
Die USA und die Islamische Republik Iran (IRI) verhandeln über das iranische Atomprogramm – ausgerechnet zu Beginn der zweiten Amtszeit Donald Trumps, der das letzte Atomabkommen in seiner ersten Präsidentschaft als Katastrophe bezeichnet und sein Land 2018 einseitig daraus zurückgezogen hatte. Ob ein Deal erreicht wird und wie er aussieht, wird derzeit mit diplomatischen Mitteln ausgefochten. Fest steht, dass diese Verhandlungen bereits jetzt große Auswirkungen auf die regionale Stabilität Westasiens und die globale Ordnung haben.
Hamid Mohseni ist im Iran geboren und in Deutschland aufgewachsen. Er verfolgt die Entwicklungen im Iran und beteiligt sich an linken Solidaritätsinitiativen.
Die Ausgangsposition
Die gegenwärtigen Verhandlungen sind vor dem Hintergrund einer äußerst angespannten und instabilen Lage zu verstehen. Ein wesentlicher Aspekt ist die Schwächung des außenpolitischen Fundaments des Iran, der «Achse des Widerstands». Dieses Netzwerk regionaler Verbündeter und nichtstaatlicher Akteure, das half, den iranischen Einfluss in Westasien auszudehnen, hat seit dem 7. Oktober 2023 erhebliche Rückschläge erlitten; möglicherweise steht es sogar kurz vor dem Kollaps: Assad ist gefallen, die Hisbollah massiv geschwächt, und die Hamas kämpft ums Überleben. Mehr noch: Eine Reihe spektakulärer Anschläge auf hochrangiges Personal dieser Achse hat gezeigt, dass Israel bereit ist, viel zu riskieren – auch mit den Mitteln seines Geheimdienstes. Der Mossad vermochte durch seine erfolgreiche Infiltration die IRI und ihre Verbündeten erheblich zu schwächen.
Gleichzeitig befindet sich die iranische Wirtschaft in einer tiefen Krise. Strukturelle Probleme, Missmanagement und Sanktionen haben die Lebensbedingungen der iranischen Bevölkerung substanziell verschlechtert: Die Inflation liegt seit Jahren sehr hoch, die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze und verdient weniger als 450 US-Dollar im Monat. Diese wirtschaftliche Notlage ist eine der wichtigsten Quellen für den wachsenden Unmut. Der Graben zwischen dem Großteil der Bevölkerung und dem herrschenden Establishment vertieft sich seit dem revolutionären Protest von 2017 immer weiter. Das jüngste Beispiel hierfür ist die verheerende Explosion mit 70 Toten und 1000 Verletzten im wichtigsten Hafen des Landes in Bandar Abbas. Auch wenn die Hintergründe noch unklar sind, hat die Bevölkerung bereits das Regime als Hauptschuldigen ausgemacht.
Diese innenpolitischen Spannungen schwächen die iranische Verhandlungsposition in hohem Maße.
Unterschiedliche Interessen
Mit den Verhandlungen verfolgen die USA das Ziel einer umfassenden Neugestaltung der Beziehungen zum Iran. Die US-Regierung strebt einen Deal an, der nicht nur das iranische Atomprogramm dauerhaft und verifizierbar begrenzt, sondern auch das iranische Raketenprogramm einschränkt und Teherans regionalen Einfluss im Nahen Osten zurückdrängt. Begleitet wird dieser Ansatz von militärischen Muskelspielen sowie neuen (Teil-)Sanktionen und Zöllen. Sollten die USA sich durchsetzen, wäre die gesamte iranische Außen- und Sicherheitspolitik der letzten 25 Jahre – und damit das Fundament der regionalen Hegemonie – entkernt. Innerhalb des politischen Establishments der USA gibt es jedoch starke Kontroversen über die Mittel und die Dringlichkeit dieser Ziele.
Die IRI geht aus einer stark geschwächten Position heraus in die Verhandlungen. Ihr Fokus liegt primär auf der Aufhebung der harten Wirtschaftssanktionen, die das Land seit Jahren belasten. Trotz aller Bemühungen, sich gen Osten Richtung China und Russland zu orientieren, benötigt der Iran Zugang zu westlichen Märkten. Gleichzeitig ist die iranische Führung bestrebt, die Verhandlungen auf das Atomprogramm zu beschränken und andere strittige Themen, wie das Raketenprogramm und die regionale Politik, auszuklammern. Dies spiegelt das Bestreben wider, die Souveränität des Landes zu wahren und keine Zugeständnisse zu machen, die als Schwächung der nationalen Sicherheit gewertet werden könnten. Eine außen- und sicherheitspolitische Beeinträchtigung könnte das Regime angesichts der innenpolitischen Unruhen in eine Existenzkrise führen. Und wie schnell ein solcher Regime-Sturz gehen kann, konnte die Welt jüngst bei Teherans Verbündetem Baschar al-Assad bestaunen.
Neben den USA und dem Iran spielen weitere regionale und internationale Akteure eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen. China und Russland befürworten nachdrücklich eine diplomatische Lösung des Konflikts und treten für die Wiederherstellung des ersten Atomdeals, «Joint Comprehension Deal of Action» (JCPOA), als Verhandlungsgrundlage ein. Beide Länder lehnen den sogenannten Snapback-Mechanismus ab, der die automatische Wiedereinführung strenger UN-Sanktionen gegen den Iran ermöglichen würde.
Israel, der wichtigste regionale Partner der USA, verfolgt indessen eine harte Linie gegenüber dem Iran und drängt auf eine vollständige und dauerhafte Demontage des Atomprogramms. Die sogenannten E3 – Frankreich, Deutschland und Großbritannien – wiederum bemühen sich um eine Wiederbelebung des JCPOA, das sie einst mit verhandelt hatten. Doch ihre Position ist im Vergleich zu 2015 deutlich schwächer.
Dynamische Situation, viele Kontroversen
Die Verhandlungen der letzten Wochen sind von einer Reihe von Ereignissen und Dynamiken geprägt, die das komplexe Zusammenspiel der Interessen und Strategien der beteiligten Akteure prägen.
Ausgangspunkt dafür war ein Brief Trumps an Ali Khamenei, in dem der US-Präsident dem iranischen Revolutionsführer Anfang März die Pistole auf die Brust setzte: Entweder Teheran verhandle mit Washington, oder die USA würden das Land angreifen. Die amerikanische Verlegung von Truppen, Flugzeugträgern und Kampfflugzeugen in die Region und die Eskalation der Lage im Jemen lösten im Iran eine große Diskussion aus. Hardliner befürchten einen noch schlechteren Deal als das JCPOA, vor allem weil sie nicht bereit sind, das Raketenprogramm und die regionalen Allianzen aufzugeben. Das reformorientierte Lager, zu dem etwa der ehemalige Präsident Hassan Rouhani zählt, sieht in den Verhandlungen eine Chance, die Sanktionen zu lockern und die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Außenminister Abbas Araghtschi erklärte schließlich offiziell die Bereitschaft zu indirekten Verhandlungen. Im Anschluss an die diskrete Vermittlung durch Oman traten dann am 12. April Araghtschi und der US-Gesandte Steve Witkoff zur ersten Verhandlungsrunde in Maskat zusammen.
Im selben Monat folgten drei weitere Verhandlungsrunden, von denen eine weitere in Maskat und zwei in Rom stattfanden. Die fünfte Runde wurde verschoben und trat schließlich am 11. Mai in Maskat zusammen. Während Witkoff im Anschluss von konstruktiven Verhandlungen sprach, nannte Araghtschi die Gespräche schwierig, aber nützlich.
Neben der politischen Vertretung trafen sich auch technische Expert*innen beider Seiten. Während Witkoff wiederholt von direkten Verhandlungen sprach, bemüht Teheran sich, am Narrativ der indirekten Verhandlungen festzuhalten. Araghtschi musste schließlich jedoch einräumen, auch direkt mit Witkoff gesprochen zu haben.
Trotz des, wie es scheint, positiven Auftakts der Verhandlungen bleibt weiterhin offen, ob überhaupt eine Einigung zustande kommt. Diese Unsicherheit liegt weniger an der IRI, die sich zu einem Deal durchzuringen scheint. Khamenei bekräftigte die Verhandlungsführung mit einer religiösen Analogie, nach der es Sinn ergibt, mit dem Feind ein Übereinkommen zu erzielen – ebendiese Argumentation hatte er bereits zur Rechtfertigung der JCPOA bemüht. Araghtschi und andere Politiker inszenieren sich als rationale diplomatische Akteure und stellen die Gespräche überwiegend positiv dar.
Zweifel am Zustandekommen eines Abkommens lassen hingegen die unterschiedlichen Positionen der US-amerikanischen Akteure aufkommen. Die US-Regierung selbst vertritt jedenfalls keine kohärente Position. Trumps Priorität scheint bisher zu sein, einen Deal über Urananreicherung zu zivilen Zwecken zu erzielen und der iranischen Forderung, lediglich über die Atomfrage zu verhandeln, entgegenzukommen. Nach außen vertritt Witkoff diese Position; gelegentlich schert er jedoch aus und fordert eine vollständige Demontage des Atomprogramms, wie jüngst im Vorfeld der bislang letzten Gesprächsrunde. Aber auch Trump eskaliert rhetorisch immer wieder mal. Zudem hat er neue Sanktionen veranlasst, wie jüngst gegen die iranische Petrochemie-Industrie. Dies verweist auf den Einfluss der Falken, die selbst Teil der US-Regierung sind – Außenminister Marco Rubio etwa fordert die komplette Aufgabe des iranischen Atomprogramms. Darüber hinaus wollen die Hardliner nicht nur über die Atomfrage verhandeln, sondern erheben auch weiter gehende Forderungen, die das Raketenprogramm und die «Achse des Widerstands» betreffen.
In dieses Horn stößt auch Israel. Netanjahu bekräftigt weiterhin seine Forderung einer vollständigen Demontage des iranischen Atomprogramms (wie 2003 in Libyen). Andere israelische Politiker*innen bestärken ihn darin. Damit üben auch sie Druck auf Trump aus.
Regionale und globale Auswirkungen
Inmitten dieser diplomatischen Ausnahmezeit versucht die IRI, in der Region neu Fuß zu fassen. Derzeit ringt sie mit Israel um die Gunst Aserbaidschans; beide Länder versuchen, ihren Einfluss auf Baku zu verstärken. Die Israelis erhoffen sich einen Ausbau der geheimdienstlichen Kooperation, um den Druck auf die IRI zu vergrößern, und werben für eine strategische Allianz. Der Iran hingegen sieht in Aserbaidschan eine wichtige politische und wirtschaftliche Transitzone. Teheran hofft auf einen lukrativen Energiehandelsweg und möchte über Baku zudem eine Brücke zum «neuen» Rivalen in der Region, der Türkei, bauen.
Moskau und Peking haben beide ein eigenes Interesse an der Stabilität der Region und dem Zustandekommen einer diplomatischen Lösung. Dass sie gewillt sind, ihre eigenen Interessen zugunsten Teherans zurückzustellen, wird allerdings, gerade in den USA, bezweifelt. Der Kreml bekräftigt zwar sein Bündnis mit dem Iran; was das konkret für die Verhandlungen bedeutet, bleibt jedoch unklar. Mit Blick auf China scheinen wirtschaftliche Erwägungen zu dominieren. So ist beispielsweise Chinas Plastikindustrie von der Einführung der letzten Sekundärzölle gegen den Iran betroffen, da 40 Prozent des für die eigene Produktion benötigten Methanols aus dem Iran kommen und nun mit hohen Zöllen belegt sind. Angesichts des aktuell eskalierenden Zollstreits mit den USA, die China als Hauptgegner identifiziert haben, würde Peking derartige Belastungen gern vermeiden.
Der weitere Verlauf der komplexen – und komplizierten – Verhandlungen zwischen der IRI und den USA dürfte vor allem davon abhängen, welche Linie sich in Washington durchsetzt. Ein erfolgreicher Abschluss hängt von der Bereitschaft aller Beteiligten ab, Vertrauen aufzubauen, Kompromisse einzugehen und die regionalen und globalen Auswirkungen eines Abkommens zu berücksichtigen. Ob das angesichts der stark divergierenden Interessen auch gelingt, bleibt derzeit indes völlig offen.