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Handfeste Interessen aus dem In- und Ausland befeuern den sudanesischen Bürgerkrieg. Von Joshua Craze

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Joshua Craze,

Sudanesische Flüchtlingskinder spielen Fußball in einem Flüchtlingslager im benachbarten Tschad, 02.09.2024.
Sudanesische Flüchtlingskinder spielen Fußball in einem Flüchtlingslager im benachbarten Tschad, 02.09.2024. Foto: IMAGO / Martin Bertrand

Am 15. April jährte sich zum zweiten Mal der Beginn des Bürgerkriegs im Sudan, der Zehntausende Tote und Millionen Vertriebene gefordert hat. Zwei Tage nach Kriegsausbruch veröffentlichte ich auf dem Blog Sidecar einen Essay mit dem Titel «Gunshots in Khartoum», in dem ich versuchte, die ersten Konturen des Konflikts zu umreißen. Der Konflikt entbrannte zunächst zwischen der sudanesischen Armee und den Rapid Support Forces (RSF), einer paramilitärischen Organisation, die während der Herrschaft des Diktators Omar al-Bashir (1989–2019) gegründet worden war. 

Joshua Craze arbeitet und publiziert seit 2010 über den Sudan. 

Vom Kampf um den Palast zum Krieg im ganzen Land

In den ersten Wochen des Krieges eroberten die RSF einen Großteil der sudanesischen Hauptstadt Khartum, darunter auch den Präsidentenpalast. Der Palast wurde 1825 während der türkisch-ägyptischen Kolonialisierung des Sudan erbaut und war Sitz eines imperialen Regimes, das darauf aus war, den Rest des Landes zu versklaven und auszuplündern. Der letzte Gouverneur des türkisch-ägyptischen Sudan (1820–1885), Charles Gordon, wurde 1885 auf den Stufen des Palastes von mahdistischen Aufständischen getötet. Nachfolgende Regime behielten sowohl die ausbeuterischen Tendenzen der türkisch-ägyptischen Kolonialisten als auch deren Obsession für den Präsidentenpalast bei. Nachdem die Mahdisten ihn zerstört hatten, baute die britische Kolonialmacht ihn während ihrer Herrschaft im Sudan (1898–1955) wieder auf. Nach der Unabhängigkeit des Sudan 1956 wurde er zum «Republikanischen Palast» und dann – wenn auch nur für kurze Zeit –während der Herrschaft von Jafaar Nimeiri (1969–1985) zum «Volkspalast». Bashir, der 1989 durch einen Staatsstreich an die Macht kam, ordnete den Bau eines neuen Palastes neben dem alten an, der von China finanziert und gebaut wurde. Er konnte sich jedoch nicht lange in seiner neuen Residenz halten. Eine Welle von Protesten in den Jahren 2018 und 2019, ausgelöst durch Kürzungen von Subventionen für Getreide und Treibstoff, beendete sein Regime.

Im Jahr 2019 wurde eine Übergangsregierung gebildet, in der zivile Politiker*innen widerwillig die Macht mit den führenden Köpfen der sudanesischen Sicherheitsdienste teilten: Abdul Fattah al-Burhan, der Chef der Sudanesischen Streitkräfte (SAF), wurde zum Vorsitzenden eines «Souveränen Rates» ernannt, während Mohamed Hamdan Daglo (auch bekannt als Hemedti), der Anführer der RSF, sein Stellvertreter wurde. Die beiden Männer schmiedeten bald einen Plan, die zivilen Kräfte zu entmachten. 

Im Oktober 2021 lief ich durch eine Potemkinsche Protestkundgebung vor dem Palast, die von den Sicherheitsdiensten inszeniert worden war und als Rechtfertigung für den Staatsstreich noch im selben Monat dienen sollte. Bashir hatte seine Sicherheitsdienste ausgebaut, um sein Regime vor einem Putsch zu schützen und sicherzustellen, dass keine einzelne Institution stark genug war, die Macht zu übernehmen – jede hatte ihr eigenes Wirtschaftsimperium, einschließlich Bauunternehmen, Immobilien und Banken. 

Die Fragmentierung des Konflikts im Sudan wird von regionalen Akteuren finanziert, für die Kordofan keine Heimat, sondern eine Geschäftsgelegenheit ist.

Vielleicht war es unvermeidlich, dass sich die beiden mächtigsten Köpfe der Hydra, die RSF und die SAF, gegeneinander wandten und um die Kontrolle über die Hauptstadt kämpften. Nach fast zwei Jahren des Konflikts eroberten die SAF am 21. März 2025 schließlich den Präsidentenpalast zurück und vertrieben die RSF fast vollständig aus Khartum. Jubelnde Militärs posierten vor dem zerstörten Palast, dessen Wände mit Einschusslöchern übersät waren. Vor zwei Wochen fragte mich ein europäischer Diplomat erwartungsvoll: «Heißt das, der Krieg ist vorbei?»

Der Palast steht nun ein ebenso leer wie die sudanesische Souveränität verloren ist. Was als Kampf um die Kontrolle über den Staat begann, hat sich zu einem Krieg entwickelt, dessen Ende nicht absehbar ist. Sowohl die RSF als auch die SAF waren ursprünglich schwache militärische Akteure ohne breite gesellschaftliche Basis. Sie führten den Krieg nach dem Vorbild ihres Mentors Bashir, der ethnische Gruppen gegeneinander ausspielte und die Aufstandsbekämpfung an Milizen auslagerte. Sowohl die RSF als auch die SAF haben unberechenbare Koalitionen aus lokalen Selbstverteidigungskräften und Söldnern gebildet. Die durch diese Strategie ausgelöste lokale Dynamik hat sich vom Kampf um den sudanesischen Staat abgekoppelt. Für die jungen Männer der Hamar und Misseriya, die in der südsudanesischen Region Kordofan kämpfen, sind die Kämpfe um Land und Ressourcen zu einer Frage von Leben und Tod geworden. Das hat Wunden hinterlassen, die auch ein landesweiter Waffenstillstand nicht heilen könnte, wenn er denn jemals zustande käme. Der Kampf um die Kontrolle über den Palast hat Hunderte von Kriegen im ganzen Land entfacht.

Die internationalen Geldgeber des Krieges

Die Fragmentierung des Konflikts im Sudan wird von regionalen Akteuren finanziert, für die Kordofan keine Heimat, sondern eine Geschäftsgelegenheit ist. Wichtigster Geldgeber der RSF sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die mit dem Erwerb eines Hafens am Roten Meer die Kontrolle über fruchtbares Ackerland und ihre Vormachtstellung im lukrativen Goldhandel im Sudan ausbauen wollen. Hinter der sudanesischen Armee steht ihr langjähriger Verbündeter Ägypten, begleitet von einer bunt zusammengewürfelten Gruppe aus Katar, der Türkei und Saudi-Arabien. Internationale diplomatische Bemühungen, den Bürgerkrieg im Sudan zu beenden, gründen auf der Annahme, dass die beteiligten Nationen einen stabilen, souveränen Sudan mit einer einzigen Regierung befürworten würden. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig der Fall. Für diejenigen, die die Konfliktparteien im Sudan mit Waffen beliefern, kann ein Krieg ebenso lukrativ sein wie Frieden, zumal sich ein zersplitterter und zerrissener Sudan leichter beeinflussen lässt. Die Souveränität kehrt möglicherweise nicht in den Palast zurück.

Kontrollierte Gebiete im Sudan, Stand: 1. April 2025, Thomas van Linge, Economist.

Zunächst schien ein schneller Sieg der RSF fast möglich. Um einen Rebellenaufstand zu bekämpfen, hatte Bashir die paramilitärische Organisation aus arabisch orientierten Gruppen in Darfur im Westen des Sudan gegründet, die größtenteils aus den nicht-arabischen Volksgruppen der Region stammten, wie den Fur, Masalit und Zaghawa. 

Der Vormarsch der RSF

Zu Beginn des aktuellen Krieges konnten die RSF dank ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit schnell die Kontrolle über Darfur übernehmen, das zu ihrer Hochburg wurde, abgesehen von der Stadt Al-Faschir, wo sie auf den Widerstand der Zaghawa stießen. In Kordofan schmiedete die RSF Allianzen mit lokalen Milizen und bot ihnen die Teilhabe am Gewaltmonopol an. Die sudanesische Armee war bald auf einige umkämpfte Garnisonsstädte reduziert. Am Ende des ersten Kriegsjahres nutzten die RSF ihre Stärke, um tief in den zentralen Sudan vorzudringen, weit weg von ihrem Kerngebiet in Darfur, und eroberten zwei wichtige Städte südlich von Khartum: Wad Madani, die Hauptstadt des Bundesstaates al-Dschasira, einer der Kornkammern des Sudan, und Sinja im Bundesstaat Sennar. Diese Verluste bedeuteten eine Demütigung für die Armee, die vor dem Vormarsch der RSF zusammengeschmolzen war.

Die Paramilitärs erwiesen sich gegenüber der SAF als überlegen. Sie waren bereits durch ihre Einsätze in Darfur und im Jemen kampferprobt, wo die RSF als Söldnertruppe für die VAE und Saudi-Arabien im Krieg gegen die Huthis gedient hatten. Ihr Vormarsch in den Zentralsudan wurde durch Waffenlieferungen aus den Emiraten – darunter Panzerabwehrraketen – und von der Wagner-Gruppe unterstützt, die ein Auge auf die von den RSF kontrollierten Goldminen im Süden Darfurs geworfen hat. Tatsächlich ist der Erfolg der RSF aber auf das Versagen der sudanesischen Armee zurückzuführen. Trotz ihrer überwältigenden Luftüberlegenheit hatte die Armee im ersten Kriegsjahr nur wenige Soldaten, die bereit waren, für ein verknöchertes Offizierskorps zu sterben, das sich nach Port Sudan am Roten Meer zurückgezogen hatte. Dort hatte die Armee ihre neue Hauptstadt eingerichtet. Absurderweise erkannten die Vereinten Nationen die SAF als legitime Regierung des Sudan an, was es dieser ermöglichte, humanitäre Konvois in das von den RSF kontrollierte Gebiet zu blockieren. Trotzdem war ihre Kontrolle über weite Teile des Landes bis Juni 2024 nur noch nominell. 

In jeder Stadt, die sie erobern, gehen die RSF nach dem gleichen Schema vor: staatliche Institutionen demontieren, Lebensgrundlagen plündern, ziviles Eigentum zerstören.

Doch selbst auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs sahen sich die RSF mit Herausforderungen konfrontiert, die Hemedti nicht lösen konnte. Als ehemaliger Kamelschmuggler und Möbelhändler aus dem Awlad-Mansour-Zweig der Maharia Riziegat, einer arabischen Volksgruppe in Darfur, galt Hemedti seinen Rivalen in Khartum lange als ungebildeter Eindringling aus der Peripherie. Seit Beginn des Krieges musste er mehrere, manchmal widersprüchliche Rollen gleichzeitig spielen: nicht nur den Anführer einer Kriegsmaschinerie, sondern auch den CEO eines transnationalen Wirtschaftsimperiums mit einem Interesse an Gold und Waffen. Bei den RSF handelt es sich nicht um eine stehende Armee, sondern um eine Reihe von Milizen, die sich größtenteils aus Kriegsmobilisierungen, den sogenannten «Faza’a», rekrutieren, die von den traditionellen Autoritäten der arabischen Volksgruppen in Darfur organisiert werden. Die RSF nutzten diese Milizen in Khartum, aber die Instrumentalisierung war wechselseitig: Die Gemeinschaften in Darfur nutzten die Ressourcen der RSF auch für ihre eigenen lokalen Kämpfe. In El Geneina, West-Darfur, führten arabische Milizen ethnische Säuberungen gegen die Masalit durch und zwangen die Überlebenden über die Grenze in den Tschad, was die US-Regierung als Völkermord bezeichnete.

Hemedtis politische Ziele stehen oft im Widerspruch zu den Zugeständnissen, die er machen muss, um die Koalition der arabischen Milizen zusammenzuhalten, die seine Militärmacht bilden. Die ethnische Säuberung der Masalit war ein militärischer Erfolg für die Milizen, aber eine politische Katastrophe für Hemedti. Die internationale Verurteilung erwies sich dabei als weniger problematisch als die Auswirkungen in Darfur selbst. Die Tatsache, dass die RSF zu einem Instrument der arabischen Vorherrschaft geworden waren, untergrub Hemedtis Aussichten, sich als revolutionärer Führer zu positionieren, der die unterdrückten Randgebiete des Sudan vereinen könnte – eine Idee, mit der er geliebäugelt hatte, als er nach dem Sturz Bashirs politische Verbündete suchte.

Aus Angst, bald das Schicksal der Masalit zu teilen, schlossen sich viele nicht-arabische Gemeinschaften in Darfur, darunter die Zaghawa, den SAF an, obwohl sie mehr als zwei Jahrzehnte lang gegen den sudanesischen Staat gekämpft hatten. Tschadische Zaghawa überquerten die offizielle Grenze zwischen den beiden Ländern nach Nord-Darfur und beteiligen sich nun an der Verteidigung von Al-Faschir, das – jedenfalls bis Mitte Mai – noch nicht gefallen ist. Die Stadt ist zu einem Sumpf für die Rebellen geworden, der Menschen und Ressourcen verschlingt und sie zwingt, ihre Aufmerksamkeit von Khartum und dem Zentralsudan abzuwenden. Für die Bevölkerung in Nord-Darfur sind die Paramilitärs ein Fluch: Unter der Belagerung durch die RSF verschlechterten sich die humanitären Bedingungen im Vertriebenenlager Zamzam in der Nähe von Al-Faschir so sehr, dass eine Hungersnot ausbrach. Am 13. April stürmten die RSF das Lager, töteten Hunderte Zivilist*innen und zwangen fast eine halbe Million Menschen zur Flucht.

Freigegeben zur Plünderung

Hemedtis Kriegsmaschinerie basiert auf kontinuierlicher Expansion. Da die RSF ihren Rekruten keinen Lohn zahlen, sondern ihnen Raub und Plünderung als Einnahmequelle anbieten, lösen sich ihre Truppen meist auf, wenn sie keine neuen Ziele finden. In jeder Stadt, die sie erobern, gehen die RSF nach dem gleichen Schema vor: staatliche Institutionen demontieren, Lebensgrundlagen plündern, ziviles Eigentum zerstören. Ihre Angriffe wirken wie ein mächtiger Motor einer primitiven Akkumulation, die landwirtschaftliche Nutzflächen zerstört, Millionen von Menschen vertrieben und Vermögen von den Ärmsten im Sudan zu einer Klasse von Milizenführern verschoben hat, die vom Kapital aus den VAE unterstützt werden. Obwohl die sudanesische Regierung behauptet, in den von ihr kontrollierten Gebieten zivile Verwaltungen eingerichtet zu haben, kommt es immer wieder zu Zusammenstößen mit der lokalen Bevölkerung. Als ihre Vorstöße auf dem Schlachtfeld ins Stocken gerieten, wandte sich die RSF der Ausbeutung derjenigen zu, die sie kontrolliert: Entführungen sind in den paramilitärisch kontrollierten Gebieten an der Tagesordnung.

Natürlich sehen die RSF die Situation anders. Die jungen Milizionäre, die sich fröhlich dabei filmen, wie sie gestohlene Bleche von Khartum nach Darfur transportieren, sprechen vom «Sturz des Staates von 1956». Der sudanesische Staat war von Anfang an geprägt von einem Spannungsverhältnis zwischen Zentrum und Peripherie, da die nördlichen Flussstädte rund um die Hauptstadt das Hinterland des Sudan als Arbeitskräfte- und Rohstoffreservoir ausbeuteten. Den jungen Kämpfern zufolge, die von der Kriegsbeute profitieren, geben die RSF Darfur lediglich das zurück, was dieser Region gestohlen wurde. Diese Darstellung entspricht jedoch nicht der Realität. Auch die Städte Darfurs, wie Nyala und Zalingei, wurden von den RSF geplündert. Die Paramilitärs haben die räuberische politische Ökonomie des Bashir-Regimes ausgeweitet. Während Bashir die Peripherie ausbeutete, um das Zentrum zu bereichern, verwandelten die RSF das ganze Land in eine zu plündernde Peripherie.

Der Sudan befindet sich in der schlimmsten humanitären Krise der Welt. Es ist auch die weltweit schlimmste Vertreibungskrise: 13 Millionen Menschen sind aus ihrer Heimat geflohen.

Die Vorgehensweise der RSF hat sich letztendlich als ihr Verhängnis erwiesen. Der Einsatz sexueller Gewalt als Kriegswaffe und Massenhinrichtungen waren ein gefundenes Fressen für die SAF, die unter dem Vorwand einer drohenden Invasion aus dem Westen eigene Milizen aufstellten. Im Oktober 2024 begann sich das Blatt zugunsten der sudanesischen Armee zu wenden. Nachdem sie das Überlaufen Abu Aqla Keikals, eines führenden RSF-Kommandanten, erkauft hatte, eroberte sie Wad Madani zurück und konnte bis Ende 2024 fast alle Eroberungen der paramilitärischen Gruppe im Zentrum des Sudan zurückgewinnen. Die RSF haben auch Khartum verloren und sind weitgehend nach Darfur und Kordofan zurückgedrängt.

Das Wiederstarken der Armee

Das Wiedererstarken der sudanesischen Armee ist teilweise auf die erfolgreiche Beschaffung ausländischer Unterstützung zurückzuführen. Katar, das seinen Rivalen, die Vereinigten Arabischen Emirate, ausbremsen will, finanzierte den Kauf chinesischer und russischer Kampfflugzeuge, während der ägyptische Militärgeheimdienst die gezielten Einsätze von kürzlich aus dem Iran und der Türkei gelieferten Drohnen leitete. Die Bedeutung der neuen Ausrüstung sollte jedoch nicht überschätzt werden. Der Erfolg der SAF beruht vor allem darauf, dass sie es Bashir gleichtaten, indem sie die Kämpfe an Milizen auslagerten und sich gleichzeitig wieder dem islamistischen politischen Block zuwandten, der die ersten Jahre der Diktatur gestützt hatte. Bashirs islamistische Anhänger*innen waren durch die Revolution von 2019 entmachtet worden; «der Krieg», erklärte mir letztes Jahr ein ehemaliges Mitglied seines Geheimdienstes, «gibt uns eine zweite Chance». Der Konflikt gab den islamistischen Kräften die Möglichkeit, ihre Streitkräfte wiederaufzubauen und in höhere Ränge der SAF aufzusteigen. Islamistische Gruppen wie das Bataillon Al-bara Bin Malik kämpfen an der Seite der «Mustanfereen» (des «Volkswiderstands»): Gruppen, die zu den Waffen gegriffen haben, die ihnen von der Armee angeboten wurden. Burhan hat eine Streitmacht aufgebaut, aber nur indem er Macht an seine Koalitionspartner abtrat. Der Sieg auf dem Schlachtfeld wurde mit einer weiteren Spaltung bezahlt, die den Wiederaufbau des Landes und einen dauerhaften Frieden schwieriger denn je macht. Im Bundesstaat al-Dschasira sagte mir ein Freund: «Früher haben wir nicht gefragt […]. Aber jetzt fragen wir Fremde als Erstes, aus welchem Dorf sie kommen.» Die Volksgruppen haben sich nach innen gekehrt, und der nationale Zusammenhalt ist entsprechend geschwächt.

Die letzten zwei Jahre des Krieges haben das Land verwüstet. Schätzungen zufolge sind über 150.000 Menschen ums Leben gekommen. Der Sudan befindet sich in der schlimmsten humanitären Krise der Welt. Es ist auch die weltweit schlimmste Vertreibungskrise: 13 Millionen Menschen sind aus ihrer Heimat geflohen. Fast zwei Drittel der Bevölkerung benötigen dringend humanitäre Hilfe, darunter 16 Millionen Kinder. Im Dezember 2024 prognostizierte das Famine Review Committee der Integrated Phase Classification – der weltweit führende Index zur Messung von Ernährungsunsicherheit – eine Hungersnot in Nord-Darfur und Süd-Kordofan. Die humanitären Hilfsmaßnahmen für 2025 sind jedoch zu weniger als zehn Prozent finanziert. Donald Trumps Kürzungen der Auslandshilfe haben diese unerträgliche Situation noch verschlimmert: 75 Prozent der Notfallstationen – Einrichtungen, die von sudanesischen Aktivist*innen aufgebaut wurden, um im ganzen Land Lebensmittel und medizinische Versorgung bereitzustellen – mussten schließen, nachdem ihnen das Geld ausgegangen war. Das Gesundheitssystem des Sudan ist vollständig zusammengebrochen. Ein Großteil von Khartum gleicht ein Friedhof. Die Kriegsparteien herrschen über Ruinen.

Die Profiteure des Krieges im In- und Ausland

Nach einer Reihe von Niederlagen und in einer zunehmend paranoiden Atmosphäre, die durch das Überlaufen Keikals entstanden war, versuchten die RSF Ende Februar mit einer Konferenz in Nairobi das Blatt zu wenden. Dort wurde eine politische Charta verkündet, die zur Bildung einer Parallelregierung führen sollte. Lokale Führer aus Darfur reisten mit gefälschten tschadischen Pässen an und drängten sich in den Hotels der kenianischen Hauptstadt, wo sie sich mit Rebellenführern von Gruppen trafen, die beschlossen haben, die RSF zu stützen. 

Kenia selbst erhielt von den VAE eine beträchtliche Summe für die Ausrichtung der Konferenz. Die Nähe zu Hemedti ist Teil einer regionalen Neuausrichtung rund um die RSF, bei der Gelder aus den Emiraten auch in den Südsudan, den Tschad, nach Äthiopien und Uganda fließen. Keines dieser Länder hat sich offiziell als Unterstützer der RSF geoutet, ebenso wie die VAE selbst bestreiten, die paramilitärische Gruppe zu finanzieren. Die Petrodollars der Emirate schmieren die Räder der Geschäftsnetzwerke: Jedes Land in ihrem Einflussbereich profitiert vom Gold, das den Sudan verlässt und fast ausschließlich in die Emirate fließt. 

Am 15. April proklamierten die RSF eine «Regierung des Friedens und der Einheit», während ihre Truppen das Lager Zamzam dem Erdboden gleichmachten. Auch die SAF werden ihre eigene Regierung bilden. Manche befürchten, dass nur etwas mehr als ein Jahrzehnt nach der Abspaltung des Südens nun eine zweite Teilung des Sudan bevorstehe. In Wirklichkeit ist das Land bereits geteilt, und die Bildung einer RSF-Regierung ist eine reine PR-Maßnahme; ihre Gebiete werden weiterhin von Milizen kontrolliert, die von regionalen Akteuren unterstützt werden, welche wiederum von der weiteren Integration des Sudan in die globalen Rohstoffmärkte profitieren.

Trotz der Konflikte auf dem Schlachtfeld gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Kriegsparteien. Beide sind Überbleibsel des Bashir-Regimes – auch wenn die Armee eine viel längere Geschichte hat –, und beide sind auf Unterstützung von außen angewiesen. Beide haben die soziale Spaltung des Landes verschärft, um ihre Macht zu festigen. Beide haben Hunger als Kampfmittel eingesetzt und den Zugang zu humanitärer Hilfe eingeschränkt. 

Die beiden Kriegsparteien verbindet jedoch noch mehr. Die Geschäfte laufen besser denn je. Beide exportieren Gold in die Emirate. Allein die offiziellen jährlichen Exporte – das meiste Gold wird geschmuggelt – haben sich seit Kriegsbeginn verdoppelt. Auch der Export von Vieh in die Golfstaaten hat stark zugenommen (von 2 auf 4,7 Millionen Stück Vieh zwischen 2022 und 2023). Der Großteil des sudanesischen Viehbestands stammt aus Darfur, wird aber über Port Sudan exportiert. Bei diesem Ausverkauf der Vermögenswerte des Landes arbeiten beide Seiten zusammen.

Die Kriegsparteien verbindet auch ihre gemeinsame Rolle bei der Spaltung des Landes. Sowohl die von den RSF als auch die von der Armee kontrollierten Gebiete sind intern gespalten. Ein «geeintes» Darfur unter der Herrschaft der RSF wäre Schauplatz von Zusammenstößen zwischen Paramilitärs und nicht-arabischen Rebellengruppen, die oftmals von der sudanesischen Armee unterstützt werden. Diese würde Darfur nur allzu gern wieder in Flammen aufgehen lassen, wenn sie sich dadurch das Zentrum des Landes sichern könnte. Dabei würde es auch zu Zusammenstößen zwischen denjenigen kommen, die der RSF eigentlich loyal verbunden sind. Arabische Gruppen in Darfur haben die Unterstützung der RSF genutzt, um in Streitigkeiten mit anderen Gemeinschaften, die auf klimabedingte Migrationsbewegungen in den 1970er Jahren zurückgehen, Gebietsansprüche geltend zu machen. Auch innerhalb der RSF kam es zu ethnischen Spannungen im Zusammenhang mit politischen Ämtern. Hemedti befindet sich nun in der gleichen Lage wie Bashir und muss ständig zwischen den rivalisierenden Milizen vermitteln, von denen seine Macht abhängt. Die Ausrufung einer Parallelregierung wird diese grundlegenden Dynamiken nicht auflösen können.

Wenn sich ein globales Kriegsregime herausbilden sollte, wird es nicht wie im Kalten Krieg zwei Pole haben, sondern vielfältige Koordinaten.

Auch die bunt zusammengewürfelte Koalition der SAF ist stark zerstritten und droht sich zu spalten. Die islamistischen Kräfte sind eher daran interessiert, eine Machtbasis im Zentrum des Sudan aufzubauen, als in Darfur und Kordofan Krieg zu führen. Einige Offiziere um Burhan stehen ihnen ablehnend gegenüber, ebenso einige Verbündete der Armee, darunter Ägypten. Die islamistischen Kräfte könnten einen Staatsstreich anstreben. Wer auch immer an der Spitze einer von den SAF geführten Regierung steht, wird sich mit den Monstern auseinandersetzen müssen, die sie entfesselt haben: Die Armee hat Milizenführer gestärkt, die nur vorgeblich loyal gegenüber Khartum sind und ihre Volksgruppen bereits in Konflikt mit ihren Nachbarn gebracht haben.

Die diplomatischen Bemühungen der sogenannten internationalen Gemeinschaft waren lächerlich. Ein Jahr lang versuchten die USA, beide Seiten im saudischen Dschidda an einen Tisch zu bringen, um einen Waffenstillstand zu vereinbaren, während die SAF entschlossen waren, den Krieg auf dem Schlachtfeld zu gewinnen. Im August 2024 erschienen sie gar nicht erst zu den Friedensgesprächen in Genf. Stattdessen kauften sie mit Geld aus Katar chinesische Kampfflugzeuge. Die Diplomatie konzentrierte sich darauf, einen Waffenstillstand zu erreichen und dann zu dem internationalen Plan zurückzukehren, der bereits nach dem Sturz Bashirs versucht wurde – und gescheitert war: eine Übergangsregierung, die Integration der RSF in die Armee und Wahlen. Ein solcher Ansatz klingt wie eine Fantasie aus den 1990er Jahren, als die Bücherregale der Politolog*innen voll waren mit Titeln wie «How to Build a State».

Das Kriegsregime als Enklaven-Kapitalismus

Diese Ära ist vorbei. Der sudanesische Bürgerkrieg ist zu lokal und gleichzeitig zu international, um durch einen diplomatischen Prozess gelöst zu werden, der sich auf die beiden Kriegsparteien konzentriert, die nur einen schwachen Einfluss auf die von ihnen rekrutierten Milizen haben und deren Geschäfte durch den Krieg florieren. Die Kräfte, die den Sudan spalten, sind struktureller Natur und finden Parallelen in anderen Teilen der Region: Der Zusammenbruch staatlicher Strukturen, von Söldnern unterstützte militärische Kräfte und die Fragmentierung des politischen Systems sind auch Merkmale der Konflikte im Jemen, in der Zentralafrikanischen Republik und in Somalia. Es erscheint immer weniger wahrscheinlich, dass die Fragmente wieder zusammengeführt werden können. Zumindest am Horn von Afrika scheint die Ära des Nationalstaates zu Ende zu gehen, und die Konturen eines neuen 19. Jahrhunderts zeichnen sich ab, in dem die Souveränität zerfallenen, von externen Interessen kontrollierten und durch lokale Dynamiken fragmentierten Ländern weicht.

Wenn sich, wie Hardt und Mezzadra annehmen, ein globales Kriegsregime herausbilden sollte, wird es nicht wie im Kalten Krieg zwei Pole haben, sondern vielfältige Koordinaten. Im Sudan finanzieren die Vereinigten Arabischen Emirate die RSF, kaufen aber auch Gold von der Armee und unterstützen einige der mit ihr verbündeten islamistischen Kräfte. Die Türkei verkauft Drohnen an Burhan, aber Ankara hat kürzlich auch Saddam Haftar, den Sohn des Generals, der Ostlibyen kontrolliert und die RSF mit Waffen und Treibstoff versorgt, zu einem offiziellen Besuch empfangen. Hier gibt es keine geopolitische Logik der Bündnisbildung: Jedes Land funktioniert wie eine Aktiengesellschaft und strebt nach Profit, wo immer er zu machen ist, auch wenn die politischen Konsequenzen damit unvereinbar sind. Die Trump’sche Dealpolitik ist seit langem das Markenzeichen der Mittelmächte, deren Reihen die USA offenbar beitreten wollen.

In einem solchen von Geschäftsinteressen geprägten globalen Kriegsregime ist der Raum für Widerstand fragmentiert. Die sudanesischen Widerstandskomitees – horizontal organisierte lokale Aktivist*innen, die Bashir stürzten – sind sowohl von der Armee als auch von paramilitärischen Einheiten ins Visier genommen worden. Einige haben zu den Waffen gegriffen und kämpfen nun an der Seite der islamistischen Kräfte, die sie zuvor von der Macht verdrängt hatten. Andere richteten Notfallzentren ein, die in Ermangelung staatlicher Unterstützung und internationaler humanitärer Organisationen heldenhaft im ganzen Land Gesundheitsversorgung und Nahrungsmittel bereitstellen. Bei genauerem Hinsehen lässt sich inmitten der Trümmer ein regelrechtes nationales Netzwerk von selbstorganisierten Hilfsgruppen erkennen. Ihr Überleben ist ungewiss. Die Kräfte, die den Sudan zerreißen, haben wenig Interesse daran, den Krieg zu beenden, der eine Art Enklaven-Kapitalismus hervorgebracht hat, der das Horn von Afrika in den kommenden Jahrzehnten prägen dürfte.

Bei dem Text handelt sich um die deutsche Erstveröffentlichung des Textes «Sudan’s World War», der zuerst von der «New Left Review» publiziert wurde. Die Zwischenüberschriften wurden redaktionell eingefügt. Übersetzung von Camilla Elle und Conny Gritzner für Gegensatz Translation Collective.