Nachricht | Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Kapitalismusanalyse Ist die ganze Welt bald pleite?

RLS-Spezial zur aktuellen Staatsschulden- und Eurokrise. Argumente, Analysen, Debatten, Podcasts.

Seit drei Jahren kämpfen die Regierungen der Euro-Zone gegen die Staatsschuldenkrise. Auch immer neue Kredite, Garantien und Sparprogramme haben das «Vertrauen der Finanzmärkte» in die Kreditwürdigkeit der Euro-Staaten noch nicht wieder herstellen können. Griechenland hat zwar einen größeren Schuldenerlass erhalten. Dafür musste das Land einen hohen Preis an die Gläubiger zahlen: im Gegenzug soll die griechische Gesellschaft sich selbst zerstören. EFSF (European Financial Stability Facility) bzw. ESM (European Stability Mechanism) werden, das ist schon jetzt klar, immer wieder intervenieren müssen, um wenigstens einigermaßen die Stabilität nicht nur des Euro, sondern der EU aufrecht zu erhalten. Letztlich wird keine der unmittelbaren Ursachen der gegenwärtigen Krise angegangen. Im Kern geht es um den Schutz der Gläubiger. Das und nicht das Wohl der Menschen in der EU ist letztlich Hintergrund auch der von der EZB nun praktizierten Aufkäufe von Staatsanleihen. Und die Zahl der inzwischen aufgebauten oder im Aufbau befindlichen Aufsichtsinstrumente für die Finanzbranche steht in auffälligem Gegensatz zu ihrer Wirksamkeit.

Auch nach dem Euro-Jubiläum wird weiter über den Zerfall der Währungsunion spekuliert. Zum 1. Januar 2012 wurden die nationalen Banknoten und Münzen in zwölf Staaten durch Euro ersetzt, nachdem bereits seit 1999 die Unternehmen mit Euro rechnen mussten. Die Diskussionen um die Zukunft der Währungsunion betreffen aber eigentlich nicht den Euro. Es geht dabei um die Konditionen, die im Vorfeld der Euro-Einführung verhandelt und im Vertrag von Maastricht fixiert wurden. Der Euro ist nur ein Element der Wirtschafts- und Währungsunion. Bei der Wirtschafts- und Währungsunion ging es darum, die EU als mächtigen Konkurrenten zu anderen Weltregionen zu etablieren und koordiniert Strategien der Deregulierung und Privatisierung in den einzelnen Ländern durchzusetzen. Die gemeinsame Währung sollte die Beziehungen innerhalb der EU in diesem Sinne stabilisieren. Dazu gehörten schon in den 1990er Jahren verschiedene Formen der gegenseitigen Überwachung der Politik der einzelnen Länder. Die sozialen Folgen in den einzelnen Mitgliedsländern sind bekannt.

Diese Politik wird letztlich bis heute vertreten. Die Krisen in Griechenland, Spanien, Italien, Irland, Portugal und nun Slowenien und Zypern sind Zeugnis der Folgen dieses Kurses. Mit den Beschlüssen vom 21. Februar 2001 haben die Euro-Länder den wahrhaft barbarischen Feldzug gegen die Rechte der Masse der griechischen BürgerInnen vorangetrieben. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat bereits vor einigen Monaten dargestellt, was analoge Maßnahmen in Deutschland bedeuten würden. Eine politische Folge dieses Kurses ist der Wiederaufstieg neofaschistischer Tendenzen, wie sie auch in den Wahlergebnissen in Griechenland sichtbar werden.

Es geht also im zehnten Euro-Jahr gar nicht um die Währung. Es geht darum, an Griechenland ein Exempel zu statuieren, das dann auch in anderen Ländern durchsetzbar wird – in oder außerhalb des Euro. Selbst ein Austritt von Staaten aus der Euro-Zone wäre mit katastrophalen Folgen verbunden, wie Francisco Louçã in einem Artikel der Zeitschrift „transform!“ zeigt. Der Aufruf «Retten wir das griechische Volk vor seinen Rettern» trifft auch jetzt noch genau dem Nagel auf den Kopf.

Im folgenden bietet die Rosa-Luxemburg-Stiftung Argumentationsangebote und Analysen zum Thema an.

  • Aktuelle Publikationen:
  • Verheerende Folgen
    Die Europäische Politik hat die Probleme in Griechenland verschärft. Langfassung des Artikels von Marc Walenta aus der RosaLux 4/2012.
  • Alex Demirović/Thomas Sablowski:
    Finanzdominierte Akkumulation und die Krise in Europa
    Reihe «Analysen»
  • Thomas Sablowski:
    Impoverishing Europe
    Policy Paper 1/2012
  • Klaus Ernst/Björn Resener:
    Spirale in die Depression
    Der Fiskalpakt ist eine Gefahr für die europäische Idee. In Rosalux 3/2012.
  • «Gegen eine EU der Banken und Konzerne»
    Interview mit Nikolaj Villumsen, europapolitischer Sprecher der rot-grünen Einheitsliste Dänemarks.
  • Axel Troost/Philipp Hersel:
    Die Euro-Krise als Zäsur: Eine neue Finanz-, Geld-, und Wirtschaftspolitik in Europa
  • «Schummel-Griechen machen unseren Euro kaputt»
    Beliebte Irrtümer in der Schuldenkrise. Reihe «luxemburg argumente»
  • RosaLux 1/2012:
    Europa als Beute
    «Politik in der Schuldenkrise». Mit Beiträgen von Sahra Wagenknecht, Elmar Altvater, Margarita Tsomou, Lutz Brangsch und anderen.
  • Helmut Matthes:
    Krisen und notwendige Neuorientierungen der Europäischen Union
    RLS Papers Januar 2012
  • Ulrich Busch:
    Finanzindustrie – Begriff, volkswirtschaftliche Bedeutung, Kritik
    Standpunkte 3/2012
  • Roland Kulke:
    Post-Demokratie in Italien und Griechenland ganz praktisch – Eine Regierung der Banken, von den Banken, für die Banken
    RLS Brüssel, 21.11.2011
  • Stephan Kaufmann/Ingo Stützle:
    Ist die ganze Welt bald pleite?
    Staatsverschuldung: Was sie ist und wie sie funktioniert.
    RLS-Bildungsbroschüre der Reihe «luxemburg argumente»


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  • Stephan Kaufmann:
    «Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen!»
    20 beliebte Irrtümer in der Schuldenkrise.
    Aktualisierte Neuauflage August 2011

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  • Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS:
    Organische Krise des Finanzmarkt-Kapitalismus: Szenarien, Konflikte, konkurrierende Projekte
    Thesen des Instituts für Gesellschaftsanalyse, August 2011
    RLS Papers 8/2011
  • Mario Candeias:
    Schuldentribunal und grüner Sozialismus. Die Schuldenkrise politisieren
    Beitrag im IFG-Blog «Mehring1»
  • Wissenschaftlicher Beirat von Attac:
    Die Finanzmärkte kontrollieren statt die Bevölkerung von Schuldnerstaaten auszupressen.
    Zehn Argumente zum Umgang mit der europäischen Finanzkrise
    Standpunkte 35/2011
  • Ingo Stützle:
    Downgrade!!!
    Macht und Ohnmacht der Rating-Agenturen
    Standpunkte 26/2011
  • Lutz Brangsch:
    Griechische Krisen und deutsche Exportüberschüsse
    Standpunkte 25/2011
  • Friedhelm Hengsbach SJ:
    Europäische Solidarität – nicht zum Nulltarif
    Standpunkte 22/2011
  • Andreas Fisahn
    Re-Regulierung der Finanzmärkte nach der Kernschmelze im Finanzsektor?
    RLS Papers 7/2011
  • Mario Candeias:
    Nach der Rettung: Depression
    Beitrag im IFG-Blog «Mehring1»
  • Hintergründe und Bildungsmaterialien zur Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise
    RLS-Online-Dossier
  • Wie funktioniert der «Hebel»?