Analyse | Wirtschafts- / Sozialpolitik - Rosalux International - USA / Kanada - Nordafrika - Südliches Afrika - Westafrika - Ostafrika - Multipolare Welt US-Zollpolitik: Afrika im Würgegriff

Janine Walter über multipolare Allianzen und Wege zu einer gerechteren Handelspolitik

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Janine Walter,

Im Vanille-Exportunternehmen RTHMC Export in Sambava in der Region Sava im Nordosten von Madagaskar begutachten und sortieren Arbeiter Vanilleschoten.
Madagaskar, eines der ärmsten Länder der Welt, ist von Rohstoffexporten abhängig. Die protektionistische Handelspolitik der Trump-Regierung gefährdet diese Exporte. Februar 2020: Im Vanille-Exportunternehmen RTHMC in Sambava, Region Sava im Nordosten von Madagaskar sortieren Arbeiter Vanilleschoten., Foto: picture alliance/dpa | Laetitia Bezain

Die aggressiven Zollmaßnahmen der US-Regierung haben nicht nur Europa und China getroffen, sondern auch den Globalen Süden – und ganz besonders den afrikanischen Kontinent. Doch die eigentliche Schieflage geht noch weit tiefer: Denn während unfaire Handelsbeziehungen afrikanische Länder zur Marktöffnung verpflichten, fördern die Industriestaaten ihre Unternehmen mit Subventionen gegen Konkurrenz von außen. 

Viele afrikanische Länder sind noch immer strukturell vom Westen abhängig – nicht zuletzt durch Handelsinstrumente wie das im Jahr 2000 verabschiedete African Growth and Opportunity Act (AGOA). Dieses Gesetz gewährt ihnen zollfreien Zugang zum US-Markt, wird jedoch seit Jahren auch als außenpolitisches Druckmittel eingesetzt: Wer den Erwartungen Washingtons nicht entspricht, riskiert den Ausschluss. 

Janine Walter leitet das Regionalbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Johannesburg, Südafrika.

Trumps Verhängung von Strafzöllen bedeutet nun eine dramatische Zuspitzung. Die neuen Zölle betragen, bei einzelnen Ausnahmen, mindestens 10 Prozent. Für Autos, Stahl und Aluminium gelten Zollsätze von 25 Prozent. Die EU wurde pauschal mit 20 Prozent belegt, China zunächst gar mit bis zu 145 Prozent; seit Mitte Mai liegen diese bei 30 Prozent. Auch auf Importe aus afrikanischen Staaten werden hohe Zölle erhoben – aus Südafrika in Höhe von 30 Prozent, aus Madagaskar 47 Prozent und aus Lesotho 50 Prozent. Nachdem die Finanzmärkte negativ reagierten, setzte die US-Regierung die Zölle, die 10 Prozent übersteigen, später – mit Ausnahme der branchenspezifischen und der gegen Chinas gerichteten Abgaben – wieder aus.

Offiziell begründet die Trump-Regierung die Strafzölle mit dem hohen Handelsbilanzdefizit der USA. Zahlreiche Ökonom*innen halten diese Begründung indessen für fragwürdig – insbesondere mit Blick auf Länder, die kaum industriell gefertigte Waren, sondern vorwiegend Rohstoffe ausführen. Dazu drei afrikanische Beispiele.

Südafrika, Madagaskar und Lesotho

Südafrika ist die führende Wirtschaftsmacht im südlichen Afrika. Zugleich ist das Land in hohem Maße von seinen Handelsbeziehungen mit den USA abhängig: Als wichtigster afrikanischer Handelspartner Washingtons zählt es zu den größten Profiteuren des zollfreien Zugangs. 2023 exportierte Südafrika Waren im Wert von rund 13 Milliarden US-Dollar in die USA, darunter Platin (3,42 Mrd. US-Dollar), Fahrzeuge (1,6 Mrd. USD) und andere Edelmetallprodukte (1,37 Mrd. USD). 2022 wurden im Rahmen des AGOA Exporte im Wert von etwa 3 Milliarden US-Dollar abgewickelt, was rund 21 Prozent der südafrikanischen Ausfuhren in die USA entspricht. Ein Verlust dieser Handelsvorteile hätte gravierende Folgen: Laut einer Studie könnten die Exporte Südafrikas in die USA um 2,7 Prozent schrumpfen. 

Doch die jüngsten US-Zölle wirken sich bereits jetzt auf die südafrikanische Wirtschaft aus. Denn seit dem 3. April erhebt Washington einen pauschalen Zoll von 25 Prozent auf Fahrzeugimporte – ein schwerer Schlag für Südafrikas Automobilindustrie. Laut einer Untersuchung könnten bis zu 112 000 Arbeitsplätze in dieser Schlüsselbranche gefährdet sein, sollten die Zölle dauerhaft das AGOA-Programm außer Kraft setzen. In dem Land, das mit 33 Prozent eine der höchsten Erwerbslosenraten der Welt hat (unter Jugendlichen beträgt sie sogar 63 Prozent), würde ein solcher Schritt den Arbeitsmarkt erheblich belasten und die sozialen Spannungen im Land weiter verschärfen. Insbesondere in den Regionen Gauteng und Eastern Cape, wo unter anderen BMW, Mercedes und VW produzieren, wären viele Familien direkt von Arbeitsplatzverlusten betroffen.

Madagaskar zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und ist von seinem Agrarsektor abhängig, der rund 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet und 70 Prozent der Erwerbsbevölkerung beschäftigt. Der Inselstaat exportiert Rohstoffe wie Vanille, Kaffee und Gewürze in die USA und profitiert dabei vom zollfreien Marktzugang. Die protektionistische Handelspolitik der Trump-Regierung gefährdet nun diese Exporte. Neue Zölle belasten insbesondere den Vanilleexport und bedrohen die Existenz Tausender Kleinbäuerinnen und -bauern, Arbeiter*innen und Händler*innen. Für viele Familien ist der Vanilleanbau die einzige Einkommensquelle. Fällt sie weg, droht eine weitere Verschärfung der ohnehin grassierenden Armut. 

Wegen des hohen Handelsbilanzdefizits belegte die Trump-Regierung auch das Königreich Lesotho mit Strafzöllen in Höhe von 50 Prozent auf alle US-Importe. Das kleine Land, das vollständig von Südafrika umgeben ist, exportierte 2024 Waren, vor allem Diamanten und Textilien, im Wert von rund 237 Millionen USD in die USA. Im Gegenzug wurden Güter im Wert von nur etwa 3 Millionen USD importiert. Das Handelsdefizit ist also real – doch die politische Deutung blendet den Kontext vollständig aus. 

Zum einen profitieren die USA von den billigen Rohstoffimporten; zum anderen kann das Land, wie auch Madagaskar, höhere Importe aus den USA zum Ausgleich des Handelsbilanzdefizits schlicht nicht finanzieren. Deshalb bedrohen die Zölle den Umfang der Exporte – und erhöhen die Kosten für amerikanische Importeure.

Hinzu kommt das wirtschaftliche Ungleichgewicht, denn Lesotho ist innerhalb globaler Lieferketten hochgradig abhängig. Rund 38.000 seiner 2,3 Millionen Einwohner*innen arbeiten in der Textilindustrie, dem größten privaten Arbeitgeber des Landes. 85 Prozent der Textilwaren gehen direkt in die USA – für Marken wie Levi Strauss und Handelsriesen wie Walmart, die in Lesotho Kleidung fertigen lassen, die dann billig in den USA verkauft werden. Die Arbeitsbedingungen vor Ort sind oft miserabel, die Löhne reichen kaum zum Leben, viele Beschäftigte sind Tagelöhner*innen ohne soziale Absicherung. Zudem sind die Gewerkschaftsrechte stark eingeschränkt

Die neuen Zölle verschärfen ein ohnehin zutiefst ungerechtes Handelssystem. Lesotho, das am unteren Ende globaler Lieferketten steht, droht wirtschaftlich noch weiter abgehängt zu werden. Und wenn Aufträge, etwa in der Textilbranche, wegbrechen, verlieren viele Menschen ihr Einkommen. Das bedeutet wachsende Armut und Unsicherheit.

Regionale Integration 

Vor diesem Hintergrund gewinnen alternative Handelsmodelle – allen voran die Afrikanische Freihandelszone (African Continental Free Trade Area – AfCFTA) – an Bedeutung. Im Vergleich zu Europa und Asien, wo der Anteil des intraregionalen Handels 2023 bei 68 bzw. 58 Prozent lag, beträgt der Anteil in Afrika nur 16 Prozent. Die im Januar 2021 in Kraft getretene Afrikanische Freihandelszone, die 54 Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union umfasst, soll die wirtschaftliche Integration des Kontinents durch den Abbau der Zölle und nichttarifären Handelshemmnisse stärken sowie die Abhängigkeit von externen Märkten verringern.

Doch freier Handel allein reicht nicht aus. Denn viele afrikanische Länder exportieren – wie Madagaskar und Lesotho – vor allem Rohstoffe und importieren Konsumgüter. Diese Bedingungen erschweren das Vorhaben der Stärkung des innerafrikanischen Handels. 

Die Afrikanische Freihandelszone birgt zudem Risiken. Ungleiche Ausgangsbedingungen und fehlende Infrastruktur erschweren die Umsetzung, die bislang äußerst schleppend verläuft. Der Präferenzhandel kommt nur langsam voran, wichtige Rahmenbedingungen wie Zollabbaupläne und Ursprungsregeln bleiben unklar. Und Gewerkschaften kritisieren zu Recht, dass sie bislang weder an den Verhandlungen beteiligt noch in die Umsetzung eingebunden werden.

Eine Freihandelszone, die dem Anspruch nach sozialer Gerechtigkeit gerecht werden will, muss diese Themen ins Zentrum rücken. Denn solange wirtschaftlich starke Länder überproportional profitieren, droht eine Vertiefung bestehender Ungleichheiten. Es braucht gezielte Investitionen in wirtschaftliche Teilhabe – jenseits neoliberaler Marktlogik. 

Gelingt es jedoch, die Afrikanische Freihandelszone mit einer gerechten Handelspolitik und einem ambitionierten Industrialisierungsprogramm zu verknüpfen, könnte sie tatsächlich zu einem transformativen Projekt werden. Für Länder wie Madagaskar, deren Wirtschaft von wenigen Exportgütern abhängt, könnte das den Weg hin zu einer diversifizierten Wirtschaftsstruktur eröffnen. 

Globale Alternativen

Während der Kontinent mit der Afrikanischen Freihandelszone versucht, sich neu aufzustellen, verschieben sich global die Gewichte. Die traditionellen wirtschaftlichen Machtzentren – allen voran die USA und die EU – verlieren zunehmend an Einfluss. Stattdessen gewinnen neue, multipolare Allianzen an Bedeutung. 

Besonders im Fokus steht derzeit das BRICS-Plus-Bündnis. Für viele Länder des Globalen Südens eröffnen sich in diesem Kontext neue wirtschaftliche Perspektiven. Anstatt auf asymmetrische Nord-Süd-Abkommen angewiesen zu sein, bieten sich Kooperationsformen, die – zumindest potenziell – stärker auf gegenseitigem Interesse basieren. Gleichwohl sind auch diese Partnerschaften keineswegs frei von Machtasymmetrien.

Vor dem Hintergrund des Schwenks in der US-Handelspolitik stand beim jüngsten Treffen der BRICS-Außenminister*innen Ende April die internationale Handels- und Zollpolitik auf der Tagesordnung. Der brasilianische Diplomat Mauricio Lyrio unterstrich bereits im Vorfeld die Bedeutung eines «starken, multilateralen Handelssystems». Dabei ging es nicht nur um technische, sondern auch um grundsätzliche Fragen: Wer bestimmt künftig die Regeln des Welthandels – und nach welchen Maßstäben?

Für Afrika könnte die BRICS-Plus-Erweiterung als wirtschaftlicher Impulsgeber wirken – sofern die Afrikanische Freihandelszone als Grundlage für eine Stärkung des innerafrikanischen Handels genutzt wird. Eine engere Verzahnung mit BRICS-Plus wäre durchaus möglich, etwa durch den Aufbau regionaler Lieferketten. Gleichzeitig bleibt jedoch die zentrale Herausforderung bestehen: Wie lässt es sich vermeiden, dass neue Machtkonstellationen lediglich alte Abhängigkeitsmuster fortsetzen? 

Trumps Handelspolitik hat die Abhängigkeit vieler afrikanischer Staaten von externen Märkten und einseitigen Handelsabkommen offengelegt. Länder wie Südafrika, Madagaskar und Lesotho bekommen deren Folgen besonders stark zu spüren. 

Vor diesem Hintergrund gewinnen Alternativen wie das Afrikanische Freihandelsabkommen und BRICS-Plus an Bedeutung. Sie bieten Chancen – aber keine Garantie – für mehr wirtschaftliche Eigenständigkeit. Fest steht allerdings: Ohne Industrialisierung, ohne die faire Verteilung von Gewinnen und ohne soziale Standards drohen neue Abhängigkeiten. Ein gerechteres Welthandelssystem kann nicht durch neoliberale Marktöffnung entstehen – notwendig ist der Übergang zu partnerschaftlichen Handelsbeziehungen. 
 

Dieser Text erschien zuerst in «nd.aktuell» im Rahmen einer Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.