
Er war eine unverwechselbare Stimme für den Frieden – in Gaza, im Libanon, in der Ukraine und weltweit. Er war eine Stimme für Gerechtigkeit und war bei den Armen – in Buenos Aires genauso wie in vielen anderen Ländern des globalen Südens oder in den Vorstädten Roms. Er war eine Stimme des Dialogs über Religionen und Weltanschauungen hinweg und förderte das Gespräch zwischen Christinnen und Christen und Sozialistinnen und Sozialisten.
Cornelia Hildebrandt ist Referentin für weltanschaulichen Dialog in der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Michael Brie ist Philosoph und Mitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Franziskus erste Reise als Papst führte ihn nach Lampedusa um der Toten zu gedenken, die auf der Flucht und Suche nach besserem Leben vor den Küsten Nordafrikas und Italien ohne Hilfe ertranken. Mit aller Entschiedenheit geißelte er die Gleichgültigkeit einer Globalisierung, in deren Zentren eine Wirtschaft steht, die tötet (Evangelii Gaudium). Folgerichtig kritisierte er in seinen Sozialenzykliken eine Wegwerfkultur, die jene entsorgt, die nicht verwertet werden können. Die Sprengkraft seiner Kapitalismuskritik wurde in der Amazonassynode 2019 weiter ausformuliert: Es geht um eine Infragestellung des Bestehenden – ausgehend vom Evangelium und zugleich immer auch anschlussfähig für Anders- oder Nichtglaubende.
Systematisch bearbeitete Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato Si die strukturellen Zusammenhänge von Umweltzerstörung, Klimaerwärmung und einer Wirtschaft im Interesse des Profits und er forderte einen neuen Dialog über die Art und Weise, wie die Zukunft des Planeten gestaltet werden soll. Anstelle einer Unterordnung der Menschen und Völker unter ein Wirtschaftsmodell, «das auf dem Profit gründet und nicht davor zurückschreckt, den Menschen auszubeuten, wegzuwerfen und sogar zu töten», so heißt es in der Enzyklika Fratelli Tutti, braucht es eine Gesellschaft, die die Entfaltung der Einzelnen mit dem Gemeinwohl verbindet.
Denn «wenn Natur einzig als Gegenstand des Profits und der Interessen gesehen wird, hat es auch ernste Folgen in der Gesellschaft. Die Sichtweise, welche die Willkür des Stärksten unterstützt, hat für die Mehrheit der Menschheit zu unermesslich viel Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Gewalt geführt, denn die Ressourcen gehen dann in den Besitz dessen über, der zuerst ankommt oder der mächtiger ist: der Sieger nimmt alles mit».
Papst Franziskus wusste, dass er nicht unfehlbar ist und wollte so auch nicht gesehen werden. Er reagierte zunächst nur zögerlich auf den öffentlich werdenden Missbrauch von Kindern und Jugendlichen unter dem Dach seiner Kirche. Die von ihm aufgegriffenen und neu angestoßenen Kirchenreformen blieben auf halben Wege stecken. Aber er ging diesen Weg und so lassen sie sich als Türöffner für künftige, tiefergehende Reformen deuten. Immer noch haben Frauen in der katholischen Kirche nicht jenen zentralen Platz, den sie zumindest in den europäischen Gesellschaften seit langem einfordern. In seiner Haltung zu Abtreibung und Verhütung blieb er konservativ.
Aber er blieb ein Nachdenkender. So schrieb er mit Blick auf die Rolle der Frauen in seiner Autobiographie die bemerkenswerten Sätze: «Die Kirche ist eine Frau, kein Mann. Wir Kleriker sind Männer, aber wir sind nicht die Kirche.» [1]
Franziskus war prophetisch, herzlich, humorvoll und auf Zuhören bedacht, erhob seine Stimme und mischte sich ein bis zum letzten Abend seines Lebens. Von Papst Franziskus bleibt vor allem die Vision eines Christentums und einer Kirche, die sich nicht scheut, entschieden Partei für die Ärmsten und Schwächsten zu ergreifen und bei ihnen zu sein: gegen die Zerstörung durch eine kapitalistische Wirtschaft die tötet, gegen Aufrüstung und tödliche Grenzregime, für ein Zusammenleben der Menschen, das auf Solidarität, Gleichheit und Freiheit setzt. Mit den Sozialisten und Sozialistinnen teilte er das Marx’sche Ziel, «alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist». Franziskus begründete diesen Auftrag an uns alle aus der Liebe Gottes zu seinen eigenen Geschöpfen. Er wird fehlen in diesen dunklen Tagen.
[1] Papst Franziskus (2025) Hoffe. Kösel-Verlag, München. S. 232