebe, der Krieg und die Kunst, München 2016.